Masuren Testbericht

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Erfahrungsbericht von LoMei

Reise durch Masuren (Bericht Nr. 2)

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Es war im Juni des Jahres 1993. Um 05:45 Uhr weckte uns in unserem Danziger Hotel das Telefon. Als ich mich rasieren wollte, stellte ich fest, dass der Strom weg war. Es ging dann eben auch da ohne. Das bei Kerzenschein eingenommene Frühstück war richtig romantisch. Mit Verspätung fuhren wir ab. Nachts hatte es wieder geregnet, und es regnete weiter. Wir fuhren durch die Weichselniederung nach Elbing (Elblag). Vor uns lag eine Reise durch das polnische Ostpreußen, genauer durch das Oberland, durch Masuren und ins Ermland (Warmia). Auf meiner polnischen Straßenkarte heißt das ganze Gebiet: Pojezierze Mazurskie


INHALT

1. Der oberländische Kanal
2. Marienburg
3. Allenstein
4. Krutinnen
5. Wolfschanze
6. Wallfahrtskirche „Heilige Linde“
7. Durch das Ermland


DER OBERLÄNDISCHE KANAL

In Elbing (Elblag) wartete bereits ein kleines Ausflugsboot auf uns. Es sollte uns über den oberländischen Kanal (Kanal Elblaski) ins Oberland bringen. Mit uns ging eine Reisegruppe von der Insel Norderney an Bord. Es war der Männerchor „die Döntje-Sänger“ auf seinem Jahresausflug. Der Kanal verbindet Elbing mit Osterode (Ostroda) und ist 80,4 Kilometer lang. Unterwegs gibt es zwischen einzelnen Seen und Kanalabschnitten fünf Rollberge, über die die Boote auf einer Speziallore mit einem Stahlseil bergan gerollt oder besser gezogen werden. Die Gegend um Elbing ist flach und eben. Weiter südlich beginnt das Oberland, und das liegt seinem Namen gemäß höher und ist hügelig.
Wir fuhren auf dem Elbingfluß aus der Stadt heraus und kamen auf den Draußensee (Druzno). An beiden Seiten des schmalen Bootes liegt ein wunderschönes Naturschutzgebiet. Ich würde es lieber Naturparadies nennen. Schilfflächen, offenes Wasser und weiße und gelbe Seerosenfelder wechselten einander ab. Es schwammen Lachmöwen, Enten, Blesshühner, Schwäne und Haubentaucher ohne allzu große Scheu an den Uferzonen. Direkt am Wasser standen Graureiher und ab und zu ein Angler.
Es regnete hin und wieder. Ich stand die ganze Zeit an Deck und genoss die Fahrt in vollen Zügen. Zu Beginn der Bootsfahrt waren nur wenige Passagiere an Deck. Als der Regen nachließ, war das Oberdeck bald bevölkert.
Nach etwa einer Stunde steuerten wir aus dem See heraus in den schmalen Kanal. Zu beiden Seiten sahen wir grünes Land und weite Felder und immer wieder viele Störche. Manchmal folgten sie in riesigen Rudeln einem Pflug. An beiden Seiten sahen wir hinter Bäumen die Giebel kleiner Dörfer. Es ging über fünf Rollberge bis Buchwald. Ein Einzelreisender aus Brandenburg erzählte uns in unverwechselbarem Ostpreußisch, dass er ganz in der Nähe das erste Mal seit 1945 seinen elterlichen Hof besucht habe. Bei seinen Erzählungen kam Melancholie auf. Aber die Sänger von Norderney vertrieben mit ihren Liedern trübe Gedanken und verbreiteten eine fröhliche Stimmung.
Auf halber Höhe des Kanals liegt ganz in der Nähe liegt das Städtchen Mohrungen (Morag). Dort ist Johann Gottfried Herder (1744-1803) geboren. Ein Besuch war von unserem Reiseveranstalter nicht vorgesehen.
Am Ziel, ich glaube, es war ein Anlegesteg bei Liebemühl (Mylomlyn) warteten unser Busfahrer und die Reiseleiterin Margot. Die Sangesfreunde „von de Waterkant“ geben uns zum Abschied ein Ständchen und stiegen in einen anderen Bus.


