Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von DJMoench

Radio

Pro:

Sehr interessante These

Kontra:

Im Zusammenhang noch besser

Empfehlung:

Ja

Radio

Mit zusammengekniffenen Augen starrte Julius di Sevilla y Jaños durch die Windschutzscheibe. Eine österreichische Vignette aus dem Jahre 2011 haftete in der linken oberen Ecke. Der Scheibenwischer kratzte über einige getrocknete Fliegen. Di Sevilla stellte ihn aus, um das unangenehme Quietschen zu vermeiden.
„...21 Kilometer Stau. Und nun zum Wetter: im Laufe des Mittags wird das Hoch «Luzia» von dem Tief «Janosch», das aus England herüberzieht, verdrängt werden. Nach anfänglichen Niederschlägen im Nachmittag über Nord- und Westdeutschland wird gegen Abend noch mit ein wenig Sonne zu rechnen sein, bevor eben diese untergeht, und «Janosch» zieht weiter gen Bayern, wo er bei stürmischen Windböen und starkem Niederschlag die Nacht verbringen wird. In der folgenden Sendung «Mittags essen!» wird Sie nun Martin Schröder durch die Welt der Grottenolme führen. Marten, bitte erkläre uns, was...“
„Scheiß Radio“, fluchte di Sevilla, indem er den Sender wechselte.
„...und nun hören Sie die griechischen Tänze von... daher hatte die DDR eine legendäre... und weiter in unserer Oldie-Reihe mit Simon & Garfunkel und... David, Frage Nummer drei an Sie: wer schrieb den Text für... achte Korruptionsfall dieses Jahr... erschütternde Nachricht über das Verschwinden der kleinen Corinna... nun ja, ein Grottenolm ist von daher... in Griechenland aufgewachsen, zuerst in der Musikhochschule... lediglich kommunistische Einflüsse der UdSSR in Berlin... «hear my words so I might teach you, take my arms so I might reach you, but my words like silent»... diese Antwort war total daneben, David, sind Sie betrunken oder...“
„Scheiß Radio“, fluchte di Sevilla erneut, indem er es ausstellte. Er kramte im Handschuhfach auf der Suche nach einer Kassette.
„Scheiß Tapes“, murmelte er erneut, als er nichts fand. Es rumpelte in seinem Kofferraum, als er einige Meter weiter fuhr.
Er stand, keinen Meter bewegte sich die Autoschlange weiter.
„Scheiß Stau, scheiß Unfall, scheiß Welt“, brummelte er vor sich hin. Sein linkes Auge zuckte nervös, während die Minuten langsam verstrichen.
Di Sevilla drehte das Radio wieder an.
„... damit haben Sie 600 Euro verloren, David, bitte überweisen Sie das Geld an die Kontonummer... «she hangs her head and cries in my shirt, she must be hurt very badly, tell me what\'s making you»... im Gegensatz zum kapitalistischen Sozialstaat hat eine diktatorische Demokratie mit sozialistischen Wirschaftszügen... verstarb er 1961 in Athen, wo seine griechischen Tänze im selben Jahr in Cis-Moll uraufgeführt wurden, als... das Paarungsverhalten der Grottenolme ist auf sonderbare Weise faszinierend... nach wie vor ist die elfjährige Corinna verschollen, ebenso ihr Vater... Bestechungsgelder in Höhe von acht Millionen Euro angenommen zu haben... David, leben Sie noch? Was war das für ein Knall?... ebenfalls verwickelt waren die Gewerkschaften der Stahlarbeiterindustrie... er hatte in einem langweiligen, ähm, langwierigen Prozess um das Sorgerecht für die Kleine gekämpft- vergeblich. Seine Ex-Frau, die Mutter von Corinna... nach der Kopulation währt die Bindung der Grottenolme noch... düdelü-didi-da-düdelü-didi-di-düdelü-didi-dü-düdelü-didi-de... wie Goebbels autobiographische Anmerkung bezüglich der revolutionären Schöpfungskraft industrieller...«Sad Lisa» von Cat Stevens, und nun die Beatles mit... er hat sich erschossen, oh mein Gott, oh mein Gott, David hat sich... achte Fall von Bestechung in nur drei... «wirkte immer sehr nett, doch nach der Trennung, als er Corinna nur noch so selten sehen sollte, wurde er zunehmend»... der junge Grottenolm muss nun jedoch langsam lernen, seine... der Repetition im sechsten Takt, die seine Gefühlslage während seines Aufenthalts... gravierende Akzeptanzdifferenzen renommierter Observatoren revolutionärer Bilanzmanipulationen rezitierte... «happiness is a warm gun, bang, bang, shoot, shoot, happiness is a warm gun, when I hold you in my arms and I feel my finger on your trigger»...ruft die Polizei, ihr Deppen, scheiße, David, was machen Sie, scheiße, oh mein Gott, scheiße, David, oh mein Gott, wie hieß er denn mit Nachnamen, oh mein... zunehmend korrupter, während der Sprecher der Gewerkschaften aussagte, es sei... und diese Aggressivität, äußerte die sich auch Corinna gegenüber?... vom kleinen Grottenolm zum gefährdeten Gejagten, der seine Feinde, unter anderem auch den... melancholische Ausklang im letzten Takt, der ungewöhnlicherweise nicht das Cis-Moll beibehält, sondern das... intervenieren akkurate Subventionen dezenter Arrythmie zu korpulenten...«and so I came to see him and listen for a while, and there he was, this young boy, stranger to my eyes, killing me softly»... oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, scheiße, scheiße, scheiße, scheiße, scheiße, scheiße... Unterlagen, die momentan nicht auffindbar seien, es habe allerdings nach wie vor zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden... nichts Neues im Fall der elfjährigen Corinna, die vermutlich von ihrem Vater Julius di Sevilla y Jaños gewaltvoll entführt... und so nimmt das kurze, aber erfüllte Leben des kleinen Grottenolms sein Ende... das letzte Werk des Griechen, erfüllt von starker Depression. Und nun... im Mauerfall sein Ende nahm. Sie hörten... «he shot me down, bang, bang, I hit the ground, bang, bang»... oh mein Gott, David, wie konnten Sie mich so erschrecken, das war der schlechteste Scherz... droht den Sprechern und dem Vorstand eine Haftstrafe von...“
Di Sevilla stellte das Radio aus. Nur das leise Bummern aus dem Kofferraum war noch zu hören. Die Autoschlange stand weiterhin still.


