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Erfahrungsbericht von sugips

Oj, meine mischpoché ist meschúge

Pro:

Oh es geht immerhin um die weibliche Brust

Kontra:

Die längsten 89 Seiten meines Lebens

Empfehlung:

Nein

Wie üblich zuerst die Fakten:
Leo Rosten: Jiddisch. Eine kleine Enzyklopädie. Aktualisiert und kommentiert von Lawrence Bush. Illustriert von R. O. Blechmann. Übersetzung und deutsche Bearbeitung Lutz-W. Wolff. Deutsche Erstausgabe November 2002. dtv Verlag. 638 Seiten

Man ist ja schließlich selbst ein Viertel, nach alter deutscher Nomenklatur. Die Urgroßeltern in Polen erschossen. Deren Wohnung beschlagnahmt. Meine Mutter musste mitansehen, wie sie auf Lastwagen verladen wurden. 60 Jahre ist es her. Vor zwei Monaten haben wir eine Zahlung aus dem Operfonds bekommen. Warum ich das erzähle? Der Wahrhaftigkeit wegen und zur Erklärung meines Interesses am Jüdischen und am Jiddischen.

Da gibt es natürlich jede Menge Literatur, von und über Juden, aus Wien, Österreich, Altösterreich, Deutschland und den USA, nicht nur aber vor allem. Jetzt ist zum ersten Mal eine Enzyklopädie des Jüdischen erschienen: eine kleine aber die umfassendste, die es momentan gibt. Davor musste ich mich und wir alle mit zwei Werken von 1962 begnügen: Salcia Landmann: Jiddisch. Abenteuer einer Sprache und Siegmund Wolf: Jiddisches Wörterbuch. Ja und dann gibt es noch den freudlosen Duden von 1992: Das Jiddische Wörterbuch. Freudlos, weil einfach Wort, Lautschrift, Bedeutung, sonst nichts.

Und das, wo es Jiddisch schon seit 1275 gibt. Der erste Satz erschien in einem Wormser Gebetbuch und lautete: gut tak im betage/se war dis machor in beß hakkeneßeß trage! Ein guter Tag sei dem beschieden/der dies Gebetbuch in die Synagoge trägt!

Der Begriff Jiddisch gelangte aber erst auf dem Umweg über Amerika zu uns. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Sprache der askenasischen, also der mittel- und osteuropäischen Juden als Jüdisch-deutsch, Iwre-Deutsch und Judendeutsch bezeichnet. Er habe Judendeutsch erlernt, bericht etwa Goethe in Dichtung und Wahrheit.

Was fehlt!
Alles aus der modernen jüdischen Dichtung und Literatur. Viel von der nicht-amerikanischen jiddischen Kultur – aber einiges wurde in dieser Ausgabe ergänzt und erweitert, so findet sich auch das Wienerische beisl (Jiddisch für kleines Haus, bei uns Wirtshaus) etc. etc. Es fehlt auch einiges aus jiddischer politischen Rhetorik und Sozialkritik.

Was es gibt:
Neben der Wörtersammlung von A-Z viel Humor, viele Anekdoten und viel gebildete Plauderei, einfach auch ein köstliches Leseabenteuer. Aber wie heißt es so schön: Dem jidns ßimche, is mit a bisl schrek – Wenn ein Jude sich freut, sind immer auch ein paar Sorgen dabei.

Man lernt auch viel über Jinglisch, die Mischung aus Jiddisch und Englisch. Der mish-mash, der bagel (von Beugel, gebogenes Gebäck), der kibitzer. Man erfährt etwas über den Ganef (eigentlich gánew), den Gauner und Dieb (Wienerisch Gannef, die Deutschen kennen den Ganoven aber nicht den Herzensganef, den Herzensbrecher. Aber es wäre nicht Jiddisch würde es nicht auch Schlauberger, kluges Kind, Unehrlicher Geschäftsmann, verdächtiger Kunde oder Spaßvogel bedeuten – je nach Zusammenhang.

