Liebe mich, wenn du dich traust (DVD) Testbericht

... Ein Pudding mit Aprikosen, oder aber auch ohne alles. Noch ein bisschen warm, in der Bäckerei, im Schaufenster.“ Sophie



Julien und Sophie treffen im Grundschulalter aufeinander und sie verbindet etwas ganz Besonderes: Eine Dose, das letzte Geschenk von Juliens Mutter, bevor sie stirbt.
Wer sie besitzt, denkt sich eine Mutprobe für den anderen aus. Erfüllt dieser die Wette, erhält der die Dose und das Spiel kann von Neuem beginnen.
Zusammen erleben sie die witzigsten Momente in ihrem Leben, denn was wäre noch peinlicher als im Direktorat absichtlich in die Hose zu pinkeln oder im Examen die Unterwäsche über allen anderen Klamotten zu tragen, nur weil man es wegen einer Wette tun muss?


<< Top oder flop? >>
Das ist die alles beherrschende Frage, nach der sie gieren, nach der sie sich sehnen. Sie veralbern den anderen, können aber nicht ohne ihn. Sie lieben sich auf geheimnisvolle Art, doch keiner der Beiden weiß sicher, was der andere für ihn empfindet, denn bisher war alles nur ein Spiel.
Ein Spiel, bei dem man den vollen Gewinn absahnen, aber auch alles verlieren kann. Hin – und hergerissen von ihren Gefühlen gewinnen die Mutproben immer extremeren Charakter: Sophie lässt Juliens Hochzeit platzen, er lässt sie mit verbundenen Augen auf befahrenen Gleisen stehen.

Damit und auch durch die Wette, sich zehn Jahre lang nicht mehr zu sehen, scheint die Freundschaft kaputt und letztendlich auch beendet. Beide gehen ihren Weg, wie im Zeitraffer gleitet die Handlung dahin. Sophie fängt an zu singen und zu jobben, Julien gründet eine Familie.

Doch auf den Tag genau nach zehn Jahren treffen sie sich wieder. Wut, Hass, Liebe, Verzweiflung, Gier, Sehnsucht – einfach alles prallt aufeinander und endet in einem Verwirrspiel für die Zuschauer.



~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ „Aufregend wie der erste Kuss.“ - Joy ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wirklich wahr – wie auch der erste Kuss ist der Film aufregend, knisternd, voll packender Leidenschaft, nur leider viel zu schnell vorbei.

Beginnt er anfangs noch harmlos mit Juliens niedlicher Kinderstimme, die quiekend über ihre Kinderjahre erzählt, dabei so viel Elan und Enthousiasmus versprüht, dass man von dem fast schon absurden Ende schockiert sein dürfte. Julien erzählt von seinen Vorlieben, Ängsten und Wünschen. Von den Erlebnissen, die er als kleiner Junge noch keineswegs deuten konnte, zum Beispiel die Krankheit und der Tod seiner Mutter. Vorverweise auf das Ende gibt es schon in den ersten Sequenzen, in denen von einem Betonklotz die Rede ist, von dem man tunlichst die Finger lassen sollte – die Auflösung gibt es in den letzten Minuten des Films.
Das Kindliche und Naive, zum Teil schon fast poetisch erzählt, hält sich nur kurze Zeit, bald darauf wachen Julien und Sophie als junge Erwachsene auf, die ihr Leben bereits in der Hand haben.

Zwischen den Beiden herrscht eine seltsame Intimität und Vertrautheit. Sie wissen alles voneinander, schlafen im selben Bett und sind sich dennoch oft weit voneinander entfernt. Gerade unterhalten sie sich noch albernd, hat er mit einer Studentin auf der Toilette einen One-Night-Stand und wendet sich damit wieder völlig von Sophie ab. Diese Verbindung erscheint fast schon beispielhaft als eine Hass-Liebe: gierig nach dem anderen, doch hasserfüllt, sobald er in der Nähe ist. Hin und her. Ja und nein.

„Liebe mich, wenn du dich traust“ ist ausgestattet mit sehr vielen verschiedenen Techniken. Einerseits sehr ruhig und sinnlich, zum Beispiel als Julien vor Sophies Wohnblock steht und das Einmaleins vorsagt, damit sie auf den Balkon kommt, oder Julien am Sterbebett seiner Mutter sitzt und die letzten Worte mit ihr austauscht, anderseits aber auch rasend schnell und turbulent. Die Bilder verselbstständigen sich und erinnern an manchen Stellen sehr an „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Doch keineswegs inhaltlich, sondern eher von der zauberhaften französischen Atmosphäre. Die Welt dreht sich weiter, gleichgültig, was dem einzelnen Menschen widerfährt. Sie dreht sich ohne Zweifel, so wie auch das Spiel weitergeht.

