Der Untertan (Taschenbuch) / Heinrich Mann Testbericht

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Erfahrungsbericht von Fantomiss

"Geistiger Anatomieatlas des Kaiserreichs"

Pro:

ein großartiges Stück Weltliteratur!

Kontra:

nicht ganz einfach

Empfehlung:

Ja

"Mein Ehrgeiz wird immer mehr rein geistiger Art: Ich möchte Helden hinstellen, wirkliche Helden, also generöse, helle, menschenliebende Menschen (…)"

So schrieb Heinrich Mann im Jahr 1906, dem Jahr, in dem er seinen Roman "Der Untertan" begann, bis zu seiner Fertigstellung 2 Monate vor Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 sollte sich daran jedoch noch vieles ändern.


"Der Untertan" in Gestalt Diederich Heßlings scheint vielmehr ein Eigenleben entwickelt zu haben, statt eines "wirklichen Helden" hat Heinrich Mann in ihm einen Antihelden par excellence geschaffen - oder Diederich hat sich von Heinrich Mann erschaffen lassen…

"Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt. Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten, der nach den Lumpen der Papierfabrik roch und über dessen Goldregen- und Fliederbäumen das hölzerne Fachwerk der alten Häuser stand. Wenn Diederich vom Märchenbuch, dem geliebten Märchenbuch aufsah, erschrak er manchmal sehr. Neben ihm auf der Bank hatte ganz deutlich eine Kröte gesessen, halb so groß wie er selbst! Oder an der Mauer dort drüben stak bis zum Bauch in der Erde ein Gnom und schielte her!
Fürchterlicher als Gnom und Kröte war der Vater, und obendrein sollte man ihn lieben. Diederich liebte ihn. Wenn er genascht oder gelogen hatte, drückte er sich so lange schmatzend und scheu wedelnd am Schreibpult umher, bis Herr Heßling etwas merkte und den Stock von der Wand nahm. (…)
Kam er nach einer Abstrafung mit gedunsenem Gesicht und unter Geheul an der Wertstätte vorbei, dann lachten die Arbeiter. Sofort aber streckte Diederich nach ihnen die Zunge aus und stampfte. Er war sich bewusst: 'Ich habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch Prügel von ihm bekommen könntet. Aber dafür seid ihr viel zu wenig.' " (S.9)

So beginnt dieses Stück Weltliteratur, dieser große Roman Heinrich Manns, der mit seinen Vorgängern "Im Schlaraffenland" und "Professor Unrat" (den so manche/r sicher durch die legendäre Verfilmung mit Marlene Dietrich und Emil Jannings kennt - ich meine natürlich den "Blauen Engel") eine Art inoffizielle Trilogie bildet.

