Leichenlager - Eisregen Testbericht

Leichenlager-eisregen
ab 11,76
Paid Ads from eBay.de & Amazon.de
Auf yopi.de gelistet seit 11/2003
5 Sterne
(2)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(1)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)
Summe aller Bewertungen
  • Cover-Design:  sehr gut
  • Klangqualität:  sehr gut

Erfahrungsbericht von Daverigger

Gequält und verkrüppelt, ermordet und zerstückelt ...

5
  • Cover-Design:  sehr gut
  • Klangqualität:  gut

Pro:

Sehr gute Texte, passende und oft auch sehr melodiöse Musik, die jedoch den typischen Eisregen-Touch keinesfalls vermissen lässt, schönes Booklet, gute Klangqualität des Tonträgers

Kontra:

Ein oder zwei Bilder im Booklet vielleicht zu krass, was aber keinerlei Einfluss auf die Musik hat

Empfehlung:

Ja

Eisregen ist wohl eine der umstrittensten Bands im Musikgenre. Innerhalb des Metal-Genres jedoch fügt sich Eisregen neben Bands wie Totenmond (der Totenmond-Drummer „Bursche Lenz“ ist auch bei Eisregen aktiv) ganz gut ins Gesamtbild ein. Textlich ist die Formation nur ein wenig krasser, aber wenigstens sind die lyrics nicht bar jeglichen Sinnes wie bei vielen Interpreten in den heutigen Charts!

Eisrege versetzt die Welt seit 1995 in Schrecken, als sich die Formation in Thüringen zusammensetzte und einen Beitrag zum „Rehersal Tape promo\'96“ brachte. Von dieser Aufnahme existieren jedoch nur 30 Kopien, die im Besitz der Band, Freunden und Bekannten geblieben sind. Den ersten richtigen Schritt in Richtung Underground und Popularität taten Eisregen 1996, als sie „Das Ende des Weges“ aufzeichneten. Das Tape bereitete ihnen problemlos den Weg, trotz der nur 333 Kopien.
Die Karriere wurde schnell vollführt, mittlerweile hat Eisregen 7 Alben produziert, eine EP mit 2 Tracks, das neue Album „Wundwasser“ ist begonnen worden, einzelne Tracks sollen angeblich, trotz der temporären Stillegung der Band momentan, schon fertiggestellt sein.

Die Band setzt sich aus 5 Musikern zusammen. Theresa Trenks (Ladies first!) spielt die Violine auf einzigartige Weise unter dem Pseudonym „zwei T“, Michael „Blutkehle“ Roth ist der Mann mit der krächzenden Stimme, der den Liedern der Gruppe ihren unvergleichlichen Klang verleiht, Bursche Lenz alias Michael Lenz spielt Gitarre. Diese drei sind die populäreren Figuren der Formation. Ihnen zur Seite stehen Sebastian „Berg“ Mohrbach am Bass (Was er aus manchen Songs macht ist fast schon überirdisch!) und Rony „Yantit“ Fimmel, der die Drums und die Elektronik regelt.
Insgesamt eine exquisite Mischung aus klassischen und modernen Instrumenten, genauso exquisit die bisherige Laufbahn der Musiker.

Das Album „Leichenlager“ entstand 2000 und hat sich als „Thema“ den Tod gesetzt. Natürlich nicht den Tod allgemein, dazu müssten Hunderte und Tausende von Tracks auf dem Album sein, es geht vielmehr um verschiedene Arten zu sterben, die Motive des Sterbens, des Suizids, des Mordens. Es geht um Leichen, um deren Form und Farbe. Es herrscht bei diesem Album eine eigentümliche Stimmung. Bei „Krebskolonie“ z.B. stand die Krankheit im Vordergrund, und die Texte orientierten sich auch stark an dieser Form des schleichenden Todes, daher rührte auch die gewisse Ernsthaftigkeit des Albums. Bei „Leichenlager“ ist das ein wenig anders. Natürlich zeigt Eisregen auch hier wieder seine schwarze, morbide Ader, alles unverblümt und direkt zu beschreiben, darzustellen. Der Tod ist Teil des Lebens und wird unverblümt auch so behandelt und offengelegt, in all seinen Facetten. Aber das Album erscheint insgesamt weitaus einfacher, weicher, ruhiger als die vorangegangenen. Ich finde das gar nicht mal so schlecht, denn so kann man die CD auch mal angenehm im Hintergrund laufen lassen, ohne das man bei jedem neuen Track erst mal zuckt. Doch, das passiert mir ab und zu (selten aber wahr) mal, wenn’s zu laut ist ...

