Lebensberichte Testbericht

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Erfahrungsbericht von Jacqui01

Wenn Minderwertigkeitskomplexe das ganze Leben beeinflussen

Pro:

gar nichts

Kontra:

negative Beeinflussung des Lebens

Empfehlung:

Nein

Heute möchte ich über ein etwas tiefgründigeres Thema schreiben, wie Ihr schon anhand der Überschrift erkennen könnt. Ich denke nämlich, dass dieses Problem, das sicher viele Menschen haben, noch oft verkannt u. deshalb als „Macke“ abgetan wird, was es nun ganz und gar nicht ist.
Deshalb bitte ich Euch auch, dies bei Eurer Bewertung zu berücksichtigen, denn dies ist kein Produktbericht, sondern ein persönlicher Erfahrungsbericht, der schildern soll, wie es mir ging – und manchmal immer noch geht.

Minderwertigkeitskomplexe – wie fing es überhaupt an?
Nun ja, wenn ich so zurückdenke, ist es schwer, einen genauen Zeitpunkt festzumachen, denn so was kommt ja nicht von einem zum anderen Tag. Nur jetzt, mit zunehmender Erkenntnis kann ich sagen, dass es wohl schon in der Schulzeit angefangen hat. Natürlich kann ich Euch jetzt nicht die ganzen Jahre von damals bis jetzt schildern, denn 1. ist das schon zu lange her und 2. würde es den Rahmen hier sprengen. Ich werde versuchen, es ein wenig zusammenzufassen.

+++ Die Schulzeit +++

Ich war früher ein dickes Kind, nicht unbedingt fett, aber doch ziemlich gut genährt. Und natürlich blieb es nicht aus, dass ich in der Schule irgendwann gehänselt wurde, was wiegesagt, schon in der 1. Klasse anfing (Kinder können sehr gemein sein...)
Da kamen dann so Sachen, wie „Fette Sau“, um nur mal ein Beispiel zu nennen.
Dazu kamen auch noch regelmäßige Prügeleien, was bedeutet, dass ich mindestens 1x pro Woche in der Hofpause „verkloppt“ wurde. Meine Mutter war oft in der Schule und hat es der Lehrerin gemeldet, daraufhin war zwar ein paar Wochen Ruhe u. dann ging es wieder los. Die anderen hatten sicher auch deshalb solche Abneigung gegen mich, weil ich damals die Klassenbeste war und als „Streberin“ abgestempelt wurde. Wenn irgendjemand Hilfe in puncto Hausaufgaben oder so von mir brauchte, war ich gut genug, aber wenn sie dann hatten, was sie wollten, behandelten sie mich wieder wie vorher. Es wurde so schlimm, dass ich am liebsten nicht mehr zur Schule gegangen wäre, geschweige denn Klassenfahrten mitmachen. Da ließ ich mir lieber von meinen Eltern einen Entschuldigungszettel schreiben, was sie auch machten, da sie sowieso nicht begeistert gewesen wären, wenn ich mitgefahren wäre.
Wo wir auch schon beim nächsten Thema sind. Ich bin nämlich als Kind von Zeugen Jehovas aufgewachsen, was alles nur noch mehr erschwerte. Ihr wisst sicherlich alle, was das für ein Kind bedeutet. Ich durfte kein Weihnachten mitfeiern, kein Ostern, kein Geburtstag u. natürlich auch nicht in die Pionierorganisation, was bei den anderen natürlich Fragen aufwarf. Dann kamen immer die Sätze „Warum darfst Du das denn nicht?“, usw. Es war schrecklich, ich war für die anderen die Außenseiterin und konnte nicht sagen, warum. 1. waren die Zeugen damals noch verboten u. 2. hab ich mich zu sehr geschämt u. hatte Angst vor blöden Sprüchen (die dann auch mit Sicherheit gekommen wären).
So ging es ungefähr bis zur 4. Klasse, dann wurde es ruhiger. Abgesehen von Kleinigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten ist dann nichts besonderes mehr vorgefallen.

