Lagavulin 16 Jahre Testbericht

Lagavulin-16-jahre
ab 27,47
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Summe aller Bewertungen
  • Geschmack:  sehr gut
  • Geruch:  sehr gut
  • Wirkungsgrad:  hoch
  • Nachwirkungen:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von Gemeinwesen

Willkommen zur Torf-Meisterschaft

5
  • Geschmack:  sehr gut
  • Geruch:  sehr gut
  • Wirkungsgrad:  durchschnittlich
  • Nachwirkungen:  durchschnittlich
  • Kaufanreiz:  Preis

Pro:

- siehe Text -

Kontra:

- siehe Text -

Empfehlung:

Ja

Was kann, darf, sollte ein guter Single Malt Whisky kosten? Und – was sollte mensch sich ihn wirklich kosten lassen? Wie die Antwort ausfällt, kommt natürlich darauf an, was mensch erwartet.



Meine Ansicht: Mit 30 Euro sollte mensch schon rechnen – wer merklich darunter anfängt, sollte zumindest nicht erwarten, wirklich erstklassige Whiskys zu diesem Preis zu bekommen. Eine Obergrenze gibt es, wie so oft, natürlich auch hier nicht. Wer das nötige Kleingeld dafür hat, kann spielend auch drei- und vierstellige Beträge in eine Flasche mit 0,7 Liter Inhalt investieren.

Ob sich das lohnt, kann ich nicht beurteilen. Der Preis für die teuersten Destillate, die ich je verkostet habe, bewegte sich jeweils im niedrigen dreistelligen Bereich. Dass keine dieser Abfüllungen je zu einem großen Favoriten von mir geworden ist, heißt natürlich nicht, dass die betreffenden Whiskys nicht ausgezeichnet wären – das sind sie fraglos, und wahrscheinlich müssen sie auch ihren Preis haben: Je länger ein Whisky im Fass lagert, desto größer ist auch der Anteil, der über die Jahre hinweg durch das Holz hindurch verdunstet (der so genannte “angels’ share“). Was bleibt, ist quasi die Essenz eines Fasses, und deren Verkaufspreis muss dann auch den „Verdunster-Verlust“ wettmachen.

Womit wir auch schon beim Thema wären: Zu dem, was ein Whisky ist, machen ihn eine Reihe von Faktoren, und das Fass (bzw. die Fässer – es können auch mehrere hintereinander sein), in dem der Whisky lagert, spielt für den Geschmack dessen, was dann irgendwann auf Flaschen gezogen wird, eine entscheidende Rolle.

Gestern abend habe ich, zum zweiten Mal in kurzer Folge, wieder an den Lagavulin denken müssen. Da habe ich mir nämlich „28 Days Later“ im Fernsehen angeschaut, und in einer kurzen Szene nahm eine der Figuren des Films eine Flasche mit Single Malt Whisky aus einem Regal, las die Aufschrift auf der Verpackung und zitierte ein Versprechen, das mir sehr bekannt vorkam: „Takes out the fire, leaves in the warmth“. Gemeint ist da die Zeit, die dem jungen Brand das Feuer nimmt, ohne ihm Wärme zu rauben; und obwohl der Name des betreffenden Whiskys im Film nicht fiel, war mir klar, dass es sich um Lagavulin handeln musste.

Und am letzten Wochenende erst habe ich eine Flasche davon erstanden – nicht vom normalen 16-jährigen, der schon verdammt gut ist. Sondern von der Distillers’ Edition, abgefüllt im Jahr 1988, 16 Jahre lang gelagert und im Sherry-Fass endgelagert. Und abgefüllt nicht in Flaschen mit 0,7 Liter Inhalt, sondern mit 1 Liter Inhalt. Bezahlt habe ich dafür 40 Euro, und das ist das, was ich ein echtes Schnäppchen nenne. Regulär ist eine solche Flasche sicher nicht unter 60 Euro zu haben, und ich füge gleich hinzu: ich finde, das ist sie durchaus wert.

