Türkei Testbericht

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Erfahrungsbericht von kochfee

Ist die Türkei bereit für die EU oder was man alles über die Türkei wissen sollte

Pro:

Landschaft, Strände, Menschen, Kultur

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Die Türkei und das Thema Eu-Beitritt sind immer wieder ein zentraler Punkt in der deutschen Politik, siehe auch die letzten Bundestagswahlen. Warum mich dieses Land so sehr fasziniert kann ich nicht genau erklären und seit meinem 3-wöchigen Türkeiaufenthalt hat sich diese Faszination noch mehr verstärkt. Dieses Land, die Kultur und die Menschen dort sind einfach einzigartig. Gerade bei Diskussion über dieses Thema lässt das Niveau, auf denen diese geführt werden zumeist zu wünschen übrig, deshalb versuche ich hier mit Fakten&Zahlen zu argumentieren, wobei mein Bericht subjektiv geschrieben ist, da ich für ein Türkeibeitritt der EU bin

Ist die Türkei bereit für die Europäische Union?

„Yurtta Sulj, cihanda Suih“ - so heißt der Wahlspruch der Türkei. Ins Deutsche übersetzt bedeutet es soviel wie „Frieden in die Heimat, Frieden in der Welt.“ Laut einer Definition der großen Bertelsmann Lexikothek von 1984 versteht man darunter einfach nur „eine(n) kurze(n) programmatischen Sinnesspruch. “Das bedeutet doch, dass sich die Türkei für eine friedvolle Welt einsetzt. Ist dies nicht eigentlich lobenswert und zu unterstützen? Warum sollte solch ein Land nicht in die EU aufgenommen werden? „Die Union steht allen europäischen Staaten offen steht, die ihre Werte achten und sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen.“ Warum haben wir Angst vor einem Staat welches als Ziel den Frieden im eigenen Land und auch in der ganzen Welt sieht?

Laut einer Statistik vom 31.12.2004 des Statistischen Bundesamt leben etwa 1,8 Millionen Türken in Deutschland , wovon etwa ein Drittel 600'000 in Deutschland geboren wurden. Die Türken stellen damit den größten Ausländeranteil in Deutschland. Umso erstaunlicher ist es, dass die deutsche Bevölkerung so negativ zu einem EU-Beitritt der Türkei und den Türken allgemein steht. Nach einer Befragung der deutschen Bevölkerung zur Türkei im September
und Oktober 2003 sind 32% der 1006 Befragten komplett gegen einen Beitritt. Im Gegensatz dazu steht jedoch die Hälfte einem EU-Beitritt positiv gegenüber, wenn die Türkei vorher die Vorraussetzungen erfüllt.

Diese Arbeit beruht auf aktueller Literatur und Informationsbroschüren, sowie Informationen aus dem Internet. Beginnen werde ich mit einigen allgemeinen Informationen über die Türkei. Außerdem werde mich auch mit dem ethischen Aspekt dieser Fragestellung beschäftigen, ins Besondere mit einer ausführlichen Analyse der Ursachen für die Angst der Deutschen vor der Türkein. Ich werde mich jedoch ausschließlich auf die Sicht aus Deutschland beschränken und versuchen daraus ein Résumée zu ziehen.

I. Fakten und Zahlen

Die Türkei erstreckt sich über zwei Kontinente. Der europäische Teil, das östliche Thrazien und der asiatische Teil, Anatolien. Geografisch gesehen gehören nur 3% der Türkei zu Europa. Der restliche Teil des Landes wird zu Asien gezählt. Die Türkei verbindet das Schwarze Meer und das Mittelmeer miteinander und somit auch Europa mit Asien. Etwa 68,6 Millionen Menschen leben in der 780 000 qkm6 großen Türkei. Dieses Land ist damit flächenmäßig gesehen mehr als doppelt so groß wie Deutschland, wobei fast 15 Millionen Menschen mehr in Deutschland leben. Ankara ist mit circa 3,6 Millionen Einwohnern seit dem Jahr 1923 die Hauptstadt der Türkei.