+++ Die Ausbildung +++
Ich fing nach der 10. Klasse eine Ausbildung als Industriekauffrau an, da ich immer schon im Büro arbeiten wollte. Glücklicherweise bekam ich auch einen Ausbildungsplatz, sogar in Wohnortnähe. Die Ausbildung ging 3 Jahre, ich hatte immer 2 Tage Berufsschule u. 3 Tage musste ich arbeiten. Im Ausbildungsbetrieb hatte ich eigentlich keine Probleme, da ich ja schließlich mit Erwachsenen zusammen war, die aus dem Alter raus waren, wo man andere anpöbelt oder so. Das war eine richtige Erleichterung für mich. In der Berufsschule dagegen lief zwar auch erst alles glatt (wir waren nur 9 Leute in der Klasse), aber dann, als ich mal wieder einen meiner unzähligen Diätversuche startete u. immer dünner wurde, hab ich nur Kritik eingesteckt, von wegen, ich würde übertreiben u. ich sehe krank aus und alles so was. Durch mein weniges Essen hatte ich natürlich überhaupt keine Lust auf die 1 Stunde Sport, die wir immer hatten u. hab mich dementsprechend beteiligt, was mir ebenfalls blöde Sprüche einbrachte. Als dann die anderen nach dem Sport alle Fenster im Raum aufrissen, hab ich natürlich total gefroren, aber statt darauf Rücksicht zu nehmen, hieß es nur „dann musst Du mehr essen“. Aber warum ich permanent abnehmen wollte, hat keiner gecheckt. Und wahrscheinlich wollte es auch keiner wissen... So schleppten sich auch diese 3 Jahre hin, aber gottseidank hatte ich die Prüfung geschafft u. wurde als Halbtagskraft übernommen. Nie wieder Berufsschule!
In der Zwischenzeit hatte sich alles etwas gelegt, deshalb wüsste ich auch nicht viel darüber zu berichten – bis vor fast 4 Jahren, als ich mit meinem jetzigen Freund zusammenkam.

