Die fünfte Frau (Taschenbuch) / Henning Mankell Testbericht

ab 6,15
Auf yopi.de gelistet seit 03/2005

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Erfahrungsbericht von Gozo-Bernie

Geht es wirklich um die fuenfte?

Pro:

Super Roman, spannend und viel mehr, preisguenstig!

Kontra:

Nichts

Empfehlung:

Ja

Heute mal wieder die Besprechung eines Kriminalromans. Eines neueren Romans von Henning Mankell und seinem Helden Kommissar Wallandere und dessen Team. Um den Unterschied zwischen einem ausgewachsenen Roman von Henning Mankell zu zeigen und einem 'nur Krimi' z.B. von Agatha Christie, hier eine Leseprobe aus dem Band 'Die fuenfte Frau':

"Prolog

In der Nacht, als sie gekommen waren, um ihren heiligen Auftrag durchzuführen, war alles sehr still. Farid, der jüngste der vier Männer, dachte später, daß nicht einmal die Hunde angeschlagen hatten. Sie waren von der lauen Nacht umschlossen, und der Wind, der in schwachen Stößen aus der Wüste heranwehte, war kaum spürbar. Hauses auf der anderen Straßen-seite war Licht. Ein Bus mit flackernden defekten Scheinwerfern fuhr scheppernd vorüber. Dann war es wieder still.
...

Der Anführer sah ihn an, als habe er seine Gedanken erraten.
"In diesem Haus wohnen vier Frauen", sagte er dann. "Es sind Ausländerinnen, die es abgelehnt haben, freiwillig unser Land zu verlassen. Deshalb haben sie den Tod gewählt. Außerdem sind sie Christen."
Ich soll eine Frau töten, fuhr es Farid durch den Kopf. Davon hatte Rachid nichts gesagt.
Dafür konnte es nur eine Erklärung geben.
Es bedeutete nichts. Es machte keinen Unterschied.
Dann gingen sie ins Haus. Das Türschloß ließ sich leicht mit einer Messerklinge öffnen. Drinnen im Dunkeln, wo es sehr heiß war, denn die Luft stand vollständig still, machten sie Ta-schenlampen an und suchten vorsichtig den Weg über eine breite Treppe nach oben. Im Korridor des Obergeschosses hing eine einsame Glühbirne an der Decke. Immer noch war alles sehr still. Vier geschlossene Türen lagen vor ihnen. Sie hatten die Messer herausgeholt. Der Anführer zeigte auf die Türen und nickte. Farid wußte, daß er jetzt nicht zögern durfte. Rachid hatte gesagt, daß alles sehr schnell gehen müsse. Er solle vermeiden, die Augen anzusehen. Er solle nur den Hals ansehen, und dann schneiden, fest und entschlossen. Nachher konnte er sich auch nicht an viel erinnern. Die Frau, die mit einem weißen Laken bedeckt im Bett gelegen hatte, war vielleicht grauhaarig gewesen. Er hatte sie nur ungenau gesehen, weil das Licht, das von der Straße hereinfiel, sehr schwach war. Im gleichen Augenblick, als er das Laken fortzog, war sie erwacht, aber sie hatte keine Zeit gehabt zu schreien, keine Zeit gehabt zu begreifen, was vor sich ging, bevor er mit einem einzigen Schnitt ihre Kehle durchtrennte und hastig einen Schritt zurückwich, um nicht vom Blut bespritzt zu werden. Dann hatte er sich umgewandt und war in den Korridor zurückgegangen. Das Ganze hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert. Irgendwo in ihm hatten die Sekunden getickt. Die Männer wollten gerade den Korridor verlassen, als einer von ihnen mit leiser Stimme rief. Der Anführer erstarrte, als wisse er nicht, was er tun solle.
Es war noch eine Frau in einem der Zimmer. Eine fünfte Frau.
Sie hätte nicht dasein sollen. Sie war eine Fremde. Vielleicht war sie nur auf Besuch.
Aber sie war auch Ausländerin. Das hatte der Mann, der sie entdeckt hatte, erkannt.
Der Anführer ging in das Zimmer. Farid stand hinter ihm und sah, daß die Frau im Bett zusammengekrochen war. Ihre Angst zu spüren bereitete ihm Übelkeit. In dem anderen Bett lag eine Frau — tot. Das Laken war von Blut durchtränkt.
Der Anführer zog sein Messer und schnitt auch der fünften Frau die Kehle durch.
Danach verließen sie das Haus so unbemerkt, wie sie gekommen waren. Irgendwo in der Dunkelheit wartete der Wagen auf sie. Als der Morgen zu dämmern begann, hatten sie El Qued und die fünf toten Frauen schon weit hinter sich gelassen.
Das war im Mai 1993
...

