Piemont Testbericht

Piemont
ab 149,49
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Erfahrungsbericht von rofis

Feinschmeckerparadies

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Endlich, nach einer langen, aber interessanten Fahrt durch das Gebirge, sehen wir die Hügellandschaft des südlichen Piemont vor uns - die Langhe. Auf den Hügeln thronen stolze Dörfer, die weit über das Land blicken und in den Tälern verstecken sich kleine Weiler und Bauernhöfe zwischen den allgegenwärtigen Weinbergen. Teure Gewächse gedeihen hier: Barolo und Barbaresco sowie ihre „kleineren“ Brüder Barbera und Dolcetto. Wenig Weißwein: Arneis und Favorita bringen meist leichte, fruchtige Weine hervor.
Mitten in dieser harmonisch wirkenden Landschaft überragt das Städtchen La Morra mit seiner Höhe von mehr als 500m über NN alles. Dieses Städtchen haben wir uns als Standort ausgesucht, dort finden wir eine kleine Ferienwohnung direkt neben der Vinaria Don Giorgio und leider ziemlich nahe an den beiden Glockentürmen, die sich nicht auf eine gemeinsame Zeit einigen können: der eine schlägt vor der vollen Stunde, der andere danach. Tagsüber ist uns das egal, nachts auch, nur morgens, wenn der eine um sieben Uhr zu Hochform aufläuft und weit mehr als sieben Glockenschläge von sich gibt, unterbrechen wir unseren Schlaf kurz und lauschen den lieblichen Klängen...
Die Gegend eignet sich hervorragend zum Wandern über Berg und Tal, oft anstrengend wegen steiler Anstiege quer durch die Weinberge, aber fast immer mit phantastischen Ausblicken.
Unser erster Ausflug führt uns den Berg hinab in das Dörfchen Barolo mit seinem Schloss, in dem sich eine Enoteca befindet. Trotz des großen Namens macht der Ort einen eher verschlafenen Eindruck - besonders viel scheint hier nicht los zu sein. Es gibt ein Hotel mit angeschlossenem Restaurant, das sehr gut sein soll (Hotel Barolo mit Restaurant Brezza) und einige andere Lokale, die zum Teil auch einen guten Ruf haben. Nach einer etwas längeren Pause machen wir uns auf den Rückweg - immerhin müssen wir mehr als 200 Höhenmeter Anstieg überwinden und das Wetter macht auch keine Aussicht auf Schatten.
Am Abend gönnen wir uns ein Menü im wunderschön am Hang gelegenen Restaurant „Bel Sit“ - eine wirkliche Belohnung für die Strapazen des Tages.
Am nächsten Tag führt uns der „Sentiere del Barolo“ zunächst wieder ins Tal hinab, quer durch die Weinberge, in denen die Nebbiolo-Rebe gedeiht. Auf etwa halber Hanghöhe mit teils steilen An- und Abstiegen wandern wir über die Ortsteile Annunziata und Santa Maria letztlich wieder stetig nach oben steigend zurück nach La Morra (etwa 4 h insgesamt, mit kleinen Pausen). Ein Espresso in der Vinaria, ein Gläschen Wein (die teuren Tropfen werden hier glasweise ausgeschenkt - eine ganze Flasche kann man sich ja kaum leisten...) und die Vorbereitung auf das Abendessen kann schon mal beginnen.
Heute haben wir uns das Restaurant der Brüder Revello in Annunziata ausgesucht - eigentlich ist es gar kein Restaurant, sondern ein Weingut und Bauernhof mit Speisemöglichkeit. Für 46000 Lire genießen wir Carne Crude mit Zitrone (eine Art Tatar aus Kalbfleisch), Kaninchenfleisch mit feldsalat, Spargelflan mit Käsesauce, Agnolotti al plin mit Rosmarin und Tajarin al sugo - ganz ausgezeichnet.
Der Hauptgang bestand dann aus Kalbfleisch in Barolosauce, abgerundet wurde das Essen durch hausgemachtes Nußeis mit Schokosauce sowie den unverzichtbaren Espresso.
Das Mineralwasser war auch schon im Preis enthalten, nur den Wein mussten wir extra bezahlen: ein exzellenter „Barbera d´Alba“ aus dem Jahr 1998 und der Lage „Ciobat du Re“, im Barrique gereift und sehr vollmundig und ausgewogen, das Tüpfelchen auf dem i sozusagen, das den Abend zu einem vollen Erfolg machte.
Der nächste Tag sollte etwas ruhiger verlaufen, ein Besuch im Städtchen Alba stand auf dem Programm. Der Rundgang durch die oft malerische, aber ebenso oft auch marode Altstadt vermittelte uns interessante Eindrücke über die Geschichte der Gegend und über ihre heutige Bedeutung: das Gold des Piemonts, der schwarze und vor allem der viel wertvollere weiße Trüffel wird hier gehandelt. Die zahlreichen Delikatessenläden der Stadt sind bestens mit allen möglichen Trüffelprodukten bestückt. Und manche eignen sich auch für Leute mit schmalerem Geldbeutel (z. B. ein getrüffeltes Olivenöl).
Der Rückweg führt uns über die Dörfer Barbaresco (wo wir ehrfürchtig das Eingangstor des Weinguts von Angelo Gaja bestaunen und erfahren, dass man keine Weine an Laufkundschaft verkauft - bei den Preisen auch wenig verwunderlich, unter 200 Märkern läuft da wohl nichts bei den Rotweinen), Neive und Diana d´Alba (dort wächst der beste Dolcetto, wie man uns sagte) dann schließlich wieder zurück nach La Morra. Abends gibt es ein paar Kleinigkeiten in der Vinaria - wir haben uns tagsüber ja auch nicht zu sehr angestrengt.
