Schiffbruch mit Tiger (Taschenbuch) Testbericht

ab 6,09
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Erfahrungsbericht von halcion

\"Das ist Gottes Katze!\"

Pro:

Autor, Titel, Erscheinungsjahr, Thema, Intention, Adressat

Kontra:

...

Empfehlung:

Ja

„Plan eins: Ich schubse ihn vom Rettungsboot.
Plan zwei: Ich bringe ihn mit den sechs Morphiumspritzen um.
Plan drei: Ich greife mit dem gesamten vorhandenen Arsenal an.
Plan vier: Ich erdrossle ihn.
Plan fünf: Ich verbrenne, ich vergifte ihn, setze ihn unter Strom.
Plan sechs: Ich führe einen Zermürbungskrieg.“

Auf dem großen, weiten Meer der Bücher kam mir dieses hier in den Weihnachtstagen direkt entgegen geschwommen, dieser spannende, urkomische, unglaubliche (und auch unglaubhafte) Roman. Und zwar:

„Schiffbruch mit Tiger“ – was man sich unter diesem Titel vorstellt, trifft den Kern der Sache vollkommen: Es geht tatsächlich um einen Schiffbruch mit Tiger. Das ist zwar kaum zu glauben, aber eine auf Tatsachen basierende Geschichte, die sich Autor Yann Martel vom Original-Schiffbrüchigen hat erzählen lassen und in dieser Form wiedergibt.

Piscine Molitor Patel, Hindu, Christ und Moslem, benannt nach dem Lieblingsschwimmbad seines Onkels, lebt glücklich und zufrieden mit seiner Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Bruder, in Indien – Pondicherry um genau zu sein.
Sein Vater ist Zoodirekter, sein Bruder älter als er und seine Mutter eine relativ kluge Person. Erzählt wird im ersten Teil des Buches vor allem aus dem Leben von Piscine, seiner besonderen Beziehung zu Tieren und seiner Einstellung zum Leben…
Doch dann ändert sich alles, Pi (wie er sich selbst wegen möglichen Missverständnissen mit seinem Namen nennt) bricht mit seiner Familie zu neuen Gefilden auf. Die politische Situation in Indien ist für seinen Vater zu einer Belastung geworden, so beschließt die Familie nach Kanada umzusiedeln. Der Zoo wird komplett verkauft – nach Amerika. Deswegen reisen die Familie und der Zoo auf einem Frachtdampfer quer durch das Meer.
Doch dann: Die Katastrophe. Durch einen Knall wach geworden geht Pi auf das Deck, es herrscht stürmisches Wetter, das Schiff ist im Begriff zu sinken. Bevor er seine Familie warnen kann, schmeißen ihn die chinesischen Matrosen auf eines der Rettungsboote, ein wild gewordenes Zebra stürzt sich hinterher. Das Boot fällt ins Wasser, Pi muss mit ansehen, wie das Boot mitsamt Vater, Mutter, Bruder und Zoo versinkt.

Vielleicht denkt der Leser jetzt, ich würde zu viel verraten, doch an dieser Stelle hat die Geschichte noch nicht einmal richtig begonnen!

Am nächsten Morgen ist nichts übrig, Pi ist alleine mit einem verletzten Zebra auf einem Schiff mitten im Meer gefangen. Doch es kommt noch schlimmer. Richard Parker hat auch überlebt, mit aller Kraft schwimmt er auf das Boot zu, kämpft um sein Überleben. Pi hilft ihm, so gut er kann – doch dann bemerkt er, was er da eigentlich macht: Richard Parker ist nicht etwa ein Matrose, sondern ein riesiger bengalischer Tiger. Pi springt von Board, wird aber von den Haien dazu genötigt, wieder hinauf zu klettern… Auf einer selbst gebastelten Konstruktion aus Paddel und Astloch, einer Art Planke, bringt er sich vorerst in Sicherheit.
Später bekommt er noch mehr Gesellschaft, Orangina, ein Orang-Utan Weibchen, schwimmt auf einer riesengroßen Bananen-Traube und dutzender riesengroßer Spinnen im Gepäck auf das Schiff zu… Die Spinnen ertrinken glücklicherweise, doch dafür taucht auf einmal eine ebenso riesengroße Hyäne auf, die schon die ganze Zeit an Board war und leicht panisch zu sein scheint.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf, zuerst nimmt sich die Hyäne das Zebra vor, dann den Affen (ich erspare den Lesern lieber die Details aus dem Buch). Pi glaubt sich bereits tot, denn außer der Hyäne befindet sich ja auch immer noch Richard Parker an Board, der sich unter den Sitzbänken versteckt hält. Wenigstens die Hyäne ist Pi durch ihn dann irgendwann los und eine wirklich abenteuerliche Reise beginnt…

Aufmerksam geworden bin ich durch – es lässt sich nicht leugnen – den Umschlag, der mich bereits vor recht langer Zeit in einem Weltbild-Heftchen auf sich aufmerksam gemacht hat. Er ist auch wirklich schön anzusehen, wegen des Bildes hier oben erspare ich mir allerdings eine weitere Beschreibung.

Der Autor,
der links oben in orange steht, hat auch ein recht spannendes und abwechslungsreiches Leben hinter sich: 1963 In Spanien geboren lebte er hinterher praktisch in der ganzen Welt. Das Buch sagt dazu: „Er wuchs in Costa Rica, Frankreich, Mexiko, Alaska und Kanada auf und lebte später im Iran, in der Türkei und in Indien.“ In diesem Augenblick sollte man in Kanada nach ihm suchen…
Interessanterweise beginnt das Buch mit einer „Vorbemerkung des Autors“, Satz Nummer eins daraus: „Dieses Buch ist entstanden, weil ich hungrig war…“.