Insgesamt fasst das Album „Leichenlager“ 11 Tracks, die alle durch sehr melodischen Death-Metal und herbe, gut ausformulierte Texte glänzen. Ich möchte ausnahmsweise nicht auf alle Songs eingehen, da dies den Bericht unglaublich in die Länge ziehen würde, sondern nur einige herausnehmen, um diese ein wenig unter die Lupe zu nehmen.


„Ich bin bei Dir in Deiner letzten Stunde, wenn alles nichtig wird, was wichtig war. Ich halte Dir die Hand, wenn Du alleine bist, denn diesen letzten Weg gehst Du mit mir.“
Der Titeltrack des Albums, „Leichenlager“, besticht zum einen durch seine Länge, zum anderen durch die klare Artikulation des Textes seitens Blutkehle. Ungewohnt klar und deutlich artikuliert er die kleine Geschichte des Sterbens und des Ortes, wo die Toten ruhen: das Leichenlager. Die Musikalische Seite des Tracks bedarf keiner langen Worte. Wunderbar! Die Violine erklingt im manchmal dumpfen Geschrammel wie eine zarte, leidende Stimme im Dunkel, spielt manchmal eine leise Melodie hinter dem dichten Netz aus schnellem Death-Metal, und schmückt den gesamten Track. Doch auch die reinen Metal-Passagen sind sehr melodiös gehalten.
Eigentlich sind Musik und Text wirklich sehr überzeugend, jedoch finde ich den Schluss des Songs eher schwach, man hätte ihn weglassen können. Es wird beschrieben, wie der Tote als lebende Leiche (Wohl ein Zombie wieder zurück in sein Haus gelangt und einer Frau die dort wohnt, das Leben nimmt, um sie mit sich zu nehmen. Was soll das? Der Text davor war stimmig, sehr sauber formuliert, sogar das Metrum war ohne den kleinsten Fehler, ohne die geringste Unreinheit.
„Behutsam schließ ich Dir die Lider, den letzten Atem nimmst Du mit hinüber. Dorthin, wo alles eingehüllt ins Dunkel ist, wo dich die Schwärze zärtlich küsst.“
Sinn könnte der Text machen, aber besonders gelungen finde ich diesen Abschluss nicht. Auf einer Skala von 1 – 10 mit 10 als Bestwert hätte ich dem Stück eine 10 gegeben. Durch den seltsamen Abschluss ziehe ich jedoch 2 Punkte ab. Musste meiner Ansicht nach nicht wirklich sein. Trotzdem, ein guter 8-minütiger Track!


„Sie sprach mich an und ich erstarrte / Und sie nahm mich bei der Hand / Und führte mich in ihr schwarzes Wunderland.“
„Und sie blutete nur einen Sommer lang“ ist mein Lieblingstrack auf diesem Album. Sehr langsam und ruhig setzt die Musik ein und führt den Sprechgesang von Blutkehle mit sich. Die Musik ist sehr gekonnt nur der leise Hintergrund einer Geschichte über die Liebe zu einer Frau, die Liebe zu einer Religion, die Liebe zum Blut.
„Ich konnte es kaum erwarten, bis der Tag der Nacht verfiel. Denn dann endlich konnte es beginnen, das Messerspiel. Stund um Stund öffneten wir unsere Körper, bis das Licht des neuen Tages den Reiz vertrieb.“
Der Song beschreibt, wie jemand bei, ich nenne es mal „masochistischen Messerspielchen“ seine große Liebe findet. Doch durch die Formulierung ist nicht klar, was dieser Jemand nun liebt. Die Frau, die ihm diese Welt der Schmerzen und des Blutes offenbart hat? Liebt er vielleicht die Nacht? Das Blut? Klar wird es nicht, aber das sprachliche Spiel mit den Möglichkeiten und den Metaphern und Symbolen ist exzellent!
Die Musik genauso. Sie liefert eine melodisch wundervolle Kulisse aus wunderschönem Violinenspiel, E-Gitarre und Schlagzeug, die den Text, intoniert natürlich in typischer Blutkehle-Manier, sehr harmonisch unterstreicht und ihm einen gewissen Glanz verleiht.
„Und das Leben troff in langen Bahnen aus ihrem Leib, ein letztes Lächeln, dann war es an der Zeit. [...] Mit Tränen in den Augen verließ ich diesen Ort wo sie lag, auf einem Netz aus rotem Lebenssaft...“
Ich kann mir dieses Lied immer wieder anhören. Eine allgemeine Deutung anzustellen vermag ich nicht, dies sei jedem selbst überlassen. Doch muss man sich den Text auch genau vor Augenführen. Vorschnell über solches Liedgut zu urteilen ist Schwachsinn und zeugt von Ignoranz! Insgesamt kann ich dem 10 Punkte vergeben. Musik und Text vermögen mich gleichermaßen zu beeindrucken und harmonieren sehr schön miteinander. So muss Musik sein!