Direkt gegenüber unserer Behausung befindet sich das weit bekannte Restaurant „Belvedere“ - laut Reiseführer ein „Muss“, wenn man in der Gegend ist. Brav wie wir nun mal sind, haben wir mit viel Glück einen Tisch reservieren können und müssen uns tagsüber wieder das Genießen verdienen.
Diesmal fahren wir mit dem Auto nach Barolo und beginnen dort unsere schweißtreibende Wanderung nach Monforte - ein Dörfchen, das natürlich hoch auf dem Hügel thront, uns aber durch seine malerischen Anblicke für die Anstrengung gut entschädigt.
Der Weiterweg führt uns wieder über Hügel und durch Täler zum ebenfalls hoch oben gelegenen Dorf Novello mit seinem kitschigen Schlosshotel (manche vergleichen es mit Neuschwanstein, aber an dessen Niveau reicht der Kitsch meines Erachtens nun denn doch nicht heran). Natürlich hat das einzige Café des Orts ausgerechnet heute Ruhetag - na ja, dann gibt es eben keinen Espresso, sondern nur das mitgebrachte, mittlerweile fast abgekochte Mineralwasser...
Von nun an ging's bergab - jedenfalls bis wir dann schließlich wieder den Ausgangspunkt Barolo erreichten.
Das Abendessen im „Belvedere“ war ein Erlebnis für sich. Etwas teurer als anderswo, aber auch mit dem gewissen Etwas, das den Unterschied zwischen einem Sterne-Restaurant und einem normalen ausmacht.
Allein die Weinkarte war bereits überwältigend (mindestens 20 Seiten nur für Barolos aller Preisklassen). Die Flaschenpreise begannen bei etwa 18 DM und stiegen bis in den hohen dreistelligen DM-Bereich (dort habe ich nicht mehr so genau hingesehen...), sehr viele Weine lagen um die 25 DM. Einen solchen haben wir uns auch als Begleiter zum Essen ausgesucht, einen leichten Dolcetto, der hervorragend mit den Ergebnissen der Küchenarbeit harmonierte.
Der Knaller des Abends war unsere Nachspeise. Wir sind keine besonderen Liebhaber von Süßspeisen und haben deswegen gebeten, die „Dessert-Variationen“ durch etwas Käse zu ersetzen. Das war selbstverständlich kein Problem, sorgte im Endeffekt aber für ein ziemliches Aufsehen. Die Käseauswahl war nämlich auf einem geradezu riesigen Tisch platziert, der nun durch das gut gefüllte Restaurant zu unserem Tisch am Fenster befördert werden musste.
Etliche „Mitesser“ zückten ihren Fotoapparat um das Erlebnis im Bild festzuhalten. Eine derartige Auswahl findet man wohl auch in „besseren Häusern“ höchst selten. Nachdem der Weg zu uns endlich geschafft war sahen wir uns vor die Frage gestellt, welchen der Käse wir denn nun probieren sollten. Die Antwort wurde uns von der Serviererin abgenommen, die uns eine Auswahl empfahl. Leichtsinnigerweise bejahten wir ihre Frage - im Handumdrehen lagen 8 Käsestücke auf dem Teller und die Dame machte keine Anstalten, freiwillig aufzuhören. Ein energischer Einspruch unsererseits bewog sie dann, nur noch ein (großes) Stück eines Käses mit der Bemerkung „Specialita !“ auf den Teller zu befördern, bevor sie ihn mit dem Ausdruck des größten Bedauerns (weil sie aufhören musste) auf meinen Platz stellte. Meine Frau bekam nochmal dieselbe Ration, allerdings mit anderen Käsesorten (sodass wir letztlich doch fast alle probiert haben).
Der obligatorische Espresso beendete ein gelungenes Esserlebnis, das die 65000 Lire pro Menü und ohne Getränke wirklich wert war.
Am nächsten Tag stand eine kleine Rundfahrt auf dem Programm, wir begannen mit dem Städtchen Cherasco, dessen alter Stadtkern uns doch überraschte, fuhren weiter auf schmalen Sträßchen über Dogliani und etliche kleinere Dörfer, deren Namen keine Rolle spielen, die aber allesamt recht malerisch in der Landschaft lagen, zurück nach La Morra. Kofferpacken war angesagt - und natürlich ein Einkauf in der örtlichen „Cantina Comunale“, denn so ganz ohne das eine oder andere Fläschchen wollte ich doch nicht aus der Gegend zurückkehren. Wir fanden denn auch den einen oder anderen vom „Feinschmecker“ empfohlenen Dolcetto zu akzeptablen Preisen (ungefähr die Hälfte des im Feinschmecker angegebenen Preises - aber die Importeure müssen ja auch von etwas leben).
Gegen einen Kostenbeitrag konnte man auch von den „besseren“ Barolos probieren - heute stand einer zur Verfügung, dessen Verkaufspreis 120000 Lire betrug - da kann man schon mal 6000 Lire für ein Gläschen springen lassen. Kurz: der Wein war exzellent, aber nicht meine Preisklasse.
Am nächsten Tag hieß es dann Abschied nehmen von den Hügeln und Weinbergen und zurück in die vom Wetter gebeutelte Heimat zu fahren (man hat uns berichtet, dass am Pfingstsonntag sogar Schnee gefallen sei - brrrrrr). Es war ein gelungener Aufenthalt in einer wunderschönen Gegend, wir waren sicher nicht zum letzten Mal dort (etwa 630 km von unserer Haustür entfernt befindet sich dieses Paradies). Bis dahin wärmen wir uns und unsere Erinnerungen mittels des mitgebrachten Rotweins und Grappas...

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