Aus dem kleinen Diederich hätte etwas anderes werden können, aus dem kleinen weichlichen Stubenhocker, dem Träumer, hätte sich eine empfindsame Künstlerseele entwickeln können. Doch das Schicksal scheint mit Diederich noch großes vorzuhaben…

~~~ "Geistiger Anatomieatlas des Kaiserreichs" (K. Tucholsky) ~~~

Der Roman lässt sich in zwei höchst unterschiedliche Teile gliedern. Der Erste (Kapitel I und II) erzählen von Diederichs Kindheit und Ausbildung. Eine Schlüsselrolle fällt dabei der "Agnes-Episode" zu, die Diederich gewissermaßen eine "zweite Chance" gibt, in seiner Liebe zu Agnes, die er in Berlin kennen lernt, scheint er noch einmal "die Kurve zu kriegen", und der Leser erhält die Chance, den plötzlich so romantischen Diederich direkt zu mögen.

Es kommt aber anders, und Diederich verwirft im zweiten Teil, den Kapiteln III bis VI, die positiven Entwicklungsmöglichkeiten, die ihm zu Beginn noch offen stehen. Er wird NICHT zu dem menschenliebenden, generösen Helden, als der er vorgesehen war. Nein, er folgt seiner Erziehung, die eine Erziehung zur Hinwendung zur Macht ist, die Macht in Form der Autorität, die in der Person des Kaisers absolut ist. Diederich entpersonalisiert sich freiwillig, macht sich zum getreuen Untertan, der sich den Gegebenheiten in seiner Heimatstadt Netzig perfekt anpasst, in die er zurückgekehrt ist, um die Papierfabrik seines Vaters zu übernehmen. Dabei folgt Diederich stets und gekonnt dem Grundsatz von "Nach unten treten, nach oben den Kopf einziehen, um nicht selbst getreten zu werden." Und so unsympathisch einem die Figur des Diederich ist, es ist doch ein Vergnügen, zu beobachten, wie er sich windet und nach dem Wind dreht, wie er nicht vorhandene Ideale und Ethik durch forsche Parolen ersetzt. Und wenn alles nicht mehr hilft, dann blitzt Diederich bedrohlich. Überhaupt blitzt Diederich andauernd, und ich kann ihn mir deutlich vorstellen mit seinem albernen Schnurrbart mit den steil nach oben ragenden Spitzen, ganz gemäß der Kaisertracht, und den (vermeintlich) bedrohlich blitzenden Augen, durch die er Argumente zu ersetzen versucht.
Und so buckelt und tritt und blitzt sich Diederich langsam nach oben, gerne auf Kosten der Anderen und am liebsten auf Kosten der Liberalen - um zwei Sätze weiter wieder zu sagen: "Ich bin ein liberaler Mann!"

Dabei geschieht eine höchst seltsame Entwicklung: Der Held Diederich, dieser Typus des kaisertreuen nationalen Untertans, scheint ein Eigenleben zu entwickeln, Heinrich Mann gewissermaßen aus dem Ruder zu laufen. Der Protagonist ist ihm über, hat sich verselbständigt - eine andere Facette des Verlustes der Autorschaft. Sein (Anti-)Held war stärker, schlauer, folgerichtiger, er wusste um die geschichtliche Entwicklung, die zum 1. Weltkrieg geführt hat, der Autor nicht.

"Sein Held ist es, den der Autor um Entschuldigung bittet. Er hat mehr über ihn gewusst als irgendwer, aber doch nicht, dass er es so weit bringen wird." (Heinrich Mann 1915)


Dabei enthält "Der Untertan" ein regelrechtes "Typenarsenal" im wilhelminischen Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der "Supertypus" Diederich ist dabei umstellt von Typen, die ihn reflektieren - wie in einem grotesken Spiegelkabinett.

Immerhin gibt es aber auch noch kleine Lichtblicke in diesem "Horrorarsenal", ein paar gute Menschen, allen voran der alte Herr Buck, der angesehenste Mann in Netzig, vor dem Diederich schon als Kind großen Respekt hatte, schon deswegen, weil er in der Revolution 1848 zum Tode verurteilt worden war. Buck vertritt, neben wenigen anderen, Liberalität und Menschlichkeit - doch auch er fällt am Ende dem aufstrebenden Diederich zum Opfer…


Interessant zu erwähnen sind die extremen Perspektivwechsel zwischen Froschperspektive und Vogelschau, die das Prinzip von "nach unten treten, nach oben buckeln" veranschaulichen. Die Erzähltechnik changiert ebenso, Bewusstseinsströme wechseln abrupt zu einer Außensicht, einer distanziert - auktorialen "Draufsicht" auf Diederich, wodurch ein Montagecharakter entsteht.
Diederich selbst redet am Ende wie der Kaiser, "als ob" er dieser wäre, und in der Tat handelt es sich um einen Art "montierte Rede", und es lassen sich tatsächlich Fragmente aus Kaiser-Wilhelm-Reden identifizieren (was die literaturwissenschaftliche Forschung auch gemacht hat). Das Ich wird ein anderer, weil es sich in der Autorität verliert - und Diederich "wird zum Kaiser."

Ein weiterer Aspekt, der noch Erwähnung verdient: Die sprechenden Namen. Heßling erinnert nicht umsonst an "hässlich", und noch deutlicher wird es, wenn man bedenkt, dass er ursprünglich "Dämling" heißen sollte - wovon Heinrich Mann dann wegen der allzu großen Deutlichkeit jedoch abgeraten wurde.
Der sozialdemokratische Maschinenmeister in Diederichs Fabrik hießt denn auch nicht umsonst Napoleon Fischer - "Ausgerechnet Napoleon!" denkt natürlich Diederich.
Und beim Assessor Jadassohn, der so gerne Staatsanwalt werden möchte, was ihm aber vorerst aufgrund seiner zu groß geratenen Ohren verwehrt bleiben soll, drängt sich mir die schon klanglich nahe liegende Assoziation zu Judas auf.


Was aber ist nun dieser Roman? Gesellschaftsroman? Auch, bildet er doch ein sehr genaues Bild derselben ab. Zeitroman? Auch, denn er bewegt sich auf dem Gerüst der historischen Ereignisse, die dann und wann immer wieder in den Roman eingeflochten sind, wobei Heinrich Mann aber darauf verzichtet, jegliches wichtige Ereignis einzubauen, sondern stattdessen auch eher "historisch unwichtige" Begebenheiten, wie die Romreise des Kaisers, besonders hervorhebt. Ebenso ist der "Untertan" ein Spiel mit der Gattung des Bildungs- und Entwicklungsromans, und nicht zuletzt ist er auch Satire. Ich betone aber "AUCH", und nicht NUR, wie er so oft bezeichnet wurde - was durchaus einer Abwertung gleichkommt, galt doch die Satire als nicht wirklich hoch anzusehende literarische Gattung. Und zu guter letzt ist der "Untertan" auch ein "Berlinroman" (auch wenn nur ein Bruchteil wirklich in Berlin spielt), ist doch Netzig wie der Mikrokosmos Berlins, des Zentrums des wilhelminischen Reiches.