Die leicht altmodische Umsetzung in Hinblick auf das Aussehen der Personen und Umgebung, die Musik oder der Inhalt der Ansichten lässt bei manchen vielleicht etwas Nostalgie aufkommen. Der Film wirkt nicht übermäßig hektisch wie es in heutigen Zeiten üblich ist, sondern einfach nur rasant, so wie auch Kinder die Zeit erleben.

„Gute Handwerker brauchen gutes Werkzeug.“

„Liebe mich, wenn du dich traust“ ist ein witziger, aber auch melancholischer Film, vor allem aber sehr emotional. Kaum eine Szene, die keinen tieferen Sinn besitzt und den Zuschauer nicht berührt.
Vor allem der Konflikt zwischen Julien und seinem Vater im Jugendlichenalter erscheint krass: Er stellt seinen Sohn vor eine Entscheidung: er oder Sophie. Der Vater war nie emotional, weder beim Tod seiner Frau, noch später. Er war immer für das Harte, das Kalte, er erzog seinen Sohn restriktiv und nur nach seinen eigenen Vorstellungen. Dass Julien sich später von ihm abkapselt, ist kein Wunder.

Beeindruckend sind die vielen Wendungen im Film. Der Zuschauer wird ständig auf eine falsche Fährte geführt, was er aber erst im letzten Moment begreift. Bis dahin ist ihm die Handlung wieder um einiges voraus und man begibt sich erneut auf die Suche nach der Auflösung. Dadurch bleibt der Film spannend und geheimnisvoll, denn man weiß nie, was sich die Beiden als nächstes ausdenken.
Das Ende ist fast etwas grotesk und sehr verwirrend. Hier hat Yann Samuel den perfekten Showdown präperiert, den der Zuschauer ohne Zweifel nie erwartet hätte. Dramatisch wie er auch erscheint, zumindest ist er stimmig und irgendwie auch konsequent.

Die Musik im Film passt perfekt zur Handlung und variiert von ruhig und gefühlvoll bishin zu gehimnisvoll und gefährlich. Manchmal alt, manchmal modern. Immer etwas neu Aufgearbeitetes.


Yann Samuel hat einen Film geschaffen, der alles in sich vereint. Es gibt kaum etwas Boshafteres, Schöneres, Witzigeres und Angenehmeres als das.
Poetisch, zynisch und romantisch.
Einfach perfekt.


„Julien, ich weiß nicht mehr, wann du spielst und wann nicht!“



~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Sonstiges ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
entstanden 2003, Frankreich
unter der Regie von Yann Samuel
Drehbuch: Yann Samuel, Jacky Cukier
Musik: Philippe Rombi
Laufzeit: 90 Minuten

Genre: Komödie/Drama
Sprache: Deutsch/Französisch
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 1.85:1
Dolby Digital 5.1

freigegeben ab 16 Jahren
offizielle Homepage: -


Die Bildqualität dieser DVD ist sehr gut, vor allem die intensiven Farben kommen sehr gut rüber. Genauso auch die Tonqualität, welche nicht zu wünschen übrig lässt. Die Dialoge sind gut verständlich und auch die Musik ist bahnbrechend.

Erhältlich ab ungefähr 20€.



~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Schauspieler ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Sophie – Marion Cotillard
Marion Cotillard ist neben Guillaume Canet die wichtigste Person im Film. Sie ist die rachsüchtige Hexe, die immer das letzte Wort haben will und damit ihre große Liebe zu verlieren scheint. Das Hin und her, das Gefühlvolle, aber auch die grausameren Szenen spielt sie sehr authentisch. Durch ihr Talent nimmt man ihr die Rolle gut ab.
Optisch hat sie auch sehr gut zu ihrem Filmpartner gepasst, da sie etwas Kämpferisches ausstrahlt.


Julien – Guillaume Canet
Guillaume Canet sieht nicht nur sehr gut aus, sondern gewinnt auch durch seine Mimik und Gestik das Herz der Zuschauer. Er wirkt verschmitzt und selbst als ca. 35-jähriger immer noch jung und vital. Sein Lächeln, aber auch sein hasserfülltes Gesicht den Szenen entsprechend wirken nicht aufgesetzt.
Ihn könnte man durchaus auch als Herzensbrecher bezeichnen, denn mit seiner smarten Art bewirkt er so einiges im Film.


Juliens Vater – Gérard Watkins
Gérard Watkins hat zwar nur eine etwas kleinere Rolle in „Liebe mich, wenn du dich traust“, jedoch hat diese Rolle eine große Bedeutung für den Verlauf der Geschichte. Watkins entspricht mit seiner harten Facette der Charakterisierung des Vaters. Zwar wirkt Letzterer im Film nicht sympathisch, Watkins hingegen ist für diese Leistung durchaus Lob auszusprechen.