Dazu muß ich sagen, dass er leider so ´n Typ ist, der selten Komplimente macht u. mich auch nicht oft in den Arm nimmt, er kann halt seine Gefühle nicht so zeigen, wie ich es mir wünschen würde. Darunter hab ich sehr gelitten, ständig an seiner Liebe gezweifelt und so. Mittlerweile versuche ich, damit zu leben, aber manchmal macht es mir immer noch zu schaffen. Dazu kommt, dass er auch gerne unter Leuten ist, er geht gerne zur Disco, in die Kneipe usw., was mir auch nicht gefällt, ich mache lieber was mit ihm alleine – ohne seine Saufkumpanen.
Früher, als wir frisch zusammen waren, waren wir noch öfter in der Disco, aber irgendwann fühlte ich mich immer unwohler, kam mir plötzlich gegen die ganzen hübschen, aufgestylten Frauen wie´n Bauerntrampel vor. Es wurde langsam, aber stetig immer schlimmer, ich verfolgte jeden seiner Schritte u. seine Blicke, und wehe, er hat eine schöne Frau angesehen – das reichte schon aus, dass meine Laune im Keller war. Mittlerweile ist es so schlimm, dass ich den absoluten Horror habe, eine Disco zu betreten, weil ich das Gefühl habe, mit diesen aufgetakelten Bratzen, wie ich sie immer nenne, nicht mithalten zu können.
Das mit der Disco war jedoch nur der Anfang. Inzwischen ist es sogar so schlimm, dass ich mich selbst in Kaufhäusern oder Klamotten-Geschäften argwöhnisch umsehe, was da für Personal arbeitet. Und wehe, da sind wieder solche Püppchen, da merke ich sofort, wie mein Blutdruck ansteigt u. ich am liebsten gleich wieder rausrennen würde. Wenn ihn dann so eine auch noch anquatscht, ist es total aus. Dann kommt von mir immer die Frage, ob er sie hübscher findet u. ob sie ´ne bessere Figur hat. Er sagt zwar immer „nein“ und dass ich für ihn die schönste wäre, aber wie soll ich ihm das glauben, wenn ich selbst nicht davon überzeugt bin? Ich denke, wenn ich eine andere schöner finde, als mich, findet er die automatisch auch schöner. Obwohl er immer zu mir sagt, dass er nicht auf solche gekünstelten, aufgetakelten Frauen steht, aber es fällt mir schwer, das zu glauben.
Selbst, wenn er nur mal kurz einkaufen fährt, kriege ich solche Gedanken, ob er irgendwo ´ne hübschere sieht oder trifft. Und im Sommer, zur Badesaison ist es besonders schlimm, da ja manche Frauen auch oben ohne rumlaufen. Durch meine früheren Abmagerungskuren hab ich leider ´ne Bindegewebsschwäche und darunter hat meine Oberweite auch ziemlich gelitten. Wenn ich dann andere Frauen mit ihrem prallen Busen u. ´ner tollen Figur dazu sehe, zieht mich das so runter, dass ich heulen könnte. So manches Mal am Strand musste ich meine Tränen unterdrücken...
Ich könnte noch viele Beispiele nennen, aber ich denke, Ihr wisst, was ich meine. Jedenfalls hat sich das ganze Ende letzten Jahres so zugespitzt, dass ich dann auch noch meinen Sport vernachlässigt habe u. nur zugesehen habe, dass ich schnell von der Arbeit nach Hause komme, um zu sehen, was er macht, wo er war usw. Ich hab mich nur wohl gefühlt, wenn er in meiner Nähe war u. ich genau wusste, was los ist. Irgendwann, Ende Januar kam dann der große Krach – und die Trennung. Zwar waren wir nur 1 Woche getrennt, aber das war die schlimmste Zeit, die ich je erlebt habe, deshalb möchte ich auch nicht weiter in´s Detail gehen.
Doch diese Zeit wirkte auf mich, wie eine „Schocktherapie“.
Als wir uns dann ausgesprochen hatten u. wieder zusammen waren, war mir klar, dass sich gravierend etwas ändern muß, denn ich wollte so was nicht nochmal durchmachen. Ich riß mich mit aller Kraft zusammen, ihm z.B. weniger Vorwürfe zu machen, wenn er mal später nach Hause kam u. ich versuchte, nicht gleich auszukreisen, wenn uns mal irgendwo ´ne schöne Frau engegenkam usw.
Da ich aber aufgrund der Trennung, die ich noch nicht verarbeitet hatte, immer noch schlimme Depressionen u. Angstzustände hatte, verwies mich meine Psychotherapeutin (ich mache seit August 2003 eine Therapie) an eine Fachärztin für Psychiatrie, da sie keine Medikamente verschreiben darf. Ich bekam auch ein Medikament verschrieben, was ich jetzt seit 1. März diesen Jahres nehme und was mir auch tatsächlich geholfen hat – zumindest gegen die Depressionen u. Angstzustände. Gegen Minderwertigkeitskomplexe gibt es leider kein Medikament, schön wär´s.