----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2004-09-22 08:58:35 mit dem Titel Promotion

Ist eigentlich keine Kurzgeschichte, sondern der Anfang einer Novelle, die ich kürzlich geschrieben habe, aber lest euch trotzdem ruhig mal rein...Vorbereitungen

Mein Handy, das wahrscheinlich letzte Alcatel One Touch Easy, das noch benutzt wird, piept zweimal und zeigt mir damit an, dass ich eine SMS bekommen habe. Ich ziehe es aus meiner Hosentasche - ich trage eine dunkelblaue Baggy-Jeans von Freeman T. Porter zu meinem schwarzen halb-Polyester-halb-Baumwoll-Hemd -, wo es zwischen Papiertaschentüchern, einer Packung Peter Stuwjesand Zigaretten und einem vergoldeten Zippo-Feuerzeug geruht hatte. Kurz rechne ich zusammen, dass der Inhalt meiner linken Hosentasche einen krassen Gegensatz zu meinem restlichen Outfit bildet und dessen Wert um ein unzählbar Vielfaches überschreiten dürfte: meine Kleidung plus Brille, Feuerzeug, Handy, Zigaretten und Taschentüchern schätze ich auf - Hemd zwanzig, no name, Hose hundertzwanzig, Porter, Boxershorts zehn, Calvin Klein, T-Shirt und Strümpfe vier, no name, Schuhe dreihundert, Nike, hellblau, Brille sechzig, Fielmann, Feuerzeug und Kippen vierzig, Handy und Taschentücher zehn - 564 Euro, meiner linken Hosentasche Inhalt - zwei Portemonnaies je siebzig, no name (glaube ich), Bargeld siebenhundert, Bankkarten: Postbank zehntausend, Sparda Bank zehntausend, Deutsche Bank zwanzigtausend, Sparkasse zwanzigtausend, Citibank fünftausend, CC-Bank fünftausend, SEB fünftausend; Kreditkarten: Visa fünfzehntausend, Mastercard zwanzigtausend, American Express fünfunddreißigtausend; gefälschte Papiere: Personalausweis fünfhundert, Führerschein fünfhundert, drei Bankkarten mit je zweitausend Guthaben zu je siebenhundert, zwei Kreditkarten mit je viertausend zu je tausend (Master und AmEx), Presseausweis dreihundert, Polizeiausweis tausend, Bahncard 100 dreihundert, Versicherungskarte der Barmer Ersatzkasse zweihundertfünfzig, Büchereiausweis hundert, Jahreskarten für elf Clubs, alle Schwimmbäder zusammen und öffentliche Verkehrsmittel je hundertfünfzig, alle Papiere perfekt und auf einen anderen Namen gefälscht, zusätzlich einiges davon noch zweites Mal auf meinen Namen (Jahreskarten und Bahncard 100); Handykarten mit dreihundert Guthaben, Gras für etwa hundertfünfzig Erlös, circa zwanzig Gramm, Koks für knapp tausend Erlös, vierzehn Gramm von ziemlich schlechter Qualität - auf 152.540 Euro, macht fast 152.000 Euro mehr.
Die SMS besagt, dass ich ab achtzehn Uhr in der Privat-Bar meines Kollegen André von Wißmar, einem Bänkersohn, nun Besitzer einer lukrativen Hunderennbahn, erwartet werde. Ich durchstöbere die Post: Zinsbescheide all meiner Banken, insgesamt etwa 650 Euro für ein Quartal, meine Oma schickt mir, ihrem „armen, arbeitslosen Enkel“, die monatlichen hundert Euro, die, ich sehe es jetzt schon kommen, keine zehn Stunden mehr in meinem Besitz bleiben werden, und ein Brief von meinen Eltern, die mir mal wieder schreiben, ich müsse mir keine Sorgen machen, meine Miete sein bezahlt, ich solle mir einen Job suchen und wenn ich Knete bräuchte, dürfe ich sie ruhig ansprechen, schließlich bekämen sie noch Kindergeld für mich, noch acht Jahre, zur Not, bis ich siebenundzwanzig bin, zur Not.
Meine dreitausend-dreihundert-Euro-Rolex zeigt mir an, dass es in Bälde sechzehn Uhr ist, während ich sie aus einer Schnupftabakdose in meinem versteckten Wandtresor krame und mir umbinde. Auf Ringe verzichte ich heute. Ich schalte meinen 60-Zoll-Fernseher von Sony aus und schließe den Schrank mit meinem DVD-Recorder und den rund hundertdreißig DVDs, alles Originale, ab, bevor ich erst meine Wohnung, dann das Haus verlasse, indem ich mir einen schwarzen Herrenkurzmantel von irgend einer C&A-Marke, vermutlich Angelo Litrico, siebzig Prozent Baumwolle, umwerfe, und mit der S-Bahn zum Kundenparkplatz des Restaurants „Drei Könige“ fahre, wo mein auf schwarz umlackierter Mercedes CL 500 mit neu schwarz bezogenen Ledersitzen und komplett neu eingebauten Armaturen auf mich wartet. Die Nummernschilder des auf einen gewissen Michael König aus Bochum, meine gefälschte Zweitexistenz, angemeldet, lächeln mich an, frisch geputzt und poliert und zur strahlenden Karosserie passend.
Ich gebe Andre Dhubet, dem Chef des Lokals, welches mein Stammrestaurant ist, Bescheid, dass ich für morgen gerne den üblichen Tisch, eine knusprig gebratene Ente mit süß-saurer Soße und einen guten Burgunder für vierzehn Uhr hätte und gedächte, mit meinem Wagen - ich danke ihm vielmals für seine Organisation von dessen Wäsche und Politur - zu fahren und erst morgen auf meinen Stammparkplatz zurückzukehren. Auf seine Antwort hin, er werde das arrangieren, drücke ich ihm mit einem dankbaren Lächeln einen Zehner in die Hand und gehe.