I.I Geschichte

„ Der Name „T’u-küe“, modern: „Tuerqi“, hat nach überwiegender Ansicht der Historiker die Bedeutung von „stark“ oder „mächtig“ und wurde erstmals in chinesischen Chroniken des sechsten Jahrhunderts erwähnt und bezeichnete die in der Mongolei und im Atai nomadisierenden Stämme.“

Ende Oktober des Jahres 1918 ergab sich das Osmanische Reich den Siegermächten. Damit die Auflagen dieser erfüllt wurden beauftragte der Sultan den General Mustafa Kemal in Anatolien für Ruhe und Ordnung zu sorgen und die Armee gemäß den Friedens- bestimmungen zu demobilisieren. Aber statt den Auftrag zu erfüllen setzte er sich an die Spitze einer neuen Widerstandsgruppe, die sich gegen die Besatzungstruppen der Siegermächte und gegen die Unterwerfung des Landes einsetzte. Mitte 1919 entstand daraus die „Gesellschaft zur Verteidigung der nationalen Rechte von ganz Anatolien und Thrazien“ an deren Spitze Mustafa Kemal gewählt wurde. Im März 1920, nach der Auflösung der Parlaments in Istanbul wurde im folgenden Monat die „Große Türkische Nationalversammlung“ in Ankara einberufen. Mustafa Kemal erhielt daraufhin das Amt des Präsidenten der Nationalversammlung und wurde zusätzlich Vorsitzender der nationalen Regierung. Im Juli 1923 wurde ganz Anatolien, ohne Einschränkung der türkischen Souveränität unterstellt. Bis 3 Monate später, am 29.Oktober 1923 wurde die Republik ausgerufen.


I.II Politik und Wirtschaft

Seit nunmehr 60 Jahren gibt es nun ein Mehrparteiensystem in der Türkei. In der Türkei gibt es eine Zehn-Prozent-Hürde bei Parlamentswahlen. Dies führt jedoch zu einem eingeschränkten Parteinspektrum.
Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, kurz AKP wurde 2001 gegründet. Vorsitzender ist Recep Tayyip Erdoğan. Die Partei selbst gilt als gemäßigt – islamisch, worunter man „alle Parteien, Politiker oder Länder in der islamischen Welt, die dem Westen nahe stehen oder gar mit westlichen Ländern verbunden sind “ versteht. Sie gewann bei den Parlamentswahlen 2002 die absolute Mehrheit.


I.III Islam

Der Islam gehören mittlerweile weit über eine Milliarde Menschen - rund ein Fünftel der Menschheit an . Etwa 99% der türkischen Bevölkerung sind Muslime. Die Mehrheit davon sind Hanefiten und etwa 10-20 Millionen Türken zählen zu den Aleviten . Seit 1926 ist der Islam aber keine Staatsreligion mehr und sogar schon 2 Jahre früher wurde das Kalifat und mit ihm seine religiösen Einrichtungen wie Gerichte, Schulen und das Amt des obersten Geistlichen abgeschafft. Die Türkei ist damit seit über 80 Jahren kein Staat auf religiöser Basis mehr.
622 beschließt Mohammed, ein Kaufmann aus Mekka nach Medina überzusiedeln, die islamische Zeitrechnung beginnt. Das von ihm dort verkündete religiöse Gesetz (türk. Şeriat) wurde dort die Orientierungsgrundlagen für das private und öffentliche Leben und Handeln. In dieser Gedankenwelt ist es unmöglich Religion und Staat zu trennen. „Alles politische Handeln muss sich am Gesetz Gottes orientieren, welches im Koran und in der Überlieferung des Propheten (Sunna) festgelegt ist.“ Erst im zehnten Jahrhundert nahmen die Türken den Islam freiwillig an.
Shlomo Avineri schrieb letztes Jahr in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung dazu: „Der Westen (neigt) dazu, im Islam als solchem ein Hindernis für die Modernisierung und Demokratisierung zu sehen. Das aber ist offensichtlich falsch: Im 19.Jahrhundert waren sich Demokraten und Katholiken einig, dass Christentum und Katholiken nicht zueinander passen – und doch zählen heute christlich-demokratische Parteien zu den wichtigsten Stützen der Demokratie in Europa.“
Vor allem nach dem in Frankreich 2004 verabschiedeten Gesetz „loi sur voile“, dass „das sichtbare Tragen religiöser Zeichen an Schulen verbietet“ rückt die Kopftuchfrage wieder in den Mittelpunkt der Diskussionen. Viele türkische Frauen sehen darin eine Möglichkeit ihr Haupthaar vor den Blicken der Männer zu schützen und sich diesen zu entziehen. Für die modernen Türken ist es jedoch eine „Kampfansage an die verfassungsmäßige Grundordnung der laizistischen Republik und an das Reformwerk Atatürks“ und ist bei offiziellen Empfängen oder in stattlichen Schulen verboten.
Nach dem Christentum (68%) ist der Islam die zweitgrößte Religion auf der Welt und genau diese Tatsache macht vielen Deutschen Angst. Der CDU-Politiker Manfred Hendel sagte in diesem Zusammenhang „Ich bete zu Gott, dass der christliche Glaube so stark bleibt, dass wir uns nicht vom Islam unterwandern lassen.“ Genau darin besteht auch eine große Angst der deutschen Bevölkerung. Aber wenn der christliche Glaube nicht stark gegenüber dem Islam ist, da wird er sich auch nicht gegenüber anderen Religionen behaupten können.
Doch ebenso wie die Deutschen will auch die Mehrheit der Türken keinen islamischen Staat mit dem Koran als Grundgesetz, sondern eine moderne Türkei, die den europäischen Wertvorstellungen entspricht.