Beispiel: Nach seinem ersten Schultag fragt die Mutter des kleinen Milton ihren Sohn: Na, was hast du gelernt?
Ich habe schreiben gelernt, sagt Milton.
Erst einen Tag in der Schule, und schon hast du schreiben gelernt? America ganef! Und was hast du geschrieben?
Woher soll ich das wissen? Ich kann doch nicht lesen.

Eine kurze Geschichte des Jiddischen
Es begann im 10. Jahrhundert. Eine größere Gruppe Juden wanderte von Nordfrankreich in Städte des Rheinlands. Sie sprachen Altfranzösisch und Hebräisch, nahmen aber bald das örtliche Deutsch an. Das Hebräische blieb – als Sprache der Tora und des gebets davon unberührt. Die mittelhochdeutsche Sprache des Rheinlandes wurde von den Juden auch schriftlich erfasst – allerdings nicht in lateinischen, sondern in hebräischen Buchstaben. Die spanischen Juden machten das gleiche mit Spanisch und Arabisch.

Die Laterankonzile von 1179 und 1215 verboten das räumlichen Zusammenleben von Juden und Christen. Es entstanden die juderías in Spanien, die Ghettos in Italien – und die Judenviertel in Deutschland, deren Sprache, eine Mischung aus Mittelhochdeutsch und Hebräisch mit ein paar altfranzösischen und italienischen Wörter, sich unmerklich von ihrer Umgebung ablöste.

Zur wirklich eigenen Sprache wurde das Jiddische aber erst durch die Abwanderung der Juden nach Osteuropa, die unter dem druck der ständigen, oft auch blutigen, Verfolgung seit dem ersten Kreuzzug von 1096-99 zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert stattfand. In mehreren wellen zogen die Juden nach Polen, Galizien, Ungarn, Rumänien und Russland. Ihre aus dem mittelhochdeutschen abgezweigte Sprache nahmen sie mit. Daher gibt es heutigen Jiddisch Ausdrücke aus dem mittelhochdeutschen, die im heutigen deutsch nicht mehr benutzt werden.

In den osteuropäischen Städten nahm das Jiddische natürlich neue Wörter, Begriffe und Redewendungen an. Aruffirn dem satelit af der orbite – Einen Satelliten in die Umlaufbahn schießen. Das Jiddische wurde zur mameloschn, zur Muttersprache der Juden, weil die Frauen nicht am Hebräischunterricht teilnehmen durften.

Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee (Max weinreich), die hat das Jiddische nicht sondern nur leidenschaftliche Freunde.

Dazu was Lustige und was etwas Trauriges:
In einem Bus in Tel Aviv redet eine Mutter angeregt auf jiddisch mit ihrem Sohn. Aber der kleine Junge antwortet immer hebräisch.
Sprich jiddisch mit mir! Sagt die Mutter.
Schließlich verliert ein israelischer Passagier die geduld. Warum verlangen Sie, dass er jiddisch reden soll? Fragt er zornig.
Damit er nicht vergisst, dass er Jude ist, sagt die Mutter.

Und Issak Leib Perez (Schriftsteller, 1851-1915) formulierte: Jiddisch ist die Sprache, die für immer Zeugnis ablegen wird über die Gewalt und Mordtaten, die man uns angetan hat. Sie trägt die Spuren unserer Vertreibung von einem Land zum anderen, die Klagen unserer Väter hat sie aufgenommen, die Klagen von Generationen, das Gift und die Bitternis der Geschichte. Dies ist die Sprache, deren köstliche Juwelen aus den ungetrockneten und nicht gefrorenen Tränen der Juden bestehen.

Was drinnen steht:Von adójni, Adonai – Herr, Gott bis zu zútschepenisch, etwas Irritierendes, das sich einem anhängt: ständiges Genörgel, aber auch Zwangsvorstellung oder Tick oder ein allzu anhänglicher Mensch – spannt sich der Bogen dieses Werkes.

Was Lustiges inzwischen: Mr. Chamish ruft Mr. Nudelmann an und beschwert sich: Seit zwei Monaten haben Sie die Rechnung jetzt nicht bezahlt!
Was?, sagt Nudelmann. Haben Sie meinen Scheck nicht gekriegt?
Nein.
Dann werde ich ihn sofort auf die Post bringen.
(Mr. Nudelmann ließ sich nicht fartutsn.)