MARIENBURG

Wir fuhren in nordwestlicher Richtung weiter nach Marienburg (Malbork). Die Stadt selber machte einen unansehnlichen Eindruck. Unser Bus fuhr durch die Stadt hindurch zur Burg.
Das Mittagessen wurde in einem Restaurant eingenommen, das in der Vorburg untergebracht ist. Hier herrschte eine gepflegte Atmosphäre. An den Wänden konnte man historische Wappen studieren. Auf den Tischen standen Kerzen. Dieses Ambiente milderte den Eindruck der nicht vermeidbaren Massenabfütterung.
Nach dem Essen fand eine Führung durch die Marienburg statt. Wir gingen durch den äußeren und inneren Hof und standen um den Burgbrunnen. Eine Zugbrücke leitete über zum Hochschloss. Davor standen in Lebensgröße die Bronzefiguren der bedeutendsten Hochmeister.
Im Hochschloss befindet sich im Nordostflügel der Kapitelsaal und die Marienkirche. Wir umrundeten den zweistöckigen Kreuzgang und bewunderten die biblischen Darstellungen. Die meisten Räume waren nicht geöffnet. Nur der Dansker (Toilettenanlage) wurde gezeigt. Wir erfuhren, dass der Name von Danzig abgeleitet ist und darauf hindeutet, wie wenig die selbstbewussten und widerspenstigen Danziger geschätzt waren.
Zu gerne hätte ich den aus alten Bildbänden bekannten Großen Remter (Refektorium/Speisesaal) gesehen, dessen Deckengewölbe von drei schlanken Säulen getragen werden. Aber wegen der laufenden Renovierungsarbeiten war das nicht möglich. Heute ist das sicher anders.
Nach der Führung lief ich schnell auf die andere Seite der Nogat, um von dort einen Blick auf die Gesamtanlage zu erhaschen. Dort hat man die Burganlage in ihrer ganzen Größe vor sich liegen und erhält einen Eindruck von Gesamtkonzeption.
Die Marienburg wurde ab 1274 vom Deutschen Ritterorden am Ostufer der Nogat gebaut.
Als der Orden 1309 seinen Hauptsitz von Venedig an die Nogat verlegte, waren Erweiterungen unausweichlich. Hier residierte der Hochmeister und der Großkomtur, und hier war das Haupthaus und der Waffenplatz. Durch die gegen Polen und Litauer verlorene der Schlacht von Tannenberg im Jahre 1410 war der Orden geschwächt. Die Burg wurde 1457 von Polen übernommen und war fortan Sitz des polnischen Starosten, d.h. eines Provinzgouverneurs. Im Jahre 1772 fiel die Burg an Preußen. Der beginnende Verfall wurde gestoppt und die Anlage restauriert. Dabei wurden Stilelemente hinzugefügt, die dem Geist der Romantik entsprachen. Die deutsche Wehrmacht war angewiesen, die Marienburg 1945 gegen die Rote Armee zu verteidigen. Dabei wurde sie weitgehend zerstört. Polen ist bemüht, sie so wieder aufzubauen, wie sie ursprünglich ausgesehen hat. In unserem Reiseplan war für die Burg viel zu wenig Zeit vorgesehen. Es ist ratsam sich mit Hilfe einschlägiger Literatur selber vorzubreiten, dann an einer Führung teilzunehmen und anschließend alleine durch die Burg zu gehen.
Wir verließen die Marienburg und fuhren durch eine herrliche Landschaft über Elbing (Elblag) und Osterode (Ostroda) nach Allenstein (Olsztyn). Es wird einem schwer ums Herz, wenn man weiß, dass das 800 Jahre lang deutsches Land war.