II. Die Europäische Union

Beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs der EU in Kopenhagen wurde 1993 festgelegt, dass ein Land beitreten kann, sobald es in der Lage ist, die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft zu erfüllen und den wirtschaftlichen und politischen Vorraussetzungen genügt. Zugleich wurden die „Kopenhagener Beitrittskriterien“ festgelegt, die unter anderem die Stabilität der Institutionen als Garantie der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Achtung und Schutz der Minderheiten vorsieht. Ebenso ist eine funktionierend Marktwirtschaft, die Fähigkeit dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union standzuhalten notwendig. Beim Europäischen Rat 1995 in Madrid wurde festgelegt, dass jedes Beitrittsland seine Verwaltungsstrukturen so anpassen muss, dass das EU-Recht auf nationaler Ebene nicht nur angemessen umgesetzt wird, sondern auch von einem geeigneten Verwaltungs- und Justizapparat angewandt wird. Der Europäische Rat von Helsinki fügte 1999 hinzu, dass die Beitrittsländer die im Vertragswerk dargelegten Werte und Ziele der Europäischen Union teilen müssen.


III. Auf dem Weg nach Europa

Die Türkei ist eines der Gründungsmitglieder des Europarates und war auch bei der Gründung der Organisation für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beteiligt (OECD). Sie wurde sogar drei Jahre früher als Deutschland Nato-Mitglied.
Der Wunsch Türkei ein vollwertiges Mitglied der Europäischen Union zu werden besteht schon seit geraumer Zeit. Ende Juli 1959 stellte die Türkei einen Antrag auf Mitgliedschaft in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. 4 Jahre späte wurde ein Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der EWG unterzeichnet. Im Jahre 1987 wurde daraufhin erstmals ein Beitrittsantrag an die EU gestellt. Dieser wurde 12 Jahre später durch die EU-Kommission abgelehnt.
Ende 1999 begann mit der Anerkennung der Türkei als Beitrittskandidat eine neue Ära bezüglich des türkischen Bestrebens der Türkei beizutreten.
Im Oktober dieses Jahres wurde mit den Aufnahmeverhandlungen begonnen. Doch ob diese irgendwann einmal, in ferner Zukunft mit der vollständigen Mitgliedschaft der Türkei ende wird sich noch zeigen.
Es ist nicht möglich genau zu sagen wo, geografisch gesehen, Europa beginnt und endet.
Kritische Punkte sind jedoch vor allem de Anerkennung Zypern, die Umsetzung der Zollunion mit EU-25 und die Bewahrung der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte.
Kein anderes Land hat sich so lange um eine Mitgliedschaft bemüht wie die Türkei. Genauer gesagt seit 42 Jahre mit Abschluss des Assoziierungsabkommen und seither wird die Türkei hingehalten.