~~~ Literatur und Bildende Kunst ~~~

Und würde man den "Untertan" irgendwie mit der Malerei der Zeit verbinden wollen, ihn über die Malerei charakterisieren - mir drängen sich Otto Dix und George Grosz auf. Dix wegen seiner kritischen Bilder und Gesellschafts-Collagen, dem Grauen des Krieges, das er erlebte und das in seine Bilder miteinfloß. Grosz wegen seiner oft äußerst kritischen und provokativen Darstellungen, der sozial- beziehungsweise gesellschaftskritischen Gemälde und Zeichnungen, die sich häufig durch politische Aussagen auszeichnen. Beide sind zwar mit diesen Werken etwas später einzuordnen, aber den Vergleich halte ich für überaus passend.
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Grandios endet dann auch der "Untertan" (wers nicht erfahren will, sollte hier scrollen)… Diederich wird nach buckeln, treten und blitzen die große Ehre zuteil, die Rede zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Netzig halten zu dürfen, dessen Bau er unter viel Einsatz, wider Intrigen, Grundstücksspekulationen und Drohungen geholfen hat, durchzusetzen - entgegen dem Wunsch der Liberalen, mit dem Geld ein Säuglingsheim zu bauen. Doch ein regelrecht apokalyptischer Sturm verleiht der Feier einen gänzlich anderen Anstrich…

