Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von Feuerläufer

GEWALT

Pro:

Es gibt ganz sicher KEIN Pro!

Kontra:

Es spricht alles für ein Kontra!

Empfehlung:

Nein

Hallo Liebe Leserinnen und Leser zu meinem 17ten Bericht für Yopi.

Neben Ciao und Yopi habe ich auch noch ein anderes Leben, in dem ich auch mal Kurzgeschichten schreibe. Eine davon werde ich hier veröffentlichen. Sie handelt von Gewalt und einem damit verbundenem möglichen Trauma in der Jugendzeit. Ich habe dabei einen Schreibstil verwendet, der die Geschichte aus Sicht des Betroffenen erzählt, also in der ICH Form. Diese Geschichte ist fiktiv, und ich hatte einige ungläubige Leser bei Ciao, die meinten, so etwas könne man gar nicht schrieben bzw. das wäre keine Geschichte, sondern etwas real erlebtes. Das hat mich natürlich gefreut, denn das sagt ja auch etwas über die Qualität aus. ;-)

Aber ich will noch mal darauf hinweisen: Es handelt sich hier nur um eine Geschichte. Alle Details sind rein fiktiv!!

Ich bin sehr gespannt auf Kommentare und Anmerkungen!


GEWALT

...“Scheiße passiert sagt man, und so ist es auch. Das ganze Leben ist scheiße. Wenn man einmal scheiße erlebt hat, die einem wirklich was genommen hat, dann ist das Leben dahin. Ein Ereignis, das das ganze Leben verändert, ein Trauma eben. Es gibt verschiedene Arten von Traumas, sehr, sehr viele verschiedene Arten, und über meines will ich heute berichten. Ich weiß nicht, wie es in der Fachsprache genannt wird, aber ich denke, ich kann das mit Worten erklären. Ich war vielleicht 13- oder 14 Jahre alt, als der Vorfall geschah. (Komisches Wort, oder? VORFALL! Hört sich ganz komisch an, in dem Zusammenhang sollte man vielleicht eher über Verbrechen reden.)

Ich war bei einem bekannten eines Freundes, Ingo. Zusammen mit meinem damals (wie ich glaubte) besten Kumpel Steffen, mit dem ich auch in die Schule ging, und noch zwei weiteren bekannten, Reinhardt und Dieter. Ingo hatte ein Kellerzimmer in seinem Elternhaus, ziemlich „Cool“ war das damals, immer Ruhe vor der Mutter, einfach irgendwie weg von dem ganzen Familiären Scheiß. Also nichts wie rein in die Bude, Video rein, irgend so ein Gewaltscheiß halt, und....Alkohol! Der geilste Stoff überhaupt, wenn man 14 oder in dem Alter ist. Irgendwann musste ich mal, bin also raus und aufs Klo. Danach bin ich mal die Treppe hoch und ins Wohnzimmer, wo Ingos Mutter saß und irgendwas machte, ich weiß heute echt nicht mehr, was das war. Jedenfalls haben wir uns unterhalten, und uns das Meerschweinchen angesehen, bzw. ihm zugesehen. Irgendwann kam dann Reinhardt hoch und sagte, ich solle wieder runterkommen, ich antwortete „ja, gleich“.

Aber ich wollte noch nicht, also blieb ich. Etwas später kam Reinhardt mit Dieter hoch und sagte wieder, ich solle wieder runterkommen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt ein eigenartiges, flaues Gefühl in meinem Magen. Wohlgemerkt, ICH hatte nichts getrunken; mein Vater hätte mich in der Luft zerrissen, hätte er das Mitbekommen! Ich war 14! (Höchstens) Widerwillig ging ich mit runter. Aber kurz darauf, als wir unten waren, wollten die Jungs gehen, auf den nahegelegenen Abenteuerspielplatz oder so. Also gingen wir raus. Ich auf mein Fahrrad, Steffen auch, und die anderen zwei zu Fuß. Aber als ich los fahren wollte, setzte sich Reinhardt auf meinen Gepäckträger, da ahnte ich schon fürchterliches. Denn Reinhardt war nicht unbedingt mein Freund, zumindest hätte ich ihn damals nicht als solchen bezeichnet. Er war mehr einer von der Sorte, die ständig ein großes Maul haben, und kleinere und jüngere herumschikanieren und verprügeln. Jedenfalls nicht mein Freund, und er hätte sich vermutlich auch nie einfach so einfallen lassen, mir Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Das hört sich vielleicht ein wenig schwul an, ist aber SO nicht gemeint! Ich meine viel mehr, dass ICH in seinen Augen sicher „unwürdig“ war, beachtet zu werden, denn er war ja der Große, starke, böse Wolf! (Ich glaub ich kotz gleich!) Jedenfalls gab diese „Aktion“ Anlass zur Panik. Ich denke heute im nachhinein, dass er wohl nur meine Reaktion austesten wollte, um sich stark zu fühlen. Aber mir hat das gar nicht gepasst, und das habe ich ihm auch gesagt. Aber ich war schon immer eine gute Seele mit weichem Herz, also ließ ich ihn nach kurzem Disput gewähren, und strampelte mit ihm auf meinem Gepäckträger in Richtung Spielplatz. Das war mein erster Fehler.
Dadurch und durch den Alkohol angestachelt wie ein „Macho mit zu dicken Eiern auf der Suche nach was zu knallen“, inkubierte in seinem Spatzengehirn wohl die überaus intelligente Idee, seine Männlichkeit testen zu müssen. Auf einmal stieg er ab, und hielt mein Fahrrad am Gepäckträger fest!