Der Brief kam am 19. August in Ystad an.
Weil er in Algerien abgestempelt war und also von ihrer Mutter sein mußte, hatte sie damit gewartet, ihn zu öffnen. Sie wollte ihn in aller Ruhe lesen. Es war ein Brief mit vielen Seiten, denn das Kuvert war dick. Sie hatte seit drei Monaten nichts von ihrer Mutter gehört. Sicher hatte sie jetzt viel zu erzählen. Sie hatte den Brief auf dem Wohnzimmertisch liegenlassen und bis zum Abend gewartet. Sie spürte eine leichte Verwunderung. Warum hatte ihre Mutter die Anschrift diesmal mit Maschine geschrieben? Doch sie dachte, daß die Antwort darauf wohl im Brief zu finden wäre. Erst als es auf Mitternacht zuging, hatte sie die Balkontür geöffnet und sich in den Liegestuhl gesetzt, der kaum Platz hatte zwischen all ihren Blumentöpfen. Es war ein warmer, schöner August-abend. Vielleicht einer der letzten in diesem Jahr. Dort draußen wartete schon der Herbst, wenn auch noch unsichtbar. Sie öffnete den Brief und fing an zu lesen.
Erst hinterher, als sie den Brief zu Ende gelesen und weggelegt hatte, begann sie zu weinen.
...

Es gab kein Zweifeln mehr für sie. Auch kein Zurück. Sie würde sich selbst ein Jahr geben. Um die Trauer zu bewältigen, um alle Vorbereitungen zu treffen. Aber länger nicht. Noch einmal ging sie hinaus auf den Balkon. Eine Regenfront zog vom Meer heran.
Kurz nach sieben Uhr ging sie ins Bett.
Es war der Morgen des 20. August 1993. "

Soweit die Leseprobe, komplett aus dem Prolog des Buches.

Haetten wir einen Krimi von Agatha Christie vor uns, dann wuerde sich jetzt alles um die Aufklaerung der Vorgaenge in Algerien drehen und man wuerde die Schuldigen dort ausfindig machen und ihrer Strafe zu fuehren Nach 150 Seiten oder vielleicht 200 waere die Sache beendet. Doch ein Roman von Mankell ist anders. Das merkte ich, der zum erstenmal einen Wallander-Roman gelesen habe. Ich dachte mir: nanu, warum spielt das in Algerien. Nun, das ist nur der Prolog, der aber fuer das Buch insgesamt sehr wichtig ist. Das Buch, das 565 Seiten umfasst bei der Ausgabe die mir vorliegt.

Es handelt sich wieder um ein im Kulturzentrum Bruno Herding ausgeliehenes Buch, das genauso aussieht wie das oben abgebildete. Meine Ausgabe ist von dtv, erschienen Oktober 2000 als ISBN 3-423-20366-8 und kostete laut Aufdruck DM 18.50 bzw. sollte ab 1.1.2002 Euro 9.50 kosten, wie auch bereits aufgedruckt ist. Der Band kostete spaeter laut yopi-Angabe 10.00 Euro, ist aber derzeit als Sonderausgabe fuer nur 4.90 erhaeltlich (z.B. bei zweitausendeins.de und bei Weltbild.de). Der Band wurde uebersetzt von Wolfgang Butt und diese Uebersetzung wurde, wie man dem Buch entnehmen kann," gefoerdert durch die Europaeische Gemeinschaft im Rahmen des Programms Ariane 1998".