"Wenn jetzt die Hülle fällt", begann er mit neuem Schwung, "wenn zum Gruß die Fahnen und Standarten sich neigen, die Degen sich senken und Bajonette im Präsentiergriff blitzen - " Da krachte es im Himmel so ungeheuerlich, dass Diederich sich duckte und, bevor er es sich versah, unter seinem Pult hockte. Zum Glück kam er wieder hervor, ohne dass sein Verschwinden bemerkt worden wäre, denn allen war es ähnlich ergangen. Kaum dass noch jemand hörte, wie Diederich Seine Exzellenz den Herrn Oberpräsidenten bat, er möge geruhen zu befehlen, dass die Hülle falle. (…)
Freilich, die Klänge von "Heil dir im Siegerkranz" gaben Seiner Exzellenz das Zeichen, dass sie sich nun bis an den Fuß des Denkmals zu begeben, es zu besichtigen und den Schöpfer, der schon wartete, durch eine Anrede auszuzeichnen hatten. Jeder begriff es, dass der hohe Herr zweifelnd den Blick zum Himmel richtete; aber wie nicht anders zu erwarten stand, siegte sein Pflichtgefühl und siegte umso glänzender, als er der einzige Herr im Frack war unter so vielen tapferen Militärs. Er wagte sich kühn hinaus, hin ging er unter den großen, langsamen Tropfen, und mit ihm Ulanen, Kürassiere, Husaren und Train… Schon war die Inschrift "Wilhelm der Große" zur Kenntnis genommen worden, der Schöpfer, durch eine Anrede ausgezeichnet, bekam einen Orden, und gerade sollte auch der geistige Schöpfer Heßling vorgestellt und geschmückt werden, da platzte der Himmel. Er platzte ganz und auf einmal, mit einer Heftigkeit, die einem lange verhaltenen Ausbruch glich. Bevor noch die Herren sich umgedreht hatten, standen sie im Wasser bis an die Knöchel, Seiner Exzellenz lief es aus Ärmeln und Hosen. Die Tribünen verschwanden hinter Stürzen Wassers, wie auf fern wogendem Meer erkannte man, dass die Zeltdächer sich gesenkt hatten unter der Wucht des Wolkenbruches, in ihren nassen Umschlingungen wälzten links und rechts sich schreiende Massen. Die Herren Offiziere machten gegen die Elemente von der blanken Waffe Gebrauch, durch Schnitte in das Segeltuch bahnten sie sich den Ausweg. Das Zivil gelangte nur als graue Wickelschlange hinab, die mit wilden Zuckungen im überschwemmten Gelände badete. Unter solchen Umständen sah der Oberpräsident es ein, dass der weitere Verlauf des Festprogrammes aus Zweckmäßigkeitsrücksichten zu unterbleiben habe. (…) (S. 471/472)

Und Diederich? Nach der Zerstörungsflut kommt er am Hause des alten Buck vorbei, die offen stehende Tür lässt ihn stutzen. Sollte es etwa soweit sein? Im ersten Stock des Hauses schließlich findet er den alten Buck im Bett, im Sterben liegend, umgeben von seiner Familie. Niemand bemerkt Diederich, der in der Tür stehen bleibt, niemand außer dem Alten, der seinen Blick auf ihn richtet.