Mrs. Fishbeins Telefon klingelt.
Hellou, intoniert eine näselnde Stimme. Ich wollte fragen, ob Sie und Ihr Herr Gemahl zum Tee zu Lady Windermere kommen können –
Oj, Mann! Sie sind ja so was von falsch verbunden! Seufzt Mrs. Fishbein.
Und schon kennen wir eine der 29 verschiedenen Bedeutungen von Oj.

Und ein letzter, vorerst:
Moses treibt sein Volk durch die Wüste, und als er ans Rote Meer kommt, schnippt er mit den Fingern und ruft: Manny!
Der Pressesprecher des Propheten kommt atemlos herbeigerannt: Ja, Sir!
Die Boote!
Wie bitte?
Die Boote, sagt Moses. Wo sind die Boote, mit denen wir übers Rote Meer fahren wollen?!
Oj wej! Moses, mit diesen ganzen neuen Human-Interest-Stories habe ich das glatt vergessen!
Was hast du?
Ich habs vergessen!
Du hast die Boote vergessen?! Schreit Moses. Du Schwachkopf! Die Ägypter können jeden Augenblick hier sein! Was soll ich jetzt machen? Soll ich Gott darum bitten, dass Er das Wasser teilt, damit die Juden zu Fuß gehen können und die Ägypter ertrinken? Ist das vielleicht deine Vorstellung, wie –
Hey, Chef sagt Manny. Wenn Sie das hinkriegen, verschaffe ich Ihnen zwei Seiten im Alten Testament für die Story!

Bin ich meschugge. Stöbert doch selbst in dieser Fundgrube der Sprache und Sprachen. Lacht, weint, schmunzelt, lernt, versteht, versucht zu verstehen. Und werdet ja kein nudnik. Kein nudnik? Kein Langeweiler und kein phudnik. Phunik? Ein nudnik mit PH.D.

Und ein letzter:
Mr. Polanski beklagt sich bei seinem Hausarzt: Es ist etwas ganz schreckliches passiert. Seit neuestem führe ich Selbstgespräche ... ich versuche es zu verhindern, aber ich rede ununterbrochen mit mir!
Na, das macht doch nichts, sagt der Doktor. Das passiert doch jedem mal. Tausende tun es.
Das mag schon sein, sagt Polanski, Sie haben ja keine Ahnung, was ich für ein nudnik bin!


Der Autor:
Leo Rosten wurde 1908 in Lodz, Polen, geboren. Mit drei Jahren emigrierte er mit seinen Eltern, Samuel und Ida freundlich Rosten. Er wuchs in einem Arbeiterviertel von Chicago unter jüdischen Amerikanern auf. 1937 schrieb er sein erstens Buch „Die Erziehung des H*Y*M*A*N K*A*P*L*A*N“ erzählt den Lebenskampf von Juden, die sich dem amerikanischen Leben anzupassen versuchen. Es entstand aus einer Serie von Kurzgeschichten, die er für das Magazin The New Yorker schrieb. In seiner frühen Karriere benutze er das Pseudonym Leonard Q. Ross. Er arbeite als Amateursoziologe und schrieb in der Folge dutzende Bücher – sowohl Fachbücher als auch Belletristik, sogar Horrorgeschichten.

Seinen bekanntesten Charakter, Hyman Kaplan, widmete er noch zwei Fortsetzung und zwar 1959 „Die Rückkehr des H*Y*M*A*N K*A*P*L*A*N“, und 1976 „ O K*A*P*L*A*N! Mein K*A*P*L*A*N!“. 1968 erschein seine Enzyklopädie des Jiddisch unter dem Titel „The Joys of Jiddish“ zum ersten Mal.

Leo Rosten starb am 19. Februar 1997.

----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-04-18 23:33:30 mit dem Titel Was nährt sich da an meinem Busen?