In der eigentlichen Handlung des Romans - das Geschehen in Algerien spielt im Roman selbst keine Rolle mehr, es ist der Ausloeser - geht es nicht um den Tod der fuenf Frauen, sondern um die Ermordung mehrere Maenner. Es sieht nach einer Serie aus, doch scheinen die Getoeteten in keinerlei Zusammenhang zu sein. Ausser dass sie alle in der gleichen Gegend wohnen, aber durchaus nicht in unmittelbarer Nachbarschaft. Und noch etwas ist auffaellig

Der Leser ahnt zunaechst und erfaehrt dann genauer, wer die Taten vollbringt und langsam auch warum. Doch wird die Person lange nicht vollstaendig identifiziert. Der ganze Roman ist so geschickt aufgebaut, dass man immer wieder in die Irre geleitet wird. Was soll zum Beispiel die Spionage-Ausruestung, die man im Hobbyraum eines der Getoeteten findet? Wer von den Ermordeten hatte Kontakte zu den anderen, evtl. ueber eine fruehere Tatetigkeit als Soeldner in Afrika?

Das Buch laesst einen nicht los, man muss es so schnell wie moeglich weiter lesen, bis man am Ende ist, denn man will es wissen. Wann kommen die Leute um Wallander endlich auf die richtige Idee (spaet!)? Und dann auf die richtige Spur, nachdem sie halb Schweden auf der Suche nach irgendwelchen Anhaltspunkten bereisen? Zwischendurch muss auch noch die Polizei einer anderen Stadt eingeschaltet werden, weil ein Mord ausserhalb von Ystad geschah - was zunaechst etwas hinderlich ist fuer die Nachforschungen, denn dadurch scheint die Serie unterbrochen. Und bei den Nachforschungen um den Tod eines Autohaendlers, der sicher viele Gegener hatte, ja auch Feinde (aber reicht es fuer einen Mord?), findet man ein seltsames Vermaechtnis, naemlich dass er einen grossen Betrag einer Kirchengemeinde weitab seines Wohnortes zukommen liess. Warum nur? Geschah vor Jahren ein weiterer Mord?

Noch eines haben die Morde gemeinsam, erwaehnte ich oben, und deshalb sind Wallander und sein Team sicher ueber den Serienmoerder: sie sind alle besonders grausam und ausgekluegelt. Wie kann ein einzelner Taeter aber so gezielt und koordiniert arbeiten - nahezu ein perfektes Uhrwerk laueft ab, scheint es. Auch die Zeitabsatende zwischen den Morden - warum, warum? Die Leserin und der Leser ahnen, wissen mehr als die Polizei, ein tolles Gefuehl.

Natuerlich erfaehrt man auch jede Menge ueber das Leben in Schweden, ueber soziale und politische Probleme, auch persoenliche innerhalb des Ermittlungsteams. Das gehoert bei Mankell offenbar dazu.
Alles etwas verwirrend? Offensichtlich auch fuer die Leute die die Werbetexte schreiben: Ich zitiere noch einmal, diesmal von weltbild.de:

"Von Schwedens Krimiautor Nr. 1
Eine besonders grausame Mordserie, bei der es selbst erfahrenen Polizisten kalt den Rücker hinunterläuft, hält Kommissar Wallander in Atem.
Drei Männer wurden bereits ermordet. Drei harmlose, unbescholtene Bürger. Der eine schrieb Gedichte und war ein Vogelliebhaber, der andere besaß einen Blumenladen. Der dritte war Forscher an der Universität. Eigenartiger Weise scheint es eine Verbindung zu einem Verbrechen in Algerien zu geben: Fünf Frauen wurden dort tot aufgefunden.
Im Zuge seiner Ermittlungen entdeckt Kommissar Wallander die schreckliche Wahrheit."

Der vorletzte Satz ueber die Verbindung zum Mord an den fuenf Frauen ist zwar richtig, aber ich finde sehr sehr irrefuehrend. Spielt der Mord an den Frauen eine Rolle in den Ermittlungen um die Morde an den Maennern? Nein! Und ich glaubte lange, auch aufgrund der Soeldnergeschichte, dass da ein Zusammenhang mit fundamentalistischen Gruppen in Schweden sein koennte. Aber ist dem so?

Ich will nicht mehr verraten. Fuer die 100-%-igen unter den Lesern ein Satz zum Autor: "Henning Mankell, geboren 1948 löste weltweit den Boom der skandinavischen Krimi-Literatur aus." (eenfalls von weltbild.de) Auch dieser Satz ist meiner Meinung nach falsch, denn was war denn z.B. mit Sjoevall - Wahloe?