Wenig später. An der Tankstelle gebe ich weitere fünfzig Euro, davon zehn für eine halb-Liter-Flasche billigsten Champagners, falls man dieses wertlose, leicht perlende Gebräu als solchen bezeichnen kann, aus, somit bleiben lediglich vierzig von Oma. Nachdem ich mir bei einer anderen Tankstelle, diesmal Aral statt Esso, einige Schokoriegel, hier mit noch nicht abgelaufenem Verfallsdatum, für insgesamt sieben Euro zwanzig - 1,20 das Stück, drei KitKat, zwei Mars und ein Snickers - erstanden habe, steuere ich, „Bluntz in the air“ –HipHop - von Choobakka hörend, ein Hochhaus nahe dem Hafen - und Industrieviertel an, wo ich meinen Mercedes - übrigens ist der Stern speziell mit der Batterie verbunden, um dreiste Vandalen durch einen „kleinen“ Stromschlag abzuschrecken, eine zwar illegale, aber durchaus wirksame Methode - abstelle und fünf Treppen à elf Stufen erklimme. An der Wohnung Nummer 16 klingele ich.
Mein privater Dealer, ein widerlicher Schleimer, der mich allerdings nicht mit gestrecktem Stoff über den Tisch zu ziehen versucht, da er zittert, sobald er nur das Kratzen meiner Schuhe auf dem geschmacklosen Fußabtreter, von dem mich ein „Willkommen“ quakender Frosch angrinst, vor seiner Tür hört, öffnet und kriegt die Schampus-Flasche in die Hand, die er mir zum begrüßenden Handschlag hinhält, anstelle eines solchen gedrückt.
Ich verachte meinen Dealer, einen inzwischen bestimmt vierzigjährigen gebürtigen Halbinder. Er ist ein Zwerg, sowohl körperlich - ein Meter sechzig - als auch geistig - IQ schätzungsweise 85, - bis 95 -, und hat viele, strähnig-fette schwarze Haare, die er in einem Pottschnitt trägt.
Er beginnt, als sei es ein Ritual, wie immer in seinem fließend gebrochenen Deutsch auf mich einzureden ohne auch nur ein Mal Luft zu holen: „Ah, hallo, wie gehen, wie stehen? Brauchen Gras wieder? Haben indisch, afghanisch, türkisch, polnisch Gras, nix gestreckt, gut Gras, sehr gut Gras. Peace? Haben gut Stoff für dich, schlecht Stoff für dich Kunden...“
„Zum Weiterdealen kauf\' ich nich\' bei Ihnen, zum tausendsten Mal, ich krieg\' noch schlechteres Zeug, wenn ich wen abziehen will. Und ich hab\' noch \'ne Menge“, unterbreche ich ihn, noch bevor er mir seine Kokainvorräte aufzuschwatzen versuchen kann. „Geben Sie mir, sagen wir mal, fünf, nein, sieben Gramm schwarzen Afghanen, das Zeug vom letzten Mal.“
Nicht nur der angemessene Respekt, den der Halbinder mir entgegenbringt, macht mir meinen Dealer sympathisch, auch seine Eigenschaft, mir Longpapers zu schenken, die ich durch seltene Geschenke wie zum Beispiel den Champagner, unterstütze, mag ich. Ich stopfe mir gerade ein pralles Grastütchen aus Plastik, ohne das kindische aufgedruckte Hanfblatt, und vier Päckchen „OCBs long and slim“, die schwarzen, in die Tasche meines Mantels, als mir noch etwas einfällt.
„Ach, geben Sie mir doch noch zwanzig Gramm Peace, vom absolut miserabelsten, dass Sie auf Lager haben.“
Ich habe keine Lust, noch zu meinem Zwischendealer zu fahren, daher gebe ich mich mit der etwas weniger riesigen Gewinnspanne zufrieden.

Als ich in mein Auto steige, habe ich vierzig Euro investiert - mit Oregano gestreckt, zerkleinert, vielleicht mit einem minimalen Zusatz von mildem Vanilletee, mit etwas Haarspray präpariert, um für mehr Gewicht und „echteres“ Aussehen zu sorgen, kriege ich wahrscheinlich hundert bis hundertfünfundzwanzig Euro von den ekelhaften Junkies, denen ich so einen Müll ausschließlich zumuten möchte, dafür - und hundertneunzehn Euro siebzig für mein eigenes Vergnügen ausgegeben; viele Leute sagen mir, wenn ich über siebzehn Euro pro Gramm Gras ausgäbe, könne ich doch gleich koksen, aber erstens bin ich gegen das Schniefen von high-machenden Rauschgiften und zweitens könnte keine Droge der Welt, erst recht keine, die nicht Halluzinationen der härtesten Sorte hervorruft, an den Genuss von meines Dealers schwarzem Afghanen - jedoch keinem normalen, ordinären schwarzem Afghanen, sondern einer exklusiven Spezialzüchtung oder Geheimmischung - herankommen; drittens kenne ich nur einen vertraulichen Koksdealer und dessen Stoff ist Müll.
Die Einrichtung meines Autos dürfte etwa soviel wert sein wie die meiner Wohnung: Autoradio mit eingebautem siebenfach CD-Wechsler, einschließlich MP3-Abspiel-Funktion, sechs Surround-Boxen zusätzlich zu den ursprünglichen „Laut“sprechern, je neunzig Watt, plus ein Subwoofer, dessen Werte ich nicht kenne, der mich aber bei einem Hehler auf dem Schwarzmarkt, steuerfrei, rund dreieinhalb Tausend Euro gekostet hat, und der dem Klang nach wahrscheinlich das Dreifache wert ist; ein etwas spartanischer, allerdings dennoch circa achttausend Euro teurer Getränkespender (Leitungen von den „Depots“ im Kofferraum zu jedem Sitz, unsichtbar verlegt, digitale „Bestellung“, jedoch nur drei Anschlüsse, zu, momentan, CocaCola, FrühKölsch und Johnny Walker Red Label, 1986er, zehn Liter zu insgesamt dreihundertfünfzig Euro, geschmuggelt, Hehlerware); tragbarer Fernseher, 25 Zentimeter, in den Rücken des Beifahrersitzes eingebaut, Anschlüsse für die im Kofferraum lagernden Spielkonsolen (umgebaut, sodass vier Skartanschlüsse gleichzeitig belegt werden können, per Fernbedienung umschaltbar), als da wären X-Box, GameCube, PlayStation 2 und Sega Dreamcast, die nicht mehr hergestellt wird und für die ich alle je produzierten Spiele besitze, zusätzlich ein DVD-Player und ein Video-Recorder; zu guter Letzt ein Laptop unter dem Fahrersitz - 3,2 GH, achtzig Gigabyte Festplatte, 526 DDR-RAM Arbeitsspeicher, diverser Schnickschnack -, außerdem endlos viele Kassetten, Videos, DVDs, PC - und Konsolen-Spiele und, vor allem, CDs. Höchstens die „Parfümerie“ in meinem Badezimmerschrank enthält ähnliche Werte (Hugo Boss, Jade, Puma, Nivea, Franky, Giorgio Armani, Bruno Banani, Adidas, und, und, und).
„Guess who\'s back“ von Rakim - HipHop - läuft. Ich fahre zu einer dritten Tankstelle, Shell, wo es die meisten verschiedenen Tabaksorten gibt, und ich bezahle je drei Euro achtzig für je zweihundert Gramm: Drum, Java Javaanson, Lion und Fair Play; und sechzig Euro für vier Zigarren, durchschnittliche kubanische Handgedrehte. Außerdem nehme ich drei 0,75 l Flaschen Batida de Coco und zwei halb-Liter-Flaschen Kleiner Feigling für insgesamt 41 Euro mit, eine Tafel Ritter Sport und eine Hand voll ein-Zentiliter-Flaschen Johnny Walker packe ich in meine Taschen, während die Kassiererin für den nächsten Kunden nach einem Feuerzeug sucht.