Juliens Mutter – Emmanuelle Grönvold
Emmanuelle Grönvold besticht eher durch ihre weiche Rolle: die Art und Weise, wie sie Julien bis zuletzt in den Arm nimmt, ihn versucht zu trösten, die Angst zu nehmen und ihn auf den Tod seiner Mutter vorzubereiten. Sie macht das mit einer Hingebung und mit großem Wehmut, den man ihr ansieht.
Sicherlich eine der besten Schauspielerinnen in diesem Film, die leider durch die relativ kleine Rolle nicht allzu gut zur Geltung kommt.


Christelle – Laetizia Venezia Tarnowska
Zu erwähnen ist zuletzt noch Laetizia Venezia Tarnowska, welche die Frau von Julien spielt. Über sie kann man wenig sagen, da auch ihre Aufgabe eher begrenzt ist. Das, was man von ihr sehen konnte, ist gut gespielt, wenngleich daran auch nichts Überragendes festzustellen war.


Letztendlich waren jedoch die Schauspieler sehr gut ausgewählt, sodass eine gelungene Kombination aus allerlei Charaktertypen entstanden ist. Auch kleinere Rollen waren gut besetzt, hier sei zum Beispiel die Rolle der strengen Lehrerin während der Grundschulzeit zu erwähnen.


~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ DVD-Extras ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
-Trailer von...
=> Okay
=> Heimliche Spiele
=> Der Schmetterling
=> Echte Frauen haben Kurven
=> Unter dem Sand
=> Broken Wings
=> Liebe mich, wenn du dich traust


-Making of
In diesem Bereich wartet eine Vielzahl an Clips aus dem Film und aus der Produktion auf den Zuschauer. Man erhält Einblick in die Entstehung und in die Art und Weise, wie welche Szenen umgesetzt wurden. Die Sequenzen sind jedoch alle auf Französisch mit deutschem Untertitel.
Natürlich erfährt man hier auch, wer hinter der 'Produktion' steckt und welche Hürden die Macher des Filmes überstehen mussten, zum Beispiel die kalten und verregneten Nächte während des Drehs der Schlussszene.


-Video Clip
Bezeichnend ist der Video Clip – die Melodie des Filmes, gespielt und besungen. Das Ganze in französischer Sprache mit deutschen Untertiteln und mit ausgezeichneten Bildern/Ausschnitten aus dem Film, die zum Text und zur Ambience passen.


-Interview Philippe Rombi
Da der Film „Liebe mich, wenn du dich traust“ durchaus von der Musik lebt, gibt man hier Einblick in die Intention, die Rombi bei der Auswahl der Musik hatte. In jeder Szene gibt es andere Gründe, warum man genau diesen Song, genau dieses Element ausgesucht hat. Musik unterstreicht, verstärkt und verschönert die Handlung und zeigt Richtungen, wenn gerade keine explizite Handlung vorhanden ist.


-Deleted Scene
Hier kann man sich entscheiden, ob man dazu den Kommentar anhören will oder nicht.
Allerdings sind das Szenen, die wirklich zurecht gekürzt wurden, da sie für den Verlauf nicht unbedingt wertvoll sind.


-Audiokommentar
Letztlich hat man auch noch die Möglichkeit, den Film mit Audiokommentar laufen zu lassen, wodurch man dann eventuell offene Fragen klären kann.


Etwas schade ist doch, dass die Schauspieler, die zum Teil wirklich noch unbekannt sind, in keinster Weise vorgestellt wurden. Ansonsten ist das Bonusmaterial wirklich sehr üppig und zufriedenstellend.
Die Menüführung der DVD ist übersichtlich und leicht zu bedienen. Die Hintergrundmusik dazu stammt aus dem Film und bereitet schon hier auf die Dramatik vor.



~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Fazit ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
„Liebe mich, wenn du dich traust“ ist ein schöner, sentimentaler Film, der sicherlich an einigen Stellen gesellschaftskritisch agieren soll, zum Beispiel als Sophie als kleines Kind mit Worten wie 'Dreckspolakin' beschimpft wird. Genauso aufmerksam zu beobachten ist jedoch auch die Abhängigkeit der Beiden, die sie nie ganz verstehen und zu jeder Zeit bekämpfen wollen.
Dazu passend ist die Musik, auch die Schauspieler sind perfekt ausgesucht. Das Bonusmaterial rundet das Filmerlebnis schließlich ab.

Für diese Leistung daher fünf von fünf Sternen.

Viel Spaß beim Anschauen wünscht Daniela.


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