Zusammengefasst mein Eindruck von dem Buch: Spannend bis zum Geht-nicht-Mehr. Glaenzend geschrieben und beschrieben. Unbedingt zu empfehlen und bei den derzeitigen Angeboten ist dieses Buch auch aeusserst preisguenstig. Was will man mehr?

Empfehlung mit mindestens 5 Sternen und bestimmt nicht mein letztes Wallander-Buch, oder sollte ich besser schreiben Mankell-Buch?!

Gozo-Bernie
15.03.06

75 Bewertungen, 27 Kommentare

  • Clarinetta2

    21.02.2007, 20:15 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: sehr hilfreich

    Klasse Bericht

  • Estha

    21.08.2006, 23:47 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    ☼☼☼ ... lg susi ... ☼☼☼

  • Zuckermaus29

    20.04.2006, 02:00 Uhr von Zuckermaus29
    Bewertung: sehr hilfreich

    "sh" von mir für Dich :o) <br/>Liebe Grüße <br/>Jeanny

  • absinth_girl

    31.03.2006, 16:12 Uhr von absinth_girl
    Bewertung: sehr hilfreich

    super bericht

  • misscindy

    31.03.2006, 11:55 Uhr von misscindy
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr schöner Bericht, liebe Grüße von Sylvia :-)

  • swissflyer

    21.03.2006, 13:49 Uhr von swissflyer
    Bewertung: sehr hilfreich

    ######### <br/>###S H### <br/>######### <br/> <br/>Liebe Grüsse, der Patrik :-)

  • Fluetie

    17.03.2006, 17:52 Uhr von Fluetie
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Dirk

  • skorbut

    17.03.2006, 00:33 Uhr von skorbut
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • marina71

    16.03.2006, 22:49 Uhr von marina71
    Bewertung: sehr hilfreich

    das fand ich auch total spannend! lg

  • Connector

    16.03.2006, 14:06 Uhr von Connector
    Bewertung: sehr hilfreich

    Danke für deine Lesung und zur Belohnung folgt auch gleich eine Gegenlesung. LG an Dich!

  • Madrianda

    16.03.2006, 12:28 Uhr von Madrianda
    Bewertung: sehr hilfreich

    ---***sh!***---VG Beate

  • anonym

    15.03.2006, 16:03 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    *** sh & lg *** Christina

  • topfmops

    15.03.2006, 14:56 Uhr von topfmops
    Bewertung: sehr hilfreich

    er Bericht; vieles dickes Dankeschön für diese Empfehlung!!! Du weißt das: Wer andere zum Lesen animiert, verdient es nicht anders: ein so etwas von bollenfettes 'SH' wie es hier steht.

  • Django006

    15.03.2006, 13:29 Uhr von Django006
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & *lg* Alan :o)))

  • sammyjo

    15.03.2006, 13:08 Uhr von sammyjo
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, gruß Angelika

  • jarolimi79

    15.03.2006, 13:08 Uhr von jarolimi79
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht, freue mich über Gegenlesungen.LG, Jaro

  • Doro1975

    15.03.2006, 12:58 Uhr von Doro1975
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wirklich ein gutes Buch :-) LG Doro

  • Finalsteini

    15.03.2006, 12:50 Uhr von Finalsteini
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • iii

    15.03.2006, 12:46 Uhr von iii
    Bewertung: sehr hilfreich

    guter Bericht = SH

  • sweetie1984

    15.03.2006, 12:45 Uhr von sweetie1984
    Bewertung: sehr hilfreich

    _sh_ Liebe Grüße Suse

  • KatharinaB

    15.03.2006, 12:43 Uhr von KatharinaB
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hört sich wirklich spannend an. LG, Katha

  • Naffy

    15.03.2006, 12:41 Uhr von Naffy
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gruß Naffy

  • sascha6525

    15.03.2006, 12:41 Uhr von sascha6525
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, Sascha6525

  • TheLick

    15.03.2006, 12:40 Uhr von TheLick
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht!!

  • MarkusH18

    15.03.2006, 12:39 Uhr von MarkusH18
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller und informativer Bericht, deshalb ein "sehr hilfreich"!! Weiter so!! Gruß Markus!!

  • morla

    15.03.2006, 12:37 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich <br/>

  • Lotosblüte

    15.03.2006, 12:37 Uhr von Lotosblüte
    Bewertung: sehr hilfreich

    Mag ich nicht so besonders... <br/>lg