Am liebsten würde ich sofort losschlagen, aber alter Tradition folgend zuerst

Die Fakten:
Philp Roth: Die Brust. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt Taschenbuch Verlag 1998. 94 Seiten. Euro 6,50. Erste deutsche Ausgabe 1979 bei Hanser. Deutsch von Kai Molvig. Originalausgabe The Breast 1972 bei Holt, Rinehart & Winston, New York.

Es ist ein schmales Bändchen. 94 nummerierte Seiten, 89 echter Inhalt.Angeblich ein Kurzroman. Die letzte Seite zitiert ein Gedicht Rainer Maria Rilkes ARCHAISCHER TORSO APOLLOS, meine Meinung vorweggenommen der Höhepunkt des Romans. Der Autor längst überaus bekannt, immer wieder auf den Bestsellerlisten und mit Preisen überhäuft. Das erhebt, wieder vorweg genommen, zwei Fragen: wie konnte ihm so was passieren und was ficht einen verlag an, das auch zwischen Buchdeckeln zu pressen?

Aber der reihe nach, zuerst –

Der Inhalt:
Ausnahmsweise beginne ich mit dem Klappentext: Der Literaturprofessor David Kepesh findet sich eines Tages verwandelt in eine enorme weibliche Brust. Plötzlich ist er hilflos. Philip Roth erzählt diese Situation, die an Kafkas Verwandlung und an Gogols Nase denken lässt, wie eine völlig plausible und alltägliche Geschichte. Er schildert die Gespräche Davids mit seiner Frau, dem Arzt, der Krankenschwester, dem Kollegen, aber auch das Wüten der Wollust in Szenen von erotischer Kühnheit und überwältigender Komik.

Klingt doch interessant, zumindest nett. Habe mir gedacht, so in der Badewanne ausgestreckt habe ich das im Nu durch, werde herzlich lachen und wenn ich das am Abend ergäben sich völlig neue erotische Ansätze für unsere Bettspiele.

Daraus wurde nichts: es waren die längsten 89 Seiten meines Lebens. Nach sechs Wochen und mehren Anläufen habe ich es heute endlich geschafft und auch nur, weil ich hier einen bericht schreiben wollte. Gelacht habe ich nie, erotisch Neues nicht gelrnt und Kafka und Gogol mögen in ihren Gräbern rotieren wie sie wollen, an sie erinnert an diesem (Mach)Werk gar nichts.

Also der Literaturprofessor ist ein Hypochonder. Es kribbelt zwischen seinen Beinen, das macht ihn nervös, der Ansatz seines Gliedes wird mattrötlich. Zitat: Es begann merkwürdig. Aber, wie auch immer der Beginn war, hätte es anders beginnen können? Natürlich heißt es, dass alles unter der Sonne merkwürdig beginnt und merkwürdig endet und merkwürdig ist: eine vollkommene Rose ist merkwürdig, wie auch eine weniger vollkommene, wie auch die ganz gewöhnliche rosenfarbene Rose im Garten Ihres Nachbarn. Nach dieser philosophischen Tiefgang und der Veränderung seines Gliedes entdeckt David plötzlich wieder Leidenschaft für seine zweite Frau Claire. Ende des ersten Abschnitts.

ICH BIN EINE BRUST. So beginnt der zweite. Wie schaut sie aus. Zitat: Man sagte mir, dass ich nun ein Organismus von schwammiger Beschaffenheit etwa in Form eines Fußballs oder Luftballons sei, ich wöge annähernd 140 Pfund (vorher waren es 145), meine Größe (resp. Länge) betrage nach wie vor 1,78. Obwohl ..... ist die grundlegende Struktur, in der sich diese menschlichen Charakteristika angeordnet verbergen, die der Milchdrüse eines weiblichen Säugetiers. Am einem ende bin ich abgerundet wie eine Wassermelone, am anderen laufe ich in eine zylindrisch geformte Brustwarze aus, die 12,5 cm aus meinem Körper herausragt und deren Spitze siebzehn Öffnungen aufweist, jede davon halb so groß wie der Ausgang der männlichen Harnröhre. ... Die Ärzte stellten die Hypothese auf, ...., die faltig-aufgerauhte Oberhaut der Brustwarze – die zugegebenermaßen auf Berührung so sensibel anspricht wie keine Stelle des Gesichts, die Schleimhaut der Lippen eingeschlossen – habe sich aus der Eichel gebildet. Durch die Öffnungen der Brustwarze kann David gedämpft hören und sich verständlich machen. Ja. Blind ist David auch. Naja, ich heiße ja nicht umsonst buhsi, meine Leidenschaft für die weibliche Brust ist legendär, aber diese Metamorphose finde ich weder schön noch erotisch.