Neben meinem Auto stehend, dass ich inzwischen auf der obersten Etage eines Parkhauses geparkt habe und aus dem „Married to the game“ vom gleichnamigen Too Short Album klingt, rauche ich die billigste der Zigarren - 12 € -, bevor ich in meinen dort stehenden Zweitwagen umsteige und drei Tankstellen abklappere, um endlich „Gawith Apricot Snuff“ zu kriegen.
Ich schaue auf die Uhr - siebzehn Uhr elf.
Mein Zweitwagen ist ein schwarzer Lieferwagen der imaginären, allerdings eingetragenen Firma „König Notfalldienst“, der laut der Aufschrift, die auch den Zusatz „Reparaturen jeglicher Art und zu jeder Zeit“, von hier bis nach Bochum agiert, ein Fünfsitzer, eher spärlich eingerichtet, mit einem simplen dreifach-CD-Wechsler und lediglich fünfzig-Watt-Boxen, sechs Stück anstelle der Lautsprecher, aber geräumig. Ich lege die CD „Decade“ von Sticky Fingers, einem der Rapper der HipHop-Crew Onyx, ein und lasse mich von dem Lied „Suicide Letter“ zudröhnen, während ich nach Hersel, in einen kleinen Vorort der Stadt fahre.
Vor einem Einfamilienhaus halte ich und steige aus, stecke vorher noch einige Accessoires in die Taschen.

Wenn ihr noch mehr lesen wollt, lest mal meinen Bericht \"Zweite Hälfte der Promotion\"



----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2004-09-22 09:00:44 mit dem Titel Zweite Hälfte der Promotion

