Kurort Cuxhaven Testbericht

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Erfahrungsbericht von Visor

Spaß für Jung und alt - dazwischen Ödnis

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Cuxhaven ist wahrscheinlich das beliebteste Urlaubsziel und Kurgebiet an der niedersächsischen Nordsee. Und warum das Ganze? Weil die Strände so paradiesisch sind und das Wasser so tief ist? Wohl kaum.

Die Strände sind langweilig und das Wasser flach – man hat es hier mit dem Nationalpark Wattenmeer zu tun. Das bedeutet: Das Wasser geht hier bei Ebbe nicht nur ein bisschen – ein paar Meter etwa – zurück, sondern ganz komplett bis zur Fahrrinne der großen Schiffe.

Große Schiffe kann man in Cuxhaven eine ganze Menge sehen. Nicht im Hafen, denn der ist winzig und wird hauptsächlich von der Fischindustrie genutzt, sondern von den Deichen aus. Es handelt sich mehr um Durchgangsverkehr, denn Cuxhaven liegt an der Ecke Elbe / Nordsee. Also fahren hier die Schiffe durch, die nach Hamburg, von Hamburg, zum oder vom Nord-Ostsee-Kanal wollen.

Deshalb sieht man auf den Wegen auch so viele Menschen mit lustigen Ferngläsern.

Überhaupt, was sind das denn so für Menschen, die sich in Cuxhaven tummeln? Nun ja, meine Eltern haben in Cuxhaven eine Ferienwohnung (und ich bin auch gerade hier, sie meinten, ich bräuchte mal ein bisschen Internetentzug. Naja, jetzt hab ich kein DSL, sondern nur einen Laptop mit 56k-Modem. *schluchz*), und deshalb war ich in meinem Leben schon oft genug hier, um das typische Cuxhaven-Publikum schildern zu können:

Erstens: Familien mit Kindern. Kleinkindern, besser gesagt. Bis vielleicht 12 Jahren geht es noch gut, denn bis zu dem Alter kann man die Kinder im Sommer am Strand vergnügen (mit Schaufel und Eimerchen), zu den Spielplätzen schicken, und welches Kind freut sich nicht, wenn es Tiere angucken kann – im Kurpark.

Zweitens: Die Kurgäste und andere vornehmlich ältere Menschen. Man sieht hier bei den Spaziergängen über Deiche, Wege vor und hinter den Deichen und am Strand außer Kindern fast nur alte Menschen. Rentner und so. Manche machen einfach nur Urlaub, andere genießen Kuren. Wieder andere (zum Beispiel meine Großeltern) haben früher woanders gelebt und sind zum Sterben... na ja, zum aktiven Erleben des fortgeschrittenen Alters... nach Cuxhaven gezogen.

Und das war’s auch schon. Vereinzelt sieht man Menschen wie mich: Teens und Twens, die von ihren Eltern mal gezwungen wurden mitzukommen oder sich nicht ausreichend durchsetzen können, um zu Hause zu bleiben und Tag und Nacht im Internet rumzustöbern. Alternativ: Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nicht Party machen möchten, sondern absolute Ruhe einfordern. Sollen sie haben!

Ich fänd’s hier ja auch gar nicht so schlimm, wäre nicht meine Familie die ganze Zeit um mich und gäbe es hier Attraktionen für junge Menschen. Es gibt eine Disco, aber die liegt außerhalb. Kneipen mit Appeal für die Jugend habe ich bisher leider noch nicht ausmachen können. Außer vielleicht das Musikcafé Schnapp (Strichweg in Döse).
Was man dann doch noch ganz gut machen kann, wenn man mit Freunden hier ist (was dann wieder spaßig ist), wäre zum Beispiel nachts auf dem Deich sitzen und Bacardicola oder sonstiges trinken (geht natürlich nur im Sommer). Oder fernsehen. Oder Radio hören. Oder zu den illustren Veranstaltungen des städtischen Veranstaltungsbüros gehen. Da kommen so nette Menschen wie Mike Krüger, die Flippers und diverse Shanty-Bands.

Uns hat mal eine nette alte Dame nach Duhnen (das ist hier so ein Kurteil) geschickt, weil dort eine Activity war, die "bestimmt etwas für junge Leute" sein sollte. Angekommen stellten wir fest, dass 100 Senioren und Familien mit Kleinkindern vor einer Showbühne standen und eine Dame anfeuerten, die mit dem Hüftschwung einer 50jährigen englische Popsongs mit deutschen Texten intonierte, während die Begleitcombo in den Rhythmus ein paar Polka-Beats und Akkordeontöne hineinpraktizierte.

Auch ganz hübsch für „junge Leute“ kann Cuxhaven sein, wenn man verliebt und zu zweit ist. Für Spaziergänge gibt es lange Strecken, ab und zu auch mal Parkbänke und natürlich den Kurpark.

Allerdings ist es zu Urlaubszeiten (in den Ferien, vor allem im Sommer, an Ostern und teilweise auch zum Jahreswechsel) richtig voll auf den Wegen und teilweise sogar am Strand.

Der Strand ist, wie gesagt, eher langweilig. Der Sand ist zwar relativ weiß, aber bis zum Wasser ist es nie weit. Strandkörbe – eine deutsche Unsitte – stehen dicht an dicht gedrängt, so dass die wirklichen Genießer – diejenigen, die sich auf einem Handtuch in der Sonne aalen – zu kurz kommen. Eisbuden sind in viel zu großem Abstand an der Strandpromenade verteilt, und man muss sich sehr vorsehen, dass man nicht von einem Kind im Buddeleifer den kleinen Zeh abgehackt bekommt.