Es folgen lange Unterredungen mit dem Arzt. Brust-David fühlt sich ständig beobachtet und glaubt sein verhalten im fernsehen übertragen, in Wahrheit nimmt keiner Notiz von ihm. Langsam beginnt er die täglichen Waschungen und Ölungen zu genießen, ja sogar nahezu Orgasmen zu spüren. Er träumt nur noch davon, dass die mittelalterliche, altjüngferliche Krankenschwester sich seine Brustwarze von hinten in ihre Fotze steckt. Das traut er sich nämlich von seiner Frau, die ihn immer eine halbe Stunde streichelt, nicht zu verlangen.

Dann erzählt ihm sein Vater einmal die Woche, wie es Freunden, verwandten und Bekannten geht, ein Universitätskollege lacht David aus. Da beschließt David so zu tun, als wäre er wahnsinnig und bilde sich nur ein, eine Brust zu sein. Na gut, das wird ihm ausgeredet, er beginnt seine Sexualität zu beherrschen, Platten mit Shakespeare-Texten zu hören und davon zu träumen, wieder Vorlesungen zu halten. Es folgt das Gedicht Rilkes. Ende. Aus

Wie sagt ein Kritiker?
ZITAT: Besprechung von Thomas Liehr, Homepage tomliehr:
Der Literaturprofessor David Kepesh hat eines morgens seine taktilen Fähigkeiten verloren, sieht nichts mehr und kann nur noch undeutlich sprechen. Das wundert nicht weiter, denn er hat sich in eine einen Meter achtzig große weibliche Brust verwandelt - vergleichbar etwa mit jener, die in Woody Allens \"Was Sie schon immer über Sex wissen wollten\" ihr Unwesen treibt, mit dem Unterschied, daß Kepesh keine Milch gibt.
Nunwohl. Die Brust Kepesh liegt im Krankenhaus, vermeintlich unter Beobachtung der Öffentlichkeit, ist verängstigt, skeptisch, verwirrt, vor allem aber geil. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, daß Vorhof und Brustwarze Kepeshs extrem reizbar sind, Lüste von ungeahnter Stärke auslösen, und sogar die morgendlichen Waschungen durch den Pfleger, vor allem aber die ältliche Krankenschwester lösen enorme Geilheit aus. Kepesh träumt fortan nur noch davon, seine eregierte Brustwarze in irgendeine Frau zu stoßen, gerne auch die alternde Krankenschwester, aber zwischen Therapeutensitzungen und Seinsfragen bleibt ihm dieser Wunsch versagt, den er nicht seiner Freundin zu unterbreiten vermag, die ihm immerhin täglich für eine Viertelstunde die Nippel reibt.
Die kurze Erzählung enthält ein paar literarische Andeutungen, Verweise auf Gogol (\"Die Nase\") und Kafka (\"Die Verwandlung\"), auch auf andere Klassiker, aber letztlich bleiben dem Leser sowohl die Gründe, als auch die Auflösung vorenthalten. Roth hat diese kurze Erzählung irgendwann in den Siebzigern geschrieben, vielleicht hat er mehr im Sinn gehabt, vielleicht auch nicht, jedenfalls ist \"Die Brust\" dann irgendwann zwischen Buchdeckel gepreßt worden, *weil* sie von Roth ist - ein Schmankerl für den Fan, ziemlich müde Lektüre ansonsten. ENDE DES ZITATS

Also ich kann nur sagen, Erotik finde ich bei Henry Miller, Maquis de Sade oder Beauvoir viel besser, für Verwandlungen bleibe ich bei Kafka. Der Stil ist leicht lesbar, fast oberflächlich schnoddrig, aber langweilig, mühsam langweilig. Aus der recht interessanten Grundidee wurde eigentlich nichts gemacht. Es ist kurz aber kein Roman, keine Novelle, keine Satire, es ist einfach nichts.