Mit einem freundlichen „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“ öffnet mir eine etwa fünfzigjährige Dame die Tür. Sie ist recht pummelig und trägt eine weiße Stoffhose, die ganz adrett ausschaut, zu einer unpassenden und geschmacklosen hellblauen Bluse; ihre Haare sind grau, kurz und ein wenig gelockt. An den Füßen hat sie Mokkassin-artige Hausschuhe und keine Strümpfe.
Ich nehme ihre Hand, deute einen Handkuss an - der Abstand zwischen meinem Mund und ihrer Hand beträgt in etwa die vorgeschriebenen zehn Zentimeter, da diese Geste, wie viele nicht wissen, vielmehr eine Verbeugung als ein tatsächlicher Kuss auf die Hand ist - und stelle mich als Michael König vor, der ihren Sohn Christian Esch, der doch hoffentlich noch hier wohne, zu sprechen wünscht. Sie erklärt mir, ich müsse die Treppe zu meiner Linken hochgehen und die zweite Tür links wählen, um zu ihrem Sohn zu gelangen.
„Herein“, ruft das erbärmliche Schwein Lil\' Boy, wie sich Christian Esch in anderen Kreisen zu nennen pflegt, auf mein Klopfen hin.
Ich öffne die Tür und sehe mich um, mit dem Ziel, einen halbwegs interessierten Eindruck zu machen. Lil\' Boy, siebzehn Jahre alt, braune, kurze, leicht gelockte Haare, trägt eine Tommy-Hillfigger-Baggy, hellblau, wahrscheinlich für 49,99 Euro bei „Dark“ gekauft, und ein graues Muskelshirt, das seine erbärmlichen, untrainierten Arme viel zu deutlich zeigt. Er sitzt vor seinem PC, einem alten Compaq Pressario, vermutlich um die sechshundert MH, zehn Gigabyte, 128 RAM Speicher, 8-fach-CD-Brenner ohne Rewrite-Funktion, kein DVD-Laufwerk, mit Internet-Anschluss über Modem, wahrscheinlich AOL, der auf einem PC-Ecktisch von Ikea steht. Lil\' Boys Zimmer ist klein, unaufgeräumt und mit einem Bett, dem Tisch, einem Schrank und einem Regal größtenteils vollgestellt.
Auf dem Bett, rot bezogen, liegt ein Mädchen, etwa fünfzehn, Standard, Kinderoberweite, etwas dickliches Gesicht, aber ordentlicher Hintern, in einer dunkelblauen Jogginghose von Adidas und einem hellblauen Top von Fishbone. Ihre Haare sind etwas über schulterlang, dunkelblond und ziemlich glatt, ein wenig zu fettig eventuell.
„Wer ist das?“, fragt sie ihren Freund unhöflich laut.
„Schweige, Schlampe“, raune ich ihr zu.
Lil\' Boy sieht ein wenig ängstlich aus, er blinzelt verdächtig oft. Es riecht nach schlechtem Gras hier drin. Neben dem Mousepad liegen Java Javaanson Papers, kurz, daneben ein rosafarbenes BIC-Feuerzeug, fünfzig Cent in jedem Dönergrill.
„Ähm, Nati, du gehst vielleicht besser kurz raus“, meint Esch, der kleine Pisser.
„Nati?“, erkundige ich mich und schließe die Tür.
„Natascha“, antworten beide kurz nacheinander. Widerwillig steht sie auf.
„Bleib stehen“, sage ich, als sie an mir vorbei geht. Sie geht weiter.
„Tu, was er sagt“, ruft Esch sie zurück.
„Wer ist das, Chrissi?“, will Natascha, das ekelhafte Flittchen, erneut wissen, indem sie zurückkommt und nun fast neben mir steht.
Chrissi? Da klingt selbst Lil\' Boy seriöser.
„Maul halten, Miststück. Leg dich wieder auf\'s Bett“, meine ich und schiebe sie, ihr an den Hintern packend, in die richtige Richtung.
Eingeschüchtert gehorcht sie. Ich gucke Esch an, selbstsicher, vielleicht ein bisschen wütend angehaucht, wahrscheinlich bedrohlich, er guckt mich an, unsicher, allerdings nicht fragend. Er weiß ganz genau, warum ich hier bin.
„Sie kriegen das Geld!“, meint „Chrissi“ nach einiger Zeit des Schweigens.
„Welches Geld?“
„Klappe, Bitch! Wann?“
„Bald. Ich muss noch verchecken.“
„Ich hab\' dir das Zeug vor...“, ich gucke auf meine Rolex, obwohl ich es sowieso genau weiß, „...achtzehn Tagen geliefert, du meintest, dass du nach zehn Tagen die Moneten rüberrückst. Wo war das Geld?“