IV. Die Angst der Deutschen vor der Türkei

Kein anderes Land hat so sehr mit Vorurteilen zu kämpfen wie die Türkei, obwohl im Jahr 2005 über 4 Millionen deutsche Touristen in der Türkei ihren Urlaub verbracht haben und die Türkei im gleichen Jahr 15,9 Milliarden3 Amerikanische Dollar allein durch die Tourismuswirtschaft eingenommen hat.
Mit der Festlegung der Kopenhagener Kriterien von 1993 fühlten sich die Deutschen und auch alle anderen Europäer sicher vor der Türkei. Sie waren fest davon überzeugt, dass es die Türkei nicht schaffen würde diese Kriterien zu erfüllen. Als im Oktober dieses Jahres schließen mit den Aufnahmeverhandlungen begonnen wurde, waren viele Deutsche total schockiert. Während des Wahlkampfes wurde dieses Thema ebenfalls reichlich diskutiert. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und auch CSU-Chef Edmund Stoiber ließen keine sich bietende Möglichkeit aus um sich gegen den EU-Beitritt der Türkei stark zu machen. Aber aus den früheren türkischen „Gastarbeitern“ sind Mitbürger geworden. Insanin yurdu, dogdugu yer degul, doydugu yerdid, zu deutsch: Der Mensch hat seine Heimat dort, wo er satt wird nicht wo er geboren wurde. Diese türkische Gastarbeiter sind längst Deutsche geworden und auch hier zu Hause. Sie haben auch dazu beigetragen Deutschland als Wohlstaat wieder aufzubauen.
Würde man alle Türken aus Deutschland wieder zurück in die Türkei schicken würden nicht nur deren „Umkosten“ wegfallen, sondern auch die zahlreichen Beiträge der Türken in die Sozial- und Krankenversicherung. Rund 60 000 türkische Unternehmer, wie der Hamburger Reiseveranstalter Vural Öger oder der Aachener Textilfabrikant Kemal Sahin mit einem Jahresumsatz von 30 Milliarden Euro beschäftigen rund 350 000 Menschen, darunter auch viele Deutsche. Experten erwarten sogar, dass sich diese wirtschaftlichen Zahlen in den nächsten zehn Jahren verdoppeln .


VI.I Die Übermacht der Türken

Viele Deutsche haben auch Angst davor dass die finanzielle Belastung für einen EU-Beitritt der Türkei zu groß wäre und die Türkei die EU überfordert. Es gibt aber keine genauen Zahlen über die Kosten eines Beitrittes. Der Höchstbetrag liegt bei ungefähr 20 Milliarden Euro, jedoch kann niemand dies genau berechnen dann bis zum tatsächlichen Beitritt der EU wird sich noch einiges verändern. Im Jahr 2002 verdiente die EU an der Türkei etwa 5 Milliarden Euro , d.h. dass bereits Ende dieses Jahres die Kosten für den Beitritt, durch die Türkei selbst finanziert wären.
Die EU besteht bereits aus 25 Mitglieder und am Beispiel der einheitlichen europäischen Verfassung wird deutlich, dass ihre Funktionsfähigkeit bereits sehr eingeschränkt ist. Die Frage stellt sich nun ob die Aufnahme weiterer Mitgliedsstaaten verkraftbar ist.
„Würde die Türkei morgen EU-Mitglied, wäre sie nach den gegenwärtigen Regeln mit etwa 75 Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Es gibt derzeit 732 Abgeordneten. Im Europäischen Rat würden der Türkei von 350 Stimmen der dann 26 Mitgliedsstaaten 29 zustehen. Die Befürchtung vor einer türkischen Übernahme ist deshalb völlig unbegründet.


VI.II Islamistische Extremisten

Eines Tages wird es mehr Türken als Deutsche geben und unsere Angst davor ist automatisch mit der vor Islamisten verbunden. Doch es ist nicht richtig, dass der islamistische Terrorismus seine Wurzeln in der Türkei hat. Der 11.September 2001 und auch die Anschläge in London und Madrid haben gezeigt dass viele Attentate sogar in Deutschland vorbereitet wurden. Es ist falsch die Türken automatisch, wegen ihrer Religion
mit islamistischen Extremisten gleichzusetzen. Für Günther Kettermann ist „der Extremismus (ist) nur scheinbar religiös motiviert; die Extremisten im Islam berufen sich zwar auf den Koran, wogegen gemäßigte Muslime bestreiten, dass die Extremisten in Übereinstimmung mit dem Koran und der rechten islamischen Lehre handeln. Die Extremisten sind militant und zu schrankenloser Gewaltanwendung bereit .“ Von den in Deutschland lebenden Muslimen sind jedoch nur die wenigsten radikal oder sogar zu Gewalt bereit. In der Türkei werden islamistisch - fundamentalistische Gruppierungen frühzeitig erkannt, vor Gericht gebracht und verboten. In Deutschland blieben sie dagegen lange Zeit unerkannt , bis schließlich auch die Deutschen erkennen musste das auch hier islamistische Extremisten wohnen und leben.