Natürlich panikartige Nachfrage von mir, was das soll. Was er genau sagte, weiß ich heute nicht mehr, generell sind die Details sehr stark verschwommen, deshalb muß ich stellenweise improvisieren. Es war wohl so was wie „Komm, wir laufen alle“ oder ähnliches. Aber ich wollte fahren. Klar. Mein Herz sagte mir „Nix wie weg hier“! Aber dumm wie Brot war ich damals, dumm wie Brot. Also stieg ich ab, um mit den anderen dreien zu laufen. Das war mein zweiter Fehler. Wir bogen nach links ab in eine Nebenstraße, keine Abkürzung, ein Umweg. Und dann ging’s los. Wie, wer, was oder warum weiß ich heute nicht mehr, wer anfing, wer was machte, keine Ahnung. Es fielen Sätze wie „warum hast du dich denn bei Ingos Mutter eingeschleimt, häh?“ und „was soll das, du Schleimer“, solche Dinge, ewig....ewig. Lange Zeit ging das hin und her, Streit, ich in der Mitte, die anderen 4 um mich herum. Dann wurde ich bespuckt, von allen. Ja, von allen!

Selbst mein damals bester Freund (so dachte ich zumindest), der sich bis dahin sehr zurückgehalten hatte, was mir Hoffnung machte, fing an, sich mir in den Weg zu stellen. Ich glaube, gespuckt hat er nicht, aber behindert hat er mich, und unterstützt die anderen. Als nächstes kam mein Fahrrad dran, sie warfen es zu Boden, und sprangen darauf herum, mich dabei immer noch beschimpfend und bespuckend. Das ging sehr lange so, viel zu lange, mir kam es vor wie zwei Stunden. Ich schätze, es waren etwa zehn Minuten, vielleicht Fünfzehn. Nur: das Fahrrad war gar nicht meins, ich hatte es von meiner Mutter ausgeliehen. DAS tat besonders weh, weil es das Fahrrad meiner Mutter war. Das ganze endete jäh mit einem Faustschlag in meinem Magen von Reinhardt, ab da rannten die Tränen, vor Wut, vor Schmerz, vor Verzweiflung, vor allem aber vor überraschtem Entsetzen. Entsetzen darüber, was mir gerade widerfuhr. Was ich da erlebte.

ICH, immer höflich, immer freundlich, gut erzogen und nie ein böses Wort gegenüber anderen, ich, der unschuldige Junge, der Liebling aller Omas und Opas, wurde überfallen und brutal verletzt und misshandelt, VON DEN EIGENEN FREUNDEN! In MEINEM Dorf. In MEINER Heimat. In der ich jede Straße kannte, jeden Schleichweg, jedes Versteck, in der ich aufgewachsen war. In der ich sicher war. In der ich sicher sein MUSSTE! IN DER ICH MICH SICHER FÜHLTE! In meiner Heimat widerfuhr ich ein solches Übel, eine solch niederträchtige und bösartige Gemeinheit, fast mit Worten nicht auszukleiden, so abartig böse und gemein war das, was ich da gerade erlebte. Ein Unding! Vollkommen ausgeschlossen.
Niemals.
Nie im Leben.
Nicht in tausend Jahren.
Nicht in einer Millionen Leben.
NIEEEMAAALLSSS!!!!!