„Warm... Geborgenheit im Mutterleib. Die feuchte Wärme rings um Dich herum, ein Herzschlag, der tröstend über allem schwebt [...]“
Eines der umstrittensten Lieder von Eisregen. Aus diesem Grunde möchte ich ein wenig darauf eingehen. „Die Seele der Totgeburt“ beschreibt eine kurze Zeit im Leben und Sterben eines Kindes, das tot geboren wird. Sachlich(!), ein wenig gesellschaftskritisch, zynisch. Aber keinesfalls geschmacklos, Menschenverachtend oder Todesverherrlichend, wie viele behaupten.
Der Song setzt mit alptraumhafter E-Gitarre ein, die Drums knallen mit typischer Frequenz in den Kopf, und Blutkehle beginnt mit einem heiseren Schrei. Bis zum Ende der vierten Strophe hält sich die Musik, nach der Textzeile „Wer wird Dich vor dem Leben schützen, wenn Du den Mutterleib vergisst?“, deren Ende von Blutkehle eher gekreischt als gesprochen/gesungen wird, wird die Musik panischer, ein wenig chaotischer. Man vernimmt das kreischende Heulen eines kleinen Babys, die Musik wird alptraumhaft, die Violine klingt gequält, und der Text klärt sofort, warum. Die ersten Zweifel am Leben herrschen im Ungeborenen, und es fasst einen verzweifelten Beschluss.
„Zum ersten Mal beschleicht Dich Furcht und Du beschließt, nicht raus zu gehen. Dorthin, wo Gleichgültigkeit herrscht und wo der Mensch sich selbst zerstört!“
Es kommt der Zeitpunkt der Geburt, doch das Kind ist bereits tot, der Herzschlag hat geendet und die Seele der Totgeburt ... ja, wo ist sie? WAS ist sie? Die Frage lautet: „Was bedeutet der Tod für den, der das Leben nie kannte?“
Das Stück endet mit Stil, die Frage verweht in der Stille. Ich halte diesen Song von seiner Grundaussage her für einen der Besten, die Eisregen je gemacht hat. Er ist philosophisch angehaucht, birgt ein wenig Gesellschaftskritik, und dies alles in einer Verpackung, die ohne jegliche Morbidität auskommt, die Eisregen bei anderen Songs an den Tag legt. Durch und durch ist „Die Seele der Totgeburt“ eine Frage, die niemand beantworten kann und die Menschen beschäftigen könnte, wen sie nicht vorschnell über Eisregen urteilen würden.
Von mir gibt es weitere 10 Punkte für dieses Lied, das beeindruckt und zum Nachdenken anregt, gleichzeitig auch noch gut klingt!


