Das Mädchen im roten Mantel (Taschenbuch) / Roma Ligocka Testbericht

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ab 11,77
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Erfahrungsbericht von Traumreisende

....Die versteckten Kinder....

Pro:

nachdenklich; geschichtlich sehr interessant

Kontra:

traurig

Empfehlung:

Ja

Aufmerksam wurde ich durch dieses Buch, durch eine Kaufempfehlung im Weltbild Katalog. Es handelt sich hierbei um die Aufzeichnungen von Roma Ligocka, das kleine jüdische Mädchen mit dem roten Mantel, durch ihr Aussehen auch Poziomka, die kleine Erdbeere, genannt. Viele kennen dieses kleine Mädchen aus Steven Spielbergs Film Schindlers Liste. Ein erschreckender Film der über die Gräueltaten des Holocaust berichtet. Spielbergs Filmfigur ist am Ende tot, aber die echte Roma lebt weiter und sie trägt in sich die Erinnerungen der Überlebenden dieser Generation.

.......Inhalt.......

Roma Ligocka verweilt für einige Zeit an der Côte d Azur, was ihr wie ein Aufenthalt in einem Paradies erscheint. Alles wäre perfekt, wenn da nicht immer wieder die Erinnerungen an ihre Kindheit aufkommen würden. Gedanken und Ängste an die nationalsozialistischen Jahr und das Leben im Krakauer Ghetto. Aus der Sicht eines Kindes erzählt Roma Ligocka ihre Erlebnisse, die weit zurückreichen.

Roma erblickt am 13. Nov. 38 in einem Krakauer Krankenhaus das Licht der Welt. In dieser Nacht brennen in Berlin die Synagogen und das NS-Regime hat Deutschland fest im Griff. Sie ist ein Jahr alt als alle Juden sich mit einem gelben Stern kennzeichnen müssen. Sie lebt mit ihren Eltern und der Großmutter und vielen anderen Juden im Krakauer Ghetto. Permanente Kälte, Krankheiten und die Angst einen Angehörigen zu verlieren oder selbst erschossen zu werden, bestimmen den Alltag dieser Menschen. Die Großmutter kümmert sich liebevoll um Roma während die Eltern der angeordneten Arbeit im Ghetto nachgehen.

Der Alltag bedeutet aber auch ständige Deportationen und die Schikanen der Soldaten zu ertragen. Erschießungen auf offener Straße, der nächtliche Terror und die Aussiedlung der geliebten Großmutter. Roma werden die dunklen Haare blond gefärbt, damit sie ein bisschen arisch aussieht. Die Eltern versuchen ständig arische Kennkarten zu ergattern. Roma lernt sehr schnell sich unauffällig zu verhalten und keine falschen Fragen zu stellen. Zwischen all diese Ängste lernt Roma aber auch die Liebe kennen, mit der es den Menschen möglich ist, all dieses Leid zu überstehen.

Roma und ihre Mutter Tosia verstecken sich tagelang in einem Kellerraum und können so die Deportation ins Endlager vermeiden. Mit ihren 4 Jahren und einem kleinen Koffer in der einen Hand und ihrer Mutter an der anderen irren die Beiden im März 43 durch die Straßen von Krakau, verzweifelt auf der Such nach einer Bleibe. Sie finden Unterschlupf bei einer ehemaligen Angestellten der Familie.

Durch die ständigen Wohnungsdurchsuchungen der deutschen Soldaten sind Roma und ihre Mutter oft gezwungen ihren Unterschlupf zu verlassen und sich für einige Tage eine andere Behausung zu suchen. Die Mutter lebt in ihren Erinnerungen und erzählt Roma viel über die schönen Jahren, die sie mit Romas Vater verbrachte.

1945 kehrt der Vater heim, stirbt aber einige Zeit später aufgrund starker gesundheitlicher Schäden. Roma besucht die Schule und fühlt sich einsamer denn je zuvor. Jedes dieser Kinder hat dermaßen viel durchgemacht, dass sie nicht in der Lage sind von einer Stunde zur anderen kindlich und unbeschwert zu leben. Immer wieder wird Roma von schrecklichen Träumen heimgesucht.