VI.III Menschenrechtsverluste

Der Begriff „Ehre“ ist in der türkischen Tradition eng verbunden mit dem Verhalten gegenüber Frauen. Ehre ist die Achtung und die Anerkennung, die einem Menschen als Träger bestimmter ethischer Tugenden von anderen entgegengebracht werden; auch die Anerkennung die ein Mensch sich selbst entgegenbringt (Ehrgefühl.) Der ursprüngliche Ehrbegriff wurde durch eine verinnerlichte Moral abgelöst .Wenn man Deutsche mit Türken vergleicht ist der Unterschied zwischen den beiden Traditionen unverkennbar. Der Schutz dieser Ehre ist das oberste Gut in der türkischen Tradition und dies ist vor allem Aufgabe des Mannes. In den letzten 100 Jahren wurde jedoch deutlich dass sich die Frauen zunehmen durchsetze und sich dem Einfluss der Männer entziehen. 1935 gelangen die ersten 18 Türkinnen ins Parlament. Fünf Jahre später waren von 400 Abgeordneten 15 Frauen.
Seit geraumer Zeit machen jedoch immer wieder „Ehrenmorde“ in den Zeitungen Schlagzeilen. Jedoch ist auch ein langsamer Wandel in diesem Bereich erkennbar. Aber leider trifft dies nicht auf den Osten und Südosten Anatoliens zu, geprägt ist. Der Koran spricht sich in keiner Weise für die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethischen Zugehörigkeit oder ihrer Vermögensverhältnisse aus. Wie in der Bibel gelten auch im Koran alle Menschen als gleich. Während in Deutschland die Mehrheit der Bevölkerung Christen sind, ist die Türkei ein Land mit überwiegend muslimischer Mehrheit. Aber Deutschland ist Deutschland und die Türkei ist die Türkei. Deshalb muss es auch so sein, dass in Deutschland sich die Türken auch an deutsche Gesetze halten. Und Ehremorde sind in unserer Bundesrepublik eindeutig verboten und strafbar, genau wie in der Türkei.


VI.IV Kurdenproblematik

Der Krieg der zwischen den Kurden und des türkischen Militärs 15 Jahre lang herrschte endete vorerst 1999 mit der Festnahme des Führers der Separatistenorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans). Rund 40 000 Tote, Hunderttausende Verletzte und Millionen Flüchtlinge waren das Ergebnis dieses aussichtslosen Krieges, bei der es eigentlich nur um die Einrichtung eines eigenen unabhängigen kurdischen Staates ging. Der starke Willen der Türkei ein fester Bestandteil der EU zu werden ist auch in dem Schicksal des PKK-Führers Öcalan erkennbar. Dessen Strafe im Oktober 2002, wegen Hochverrats in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Mit der Entlassung zahlreicher gemäßigter Kurden wird deutlich dass das Verhältnis zwischen Kurden und dem türkischen Staat sich allmählich entspannt.


VI.V Armenier

Erst seit 1991 besitzen die Armenier ihren eigenen Staat, der eine rund 310 Kilometer lange Grenze zur Türkei hat und in dem rund 3,2 Millionen Menschen leben. Bis zum Ende des 19.Jahrhundert lebten fast zwei Millionen Armenier in der Türkei. 1915/1916 wurden etwa 1,8 Millionen Armenier in Richtung Syrien und Irak deportier. Und „der erste Völkermord des 20.Jahrhunderts“ nahm seinen Lauf. Dabei kamen nach armenischen Angaben 1,5 Millionen Armenier ums Leben, nach türkischen Darstellung 2000 und internationale Historiker gehen von rund 600 000 Toten aus.


