Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von jacktyper

Gedanken

Pro:

Steht mir nicht zu...

Kontra:

... selbst zu urteilen

Empfehlung:

Ja

Seine Finger strichen langsam den Rand der hartgefederten Matratze seines Bettes entlang. Mittlerweile war es dunkel geworden und Daniel Maler versuchte krampfhaft sich zu entspannen. Er lag auf dem Rücken, starrte an die Decke und ließ seine Gedanken kreisen. Er fühlte sich einsam. Verlassen. Allein. Was hatte er nicht für eine schöne Zeit mit Susanna verbracht. War sie doch die Frau, die er sich immer gewünscht hatte. Daniel begann sich zu erinnern, wie er sie kennenlernte.

Es war doch ein ungewöhnlicher Ort, damals im Museum. Nie im Leben hätte er sich das erträumen lassen, denn es war doch einer dieser Tage, an denen er früh lieber im Bett geblieben wäre. Er ging in die 11.Klasse und seine Mitschüler hatten es nicht geschafft, die Lehrerin von einem anderen Ausflugsziel für ihren Projekttag zu überzeugen. Das Museum also. Naturwissenschaftliche Historie. Das musste gähnende Langeweile erzeugen, er wusste es, doch er konnte sich dem nicht entziehen. Aber dann sah er sie. Durch eine gläserne Vitrine hindurch blickte er in ihre tiefblauen Augen und er merkte selbst, dass es sofort um ihn geschehen war. Ihre langen, dunkelblonden Haare und ihr schüchterner Blick verzauberten Daniel in Blitzeseile. Nur wenige Sekunden blieb er stehen bis er realisierte, dass er sich diese Chance nicht entgehen lassen dürfte. Er ging um die Vitrine herum, nahm seinen Mut zusammen und sprach sie an. Und dann sah er ihr wunderschönes Lächeln.

Was waren es doch für schöne Zeiten. Daniel erinnerte sich, als sei es erst gestern gewesen. Sein Blick fixierte noch immer den gleichen Punkt an der Decke. Es schien kühler zu werden, doch das konnte ihn von seinen erwärmenden Gedanken nicht abhalten. Tausende Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf.

Wie oft ging er mit Susanna Eis essen, immer wieder ins gleiche kleine Café, das sie so sehr mochten. Wie schön war es, als sie im Freibad schwimmen gingen und wie kleine Kinder auf der Wiese tollten. Was hatten sie für Spaß, als sie mit dem Zelt in den Urlaub fuhren um zu campen und zu ihrer Enttäuschung jeden Tag Regen hinnehmen mussten. Doch es hatte sie beide nicht gestört, weil sie einander hatten. Stundenlang lasen sie sich abends Geschichten vor, bis sie gemeinsam einschliefen. Und über all dem stand ihre Hochzeit. Daniel war nie zuvor in seinem Leben so gerührt gewesen wie in dem Moment, als Susanna ihm ewige Liebe und Treue versprach und dabei selbst eine Träne nicht unterdrücken konnte. Wie lieb sie es fand, als er sie ihr aus dem Gesicht küsste. Was hatten sie nicht für eine Freude in den Flitterwochen in Venedig, wo sie sich immer wieder gegenseitig anstießen, die Zeit nicht nur im Hotelzimmer zu verbringen. Sie verbrachten heiße Nächte miteinander und Daniel genoss dieses angenehme Prickeln und spürte dabei stets aufs Neue, wie sehr er Susanna liebte.

Immer wieder erinnerte er sich an ihr Gesicht, als er sie das erste Mal erblickte. Wie sie ihn ansah und dann leicht verlegen den Kopf senkte. Daniel lag noch immer wie gefesselt in seinem Bett. Er wollte es nicht, doch er begann leicht zu weinen. Es war doch eine so wunderschöne Zeit. Doch er wusste, dass diese nun wohl für immer beendet sein würde. Er fragte sich, wie es so weit kommen konnte. War sie doch die Frau, die er sich immer erträumt hatte. Und seine Gedanken fanden keine Ruhe.

Die Erinnerung lieferte ihm die Bilder des Abends, als sie das erste Mal über gemeinsame Kinder sprachen. Er hatte das feste Bestreben, eine kleine Familie aufzubauen und Susanna erzählte ihm, dass auch sie sich bereits von klein auf ausgemalt hatte, wie schön doch eigene Kinder seien. Doch da war ja noch ihr Berufsleben. Beide wollten Karriere machen und so entschlossen sie sich, noch ein paar Jahre zu warten.

Vielleicht war es damals ein Fehler. Daniel begann sich Vorwürfe zu machen, während seine Finger immer schneller an der Matratze entlangstrichen.

Er spürte, dass er gut war in seinem Job. Er beriet große Unternehmen nach geeigneten Werbemaßnahmen. Daniel war ein Profi auf diesem Gebiet. Susanna war in einer Anwaltskanzlei tätig. Sie begann als Gehilfin, die für die großen Chefs Kaffee kochte. Es schien nie der perfekte Beruf zu sein, doch es bereitete ihr Freude und sie wusste ebenso wie ihr Mann, dass sie es bald schaffen könnte. Bis es so kam...

Daniel vernahm störende Geräusche, die ihn aus seinen Gedanken rissen. Er hörte entfernte Stimmen, konnte jedoch nicht verstehen, was sie sagten. Noch immer lag er auf dem Bett, noch immer starrte er an die Decke, doch mittlerweile schien ein ganzes Meer von Tränen sein Gesicht zu bedecken. Was war es doch für eine wunderschöne Zeit. Wie sehr hatte er Susanna doch geliebt. Aber die Vorstellung, dass der Beruf ihr gemeinsames Leben so verändern könnte, war für ihn undenkbar gewesen.

Susanna wurde befördert. Sie kam mit einem strahlenden Lächeln nach Hause und erzählte es Daniel in allen Einzelheiten. Nun konnte sie selbst als Anwältin arbeiten. Sie hatte die große Chance bekommen, was sie ihrer Meinung nach aufgrund des harten Jurastudiums auch verdient hatte. Und Daniel freute sich mit ihr. Fast immer in den vielen Jahren ihrer Ehe hatten sie Gründe, sich gemeinsam zu freuen. Gemeinsam Spaß zu haben. Gemeinsam zu leben.

Daniel vermisste die Zeit schon jetzt. Unerklärlich, warum es so enden musste. Warum das Leben so hart sein konnte. Er wusste, dass es die beste Zeit seines ganzen Daseins war, und dass es kein vergleichbares Glück mehr für ihn geben werde. Er liebte Susanna. Bis der Gehaltsscheck kam. Bis klar war, dass sie nun mehr verdienen würde als er. Bis er unkontrolliert in die Küche ging, ein Messer aus der Schublade holte und siebzehn Mal auf Susanna einstach.
Ein schepperndes Geräusch ließ Daniel hochfahren. Die steinerne Tür des kleinen Raumes öffnete sich und ein Wärter stellte das Abendessen auf einem Tablett in den Raum. Doch als dieser die Zellentür schloss, war Daniel längst wieder in Gedanken versunken.

15 Bewertungen, 4 Kommentare

  • morla

    18.10.2005, 16:57 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • anonym

    18.07.2005, 00:15 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    geschichte!!! liebe grüße tammy

  • Kiki1988

    28.06.2005, 20:50 Uhr von Kiki1988
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht! Würde mich freuen wenn du meine Berichte auch bewerten würdest. Lg kiki

  • Anselm0492

    28.06.2005, 20:43 Uhr von Anselm0492
    Bewertung: sehr hilfreich

    Könnte übersichtlicher gestaltet sein