ALLENSTEIN

Das Abendessen nahmen wir im Novotel kurz vor Allenstein ein. Danach ergab sich ein gemütliches Beieinander im Speiseraum. Wir gingen spät ins Bett. Draußen rauschte ziemlich oft ein Zug vorbei. Ich konnte nicht gleich einschlafen.
Nach dem Frühstück fuhren wir nach Allenstein hinein. Es regnet ein wenig. Wir schlenderten in der Stadtmitte einige Straßenzüge entlang. Ein Herr aus der Gruppe zeigte uns, wo er einst während seiner Lehrzeit gearbeitet hatte.
Wir überquerten den Marktplatz, gingen in den Burghof und um die Burg herum. In ihr befindet sich heute das Masurenmuseum mit naturwissenschaftlichen und volkskundlichen Sammlungen, vor allem zur Geschichte der Pruzzen. Zum Schluss gingen wir in die Jakobikirche. Dort spielte der Organist gerade ein Stück aus der „Deutschen Messe“ von Franz Schubert und das „Ave verum corpus“ von Mozart.
In einem Park am Rande der Burg steht ein Kopernikusdenkmal. Nikolaus Kopernikus hat hier einige Zeit gelebt.


KRUTINNEN

Von Allenstein ging es über Sensburg (Mragowo) weiter nach Krutinnen (Krutin). Das ist ein ganz kleines Dorf an dem Flüsschen Krutinna. Dort wurden wir auf flache Boote verteilt. Je drei Personen kamen in ein Boot. Ein junger Mann stakte uns ein Stück auf dem Flüsschen entlang. An beiden Ufern war dichter Wald. Die grünen Zweige hingen bis ins Wasser. Es war eine dolle Atmosphäre. Das Wasser war nicht sehr tief und glasklar. Auf dem Grunde lagen seltsam rotschimmernde Steine. Das ist eine Besonderheit. In diesem Wasser legt sich um jeden Stein eine rote Schale. Ich weiß nicht, ob es ein besonderer Algenbewuchs ist. Bevor der Fluss in einen großen See einmündete, kehrten wir um.
Ein Gewitter zog herauf. Es donnerte. Während unser junger Bootsführer noch zum Ausgangspunkt zurückstakte, fing es regelrecht an zu schütten. Alle wurden trotz aufgespannter Regenschirme pitschenass. Nachdem es aufgehört hatte, gab es in einer Art Bootsheim zum Mittagessen Moränen. Das sind vorzügliche Speisefische.
Zurück über Sensburg (Mragowo) fuhren wir nun immer an waldumsäumten Seen entlang in nördlicher Richtung nach Rastenburg (Ketrzyn). Eine Dame erzählte, sie sei in Sensburg geboren und ihre ganze Familie habe sich vor einem Jahr hier in der alten Heimat zu einem Familientag versammelt.


WOLFSSCHANZE

Über Rastenburg (Ketrzyn) fuhren wir zur Wolfsschanze (Wilsa Juma). Zu Beginn der Führung regnete es ganz leicht und fing dann aber wieder an zu schütten. Der Führer durch den „Wald der Bunker“ erzählte viel über die hier zwischen 1940 und 1944 entstandenen „Objekte“. Er erklärte viele Baudetails und nannte viele Zahlen. Hier saß zeitweise das Oberkommando der Wehrmacht. Der ehemalige Führerbunker trägt heute die Nummer 13. Der ganze Bunkerkomplex war in dichtem Wald versteckt und während des Krieges mit Tarnnetzen überspannt. Das Attentat am 20. Juli 1944 gegen Hitler geschah in einer Konferenzbaracke.
In einem polnischen Reiseführer von 1989 heißt es in der Beschreibung dieses Ortes: „Wenn wir uns auf die Besichtigungstour begeben, dann sollten wir uns dessen bewusst sein, dass sich in diesem herrlichen Wald die gefährlichsten Verbrecher der Menschheit, die es jemals gab, ihren Unterschlupf errichteten. Hier fielen Entscheidungen, die den besetzten Völkern Leid und Vernichtung brachten. Denken wir auch daran, dass noch nicht alles Geschichte geworden ist. Es gibt nämlich noch Kräfte, die die Welt in ein neues Kriegsabenteuer hineinziehen möchten. Wir Polen haben ein besonderes Recht, uns dessen zu erinnern und die Pflicht, uns solchen Aktionen entgegenzusetzen.“
Heut nach Eintritt Polens in die Nato wird der letzte Teil des Textes wahrscheinlich umformuliert worden sein.
Hier werden viele polnische Schulklassen durchgeführt. Es ist gut zu wissen, das die Kinder hier eine ganz bestimmte Seite unserer Geschichte erklärt bekommen. Die aufgestellten Schautafeln konnten wir leider nicht lesen.


