Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von antjeeule

Urlaubsplanung im Hause Grünberg

Pro:

Das Schreiben macht Spaß

Kontra:

muss ich drüber nachdenken

Empfehlung:

Nein

Wieder einmal ist Familienkonferenz angesagt. Urlaub ist das Thema. Es könnte so erfreulich sein, wenn es wirklich eine Konferenz mit gleichen Bedingungen für alle wäre. Wäre man nicht die Frau eines Vollblutmusikers, bzw. die Tochter oder der Sohn eines solchen bisweilen etwas vergeistigten Zeitgenossen, so könnte man dieser Konferenz bestimmt mit einer gewissen Gelassenheit entgegensehen. Aber man ist...!

Musik ist verständlicherweise ein zentrales Thema in dieser Großfamilie. Deshalb werden auch in jedem Urlaub Bratsche, Gitarre und sonstige Instrumente mitgenommen, damit unter der gestrengen Anleitung des Familienoberhauptes Claudio Grünberg sogar oft in freier Natur gute Musik eingeübt und gemacht werden kann. Und wer hier nicht instrumental musizieren kann, ist wenigstens in der Lage, seine wohlklingende Stimme zu erheben und lauthals richtig zu singen und wenn auch das nicht möglich ist, wenigstens im Takte der Musik zu tanzen. Glücklicherweise ist der Stutzflügel bisher zu Hause geblieben. Aber es wäre nicht ganz abwegig, dass der Vater zukünftig den Urlaubsort unter Berücksichtigung eines solchen Kriteriums auswählt.

Um zu wissen, dass seine ihm liebsten Menschen gerne auch mal was anderes als solche anstrengenden Urlaubsreisen unternehmen möchten, müsste der musiktreibende Vater natürlich auf diesem Gebiet eine wesentlich höhere Sensibilität beweisen. Man kann im Leben aber nicht immer alles haben.

So wäre es Jonathan, dem jüngsten Sohn der Familie viel wichtiger, in den zu diesem Zeitpunkt im Nachbarort gastierenden Zirkus "Münchner Taubenzauber" gehen zu können, anstatt in einem weitabgelegenen Urlaubsort Musik zu machen. Er könnte die vielen Zirkuskünstler beim Feuerspucken, Jonglieren, sowie beim Reiten auf den Elefanten beobachten. Sogar eine Nummer mit Reptilien haben sie neu im Programm. Das bekommt man ja wirklich nicht alle Tage im Jahr geboten und in der Schulzeit ist es oft genug nicht möglich, wenn das Lernen wieder angesagt ist. Und genau in diese Zeit, wenn dieser tolle Zirkus in der Nähe gastiert und den neuen Programmpunkt zum ersten Mal bringt, will der Vater den diesjährigen Sommerurlaub legen.

Jonathan ist aber nicht der einzige, der sich mit dem sehr stark bestimmenden Vater manchmal schwer tut.

Paula, seine Schwester hat auch ganz anderes im Sinn. Dieser liebenswerte, ständig die Haarfarbe wechselnde Teenie, denkt seit geraumer Zeit wirklich nur noch an ihren Kurs im Bauchtanz, mindestens einmal in der Woche ins Kino zu gehen und überhaupt an Shopping. Ein trendy Shirt und eine coole Hose ergeben zusammen ein tolles Outfit. Damit angelt sie sich bestimmt dann beim Tanzkurs mal wieder einen netten Jungen, mit dem sie so nebenbei am Wochenende auch mal ausgehen könnte. Sie malt sich in Gedanken schon das Theater ihres Vaters aus, der dafür natürlich herzlich wenig Verständnis zeigt, weil ihm derlei Äußerlichkeiten höchst fremd sind.

Wie sie ihm die Verabredung mit ihrem neuen Schwarm klarmachen soll, weiß sie auch noch nicht recht. Wenn er es erlauben würde, gäbe er ihr vielleicht noch den Rat, mit diesem Jungen ein Duett zu singen. Zuzutrauen wäre es ihm! Schließlich hatte er neulich auch schon gefragt, ob der Holde ein Barockinstrument spielt.

