Magersucht Testbericht

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Erfahrungsbericht von Janero

Selbst eingesehen und überwunden...

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Eine Person, die diesen Artikel liest muss etwas Zeit mitbringen:




--- Zahlen ---

- 5 Millionen Menschen leiden an Essstörungen, davon haben 3,7 Millionen gefährliches Untergewicht

- 30% der Magersüchtigen sind chronisch krank
- 30% der Magersüchtigen sind nach einer Behandlung geheilt
- 30% der Magersüchtigen erfahren eine Spontanheilung
- 10% aller Magersüchtigen sterben an ihrer Magersucht

- 8% der 6-17-jährigen Jungen und Mädchen wiegen zu wenig
- 50% aller Mädchen unter 15 Jahren halten sich zu dick, bei Normal- oder Untergewicht.
- 90% der weiblichen Teenager wollen abnehmen.
- 66% aller 11-19-jährigen Jungen und Mädchen möchten dünner sein
- 73% der Frauen finden ein Gewicht unterhalb des Normalgewichts am attraktivsten.




--- Vorwort ---

In den Zeiten der Massenmedien und der allgegenwärtigen Vernetzung ist das Leben ganz schön hart geworden. Zumindest in einigen Breichen. Auf einen Bereich möchte ich hier zu sprechen kommen. Denn regelmäßig sind die Artikel in Zeitungen zu lesen, in denen es um Jugendliche geht, die sich zu Grunde gerichtet haben, um einem Schönheitsideal zu entsprechen. Auch Talkshows reißen sich um solche Fälle, weil sie hohe Einschaltquoten fast schon garantieren.

Durch TV und Zeitungen, wo lauter hübsche Menschen zu sehen sind, fangen Teenager das grübeln an. Sie erfahren direkt eine Welt, die nicht real ist. In Serien
sind lauter \"perfekte\" Menschen. Sogar die Schaufensterpuppen haben im Vergleich zu welchen in den 20ern abgenommen und 10 cm Hüftumfang und 5cm Beinumfang eingebüßt. Im Vergleich zu lebendigen Frauen messen sie 13,5cm weniger um die Hüfte und haben 10cm dünnere Oberschenkel. So bildet sich im Kopf vieler Jugendlicher ein Bild von einer idealen Frau und einem idealen Mann. Natürlich sind diese Vorstellungen total haltlos, denn auch die schönsten Covergirls oder Dressmen sehen ungeschmickt und bei Tageslicht eigentlich ganz normal aus. Doch sieht man sie nur fast nie so. Aber dieser Idealvorstellung wird nachgeeifert. Kein Gramm fett. Sportlich und elegant. Schöne Haare, makelloses Gesicht...Das sind so die Vorstellungen, die Jugendlich übers TV oder andere Einflüsse vermittelt bekommen. So können auch schulische Misserfolge oder beschränkte oder gar nicht vorhandene soziale Kontakte ein Auslöser sein. Da Magersucht eine psychosomatische Krankheit ist, gibt es auch viele mögliche Auslöser. Für alle, die sich nun denken, dass man dieser Entwicklung mit einem guten und liebevollen Elternhaus entgegenwirken kann oder, dass es den Kindern nur an Selbstbewusstsein mangelt, den muss ich enttäuschen. Denn so einfach ist das nicht. Hierzu meine Geschichte:




--- Fakten und Zahlen ---

Die Krankheit heißt mit lateinischem Namen „Anorexia nervosa“, was eigentlich falsch ist, denn 1zu1 übersetzt heißt das „Appetitlosigkeit“. Nun ist Magersucht aber keine Appetitlosigkeit, sondern eine Unterdrückung des Hungergefühls, das die Betroffenen sehr wohl spüren. (Nebenbei: Es wird nach 1 Monat nicht mehr als Hungergefühl erkannt. Es wird normal und man merkt es gar nicht mehr)
Magersucht ist eine psychosomatische Krankheit. Das heißt, dass diese Essstörung nicht durch körperliche Faktoren ausgelöst wird, sondern von der Psyche ausgeht. Und das macht die Behandlung so schwer. Bezeichnend ist eine extreme Gewichtsabnahme und ein halten dieses Minimalgewichts. Die Angst dicker zu werden ist allgegenwärtig.
Betroffen sind vor allem Mädchen zwischen 15 und 25 Jahren. Meist haben die an Magersucht, also Anorexia nervosa, erkrankten Personen einen hohen Intelligenzgrad. Etwa 1% dieser Altergruppe ist an Magersucht erkrankt. Das sind bei 10.000 Jugendlichen 100 Personen!
Nur etwa 5% der Betroffenen sind männlich. Deswegen schreibe ich meine Erfahrungen hier herein, um diese Minderheit zu vertreten.