Dass ich so günstig an einen Liter Lagavulin gekommen bin, hat einen einfachen Grund: Die Dame, die ihn loswerden wollte, hatte sich verkauft. Irgendwer hatte ihr offensichtlich verklickert, ein Lagavulin gehöre zu den Whiskys, nach denen Kenner sich alle zehn Finger leckten. Das ist eine Aussage, die gleichermaßen richtig wie irreführend ist. Richtiger wäre es zu sagen: Kenner, die Islay Malt Whisky schätzen, lieben in der Regel auch den Lagavulin. Die Gemengelage ist ähnlich wie beim Bier. Ganz grundsätzlich lässt sich unterscheiden zwischen obergärig und untergärig eingebrauten Bieren. Zu den ersten zählen Alt (die obergärige Brauart ist älter als die untergärige – genau daher rührt auch die Bezeichnung „Altbier“) und Kölsch, das Pils hingegen ist der klassische Vertreter eines untergärig gebrauten Bieres. Provinztrottel bauen sich um solche Unterschiede herum gern weltanschauliche Gerüste, wirkliche Kenner trinken derweil auf den feinen Unterschied, freuen sich über die Vielfalt und halten es mit dem weisen Rat „When in Rome, do as the Romans do“: Kölsch in Düsseldorf zu trinken verrät ebenso den bornierten Kleinstädter wie die Order an einen kölschen Köbes, ein Alt zu bringen, und Fiete, der im Hofbräuhaus Pilsbier ordert, gehört ebenso mit einem innerdeutschen Reiseverbot belegt wie Seppl, der in Hamburg eine Mass bestellt.

Ähnlich ist das auch mit dem Whisky. Den gibt es, damit fängt’s schon an, mit und ohne „e“. Whiskey stammt in der Regel aus Irland oder den USA, Whisky aus Schottland. Und Schottland ist natürlich auch nicht gleich Schottland. Da gibt es zum einen die allseits bekannten Highlands, zum anderen die Lowlands, und außerdem gibt es da noch einen Fluss namens Spey sowie diverse Inseln. In all diesen Regionen Schottlands wird Whisky produziert, und, mensch ahnt es, regionale Unterschiede finden ihren Niederschlag auch im Charakter der Whiskys. Die eigenwilligsten und eigenständigsten aller schottischen Whiskys sind fraglos die Insel-Whiskys, und die Inselgruppe Islay nimmt in der schottischen Inselwelt noch einmal eine Extrastellung ein.

Das, was alle Islay Whiskys eint, heißt Torf – und wer das sehr unverkennbare Aroma von Torf nicht mag, der wird wohl auch den milderen unter den Islay Whiskys nicht sonderlich viel abgewinnen können. Schon der Versuch, die komplexen Aromen eines typischen Islay Malt zu beschrieben, kann Whisky-Neulinge verunsichern. Immer wieder ist da die Rede von Teer, Salz, Jod und altem Leder, zuweilen fallen auch Begriffe wie „Desinfektionsmittel“. Zu meinen liebsten „tasting notes“, die Bekannten von mir im Laufe der Zeit eingefallen sind, zählen Beschreibungen, in denen Teermaschinen, „Playmobil-Anmalstifte“ und „alte Eisenbahnschwellen“ eine Rolle spielen. Das alles sind, glaube ich, recht treffende Aussagen. Ich füge noch hinzu: Ein Islay Malt verhält sich zum Gros der Whiskys anderer Provenienzen wie ein alter Gouda zu Babybel oder wie holländisches Salzlakritz zu Katjes-Katzenpfötchen.

Für den Lagavulin gilt das Gesagte in besonderem Maße. Der Lagavulin ist für mich gewissermaßen die Essenz eines Islay Whiskys – wuchtig, komplex, mit viel Torf und Rauch. Einem Lagavulin in diesen Disziplinen ebenbürtig sind für mich nur die Whiskys von Laphroaig und Ardbeg (Ardbeg soll, so heißt es, auch hinter der vergleichsweise jungen und sehr treffend benamsten Marke „Smokehead“ stecken, die ich Islay-Fans ebenfalls ans Herz lege). Tatsächlich sind Single Malt Whiskys lange Zeit nicht in reiner Form auf den Markt gelangt, sondern wurden zu den so genannten „Blends“ verschnitten – ein großer Teil der Produktion aus der Speyside-Destillerie „Cardhu“ fließt nach wie vor in die Produktion der weltweit populären Marke Johnnie Walker.