"Da erschrak er, als sei er einem Fremden begegnet, der Grauen mitbrachte: erschrak und rang nach Atem. Diederich, ihm gegenüber, machte sich noch strammer, wölbte die schwarz-weiß-rote Schärpe, streckte die Orden vor und für alle Fälle blitzte er. Der Alte ließ auf einmal den Kopf fallen, tief vornüber fiel er, ganz wie gebrochen. Die Seinen schrien auf. Vom Entsetzen gedämpft, rief die Frau des Ältesten: " Er hat etwas gesehen! Er hat den Teufel gesehen!" Judith Lauer stand langsam auf und schloss die Tür. Diederich war schon entwichen." (S. 478)


~~~ Ein paar Worte zu Heinrich Mann ~~~

Heinrich Mann wurde am 27. März 1871 in Lübeck geboren. Die Familie lebte in wohlhabenden Verhältnissen, sein Vater war von 1877 bis zu seinem Tod 1891 Senator für Wirtschaft und Finanzen in Lübeck.
1893 zog die Familie nach München, von wo aus Heinrich zahlreiche Reisen unternahm, von 1899 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges war er ohne festen Wohnsitz.
Sein bekanntestes Werk, "Professor Unrat", erschien 1905 und wurde in seiner Heimatstadt Lübeck scharf kritisiert bzw. totgeschwiegen, durch zahlreiche Übersetzungen und besonders auch die Verfilmung 1930 ("Der Blaue Engel") erlangte der Roman Weltruhm.

1910 nahm sich seine Schwester Carla, erst 28 jährig, mit Zyankali das Leben, ein Verlust, den er nur schwer verarbeiten konnte.

1915, nach Erscheinen von "Gedanken im Kriege" von seinem Bruder Thomas Mann, in dem dieser sich deutschnational äußert, brach Heinrich Mann den Kontakt zu ihm ab. Im Gegensatz zu Thomas stand Heinrich eher dem Kommunismus nahe und lehnte die Teilnahme Deutschlands am Ersten Weltkrieg grundsätzlich ab. Erst 1922 gelang die Versöhnung der Brüder.

"Der Untertan" erschien ab Januar 1914 zunächst als Vorabdruck in Einzelszenen in der Illustrierten "Zeit im Bild", bei Kriegsbeginn musste dies jedoch abgebrochen werden. Als Buch erschien "Der Untertan" dann erst nach Kriegsende 1918 - nachdem der Kaiser abgesetzt worden war.

1923 starb die Mutter, 1927 nahm sich auch seine zweite Schwester Julia das Leben.
Heinrich Mann verließ Deutschland 1933 noch vor dem Reichstagsbrand und emigrierte nach Nizza, wo er bis 1940 lebte. Von dort erfolgte die Flucht mit seiner zweiten Frau Nelly und weiteren über Spanien und Portugal in die USA. Dort konnte Heinrich Mann aber nie wirklich Fuß fassen und blieb finanziell von seinem Bruder Thomas abhängig. 1944 nahm sich auch seine Frau Nelly das Leben.

1949 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin gewählt, starb jedoch 1950 noch vor der geplanten Rückkehr nach Deutschland in Santa Monica, wo auch sein Bruder Thomas mit seiner Familie lebte, und wurde dort begraben. 1961 wurde seine Urne nach Deutschland überführt und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.

(Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Mann; http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untertan)
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Warum sollte ich nun solch einen alten, ollen, fast 500 Seiten dicken Schinken lesen, mag sich mancher fragen. Nur weil es Weltliteratur ist? Weil Heinrich Mann draufsteht? Nein. Weil es ein großartiger Roman ist, weil die Sprache großartig ist, weil es Heinrich Mann versteht, Diederich Heßling und den alten Buck und den großohrigen Jadassohn und die dümmliche Guste Daimchen und ganz Netzig so lebendig hervortreten zu lassen; weil er es schafft, dass man, so zumindest erging es mir, Diederich zwar hasst, aber dennoch wissen will, wie es mit ihm weitergeht, mit diesem Inbegriff des deutschen Spießers, des deutschen Nationalen, Kaisertreuen, Autoritätshörigen. Sicher, der "Untertan" ist kein einfaches Buch, kein Trivialroman und wohl auch nicht unbedingt die geeignete Urlaubslektüre. Die Fähigkeit zu eigenständigem Denken ist unbedingt vorauszusetzen. Wer das gerne tut, der wird sich an diesem Roman nicht sattlesen können… Aber manch einer wird doch lieber bei Harry Potter bleiben.


"Auch die Romane, in denen ich das Zeitalter besichtigte, brauchen viel Weile, ein hartnäckiges Verweilen." (Heinrich Mann 1946)


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(Die Seitenangaben beziehen sich auf die mir vorliegende Fischer-Ausgabe von 1987 mit einem Nachwort und Materialienanhang von Peter-Paul Schneider)
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~~~ Die Verfilmung ~~~

Und wer gar nicht genug kriegen kann, kann sich noch die DEFA-Verfilmung von 1951 anschauen, mit einem hervorragenden Werner Peters als Diederich und unter Regie von Wolfgang Staudte. Der Film wurde zu einem Prestigeobjekt der DEFA, Staudte und Peters erhielten den Nationalpreis der DDR. In der Bundesrepublik der Adenauer-Ära wurde der Film allerdings erst 1956 freigegeben und im Dezember 1969 erstmals im Fernsehen gezeigt und das auch nur in einer um 12 Minuten gekürzten Fassung, die ungekürzte Fassung gab es erst 1971 zu sehen.