--- Magersucht oder Bulimie? ---

Auch ist es sehr schwer eine klare Grenzlinie zwischen Magersucht und Bulimie (Ess-Brechsucht) zu ziehen, denn meistens treten die beiden Krankheiten in Kombination oder nacheinander auf. Die Grenzen sind bei den Erkrankten meist fließend. Der Unterscheid ist, dass Personen, die an Bulimie erkrankt sind plötzlich Heißhungerattacken unterliegen, Nahrung hineinschaufeln, es ihnen danach „leid tut“ und sie die Nahrung wieder herauswürgen. Und die Magersüchtigen wenig Nahrung aufnehmen und so fast gar nichts essen, ihr Hungergefühl, also ständig unterdrücken.




--- BMI/Body-Mass-Index ---

Ich halte nichts von Werten, wie BMI (Body-Mass-Index), da sie einen Menschen in Zahlen pressen. So ist meine Freundin laut dieses Indexes magersüchtig. Sie kann aber soviel essen, wie sie will und nimmt nicht zu. Sie hat nunmal diese Veranlagung und erfreut sich einer glänzenden Gesundheit. Wenn ein Mensch unter dem empfohlenen Wert liegt ist das also kein eindeutiges Zeichen für eine Essstörung. Hier aber doch mal die Berechnung:


(Gewicht in kg) geteilt durch (Größe in Meter zum Quadrat)

è Unter 18 = Magersüchtig
è 18 – 20 = Untergewicht
è 21 – 25 = Normalgewicht
è 26 – 30 = Übergewicht
è über 30 = Fettsucht

Bei mir macht das also 72 : 1,82x1,82 = 21,7. Also Normalgewicht…




--- Diät = Magersucht? ---

Nun ist es aber falsch jede Diät gleich als Magersucht zu bezeichnen, denn ein Mensch, der eine Diät anfängt und sein am Anfang der Diät gesetztes Gewicht erreicht hat, hört mit der Kur auf. Vorraussetzung dafür ist eine gesunde Körperwahrnehmung. Wenn der Drang dazu da ist weiterzumachen und man sich auf einem für den Körper gefährlichen Level bewegt, dann ist das eine Sucht abzunehmen. Eben Magersucht. Man möchte immer weiter Gewicht verlieren, bis man ganz schlank ist und kein Gramm Fett mehr am Leibe hat.




--- Meine Story ---

Stellt euch also einfach mal einen lebensfrohen blonden Jungen vor, der mit seinen Freunden zusammen die ersten Erfahrungen mit Alkohol macht und immer stärker das Bedürfnis verspürt seine abendlichen Aktivitäten auszuweiten. Dieser 14-Jährige Junge hat einen großen Freundeskreis, mit dem es sich auch des Öfteren trifft. Doch zu diesem Gefühl der Freundschaft gesellen sich nun auch die ersten Hormone. Um ihn herum findet irgendwie jeder mal einen Partner und macht die ersten bescheidenen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Bis auf einige wenige Leute. Unter diesen, der kleine blonde Junge...
Soweit zur Vorgeschichte. Ich hab mir also gedacht, dass das wohl an meinem leichten Übergewicht liegt. Ich war damals so 1,60 groß und hab 70 kg gewogen. Soweit ich mich erinnern kann. Ich hab also in meinem Inneren beschlossen drastisch abzunehmen und so zu werden, wie diese TV-Stars, die so viele anhimmeln. Ich habe also etwas Sport gemacht. Bin Rad gefahren und hab sonstiges angestellt, um irgendwie in Form zu kommen. Das hat auch eigentlich ganz gut geklappt. Zumindest waren die Speckrollen weg. Das hab ich beibehalten...
Als ich 15 wurde habe ich 4 Monate nach meinem Geburtstag meine Freundin kennen gelernt, mit der ich immer noch zusammen bin. Alles in Butter denkt ihr? Weit gefehlt...