Nein, Väter können so peinlich sein! Allein bei diesem Gedanken huscht ihr dennoch ein Lächeln übers Gesicht.

Außerdem möchte sie verständlicherweise auch nicht jeden Morgen so verbringen wie in der Schulzeit: Gut gelaunt und fröhlich am Frühstückstisch freundlich behauptend, dass Kakao, Brot, Marmelade, Wurst, Käse und Eier wieder vorzüglich schmecken, obwohl sie lieber bis zum hellen Mittag geschlafen hätte. Aber eines hatte sie sich seit langer Zeit schon geschworen. Sie würde diverse Gedichte und vielleicht sogar eine Satire über diesen langweiligen jetzt noch bevorstehenden Urlaub verfassen. Ihr Vater würde vor Zorn sprühen, wenn er wüsste, dass er in ihren Gedichten, besonders aber in ihren Satiren die Hauptrolle spielt. Ihr würde schon so einiges, allerdings eher komisches einfallen.

Paula möchte so viel lieber mit ihren Freundinnen zu Hause bleiben und den lieben langen Tag klönen und um Mitternacht noch Spaghetti mit Tomatensoße kochen. Wenn sie schon verreisen soll, dann höchstens mit Gleichgesinnten nach Korsika. Diesen Wunsch hat sie schon seit dem letzten Jahr. Sie könnte sich sogar bereit erklären, ihre Bratsche mitzunehmen, damit sie den Anschluss im Barockorchester ihres Vaters nicht verpasst. Denn die Mitgliedschaft in diesem Orchester macht ihr schon viel Spaß. Die meisten Jugendlichen dort sind ebenfalls Musikerkinder und stöhnen auch öfter über ihre eifrigen Eltern. Am besten schickt man für diese Zeit seine Eltern alleine auf die Reise. Sollen sie doch ihr Vergnügen haben.


Johannes, der älteste Bruder ist der eher Bequeme in der Familie. Er fährt um des lieben Friedens willen noch mit und hat so seine eigenen Gedanken und Vorlieben, die man ihm schon fast aus der Nase zerren muss. Malen, zeichnen und fotografieren gehört zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Wenn man ihm ein wenig Raum und Ruhe gewährt, ist er derjenige, der auch eher seine kreative Ader auslebt. Aus seinen vielen Fotos entstehen oft ganz wunderschöne Collagen, an denen er sich auch selbst freut. Er hat auch ein recht ausgeglichenes Verhältnis zum Familienoberhaupt, weil sich Kunst und Musik oft ergänzen. Daran haben beide ihre Freude. Wenn die Geschwister, allen voran Paula, etwas beim Vater erreichen wollen, schicken sie Johannes ins Rennen.

Lukas hingegen lebt für den Sport. Er spielt Volleyball in der Schulmannschaft und es geht ganz sicher kein Nachmittag vorbei, an dem er sich nicht mit irgendwelchen Freunden in einer nahegelegenen Sporthalle zum Trainieren trifft. Selbst sportbedingte Verletzungen durch ungeschicktes Fallen auf den Hinterkopf, bei denen einmal sogar das Nähen einer Platzwunde nötig wurde, halten ihn nicht von diesem Eifer ab. Er hat aber nicht nur etwas für Sport mit großen Bällen übrig. Neuerdings findet er auch das Golfen interessant und liegt seinem Vater seit geraumer Zeit mit dem Wunsch in den Ohren, doch endlich mal so einen richtigen Sporturlaub mit Golfkurs zu buchen.