Es ist zwar dahingehend besser geworden, dass ich wieder eigene Interessen wahrnehme, ich gehe jetzt wieder regelmäßig 2x pro Woche zum Sport, aber wenn ich dann mit meinem Trainingsprogramm fertig bin, beeile ich mich trotzdem, schnell nach Hause zu kommen u. zu erfahren, was er gemacht hat. Es ist, wie eine Sucht, ich kann einfach immer noch nicht aufhören, ihm diese Fragen zu stellen, ich muß es einfach wissen. Zwar fühle ich mich mit dem Medikament seelisch etwas besser, aber von Zeit zu Zeit hab ich trotzdem diese Phasen, wo es mir schlecht geht u. ich mir total unattraktiv vorkomme.
Der ganze Schlamassel hat sich natürlich auch negativ auf meine finanzielle Situation ausgewirkt, ich gebe viel zu viel Geld aus, um „schöner“ und „schlanker“ zu werden, angefangen über Nahrungsergänzungsmittel, Haar- u. Körperpflege, Kosmetik usw. (ganz zu schweigen von den Katalogbestellungen...)
Ich freue mich jedes Mal riesig, wenn mein bestelltes Paket zur Arbeit kommt (ich lasse es mir nicht nach Hause schicken, dass er es nicht mitkriegt), das ist schon fast, wie ´ne Art Ersatzbefriedigung. Ich hatte ja anfangs erwähnt, dass er seine Gefühle nicht so zeigt, was mein mangelndes Selbstvertrauen natürlich erst recht schürt.
Ich weiß nicht, ob ich jemals die Kurve kriege, aber ich hasse mich selbst dafür, dass diese Komplexe mein ganzes Leben, meinen Alltag beeinflussen. Zwar mache ich immer noch die Therapie, aber ob ich das jemals loswerde...?
Wie sagt man doch, die Hoffnung stirbt zuletzt...

Viele denken jetzt bestimmt, dass dieser Bericht eher in die Sparte „Eifersucht“ gehört, aber das habe ich bewusst nicht so gemacht, da Eifersucht immer einen Grund hat u. in meinem Falle sind es eben diese Komplexe, aus denen meine Eifersucht resultiert.

Ich hätte Euch, wiegesagt, noch mehr Beispiele nennen können, aber dann würde ich sicher heute abend noch hier sitzen. Ich würde mich jedoch freuen, etwas von Gleichgesinnten zu hören, denn ich denke mal, mit diesem Problem stehe ich sicher nicht alleine da...
Danke für´s Lesen und Bewerten!
Eure Jacqui

44 Bewertungen, 8 Kommentare

  • campimo

    10.02.2007, 13:21 Uhr von campimo
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein interessanter Einblick. Unter anderen Menschen hat man leider immer ziemlich (stark) zu leiden, da sie alles, was man tut, gut kann, nicht so gut hinbekommt kommentieren, und natürlich die diversen optischen Dinge. Es ist kaum möglich, so zu sein, daß

  • anonym

    29.04.2006, 15:33 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • Hoffi

    24.02.2006, 20:19 Uhr von Hoffi
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr schöner Bericht von Geschichten die das Leben schreibt! <br/>sh gruß Dominik! ;-)

  • redwomen

    01.03.2005, 08:58 Uhr von redwomen
    Bewertung: sehr hilfreich

    bei mir war es gerade damals genau umgekehrt. Als ich noch extrem dick war hatte ich ein extremes Selbstbewußtsein. -vielleicht bzw. mit Sicherheit auch aus dem Grund um mich nach außenhin zu schützen. Event. ist dies auch so eine Art Mind

  • christianpirker

    17.09.2004, 17:14 Uhr von christianpirker
    Bewertung: sehr hilfreich

    bin ich wieder auf den "alten" Bericht gestoßen. Wie geht es Dir derzeit? Liebe Grüße, Christian

  • EnsoniqTS10

    08.08.2004, 21:03 Uhr von EnsoniqTS10
    Bewertung: sehr hilfreich

    Du siehst doch echt klasse aus!

  • April

    01.08.2004, 01:03 Uhr von April
    Bewertung: sehr hilfreich

    ...nach Deinem Foto zu urteilen, mußt Du echt keine Komplexe haben! Kümmere Dich nicht so um die "Models", die Dir überall begegnen! Die haben auch oft ihre Probleme und was das perfekte Aussehen anbelangt...das ist ja bei allen v

  • anonym

    30.07.2004, 15:25 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Das tut mir leid für dich. Wo du doch eigentlich so nett aussiehst und sicherlich auch bist. Ich hoffe, es geht weiter bergauf.