Ich weiß nicht welcher Teufel mich geritten hat, und im Nachhinein ist das auch unverständlich für mich, aber ich wollte weitermachen mit dem Abnehmen. Ich habe also angefangen immer weniger zu essen. In dem nachfolgenden Sommer wurde ich 16. In diesem Sommer hab ich es geschafft durch fast tägliches Schwimmen (1-2km) und minimaler Nahrungsaufnahme es soweit zu bringen, dass ich nur noch 50 kg wog. Und das mit 1,78 ! ! ! Ich hab teilweise mein Pausenbrot weggeworfen oder das Mittagessen wieder herausgewürgt. Nur noch leichtes Gemüse gegessen usw. Ich hab am Tag nicht mehr als 250-500 kcal (Ich hätte etwa 2000 gebraucht) zu mir genommen, glaube ich. Das ging so über mehrere Monate. Bis mein Körper sich nicht mehr helfen konnte. Er hatte alle Muskeln und all das Fett abgebaut, das ihm zur Verfügung stand. Ich war ein wandelnder Knochenhaufen, wenn man es gemein ausdrückt. Mir haben damals alle Menschen, die mich lieben gesagt, dass ich zu dürr sei. Meine Freundin, meine Eltern, meine Freunde. Auch manche Lehrer und auch natürlich die Ärzte. Der Orthopäde hat gesagt, dass mir mindesten 12 kg Muskelmasse fehlen. Aber dickköpfig wie ich nun mal bin, habe ich alle Kritiken als nichtig erachtet...

Der Wendepunkt kam dann, als ich mich im darauf folgenden Winter besser mit meinem jetzigem besten Freund Tim verstand. Er war und ist ein Gutaussehender und sportlicher Junge. Er hat mir erzählt, dass es oft dafür trainiert und was er macht, um sich fitt zu halten. Das er von allen als Playboy der Jahrgangsstufe angesehen wurde, hat mich das aufwachen lassen. Er hat mir erzählt, dass er angefangen hat zu trainieren, weil er stark Akne hatte. Er versuchte diesen Schönheitsfehler durch Muskeln auszugleichen. Er hat mir auch erzählt, dass er wegen der Akne auch nie ins Schwimmbad gegangen ist. Und da hat es bei mir klick gemacht. Ich hab auf einmal eingesehen, dass ich die ganze Zeit, den falschen Weg gegangen bin. Denn Tim sah gut aus und aß ganz normal. Fast schon mehr als genug. Ich wollte auch so sein, wie er und habe angefangen meinen Körper langsam wieder an mehr Nahrung zu gewöhnen. Parallel dazu habe ich angefangen Krafttraining zu machen und auch sonstige Sachen, wie Laufen und Radfahren. Denn noch war es nicht zu spät.
Am Sommer letzten Jahres war ich mit einem Fitnessstudio und meinen Freunden in Frankreich zum surfen. Da ich da durch meine Scherze und Aktionen ziemlich beliebt war, habe ich den Vertrag über 3 Monate im Fitnessstudio bekommen, der als Preis ausgesetzt war. Ich habe also angefangen viel Zeit in den Aufbau meines Körpers zu stecken und normal zu essen. Es war ein langer Prozess. Denn ohne Muskelmasse Gewichte zu stemmen oder lange Radtouren durchzuhalten ist nicht sehr einfach.
Wie dem auch sei. Nach den 3 Monaten hatte ich eine Basis, auf der ich aufbauen konnte. Mit dem Gerät, dass wir daheim stehen haben konnte ich das weiterführen und hab das auch getan. Bin weiterhin Rad gefahren und war im Schwimmbad mit Freunden, oder hab sonst was gemacht. Mittlerweile bin ich 1,82 groß und wiege so 72 kg. Ich habe gelernt meinen Körper zu akzeptieren und wollte nicht mehr möglichst dünn sein. Klar gibt es immer noch Sachen, die mich stören, aber ich werde mich hüten so brutale Methoden noch einmal anzuwenden. Denn eigentlich bin ich ganz zufrieden mit mir, wie ich jetzt bin.
Das war jetzt so ziemlich die Kurzfassung. Das sieht man ja schon an dem Zeitraum, in der sich das alles abgespielt hat, aber ich hoffe ich hab euch meine Situation näher gebracht und konnte euch vielleicht irgendwie helfen...