„Ich war... bei meinen Großeltern, keine Zeit, wissen Sie.“
„Das juckt mich nicht, du Spasti. Wieviel hast du?“
Meine rechte Hand wandert vorsichtshalber schon mal zur Hosentasche.
„Ich habe“, er holt sein Portemonnaie - grün, von Eastpack, acht Euro - raus und zählt sein Geld, „sechzig Euro.“
Ich gehe zu ihm und nehme zwei Zwanziger und zwei Zehner. Natascha schweigt weiterhin, atmet aber sehr laut.
„Atme leiser!“
Sie atmet leiser.
Ich gucke mich noch einmal um. Hinter der Tür steht ein TV-Wagen mit einem Ericson-Fernseher und einem Philips-DVD-Player, daneben die DVDs „Next Friday“, mit Mike Epps und Ice Cube, nach dem lustigen ersten Film, noch mit Chris Tucker, eher enttäuschend, „Eiskalte Engel“, ziemlich fresh, mit einer heißen Sarah Michelle Gellar und einer passablen Reese Witherspoon, „Eine wie keine“, schlecht, „Schrei wenn du kannst“. ordentlich, vor allem der Atmosphäre und der filmtechnischen Aspekte wegen, trotz des fehlenden Kommas im Titel, „The Ring“, einfach nur gut, „Men In Black“, Teil 1 & 2, beide in Ordnung, doch einander größtenteils ähnlich, „Fight Club“, genial, mehr muss man dazu nicht sagen, und „How High“, allerdings die deutsche Fassung, also „So high“, Mittelmaß, aber lustig. Auf dem Fernseher liegt Lil\' Boys Handy, ein Nokia 6210.
„Den Rest kriegen Sie in einer Woche, ich krieg\' das Geld.“
„Wieviel hast du selber geraucht?“
„Was?“
„Wieviel hast du selber geraucht?“
„Nichts.“
„Wieviel hast du selber geraucht?“
„Nichts, Mann.“
„Wieviel hast du selber geraucht?“
„Ein paar Gramm.“
„Wieviel?“
„Zehn, vielleicht fünfzehn Gramm.“
„Was?“
„Okay, vielleicht achtzehn. Aber, ich bezahl\' das doch, ist doch egal, was ich damit mache, Sie kriegen Ihr Cash.“
Innerlich lache ich diesen Idioten aus. Er hat achtzehn Gramm des schlechtesten Stoffes geraucht, der je verkauft wurde, wahrscheinlich zu sechzig Prozent gestreckt. Äußerlich bewahre ich jedoch meinen gelassenen, gefährlichen Anschein.
„Also, du willst mir in einer Woche, fünfzehn Tage zu spät, das Geld geben?“
„Ja“, antwortet er zögerlich.
„Nein.“
Ich gehe zum TV-Wagen, die rechte Hand noch immer an der Hosentasche, und ziehe mit der Linken einen Plastiksack aus meiner linken Manteltasche. Ich greife hinter den Fernseher und stöpsele das Verbindungskabel zum DVD-Player betont langsam aus, gucke die ganze Zeit über allerdings „Chrissi“ an, auf jede Bewegung achtend.
„Alter, den kannst du nicht bringen“, schreit er mich an, während er von seinem Stuhl aufspringt. Fast synchron dazu fährt meine Hand in Sekundenschnelle in die Tasche und ein Springmesser umklammernd wieder hinaus. Ein kurzes, metallenes Sirren erklingt und die vierzehn Zentimeter lange Klinge erscheint. „Nicht? Dann gib mir hundertvierzig Euro! Und tu deiner Kehle den Gefallen und duz mich nicht!“
Lil\' Boy guckt seine Freundin hilfesuchend an, die nichts als „Ich hab\' nur drei Euro!“ antwortet. Ich fange an, erst den DVD-Player, dann die Filme in den Plastiksack zu stopfen, murmele dabei vor mich hin.
„Sechzig, sechsundsechzig, zweiundsiebzig, siebenundsiebzig, zweiundachtzig, neunundachtzig, neunundneunzig, hundertsechs, hundertelf“, und, indem ich das Handy einpacke, „hundertvierzig, etwa. Vielen Dank, und, Nati, hau rein, geiler Arsch!“
Ich halte mir den nun gefüllten Sack unter den Mantel, verlasse den Raum, gehe die Treppe runter und verabschiede mich mit einem „Ich wünsche Ihnen noch einen wunderschönen Tag, Frau Esch!“ von Lil\' Boys Mutter, bevor ich herausgehe, in meinen Lieferwagen einsteige und Richtung Altstadt wegfahre.
Siebzehn Uhr achtundfünfzig. Musik: „Growing Pains“, Ludacris, von dem Album „Word of Mouf“ - HipHop.