Buddeln ist aber – ich spreche aus eigener Erfahrung – am schönsten im Watt. Denn hier hat man keinen lästigen Sand, der sofort wieder in die frisch ausgehobenen Löcher, Kanäle und Quallenspeicher strömt. Nein, man kann höchstens gegen das Wasser kämpfen. Das Wasser kommt immer näher! Wird die im Watt erbaute Burg den Wellen standhalten und wenn ja, wie lange. Wenn nein, wie machen wir es dann morgen besser? *g* Jaja, das waren noch Zeiten.

Das Watt ist aber vor allen Dingen eine Attraktion für Wattwanderer. Watt ist nicht ganz Watte, sondern eher Matsch. Aber nicht so, dass man darin einsackt. Das heißt, einige Stellen gibt es schon, an denen man bis zu den Knien im Schlick versinken kann und sich dabei die Haut an Muscheln und Krebsen aufreißt. Aber zum Großteil ist das Watt hart. Man geht darauf ungefähr wie in einem Garten mit leicht feuchter Erde. Nur dass es keine Erde ist, die zum Teil aus organischem Material besteht, sondern dass es nur eine Art Sand ist. Dunkler und feiner zwar, aber irgendwo schon Sand. Nun ja, Wattwandern soll sehr gesund sein, sowohl für die Füße (es sei denn, man latscht auf irgendwelche Muscheln oder in eine Qualle), als auch für den Geist. Denn man hat Leere vor sich. Kann kilometerweit gehen, ohne einem Menschen zu begegnen. Vorsichtig sollte man jedoch sein, wenn das Wasser kommt. Auch wenn es erst langsam aussieht, kommt es dann doch verdammt schnell, und eh man sich versieht, steht man bis zum Hals im Nordseewasser. Wenn man sich gar nicht mehr retten kann, gibt es immer noch sieben Rettungstürme, auf die man klettern kann. Ansonsten stirbt man leider qualvoll einen Ertrinkungstod. Dumm gelaufen.

Rote Ballons am Ufer warnen jedoch rechtzeitig vor dem nahenden Wasser und geben darüber Auskunft, ob man Schwimmen oder Wattwandern darf. Man muss ja auch nicht bis zu den Prielen gehen, in denen man sogar schwimmen und Fische fangen kann. Ist übrigens ein unangenehmes Gefühl, wenn ein doch relativ großer Fisch einem zwischen den Beinen durchschwimmt. Man kann auch parallel zum Strand gehen.

Eine ganz andere Möglichkeit ist, nach Neuwerk zu gehen. Neuwerk ist eine kleine Insel unweit der Küste und gehört zu Hamburg. Man kann sie zu Fuß erreichen – sollte sich dafür aber besser einen Wattführer nehmen, wenn man sich nicht im Watt verlieren und später als Nachricht in der Zeitung wiederfinden will. Alternativ kommt man per Schiff („MS Flipper“) oder mit einem Wattenwagen (also per Pferdekutsche) nach Neuwerk. – Wenn man überhaupt will. Denn Neuwerk soll auch nicht so der Hit sein, und so habe ich es bisher tunlichst vermieden, mich dorthin zu begeben.

Per Schiff kann man von Cuxhaven aus auch eine Hafenrundfahrt machen, die Seehundsbänke und diverse Wracks besichtigen oder mit einem schnellen Katamaran sowie dem größeren Schiff „Wappen von Hamburg“ nach Helgoland fahren.

Von den meisten Touristen völlig missachtet wird das Cuxhavener Umland: Fährt man – zum Beispiel auch mit dem Fahrrad – ein paar Meter aus der Stadt heraus in Richtung Elbe, kommt man zu Deichabschnitten, auf denen außer sehr wenigen Fußgängern und Radfahrern eigentlich nur Schafe unterwegs sind. Bzw. rumstehen. Manche Schafe sind auch böse und jagen einem hinterher. Dann ist das Fahrrad die bessere Wahl, weil man leichter wegkommt. Und ein Handy sollte man noch mitnehmen, damit man im Zweifelsfalle doch einen Krankenwagen rufen kann. Wie gesagt, es sind nicht viele Leute dort unterwegs. Und es wäre doch schade, wenn die Leiche erst ein paar Wochen später bei Deichausbesserungsarbeiten entdeckt würde. Ok, das war übertrieben, aber im ernst: Wenn einem dort mal was passiert, kann es lange dauern, bis jemand vorbeikommt und helfen kann.

Von Cuxhaven aus erreicht man des weiteren ganz leicht das hübsche Örtchen Otterndorf und auch Bremerhaven. In Bremerhaven kann man Schiffe gucken und Einkaufen, in Otterndorf rumsitzen, Eis essen usw.

Als Fazit noch mal:
Senioren und Familien mit kleinen Kindern: Gute Sache!
Familien mit älteren Kindern: Tut das Eurem Nachwuchs nicht an!
Jugendliche in Gruppen: Jo, warum nicht? (Empfehlung: Jugendherberge)

Ich hoffe, ich konnte ein bisschen mein Bild und meine Ansichten von Cuxhaven vermitteln und Euch damit bei einer eventuellen Entscheidung helfen.

Euer Stefan.
PS: Aufatmen. Endlich wieder zu Hause.

11 Bewertungen, 2 Kommentare

  • Gemeinwesen

    04.01.2007, 21:00 Uhr von Gemeinwesen
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wunderbar beschrieben, trefflich in Worte gekleidet - ein Lesegenuss, wie er hier selten ist . Es gab eine Zeit, da durchstreiften sogar ziemlich viele Jugendliche in Gruppen Cuxhaven und Umgebung (besonders die). Die waren auffällig unauffällig gekleidet

  • Anuschka

    15.02.2002, 11:48 Uhr von Anuschka
    Bewertung: sehr hilfreich

    War nicht so Dein Urlaub, was? *g*