--- Andere Fälle ---

Es gibt aber auch einen Fall, indem einer nicht so einsichtig, wie ich war. Ein Bekannter(Zu Erinnerung-> Nur 5% der Magersüchtigen sind Jungen) meiner Freundin. Der ist ins Krankenhaus eingeliefert worden und musste sich mit Fresskörben erschlagen lassen, die die lieben Omas mitgebracht hatten. Ich an seiner Stelle hätte den Korb mit samt Oma an die Wand geworfen, aber er ist da lieber. Er oder ich in seiner Situation hätte sowieso keine Kraft dazu gehabt...Mittlerweile geht es ihm wieder etwas besser, aber immer noch nicht wirklich. Aber ich glaube er hat es eingesehen. Wie besuchen ihn ab und zu und er ist auch wieder aus dem Krankenhaus draußen und hat sein Studium fortgesetzt. Ich hab ihm alles erzählt, was ich wusste. Ich war zwar jünger, aber ich glaube, dass ich ihm sehr geholfen habe. Er konnte einfach mal darüber reden…




--- Die Angehörigen und die Schäden ---

Aber zurück zu der Oma mit dem Fresskorb. Die Angehörigen sind auch sehr wichtig, wenn es darum geht eine Person die an einer solchen Essstörung leidet zu helfen. Dazu kann ich mangels tiefenpsychologischer Bildung nicht sehr viel sagen. Nur soviel:
Es bringt absolut nichts der erkrankten Person zu sagen, dass sie zunehmen soll. Die Gewichtsreduzierung ist nur ein Symptom. Eine Reaktion auf etwas. Ich hab auch nicht auf Ärzte und Freunde gehört. Das ist zwar gemein, da mir alle helfen wollten, aber es war nun mal so. Ich bin nur von meinem Denken abgekommen, weil mein Freund Tim ein Vorbild war und nichts zu mir gesagt hat, was mich an meine Krankheit erinnert. Er hat sich einfach mit mir unterhalten. So hat es dann nach kurzer Zeit klick gemacht und ich hab meine Ziele umgeschrieben.
So einfach ist es aber nicht in jedem Fall. Ich hatte nur keine Probleme damit schnell einzusehen, dass der Weg der Falsche war, als ich Gelegenheit zu einer Zielneusetzung hatte. Andere bekommen diese Gelegenheit nicht und machen weiter, bis sie an ein lebensbedrohliches Limit kommen. Schäden, wie Herzrhythmusstörungen, Knochenerweichung, Sodbrennen und Entzündungen der Speiseröhre und auch Veränderungen der Sexualhormone, können auftreten. Kann ich übrigens nur bestätigen. Ich hatte zwar Glück und konnte mich noch retten, bevor es richtig ernst wurde, aber meine makellosen Zähne wiesen in der Zeit ein großes Loch auf, dass durch die hochgewürgte Magensäure entstanden ist. Es wurde mit einem Goldzahn geflickt und blieb auch das einzige Loch. Der Zahn erinnert mich nun stets an meine Vergangenheit. Und das ist gut so. Eine Information so nebenbei: Ich hatte während meiner Hungerphasen übrigens keine Lust mehr auf Sex. Diese Krankheit wirkt sich also auf sehr viele Bereiche aus, denn sie greift den Körper an seiner Lebensgrundlage an und schädigt ihn dadurch. Er kann zwar lange über die Runden kommen, was ein gewisses Zeitpolster gibt, aber ewig geht es nicht…




--- Nachwort ---

Ich hoffe, dass ich etwas helfen konnte. Ich bedanke mich für das Interesse und will nur noch folgende Links mitgeben, die ich mir angeschaut habe und für sehr geeignet halte:

http://www.magersucht.de/
http://www.magersucht-online.de/

Diese Internetseiten bieten viele Infos zu dem Thema Magersucht und auch Essstörungen allgemein. So gibt es unter anderem Tipps für Eltern und Freunde, aber auch Anregungen zur Selbsthilfe. Erfahrungen, Lyrik, Expertenmeinungen und vieles mehr...


Ciao Janero


Nachtrag:
Meine Mutter hat den Bericht gelesen und mir gesagt, dass sie heilfroh darüber ist, dass ich wieder normal geworden bin. Sie hat mir erzählt, dass sie es gesehn hat, dass ich das Essen wieder herausgebrochen habe, aber sich machtlos fühlte. Das zeigt, wie hilflos selbst die Eltern in solchen Situationen sind. Deswegen kann ich nur den sehr sehr ernst gemeinten Rat geben: \"Holt euch seriöses Infomaterial und kontaktiert nach erfolglosen Gesprächsansätzen mit der betroffenen Person einen Facharzt, denn dass jemand aus eigener Kraft aus dieser Lage herauskommt ist sehr selten...\"

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