Der letzte Track, dem ich meine Aufmerksamkeit schenken möchte, ist auch gleichzeitig der letzte auf dieser CD. „Zeit zu spielen“
„Ich lad Dich gerne ein, auf ein Glas roten Wein. Denn heute Nacht, mein Schatz, Da wirst Du bei mir sein ...“
Morbide. Zynisch. Schwarz. Vor allem: Eisregen!
Dieser Track ist krass, er ist morbide, und er ist die überspitzte Darstellung einer Minderheit auf dieser Welt, die sich beim Morden an der Angst und am Entsetzen seiner Opfer weidet. Er beschreibt das Tötungsspiel eines psychisch Kranken, der sich Mädchen aus Discos in seine Wohnung einlädt, um sie dort zu jagen und mit Messern zu Tode zu foltern und schneiden. Sehr morbide. Sehr krank. Sehr real.
„Spiel mit mir, ich lass Dir gern die Wahl der Waffen. Spiel mit mir, vielleicht wirst Du es sogar schaffen, den neuen Tag zu sehen – in einem Stück. Ich wünsch Dir alles Gute – und ganz viel Glück!“
Natürlich ist dies einer der typischen „Lass uns Eisregen und den Metal allgemein über einen Kamm scheren und es für widerliches Teufelszeug deklarieren und verdammen!“-Tracks. Das ist eben so, ich kann nichts für engstirnige Leute. Aber ich habe mal im Internet gesucht, und tatsächlich Zahlen gefunden (Man möge mir verzeihen, das ich die Links nicht mehr habe, die Suche ist schon einige Zeit her), die zeigen, das solche Fälle tatsächlich regelmäßig vorkommen. Also ... ekelhafte Phantasie kranker Köpfe? Oder doch nur Realität?
Die Musik ist bedrohlich dumpf, das Hauptaugenmerk liegt hier auf Elektronik, Yantit hat ganze Arbeit geleistet! Interessant finde ich, das sich die Musik den ganzen Song über hält und nicht verändert. Sie wird nicht etwa schneller oder langsamer, lauter oder leiser, sondern bleibt einfach gleich.
„Spiel mit mir ein geiles Spiel, mein Schatz! Spiel mit mir ein geiles Spiel, heut Nacht! Lass Dich doch überraschen, was man noch machen kann, wenn man verlor die Beine – und seinen rechten Arm ...“
Insgesamt ein Lied, das sehr krass wirkt. Der Text ist blutig und morbide, die Musik, die zum Ende des Songs mit zwei Pistolenschüssen und Sirenen aufhört, ist sehr passend eingespielt, vor allem der elektronische Teil hört sich sehr gut an. Ich vergebe 10 Punkte. Eine perfekte Mischung aus Realität und Wahn mit der passenden musikalischen Untermalung.



Ich habe bewusst diese 4 Stücke ausgewählt, da sie einen guten Schnitt durch das Album wiedergeben. Qualitativ und Quantitativ sind sie repräsentativ für den Rest, der durchweg aus gelungenen, gut komponierten und eingespielten Tracks besteht.

Das Booklet ist auf seine Art sehr beeindruckend. Es spiegelt Wahnsinn wieder. Hat jemand den Film „Event Horizon“ gesehen? Das Booklet erinnert ein wenig an die alptraumhaft-apokalytischen Szenen aus der Schreckensdimension am Ende des Films.
Abgebildet sind zwei Arten von Bildern. Zum einen die normalen Zombies, Untoten, Blutlachen und Schreckensszenen. Diese sind wahrscheinlich aus Horrorfilmen kopiert und passen irgendwie ganz gut. Die meiner Ansicht nach schon künstlerisch wertvollen Bilder sind die von einzelnen Mitgliedern der Fomation. Man sieht immer ein Mitglied mit zwei oder drei nackten Frauen, die Gasmasken tragen. Mal putzen sie Schuhe, während sie eine Waffe im Genick haben. Mal trägt eine Dame die Thüringische Flagge, während eine andere gleich erschossen wird. Äußerst hart und vielleicht sogar eine Spur zu fies finde ich das Bild von Yantit, der auf seinem Schoß gerade einen Nackte mit einem großen Messer aufschneidet und isst. Insgesamt erheben die Bilder vielleicht einen künstlerischen Anspruch. Ich glaube aber eher, das die Mitglieder von Eisregen schon immer mal in so einer „coolen“ Pose abgelichtet werden wollten. Ich finde manche Bilder auch ganz nett, wen auch manchmal weniger ästhetisch. Aber das ist natürlich, wie das gesamte Konzept von Eisregen, Geschmackssache!


Insgesamt kann ich das Album nur empfehlen. Fans werden ihre wahre Freude an dem Album haben, das ein schönes Abbild des Themas „Sterben“ liefert. Die Musik ist sehr schön und passend zu den provokanten und wohlformulierten Texten komponiert, die Klangqualität der CD ist sehr gut. Das Booklet bietet sehr interessante Bilder der Formationsmitglieder.
Für einen Preis von 13 Euro + 4,40 Versandkosten gibt es das Album direkt von der HP der Band, ich habe die CD jedoch in einem wirklich sehr guten Zustand für 11 Euro incl. Versand bei ebay ersteigert, wo eigentlich immer etwas von Eisregen zu finden ist. Ich ersteigere lieber die Original-CD bei ebay als die Tracks runterzuladen. Ein wenig Support muss einfach sein.
Auch für Einsteiger ist „Leichenlager“ gut geeignet, da es weitaus krassere Alben gibt und es einen guten Querschnitt liefert. Also nichts wie ran!


Übrigens: Das Projekt „Eisregen“ ist laut der HP bis zum September 2003 eingefroren, erst dann werden die Arbeiten am neuesten Album „Wundwasser“ wieder aufgenommen.

22 Bewertungen