WALLFAHRTSKIRCHE „HEILIGE LINDE“

Die Fahrt ging weiter durch Wälder und Felder, an Seen vorbei zur wunderschönen Barockkirche „Heilige Linde“ (Swieta Lipka). Die ist der bedeutendste Wallfahrtsort der Ermländer mit bedeutenden sakralen Kunstschätzen. Eine junge Frau führte uns und erzählte sehr interessant in ausgezeichnetem Deutsch mit ostpreußischer Färbung die Geschichte der Anlage und erläuterte sehr sachkundig alle Details der Inneneinrichtung. Bereits 1482 wird hier eine Wallfahrtskirche mit dem Marienbildnis auf einem Lindenstumpf erwähnt. Die spätere Anlage entstand allerdings im 17. und 18. Jahrhundert. Der bedeutende Hochaltar stammt aus dem Jahre 1714.
Es war ein Genuss, ihr zuzuhören. Zu mehreren haben wir uns bei ihr bedankt. Dieses unverwechselbare Deutsch wird bald niemand mehr sprechen und auch die ostpreußischen Mundarten wird es dann nicht mehr geben.
Vor der Kirche boten Frauen unter anderem Bilder und Tischdecken mit feiner Häkelarbeit an


DUCH DAS ERMLAND (WARMIA)

Die Sonne kam wieder durch die Wolken. Wir fuhren weiter durch die herrliche offene leicht hügelige Landschaft, durch kleine Dörfer mit alten Ordenskirchen in der typischen Backsteingotik und erreichten Heilsberg (Lidzbark Warminski). Bei der Fahrt durch die Stadt sahen wir rechter Hand das alte Bischofsschloss aus dem 14. Jahrhundert liegen. Leider war eine Besichtigung nicht vorgesehen.
Es wurde getankt, und dann waren wir kurz darauf im Hotel. Es lag etwas außerhalb der Stadt. Schnell wurden die Zimmer verteilt. Unser Zimmer war klein, aber sonst gut.
Ein Ehepaar aus unserer Gruppe nahm sich ein Taxi und fuhr in das 30 km entfernte Heimatdorf der Frau. Ihr Vater war dort Lehrer gewesen. Sie berichten dann, dass gegenwärtig in dem Schulhaus ein junges Ehepaar wohnte und sie freundlich aufgenommen worden waren.
Am nächsten Morgen wollten wir über die polnisch-russische Grenze nach Königsberg (Kaliningrad) fahren. Uns wurde berichtet, dass wir an der Grenze mit langen Wartezeiten zu rechnen hätten. Wir waren gespannt, was uns im russischen Ostpreußen erwarten würde.

11 Bewertungen, 2 Kommentare

  • fairytaled

    08.07.2005, 18:46 Uhr von fairytaled
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich fahre in 3 Wochen in diese Gegend, vielleicht gibts dann auch von mir einen Bericht =)

  • Qualle

    03.05.2002, 11:07 Uhr von Qualle
    Bewertung: sehr hilfreich

    schöner Bericht. Intdresante Gegend.