Barbara, die Mutter würde schon mit dem musikalischen Treiben ihres Mannes fertig werden. Sie macht ja ebenfalls viel und gerne Musik, aber liebt auch beschauliche Urlaube, die sie endlich mal von der Hektik des Alltags wegholen und weit weg von zu Hause auf ganz andere Gedanken bringen. Weil sie gerne beobachtet, macht sie oft ganz alleine lange Spaziergänge in die Natur und kann manchmal stundenlang an einem See sitzen und dem Quaken der Frösche zuhören und dabei von all ihren Wünschen und Ideen träumen. Sie schreibt darüber auch gerne kleine Geschichten. Während sie so den Fröschen zuhört, beobachtet sie einige Windsurfer. Sie ist fasziniert von der Leichtigkeit des Windsurfings. Warum gelingt ihr das nicht, auf so einem Surfbrett stehen zu bleiben und sich sanft vom Wind über Wasser und Wellen treiben zu lassen? Wenn sie sich nicht gerade wieder auf einem dieser Spaziergänge ihren Gedanken und Beobachtungen hingibt, findet man sie auch oft bei gemütlichem Licht ein Buch lesend. Bücher über fremde Kulturen haben sie schon immer sehr interessiert.

So hängt jetzt jedes Familienmitglied seinen Gedanken nach und überlegt, was wohl bei den neuerlichen Urlaubsplanungen für alle Beteiligten Interessantes herauskommen wird, bzw. wie man die einzelnen Familienmitglieder mit gescheiten und dazu noch überzeugenden Argumenten auf seine Seite ziehen könnte.

Man kann also sehr gespannt sein, was diese geplante Familienkonferenz bringt.

So treffen sich am Abend alle Mitglieder der Familie vollgepackt mit ihren Überlegungen und zum Angriff bereit. Der Vater, das Familienoberhaupt schaut verschmitzt in die Runde und eröffnet die Konferenz.

Auch er hat sich in den letzten Wochen so seine Gedanken über die letzten Familienurlaube gemacht. Dabei ist er zu der Überzeugung gekommen, dass sie keinem so rechte Freude bereitet haben. Gleichzeitig mit dieser Bemerkung legt er ein paar Dutzend Fotos auf den Tisch und kommentiert so das eine und andere Foto. Es war eine für ihn, wie er sagt, niederschmetternde Erkenntnis. Auf allen Fotos verkniffene oder gelangweilte Gesichter. Dass könne in diesem Jahr nicht wieder passieren. Deshalb habe er sich etwas ganz besonderes für seine Kinder ausgedacht. Die gesamten Sommerferien sollen sie damit verbringen, in einem Sommerlager in der Schweiz das Thaiboxen zu erlernen. Die Anmeldung zu diesem Trainingslager sei auch schon perfekt. Mit diesen Worten legte er noch ein Buch über Thaiboxen auf den Tisch, damit sich alle vier Kinder über das ihnen Bevorstehende gut informieren können.

Er werde während dieser Zeit mit Mama einige musikalische Meisterkurse besuchen und sich so in Ruhe ohne die genervten Kinder weiterbilden und auch entspannen können. Hinterher freue man sich bestimmt wieder aneinander. Das sei doch sicher im Sinne aller Familienmitglieder eine gute Lösung?!

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig war es in diesem Moment. Mit allem hatten sie gerechnet und sich auch schon einige Gegenargumente überlegt. Aber Thaiboxen als Alternative zu den vergangenen Urlauben...



antjeeule 06/2004

147 Bewertungen, 5 Kommentare

  • Zuckermaus29

    07.02.2007, 00:51 Uhr von Zuckermaus29
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße Jeanny :o)

  • lan

    03.02.2007, 14:05 Uhr von lan
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein SH für dich, gruß lan

  • anonym

    01.09.2006, 17:29 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße Edith und Claus

  • Estha

    28.07.2006, 13:05 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    ☼☼☼ ... lg susi ... ☼☼☼

  • Fernsteuerung

    26.11.2005, 11:58 Uhr von Fernsteuerung
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hallo Antje. Ich liebe es, Deine Berichte zu lesen, sie sind einfach genial, informativ und angenehm zu lesen. Lieben Gruß, Susi.