Staudte selbst sagte über seinen Film: "Ich will die Bereitschaft gewisser Menschen um 1900 zeigen, die über zwei Weltkriege hinweg zum Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945 führte. Es soll eine Weiterführung meiner Anklage gegen diese Kreise und eine Warnung vor diesen Menschen sein, wie ich es schon in dem Film ,Die Mörder sind unter uns' ausdrücken wollte."

Die konservative westdeutsche Presse verriss den Film, bezeichnete ihn als "böse und humorlos" und warf Staudte vor, er stehe "im Dienste kommunistischer Kulturpolitik" und betreibe die "Bolschewisierung der Welt." Und der Spiegel schrieb 1951: "Ein Paradebeispiel ostzonaler Filmpolitik: Man lässt einen politischen Kindskopf wie den verwirrten Pazifisten Staudte einen scheinbar unpolitischen Film drehen, der aber geeignet ist, in der westlichen Welt Stimmung gegen Deutschland und damit gegen die Aufrüstung der Bundesrepublik zu machen. Der Film lässt vollständig außer acht, dass es in der ganzen preußischen Geschichte keinen Untertan gegeben hat, der so unfrei gewesen wäre wie die volkseigenen Menschen unter Stalins Gesinnungspolizei es samt und sonders sind."

Ich denke, das spricht für sich, zumal die "Untertan"-Verfilmung von Staudte sich sehr nah an die literarische Vorlage hält.
Und bravourös setzt er, wie ich finde, den Roman und die Erzähltechnik um, spielt ebenso wie Mann mit dem Wechsel der Perspektiven. Lediglich der Schluss hat mich ein wenig enttäuscht, denn der Film schließt mit der Sturmszene bei der Einweihung des Denkmals, spannt dann jedoch den Bogen zu den folgenden Weltkriegen und verzichtet auf die großartige Schlusssequenz im Hause des alten Buck. Aber man kann ja nicht alles haben…

Sehenswert ist er allemal.

(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untertan_%28Film%29)


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Zuerst auf ciao veröffentlicht. Dort gibts auch Bilder dazu.

41 Bewertungen, 19 Kommentare

  • Kjeldi

    23.07.2007, 02:35 Uhr von Kjeldi
    Bewertung: sehr hilfreich

    den haben wir in der Schule gelesen, klasse Buch und klasse Bericht

  • Sebastian2211

    05.07.2007, 15:50 Uhr von Sebastian2211
    Bewertung: sehr hilfreich

    Das ist eines der Lieblingsbücher/filme meines ehemaligen Deutsch-LK-Lehers. Ich glaub ich kanns fast auswendig ;-) Grüße Sebastian

  • lueckingb

    24.06.2007, 02:06 Uhr von lueckingb
    Bewertung: sehr hilfreich

    guter Bericht - sh

  • strubbine

    23.06.2007, 18:48 Uhr von strubbine
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich, schönes wochenende

  • anonym

    23.06.2007, 16:32 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh, LG Biggi

  • XXLALF

    23.06.2007, 15:41 Uhr von XXLALF
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh lg XXLALF gegen lesungen sind bei mir immer möglich!

  • panico

    23.06.2007, 14:39 Uhr von panico
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg panico:-)

  • sabrina.witte@gmx.de

    23.06.2007, 14:23 Uhr von [email protected]
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg sabrina

  • waltraud.d

    23.06.2007, 13:58 Uhr von waltraud.d
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich

  • kleinmarci

    23.06.2007, 13:17 Uhr von kleinmarci
    Bewertung: sehr hilfreich

    echt cooler Bericht sh würde mich über eine gegenbewertung freuen.

  • LittleSparko

    23.06.2007, 13:09 Uhr von LittleSparko
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg, daniela

  • anonym

    23.06.2007, 04:28 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sh und lG von Diana

  • viertelvordrei

    23.06.2007, 02:40 Uhr von viertelvordrei
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ja, Du hast recht, es ist Weltliteratur. Als Film leider etwas flacher - aber gut.

  • morla

    23.06.2007, 01:58 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    wünsche dir ein schönes wochenende.l.g. petra

  • frankensteins

    23.06.2007, 01:56 Uhr von frankensteins
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr ausführlich lg

  • kleine_fee

    23.06.2007, 00:53 Uhr von kleine_fee
    Bewertung: sehr hilfreich

    Toller Bericht! LG

  • Baby1

    23.06.2007, 00:43 Uhr von Baby1
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG ANITA

  • Mondlicht1957

    23.06.2007, 00:37 Uhr von Mondlicht1957
    Bewertung: sehr hilfreich

    Oh das kenn ich genau , klasse Bericht. LG Pet

  • PaterBrown

    23.06.2007, 00:32 Uhr von PaterBrown
    Bewertung: sehr hilfreich

    hm, heutzutage aber doch etwas schwer nachzuvollziehen...