Die Rettung kam dann in Form einer Haustüre, an der ich in meiner Verzweifelung klingelte, und wo Gott sei dank jemand daheim war, der dann auch öffnete, und mich eigenartig abwesend ansah. Gott sei dank deshalb, weil die anderen natürlich längst Lunte gerochen hatten und die Höcker eingezogen hatten, um die Hufe zu schwingen. Meine Rettung. Der Hausherr sah mich komisch fragend an, während ich irgendwas zu ihm stammelte unter meinen Tränen und meinem Schock. Wer jemals einen wirklichen, echten Schock mit Tränen erlebt hat, der weiß, wie da das sprechen zur Gradwanderung wird. Denn während eines solchen Schocks ist an ein Reden eigentlich gar nicht zu denken, denn das schlimmste ist das Hyperventilieren.( Schreibt sich das so?) Die Atmung arbeitet dabei stoßweise, ein, aus, ein, aus, ohne Unterbrechung, krampfhaft, und immer in der selben Geschwindigkeit. Ein, aus ,ein, aus, man kann nichts dagegen unternehmen, ob man es versucht, oder nicht, in diesem einen, seltenen Moment im Leben, hat man die Kontrolle verloren, über sich, und über die Atmung. Was ich damit sagen will ist: So wie die Atmung, nämlich schnell, krampfhaft, und rhythmisch, so kommen auch die Worte aus dem Mund, in einem solchen Moment.

Schnell, rhythmisch, und gepresst. Zwischen jedem Atmen ein Wort. Und jetzt versuch Dir vorzustellen, wie das wohl aussieht und klingt! Nachdem ich also „entkommen\" war, zumindest für den Moment, ließ ich von der Haustür ab, nahm mein Fahrrad, sah es mir an, und fuhr in Richtung nach Hause. Immer noch weinend, zitternd, und frierend. Das war mein dritter Fehler. Jedoch DIESES MAL ohne Folgen. Denn die anderen Vier waren Natürlich auch nicht dumm, und hatten sich hinter einer Ecke einer Straßeneinmündung versteckt, wohl wissend, dass dies der kürzeste Weg war zu mir. Also fuhr ich, und ich fuhr schnell an diesem Tag, so schnell wie ich auch all die Jahre danach immer schnell mit meinem Fahrrad in der Stadt unterwegs war. Und das war mein Glück. Denn plötzlich kamen sie hinter Ecke seitlich links von mir hervor, um mich erneut zu attackieren. Aber jetzt war bei ihnen offensichtlich etwas Panik ausgebrochen, denn Steffen, der Freund, den ich dachte zu haben, war auch auf seinem Fahrrad, und schnitt mir den Weg ab nach rechts zum Bürgersteig hin, musste aber bremsen, weil vor ihm ein Auto geparkt war.

Mein Glück. So konnte ich schnell auf den Bürgersteig und rechts am Auto vorbei, während er und die andern Links am Auto vorbei rannten. Und wie schnell ich da vorbei war. Oh Baby, so schnell beschleunigt nicht mal Michael Schumacher, so schnell war ich vorbei und davon. Ab nach Hause. Als ich beim letzten mal links abbiegen über meine Linke Schulter sah, sah ich, dass sie gerade auf gaben, mich zu verfolgen, völlig abgehetzt und mit hochroten Köpfen. Es war knapp. Sehr knapp an diesem Tag. So knapp wie seit dem nie mehr.Doch ich hatte es überstanden; ging ins Bad, zog mich um, wusch mir die Haare, und ging in mein Zimmer. Dem Himmel sei gedankt, dass ich in diesem Augenblick nicht an meinem Vater vorbeimusste, sondern direkt die Treppe hoch ins Bad gehen konnte.
Seit dem habe ich Angst, bin unfähig, eine Bindung einzugehen, und unfähig, jemandem zu vertrauen. Seit diesem Vorfall gehe ich nur ungern auf öffentliche Plätze, oder in die Stadt, in Geschäfte, etc...

Ich gehe jeden Tag aus dem Haus, zum Einkaufen, oder erledige ähnlich wichtige Dinge, aber wohl...wohl fühle ich mich nicht bei der Sache. Zu tief ist das Misstrauen gegenüber anderen Menschen, zu sehr schätze ich die Verachtung, die ich für alle Menschen auf diesem Planeten empfinde. Und zu egal ist mir alles, was ich über andere höre, oder lese. Mein Leben ist anders geworden, ich bin anders geworden, und vielleicht schreibe ich gerade Jetzt, ca. 12 Jahre später darüber, weil ich JETZT erst allmählich beginne, zu verstehen, dass ich mich ändern muß, dass mein momentanes Leben und meine momentane Gefühlslage, die sich darüber hinaus seit vielen Jahren nicht verändert hat, SO keine Zukunft hat, und SO nicht mehr für mich passt. Ich beginne erst jetzt, das alles zu verarbeiten, und das ist wohl der Grund, warum ich jetzt erst, zum ersten mal seit damals, diese ganze Sache vor meinem inneren Auge Revue passieren lasse, und mir klar werde, dass ich diese Erinnerung überwinden muß, weil ich sonst daran zu Grunde gehe!“...

ENDE



Vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe, die Geschichte hat Dir Gefallen!
© 2002 M-Team bei Ciao/Feuerläufer bei Yopi

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