Kurzgeschichten Testbericht

No-product-image
ab 10,41
Auf yopi.de gelistet seit 10/2003

Erfahrungsbericht von NicolaDD

Der Morgenschreck

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Heute möchte ich einfach mal eine Geschichte erzählen, und zwar eine wahre.

Es ist ein Mittwoch Morgen, ich fahre zur Arbeit. Ich bin noch schrecklich müde und das Wetter bringt mich auch nicht in Schwung, denn es gießt wie aus Kannen. Was für ein Sommer! Am liebsten würde ich umkehren und noch eine Runde schlafen. Doch es ruft die Pflicht!

Ich parke mein Auto, stelle den Motor ab, nehme meine Tasche und angele nach dem Schirm. Da klopft plötzlich jemand an meine Scheibe. Ich erschrecke mächtig, denn in Gedanken bin ich schon oben im Büro und überlege, wer heute zu Besuch kommt und wann, was ich als erstes machen werde usw. In diese Gedankengänge hinein klopft es also. Ich fahre herum. Draußen im Regen steht ein Mann und strahlt mich an. Verwundert denke ich, was will denn der? Stehe ich auf dem falschen Platz? Aber ich parke doch immer hier! Bin ich ihm im Wege? Will er nach dem Weg fragen oder was? Ich öffne die Autotür und gucke so fragend, wie ich kann. Der Mann strahlt immer noch. Dann sagt er \"Guten Morgen, Nicola!\" Ich begreife gar nicht sofort, was er sagt, erst als er es wiederholt - er kennt meinen Namen! Wieso? Woher? Wer ist das? Ich starre ihn wahrscheinlich ziemlich entgeistert an, denn jetzt grinst er schon richtig breit. Es scheint ihn nicht zu stören, daß sein T-Shirt langsam, aber sicher durchweicht.

In meinem Gehirn surren alle Schräubchen, aber ich weiß einfach nicht, wer da vor mir steht. Peinlich? Ich weiß es nicht. Aber langsam finde ich es spannend und auch ein bißchen lustig. Mein Gegenüber setzt jetzt noch eins drauf: \"Jaaa, wir kennen uns, Nicola!\" Nun, zumindest ER scheint MICH zu kennen, umgekehrt klappt es immer noch nicht. Obwohl, dieses Lächeln, diese Augen, das könnte ich schon mal gesehen haben, aber wo..... und wann... .
Ich bekomme es nicht heraus, tippe auf jemanden aus einer ehemaligen Schulklasse. Ich habe ein paarmal die Schule wechseln müssen, da gebe es also Auswahl. Trotzdem - wer ist es nun?

Ich halte es nicht mehr aus. Ich gebe auf. Ich gestehe dem sichtlich gut gelaunten Herrn, daß er mir zwar ein bißchen bekannt vorkommt, ich aber beim besten Willen nicht sagen kann, woher. Leider stehe ich auch noch unter Zeitdruck - ich muß auf Arbeit! Ob mein Chef Verständnis für solche morgendlichen Ratestunden hätte? Ich bezweifele es.
Der Herr läßt mich also nicht weiter zappeln und sagt mir seinen Namen. \"KLICK\" macht es da ganz laut in meinem Kopf, der Groschen ist gefallen. Ja, den Ralf kenne ich! Kannte ich. Ich habe ihn mit 17 Jahren während eines Urlaubs an der Ostsee kennengelernt, vor Ewigkeiten!!! Mann, der hatte sich aber verändert. Nein, ich wäre nicht drauf gekommen, daß er es ist. Nach so langer Zeit hat er mir das hoffentlich nicht übel genommen.

Ich reiße Mund und Augen auf und kann nun endlich auch strahlen. Das ist ja eine Überraschung. Dann frage ich alle Fragen, die mir einfaallen, in ungefähr 3 Sekunden auf einmal: \"Wo kommst du denn jetzt her?\", \"Wieso bist du heute früh hier?\", \"Was machst du in Dresden?\", \"Woher weißt du, daß ich hier arbeite?\" Immerhin wohnte er ja gar nicht in Dresden, sondern in Cottbus. Immer noch, wie ich erfahre. Ich gebe zu, meine Fragen sind weder wohlgeordnet noch durchdacht noch besonders intelligent, aber ich bin viel zu platt, um nachzudenken, bevor ich frage. Ja, ich bin richtig aufgewühlt.

Langsam bekomme ich Antworten. Seine Cottbuser Firma hat ihn auf Montage geschickt, um hier mit an einem Tunnel zu bauen. Nach der Arbeit sitzt er allabendlich in seinem Quartier und sieht fern und langweilt sich schrecklich. Eines Tages fiel ihm ein... da war doch mal was *g*, hier wohnte doch jemand... Er schnappte sich ein Telefonbuch und forschte nach mir. Ich stehe mit Namen und Adresse drin, was ihn sehr erfreut hat. Das Telefonbuch enthält praktischerweise auch einen Stadtplan, so daß er gleich noch nachsehen konnte, wo ich wohne. Ja, und dann hat er mich glattweg an diesem Morgen verfolgt, von meinem Haus aus bis zur Arbeitsstelle! Das ist ja wie im Film. Und ich, ich habe überhaupt nicht gemerkt, daß sich da jemand an meine Stoßstange geheftet hat.

Mehr erfahre ich nicht, denn die Zeit drängt jetzt wirklich sehr, ich muß in mein Büro. Wir verabschieden uns, alle beide immer noch strahlend wie die Honigkuchenpferde, und schon im Gehen beschließen wir, wir müssen uns unbedingt treffen und schwatzen. Aber unbedingt! Ich gebe ihm schnell meine Telefonnummer und weg sind wir. Noch am selben Vormittag kam ein Anruf: \"Hallo, ich bin\'s nochmal, der Morgenschreck. Wollte nur mal sehen, ob ich mir deine Nummer merken konnte.\"

Tjaaaa, Ralf ist jetzt erstmal im Urlaub - und ich warte schon mächtig gespannt auf unser Treffen. Sicher geht jede zweite Frage so los \"Weißt du noch.....\"

14 Bewertungen