V. Résumée

Man sollte sich vor allem erst einmal fragen ob es überhaupt möglich ist, unser Demokratiesystem auf ein islamisches Land vollständig zu übertragen.
Welche Vorraussetzungen müssen gegeben sein, damit in einem Land sich Demokratie entwickeln kann? Nach Eberhard Sandschneider ist für eine „erfolgreiche Demokratisierung … (ist) Hilfe von außen wichtig, aber sie kann nur dort gelingen wo auch die innenpolitischen Voraussetzungen – vor allem die Existenz von Mittelschichten - gegeben sind und demokratiewillige Eliten als Partner zur Verfügung stehen.“ Das heißt doch dass schon vorher demokratisches Denken in der Bevölkerung vorhanden sein muss, damit die Reformen der Regierung auch angenommen werden. Am Beispiel, der Türkei sind deutliche Tendenzen Richtung Demokratie zu sehen, jedoch müssen diese noch mehr gefördert und unterstützt werden. Hierbei spielt wieder die Europäische Union eine Rolle. Ihre Aufgabe sollte es sein diese Reformen zu stärken und die demokratischen Tendenzen weiter zu fördern. Der EU-Beitritt der Türkei Beitritt hätte also auch symbolische Wirkung. Die europäische Welt würde sich damit einen Verbündeten in der islamischen Welt schaffen. So gibt es statistisch gesehen viel mehr Dönerstuben in Berlin als in Istanbul, nämlich rund 1300. Warum können wir die türkische Kultur so gut akzeptieren, aber haben so große Probleme damit die Türkei als Volk zu tolerieren?
Joschka Fischer sagte zum Thema Türkeibeitritt einmal, dass „eine Türkei, die europakompatibel ist, wird nicht mehr die Türkei sein, die wir kennen. Viele Ängste werden dann nicht mehr existieren.“ Man sollte also nicht den Fehler machen und ein fast 70 Millionen-Volk mit einer kleinen, in Deutschland lebenden Minderheit gleichsetzen. Nicht alle Türken sind „gut“ oder „böse“, friedlich oder gewalttätig, strenggläubig oder nicht. Sie alle haben gute und schlechte Eigenschaften, genau wie wir. Die Angst der Deutschen vor den Türken ist viel mehr die Unsicherheit gegenüber einem fremden Volk aus einem fremden Land mit einer fremden Religion. Dennoch begann im Jahr 1961 Deutschland mit dem Anwerbung von Türken. Damals wurden hauptsächlich Männer aus den entlegenen Regionen Anatoliens nach Deutschland geschickt. Wir waren es damals, die diese Menschen nach Deutschland geholt haben und nun sollen wir sie einfach im Stich lassen?

Es ist nicht einfach ein Resumée aus diesen ganzen Fakten zu ziehen. Meiner Meinung nach ist es absolut zu befürworten die Türkei in die Europäische Union aufzunehmen. Die Vorteile die dieser Beitritt mit sich zieht überwiegen eindeutig den Nachteilen. Die finanzielle Kosten des Beitrittes sind bezahlbar, die Einhaltung der Menschenrechte ist bereits in einem Großteil des Landes gegeben, die Reformen in Richtung EU-Beitritt wurden bereits verabschiedet und wenn man den Fortschritt der Türkei in den letzten 10 Jahren ansieht ist deutlich der Weg der Türkei in die EU zu sehen. Nur die traditionellen im Süden der Türkei anatolischen Gebiete hinken diesen neuen Entwicklungen hinterher, aber meiner Meinung nach wird auch dieses Problem bis 2010 gelöst werden und vorher steht ein Beitritt sowieso nicht zur Debatte. Und auch auf die geographische Lage gibt es eine Antwort. Wurde nicht letztes Jahr auch Zypern in die EU aufgenommen, welches zu 100% zu Asien zählt?
Ein weiteres sehr entscheidendes Argument, das für die Türkei spricht ist die Tatsache ihrer militärischen Stärke. Die Türkei verfügt über rund 550 000 Soldaten und damit über die zweitgrößte Armee in der Nato nach den USA. Besonders die geographische Lage wäre ein entscheidender Vorteil bei einem möglichen Krieg mit der östlichen Welt. Auf die Frage was alles passieren werde, wenn die Türkei nicht in die Türkei aufgenommen wird gibt es keine genaue Antwort. Klar muss jedoch sein, dass es dann zu einem sehr starken Zulauf der islamistischen Extremisten kommen wird und unserer Länder sich noch weiter von einander entfernen werden und auch die Kluft zwischen Christentum und Islam sich vergrößert. Europa braucht die Türkei aus geostrategischen und geopolitischen Gründen. 2003 widerstand die Türkei dem finanzielle sehr verlockendem Angebot der USA amerikanische Truppen auf türkischem Boden zu stationieren. Die Türkei zeigte sich dabei sehr viel europäischer als andere Länder.
Wie sagte Viktor Hugo bereits vor mehr als 150 Jahren, im Jahr 1849: „Ein Tag wird kommen, wo alle Nationen dieses Kontinents ohne ihre besonderen Eigenheiten oder ihre ruhmreiche Individualität einzubüßen, sich eng zu einer höheren Gemeinschaft zusammenschließen und die große europäische Bruderschaft begründen werden. Ein Tag wird kommen, wo es keine anderen Schlachtfelder mehr geben wird als die Märkte, die sich dem Handel öffnen und der Geist, de sich den Ideen öffnet. Ein Tag wird kommen, wo die Kugeln und Bomben durch Stimmzettel ersetzt werden.“
Genau so wird unsere Zukunft aussehen und eine Europäische Union ohne die Türkei ist damit nicht mehr denkbar.