Das Leben in Krakau geht unter kommunistischer Führung weiter. Roma macht ihr Abitur und studiert Kunst. Ihre erste Ehe mit einem Alkoholiker endet in einem Fiasko. Mit ihrem zweiten Mann, einem Regisseur, macht sie eine Hochzeitsreise nach Salzburg und setzt sich in den Westen ab. In all den Jahren findet sie trotz erfolgreicher Arbeit und genügend Anerkennung nicht zu sich zurück. Die grausigen Erlebnisse ihrer Kindheit haben sie zu sehr geprägt.


..... Textauszug....

Es gibt kein Bad, die Toilette im Treppenhaus wird von allen benützt, sie ist ständig verstopft. Es stinkt bestialisch, überall. Mir wird jedes Mal schlecht von dem Gestank. Trotzdem lasse ich die Großmutter nie allein dorthin gehen. Vielleicht kommt sie sonst nie wieder.


.....Hauptperson.....

Roma Ligocka, 1938 in Krakau geboren, hat als Kostümbildnerin für Theater, Oper, Film und Fernsehen gearbeitet und viele Preise erhalten. Heute lebt sie als Malerin in München und macht zahlreiche Ausstellungen unter anderem in Warschau, Zürich und New York.
Sie verlor beim Holocaust einen Grossteil ihrer Familie.


.....Impressum.....

Droemer Verlag, München
ISBN 3-426-27209-1
463 Seiten

HC Ausgabe EUR 9,95 beim Weltbild Verlag


.....Kritik....

Ein Mensch, der die Hölle auf Erden erlebte, berichtet hier in einer so traurigen und doch so beeindruckenden Weise von seinen Erlebnissen. Aus der Perspektive des Kindes berichtet Roma in vielen Details, was es heißt jeden Tag in Angst und Schrecken zu leben. Zu einer Gruppe von Menschen zu gehören, die in der vorherrschenden Gesellschaft keinen Wert mehr haben. Ein Kind zu sein und doch kein kindliches Dasein führen zu dürfen.

In vielen Passagen wird es deutlich, wie schwer es Roma auch später fällt, Liebe zu geben und zu empfangen. Die Liebe ihrer Mutter scheint sie zu erdrücken und schwer zu belasten. Roma hat zu viel durchlebt und findet keinen rechten Zugang zu sich selbst.

Gefühlvoll und mit viel Bitterkeit beschreibt sie die einzelnen Stationen ihres Lebens. Auch nach Kriegsende und trotz erheblicher beruflicher Erfolge gibt es kein Entrinnen vor den vielen Erinnerungen. Trotz ihrer Verletztheit gelingt es ihr viele Jahre später aus eigener Kraft ihr schweres Schicksal zu meistern.

Das Buch ist mit sehr beeindruckenden Farbdrucken von Roma Ligocka sowie vielen alten Familienfotos versehen. Das Buch hat Roma ihrem Sohn Jakob gewidmet.

....Fazit....

Ein Buch, das durch seinen biographischen Stil nicht nur einen Einblick in die schrecklichen Ereignisse des NS Regimes bietet, sondern auch zeigt, wie schwer es ist mit dieser Last weiterzuleben. Auch in der heutigen Zeit ...oder gerade wieder... ist es besonders wichtig zu erkennen, wie unabdingbar eine intakte und friedvolle Weltordnung ist. Das Gewalt und falscher politischer Ergeiz über ein ganzes Volk nur Unglück und Zerstörung bringen.

Ich habe dieses Buch in nur zwei Tagen nahezu verschlungen. Es wirkte auf mich sehr bedrückend und ich brauchte einige Zeit , um das Gelesene zu verarbeiten. Durch die hautnahen Schilderungen erfährt man mehr über das schreckliche Ereignis als in vielen trockenen Geschichtsbüchern. Der Film Schindlers Liste war nur der Anfang aber Roma Ligocka erzählt die Geschichte weiter -sie schreibt Geschichte.

* Eure Traumreisende *

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