Lesben, Schwule, Bisexuelle Allgemein Testbericht

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Erfahrungsbericht von tinathomas

Meine Schwester liebt ne Frau - na und??!!

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Meine Schwester Judith hat sich nicht immer „nur“ für Frauen interessiert. Sie hatte früher männliche Partner und lebte mit ihrem letzten Partner jahrelang zusammen. Tja, und vor ca. 10 Jahren hat sie wohl entdeckt, das sie Frauen mehr liebt als Männer.

Homosexualität ist oft noch ein Tabu-Thema. Leider auch bei uns in der Familie.

Am Anfang haben wir (3 Geschwister und die Eltern) gar nichts bemerkt. Es steht ja auch niemanden auf der Stirn geschrieben „hallo, ich liebe jetzt Frauen, das ist nun mein Ding“.

Es fing damit an, dass die Beziehung zwischen Judith und ihrem Freund auseinander ging. Danach war kein männlicher Partner mehr zu sehen. Irgendwann, es war so um die Weihnachtszeit herum, haben mein Bruder, seine damalige Freundin und ich uns über Judith unterhalten. Ela, die Freundin von meinem Bruder, meinte, dass sie das Gefühl hätte, Judith steht mehr auf Frauen, sei lesbisch. Für mich erst mal ein Schock. O.K. es ist für viele schlimm, wenn eine langjährige Beziehung auseinander geht, aber deshalb wird man doch nicht lesbisch, oder?? Ich konnte es erst nicht fassen.
Aber nach einiger Zeit, als ich es verdaut habe, dachte ich nur, ist doch egal. Judith ist und bleibt meine Schwester und die Hauptsache ist doch, sie ist glücklich.

Mmh was tun? Judith ansprechen oder erst mal abwarten? Ich entschied mich für letzteres. Irgendwann kam dann Judith mit einer „Mitbewohnerin“. Ich sah die „Mitbewohnerin“ mit anderen Augen als meine Eltern und meine jüngere Schwester, die ja von unseren Vermutungen nichts wussten. Ich behielt beide im Blick. Konnte es wahr sein? Steht meine große Schwester wirklich auf Frauen oder war es nur ein Hirngespinst von Ela?
Ich konnte nichts „auffälliges“ beobachten. Judith verhielt sich wie immer, zeigte keine anderen Gefühle der Frau gegenüber wie früher, wenn sie eine Freundin/Bekannte mitbrachte.

Einige Zeit nach dieser Begegnung, ich hatte mich immer noch nicht getraut, Judith anzusprechen, hatte Judith vor meinen Eltern ihr Coming Out. Jetzt war es sozusagen amtlich.
Meine Eltern, sehr konservativ und religiös, hatten mit Judiths Coming Out immense Probleme. Sie sprachen wochenlang kein Wort mit ihr und auch meine jüngere Schwester (ähnlich konservativ und religiös wie die Eltern) konnte auch nicht damit umgehen.

Für Judith war es eine sehr schwere Zeit. Wir haben viel miteinander telefoniert (ja, endlich konnte ich mit ihr darüber sprechen…) und mein Bruder und ich haben versucht, ihr die Unterstützung zu geben, die sie brauchte. Gerade am Anfang, wenn „es“ für man/frau noch etwas Neues ist, braucht man doch die Unterstützung seiner Eltern! Ich konnte es nicht fassen.
Der Name „Judith“ wurde in der Familie nicht mehr erwähnt.

Doch „Zeit heilt alle Wunden“ und nach ca. 1- 1 ½ Jahren wurde Judith wieder in den Schoß der Familie aufgenommen. Sie konnte auch ihre neue Freundin mitbringen. Meine Eltern haben es, wie es schien, akzeptiert. Es war nun kein Problem mehr, das Judith statt einem Freund eine Freundin mitbrachte.

Dann kam, für Judith und Ursula, das Schönste: Sie heirateten im Herbst 2001, nach 7 Jahren „wilder Ehe“. Mein Bruder, ich und mein Freund waren glücklich. Warum sollten die beiden auch nicht heiraten? Nur, so weit ging die Akzeptanz unserer Eltern dann doch nicht.
Beziehung ja, Ehe nein. Und wieder war Judith bei meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester abgemeldet. Sprüche wie „was ist jetzt mit Enkelkindern“ (mein Bruder war geschieden, ohne Partnerin, meine jüngere Schwester aus diversen Gründen auch ohne Partner und Tommy und ich haben noch keine Ambitionen auf ein Kind) „es sollte heiliges nicht verärgert werden“ und und und kamen von Seiten meiner Eltern. Einfach Blödsinnig!
Und ich habe nicht den Mumm, meinen Eltern mal den Kopf zurecht zu rücken. Sie sollten froh sein, das es ihrer ältesten Tochter gut geht, dass sie glücklich ist. Was will man als Eltern mehr?

Also waren nur mein Bruder, mein Freund und ich bei der Hochzeitsfeier und es war eine der schönsten Feiern, die ich erlebt habe.

Irgendwann haben meine Eltern dann doch kapiert, das Judith mittlerweile mehr Selbstvertrauen hat und sie wohl für immer den Kontakt abbricht, wenn sie, die Eltern, nicht versuchen, einen Schritt auf Judith zu zu gehen.

Mittlerweile haben meine Eltern und Judith wieder Kontakt zueinander. Zwar noch zögernd, aber doch wieder Kontakt.

Aber eines ist geblieben: ich habe immer noch Probleme, mit meinen Eltern über Judiths Hochzeit zu sprechen. Ich finde es komplett in Ordnung, wenn Menschen, ob lesbisch, schwul oder hetero, die sich lieben, heiraten. Und ich finde es total schlimm, wenn es Menschen gibt, die Homosexuelle als abartig oder anormal halten. Aber mit meinen Eltern darüber reden? Vielleicht irgendwann mal. Warum ich so zögere, echt keine Ahnung. Vielleicht, um irgendwelchen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Ist eventuell feige, aber ich kann (noch) nicht den inneren Schweinehund überwinden.

Ich wünsche auf diesem Weg meiner Schwester , meiner Schwägerin und allen Lesben und Schwulen mehr Akzeptanz von den so genannten „Normalen“.

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