In der Altstadt halte ich vor einem abgewrackten Laden namens „Borat hat“, trete ein und reihe meine Beute auf der Theke auf.
Borat, der Besitzer des Ladens, ist Iraki. Er ist etwa eins siebenundsiebzig und hat einen enorm dicken Bauch, den er unter der Theke versteckt, indem er sich darauflehnt. Er hat schütteres Haar und einen faulen Vollbart - jedenfalls sieht der Bart irgendwie faul aus, anders kann ich es leider nicht beschreiben; er ist einfach ungepflegt, struppig und schon leicht ergraut, im Gegensatz zu seinen noch vollständig schwarzen Haaren. er mustert die Ware etwa zwanzig Sekunden lang.
„Hundert.“ Er.
„Zweihundert!“ Ich.
„Hundertzehn.“
„Hundertneunzig!“
„Hundertfünfzehn.“
„Sparen wir uns den Müll. Hundertsiebzig und die Sache läuft!“
„Hundertvierzig.“
„Gebongt.“
Er gibt mir das Geld.
„Schniefen?“, frage ich.
„Was?“
„Aprikose.“
„Gut.“
Ich packe den Schnupftabak aus und wir bereiten acht Lines à sechzehn Millimeter Länge und dreieinhalb Millimeter Breite, so ungefähr. Nach drei Lines direkt hintereinander niest Borat, ich erst nach der vierten. Die übrig bleibende pustet er auf den Boden.
Meine Nase kribbelt noch ein wenig, sie kommt mir ein bisschen kalt vor. Die Luft, die ich einatme, scheint nach Aprikose zu duften, sehr leicht nur, doch aromatisch. Mein Kopf wirkt etwas leichter als zuvor, ein wenig frei.
„Brauchste was?“, erkundigt sich Borat.
„Was?“
„Butterfly?“
„Wie lang?“
Achtzehn fünf.“
„Wieviel?“
„Fünfzig.“
Mehr als achtunddreißig Euro werde ich auf keinen Fall bezahlen.
„Zwanzig!“
Mit einem Aufklappmesser mehr und um hundertundzwei Euro reicher steige ich in meinen Lieferwagen ein und mache „Happyness is a warm gun“ von den Beatles an, einen ihrer genialsten Songs, von einer 1982er Best of CD, eine limitierte Auflage von siebzehnhundert Stück, 73, jede mit einer originalen Autogrammkarte von einem der Stars (ich habe John Lennon!).
Achtzehn Uhr zwanzig. Ich fahre zu André.