Die Leseprobe:
Ja ja, ich weiß – vermutlich (vielleicht sogar höchstwahrscheinlich) wird wieder irgendwer behaupten, ich versuchte mit einer Leseprobe nur meinen knappen Bericht in die Länge zu ziehen… Allerdings interessiert mich das eher weniger: Ich persönlich lese gerne kurze Stücke aus Büchern, um auch einen Eindruck des Schreibstils eines Autors zu bekommen. Alle denen es nicht so geht: Bitte hier überspringen!

‚Es stand fest. Irgendwo war Wasser an Bord. Ich musste es nur finden.
Und dazu musste ich mich bewegen.
Ich arbeitete mich wieder bis zur Bootsmitte vor, bis ans Ende der Plane. Mühsam robbte ich vorwärts. Ich kam mir vor, als kröche ich an den Rand eines Kraters, und wenn ich über die Kante blickte, würde ich in einen brodelnden Kessel aus glutroter Lava sehen. Ich legte mich auf den Bauch. Vorsichtig reckte ich den Hals vor. Ich schaute nicht weiter über die Plane als unbedingt nötig. Richard Parker sah ich nicht. Deutlich zu sehen hingegen war die Hyäne. Sie war wieder an ihrem alten Platz hinter dem, was vom Zebra noch übrig war, zurückgekehrt. Sie sah mich an.
Ich fürchtete mich nicht mehr vor ihr. Sie saß keine drei Meter von mir, doch trotzdem setzte mein Herz keinen einzigen Takt lang aus. Das war immerhin das eine Gute daran, dass Richard Parker im Boot war. Sich vor diesem räudigen Hund zu fürchten, wenn zugleich ein Tiger in der Nähe war, das war, als hätte man Angst vor einem Splitter, wo ganze Bäume stürzten. Ich spürte nur noch Abscheu vor ihr. „Du widerwärtiges, hässliches Ding“, murmelte ich. Ich hätte mich aufgerichtet und sie mit einem Stock vom Boot geprügelt, hätte ich Kraft genug und einen Stock gehabt. An Mut mangelte es nicht.
Spürte die Hyäne etwas von meinem Gefühl der Überlegenheit? Sagte sie sich: „Vorsicht, ein Alphatier beobachtet mich – besser nicht bewegen“? Ich weiß es nicht. Jedenfalls rührte sie sich nicht. Ja sie saß sogar geduckt da, als wolle sie sich vor mir verstecken. Aber das würde ihr nichts helfen. Sie würde schon noch bekommen, was sie verdiente.’ (Kapitel 49, Seite 168/169)

Meine Meinung dazu:
Eine unheimlich spannende Geschichte, deren Bann sich wohl niemand entziehen kann. Es ist eine Geschichte, die die ganze Bandbreite von Zufall und Schicksal, Pech und Glück in genau 100 Kapiteln birgt. Selbst der erste Teil des Buches, die Vorgeschichte, scheint den Leser nur sachte auf das Unglaubliche vorzubereiten, das er im zweiten Teil serviert bekommt - das Ende holt ihn dann langsam aber sicher wieder zurück in die Realität.
Na gut, es schimmert hier und da ein bisschen viel Grausamkeit durch, aber es ist nun mal die Realität. Pi ist nicht in einer Situation, in der er Rücksicht auf die Gemüte der Leserschaft nehmen kann.
Es ist vor allem der Schreibstil, der den Leser an das Buch bindet: Irgendwie fließend und sehr ausschmückend. Trotz der für ihn eher heiklen Situation schafft es Pi, seine Sicht auf das Leben zu verdeutlichen und dabei noch jede Menge zoologisches Wissen weiterzugeben. Nicht mal seinen Humor verliert er, obwohl es doch wirklich genug Gründe dafür gäbe.
Es scheint fast, als säße man mit ihm in einem Café und er würde die Geschichte mit einem Lächeln auf dem Gesicht erzählen, mit einer gewissen Differenz und Unbeschwertheit, wehmütig jedoch über den Tod seiner Familie.
Auf jeden Fall bin ich jetzt bestens gerüstet für einen Schiffbruch – wer weiß, wann das noch vorteilhaft sein kann!
Außerdem (das darf ich nicht vergessen) ist es natürlich immer noch die unglaublichste Geschichte, die ich kenne. Ironie des Schicksals eben…

Meine Empfehlungen:
1. Das Buch schnell kaufen!
2. Das Buch schnell lesen!
3. Die Welt mit anderen Augen betrachten!

Fakten:
382 Seiten

Erscheinungsdatum:
Original: „Life Of Pi“, 2001
Deutschland: “Schiffbruch mit Tiger“, 2003

Aktueller Preis (bei amazon.de):
Taschenbuch: 9.90 €uro
Gebundene Ausgabe: 19.90 €uro

13 Bewertungen, 3 Kommentare

  • frankensteins

    27.07.2007, 20:55 Uhr von frankensteins
    Bewertung: sehr hilfreich

    super buchbeschreibung lg

  • antjeeule

    22.05.2005, 19:02 Uhr von antjeeule
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hallo Herr Eisvogel, hast du gewittert, dass ich heute Morgen an dich gedacht habe? ;-) So schnell schreibst du so eine tolle Rezension. Das Buch klingt schon spannend und auch so, als wäre es für meinen nächsten Urlaub die geeignete Lekt&uu

  • Towelie

    22.05.2005, 18:51 Uhr von Towelie
    Bewertung: sehr hilfreich

    Mit den Leseproben gebe ich dir Recht, die lese ich auch sehr gerne und die die du ausgesucht hast, hat mir sehr gut gefallen. Wahre Geschichte? Kaum zu glauben das er das übelebt hat, dein Bericht hört sich wirklich sehr spannend an und hat mir