Auch beim Torf gibt es offensichtlich Unterschiede: Der von der Insel Islay besteht zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Algen – die so genannte „Nase“ eines Islay Malts kann also durchaus an den charakteristischen Geruch eines Hafenbeckens bei Ebbe erinnern. Sein Aroma entfaltet der Torf, wenn er in Rauch aufgeht – und dieser Rauch gibt dann wiederum seine Aromen an die Gerste ab, die über Torf geräuchert („gedarrt“) wird. Auch das fertige Destillat hat dann diese Aromen, hinzu kommen dann noch die Noten, die das Holz des Fasses im Laufe der Zeit an den Brand abgibt. In einer der hinteren Reihen meiner Sammlung harrt zum Beispiel ein wohl gehüteter Laphroaig seiner Öffnung, den der unabhängige Abfüller Murray McDavid in einem Bourbon-Fass endgelagert hat – diese Abfüllung, die ich vor Jahren kennen gelernt habe, finde ich sogar noch eine Nuance besser als die handelsübliche 10-jährige Abfüllung aus dem Stammhaus.

Den Lagavulin habe ich, wie bereits erwähnt, auch in der Distillers’ Edition. Ich gebe allerdings zu, dass ich die zwar gut, aber doch etwas widersprüchlich finde: Islay und Sherry – hier stoßen wirklich Welten aufeinander, und das Ergebnis ist, finde ich, zwar ein interessantes Experiment, wird aber auch Sherry-Fans sicher nicht zum Islay Malt bekehren. Und erklärte Islay-Fans? Werden in aller Regel mit Sherry nicht viel am sprichwörtlichen Hut haben. Trotzdem ist ein Lagavulin nie eine schlechte Wahl, wenngleich ich, wenn ich wählen sollte, die 16 Jahre alte Standard-Abfüllung bevorzugen würde. Die bietet zwar auch jenen Anflug an Sherry, mit dem so viele Whisky-Produzenten ihr Erzeugnis an- und bereichern, aber hier ist der Sherry eben wirklich nur eines von vielen Aromen, die im Lagavulin miteinander in Wettstreit um die Vorherrschaft am Gaumen treten.

Rauch und Torf allerdings sind überall; in der Nase wie am Gaumen. Sie beherrschen alles, und sie klingen nach – im Abgang, und sogar noch am nächsten Morgen: Lagavulin gehört zu jenen Whiskys, die mensch auch am auf den Genuss folgenden Morgen noch ausdünstet.

Lagavulin ist für mich eine von drei Marken, die eine wie die andere erste Wahl für Torf-Liebhaber sind: Ob ich einen Lagavulin, einen Laphroaig oder einen Ardbeg bevorzuge, ist vor allem eine Frage der Tagesform und des Anlasses – gut sind sie alle drei. Im Vergleich mit dem ebenfalls bereits erwähnten „Smokehead“ bieten alle drei für meine Begriffe eine größere Aromenvielfalt, wer sich erst langsam ans torfige Herz von Islay herantasten möchte, dem empfehle ich aber, vielleicht zunächst einmal einen „Highland Park“ von den Orkneys zu versuchen. Ist der Test bestanden, führt der weitere Weg über die Islay Malts Bunnahabhain, Bruichladdich und Bowmore. Wem die Standard-Abfüllungen dieser Marken noch immer nicht genügend Rauch und Torf bieten, der darf sich dann langsam ans Torf-Examen mit Ardbeg, Laphroaig und Lagavulin wagen.

27 Bewertungen, 7 Kommentare

  • Mondlicht1957

    15.09.2007, 23:26 Uhr von Mondlicht1957
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Pet

  • sindimindi

    15.09.2007, 04:12 Uhr von sindimindi
    Bewertung: sehr hilfreich

    Jim Beam...also das ist doch fast schon beleidigend...fg - das ist wie wenn jemand einen Hochland-Kaffee mit Albrecht-Kaffee von Aldi vergleicht...lach

  • bea1502

    15.09.2007, 00:52 Uhr von bea1502
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg bea

  • Tuffi2106

    14.09.2007, 22:21 Uhr von Tuffi2106
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH, Lieben Gruß und schönes Wochenende. Tuffi

  • LittleSparko

    14.09.2007, 18:25 Uhr von LittleSparko
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg, daniela

  • HiRD1

    14.09.2007, 17:58 Uhr von HiRD1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gruß, Ralf

  • firestorm1105

    14.09.2007, 17:35 Uhr von firestorm1105
    Bewertung: sehr hilfreich

    Klingt zwar sehr interessant, aber ich bleibe dann doch lieber bei meinem "Freund" Jim Beam. Der Bericht ist aber, wie immer, super. Liebe Grüße, Romy