VI. Literatur und Quellenverzeichnis

● Ahmad, Feroz (2003): Geschichte der Türkei; Magnus Verlag, Essen

● Deschner, Günther (2003): Die Kurden – Volk ohne Staat; F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

● Güngör, Baha (2004): Die Angst der Deutschen vor den Türken und ihrem Beitritt zur EU; Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München

● Hofmann, Tessa (1994): Armenier und Armenien – Heimat und Exil; Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

● Kubaseck, Christopher und Seufert, Günter (2004): Die Türkei- Politik, Geschichte, Kultur; Verlag C.H.Beck oHG, München

● Rill, Bernd (1985): Kemal Atatürk; Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

● Scholl-Latour, Peter (2002): Kampf dem Terror – Kampf dem Islam; Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG, München

● Strohmeier, M. und Yalçin-Heckmann, L. (2000): Die Kurden – Geschichte, Politik, Kultur; C.H. Beck’sche Veragsbuchhandlung (Oscar Beck), München

● Ulfkotte, Udo (2001): Propheten de Terrors – Das geheime Netzwerk der Islamisten; Wilhelm Goldmann Verlag, München

● Weiss, Walter M. (1999): Islam; DuMont Buchverlag, Köln

● Weithmann, Michael W.(1997): Atatürks Erben auf dem Weg nach Westen; Wilhelm Heyne Verlag, München

● Die Zeit: Der Fischer Weltalmanach EU-Erweiterung (2004); Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main

● Informationen zur politischen Bildung (2002): Türkei; Franzis’print & media GmbH; München

● Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (2000): Der Bürger im Staat – Die Türkei vor den Toren Europas; Stuttgart

● METZLER AKTUELL im Schroeder Verlag Kap.1Bevölkerung; März 2005 / Juli 2003 / Januar 2001
METZLER AKTUELL im Schroeder Verlag Kap.21 Internationale Politik; Januar 2005
METZLER AKTUELL im Schroeder Verlag Kap.26 EG/EU; Juli 2003

14 Bewertungen, 5 Kommentare

  • Django006

    13.09.2006, 22:16 Uhr von Django006
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh & *lg* Alan :>))))

  • anonym

    13.09.2006, 16:19 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hammer Bericht... nur kann ich keine noch bessere Bewertung geben :(

  • krullinchen

    13.09.2006, 16:02 Uhr von krullinchen
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wow, war das ne Ausarbeitung für Geographie ;o))) Super ausführlich!!! LG Bine

  • Tweety30

    13.09.2006, 15:52 Uhr von Tweety30
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr informativer Bericht. Liebe Grüße, Tweety30!

  • Vicky

    13.09.2006, 15:44 Uhr von Vicky
    Bewertung: sehr hilfreich

    * Sehr hilfreich - Vic *