Das war das erste Kapitel. Um das gesamte Buch zu lesen, müsst ihr warten, bis ich es veröffentlicht habe.

----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2004-09-23 11:14:26 mit dem Titel Melodie des Lebens

Dies ist eigentlich der Anfangsmonolog eines Filmes, dessen Drehbuch ich momentan schreibe, doch ich halte ihn auch als lösgelösten philosophischen Thesentext für durchaus passabel.
Bildet euch einfach selbst eine Meinung:

Die Existenz ist eine klassische Melodie. Sie beginnt fröhlich und unbekümmert, wie Edvard Griegs «Morgenstimmung» aus der ersten «Peer Gynt Suite», danach wird es langsam aber sicher pompöser, bis es sich schließlich in die „Nacht auf dem kahlen Berge“ von Modest Mussorgsky steigert. Das Ende liegt nun im Ermessen des Komponisten, der zwischen einem sanften Ausklang und einem abrupten Schluss einschließlich letztem Tusch wählen kann. Solange die Melodie laut und klangvoll gespielt wird, konzentriert sich jeder nur darauf, ihr zu lauschen, um nichts zu verpassen, doch sobald es ein wenig ruhiger zugeht, denkt der Mensch über Gehörtes und noch zu Hörendes nach. Dies wird ihn vermutlich sentimental und melancholisch stimmen, wenn ihm klar wird, wieviel er schon hinter sich hat, wie viele schöne Klänge und waghalsige Takte voller Harmonie und Emotionen, und dass er sie kein zweites Mal wird vernehmen können, mit Ausnahme der immer wiederkehrenden Motive des simplen Alltags. Jede Note für sich gesehen ist bereits ein Klang, doch die Melodie entsteht erst durch das perfekte Zusammenspiel der Gesamtheit all dieser Töne, der hohen wie der tiefen, durch die Komposition aus traurigen und fröhlichen Takten, die einen in jener Stimmung zurücklässt, die man in sternklaren Nächten erlebt, wenn sich die Schönheit der Natur mit der Depressivität philosophischer Gedankengänge vermischt. Die Existenz gestattet uns keine Zugaben, es gibt kein Libretto oder Programmheft, in welchem wir uns auf den nächsten Akt vorbereiten können, und nach Beendigung der Melodie wird es keinen Applaus geben. Man wird sicherlich noch darüber reden, im Falle einer wahrhaft spektakulären Melodie wird es einen Bericht in der Zeitung geben, eventuell wird sie andere Komponisten inspirieren und so andere Melodien beeinflussen, doch die Vorstellung ist vorbei. Was bleibt, ist ein Gefühl der Leere, eines unendlichen, schwarzen Nichts, beherrscht von Grabesstille und Freiheit. Und so schließen sich die Tore des Konzertsaales hinter dem letzten und einzigen Besucher, der gleichzeitig der Komponist, Musiker und Dirigent war; nie wird er den Saal wieder betreten, und seine Instrumente werden mit der Sicherheit des Todes kein zweites Mal erklingen; ein weiteres meisterhaftes, komplexes Solo findet einen ungebührendes Ende...

29 Bewertungen, 4 Kommentare

  • LittleGiant

    13.12.2004, 22:59 Uhr von LittleGiant
    Bewertung: sehr hilfreich

    ist eigentlich nicht meine Stärke. Interessant fand ich den Text schon, muß ihn mir aber vielleicht noch zwei-/dreimal ´reinziehen`, damit ich`s richtig verstehe...

  • Kitos

    27.09.2004, 20:48 Uhr von Kitos
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr schön geschrieben...Liebe Grüße, Martina

  • Waldschrat

    23.09.2004, 13:18 Uhr von Waldschrat
    Bewertung: sehr hilfreich

    PapaPimp vollkommen zu.

  • PapaPimp

    23.09.2004, 13:16 Uhr von PapaPimp
    Bewertung: sehr hilfreich

    Interessante Metapher, schöner Schreibstil. Bin auf den Film gespannt! PapaPimp