Darum hüte sich vor diesem Buch wer kann.

Der Autor
Philip Roth
*19.März 1933 in Newark/New Jersey/USA als Sohn jüdischer Eltern, lebt und arbeitet in New York und auf einer Farm in Connecticut/USA
Studium am Newark College der Rutgers University
1954 Bachelor of Arts an der Bucknell University, Pennsylvania
1955 Master of Arts an der University of Chicago
1956-1958 Lehrtätigkeit an der University of Chicago, Thema Englische Literatur
1959/1960 Guggenheim Fellowship
1960-1962 Lehrtätigkeit \"Creative Writing\" am Writer\'s Workshop der University of Iowa
1962-1964 Writer in Residence in Princeton
1965 Writer in Residence in Philadelphia
seit 1965 lebt Philip Roth vorwiegend in New York
seit 1970 Mitglied des \"National Institute of Arts and Letters\"
Stationen u.a.: Amerikanischer Schriftsteller. Seine Eltern stammen aus Osteuropa. Im Elternhaus wurde Jiddisch gesprochen. 1950-54 Studium. 1960-62 Universität Iowa. 1962-64 Princeton. 1967-80 Universität von Pennsylvania. Seit 1989 Dozent am Hunter College in New York. Freier Schriftsteller.
Arbeitsgebiete: Gedicht, Erzählung, Roman
Auszeichnungen/Ehrungen/Preise (Auswahl): Literary Fellowship Award (1959). National Book Award (1960). Jewish Book Councils Daroff Award (1960). Faulkner-Preis (1993). P.E.N.-Faulkner-Preis (1994). Pulitzer-Preis (1998). Faulkner-Preis (2001). Franz-Kafka-Literaturpreis, Prag (2001).
- Mitglied des National Institute of Arts and Letters.
Veröffentlichungen (Auswahl): Goodbye,Columbus (1959). Die Prager Orgie, Roman (1986). Operation Shylock (1993). Amerikanisches Idyll (1997). Die Brust, Roman (1998, Rowohlt). The great American Novel, Roman (2000, Hanser - Übertragung Werner Schmitz). The human stain/Der menschliche Makel, Roman (2000/2002, Hanser - Übertragung Dirk van Gunsteren). Dying Animal/Das sterbende Tier, Roman (2003, Hanser - Übertragung Dirk van Gunsteren).


Apparat.
Ich habe was tiefgründiges gefunden, ich will es euch der Vollständigkeit halber nicht vorenthalten:

Pornographie und Metaphysik
Anmerkungen zum Werk von Philip Roth
von Bettina Knauer (Quelle: http://www.morgenwelt.de/kultur/000410-rothsex.htm)
Die Bücher des Schriftstellers Philip Roth provozieren. Zorn und Hybris nennt der Autor selbst als Voraussetzungen seines Schreibens: Zorn auf das jüdische Milieu, aus dem er stammt, auf Amerika, den Vietnamkrieg, auf Verlogenheit und Doppelmoral; und Hybris: das meint das Unbeherrschte, das Schamlose in seinem Werk, die Überschreitung aller Tabus.
Mit \"Portnoys Beschwerden\" hat Roth ein frühes Meisterwerk vorgelegt, das vornehmlich die pubertäre Sexualität thematisiert – in den wohl stärksten pornographischen Szenen seit Henry Miller.
Wie ein Leitfaden ziehen sich von nun an Portnoys Beschwerden, das sind: \"Exhibitionismus, Voyeurismus, Fetischismus, Autoerotismus und Fellatio\" - als \"Wunschvorstellung\" und als \"ausgeführter Akt\" jeweils mit dem \"Gefühl der Scham\", der \"Angst vor Strafe\" und der \"Kastrationsphobie\" verbunden - durch das Werk.
Aus der Perspektive des Alters bündelt Roth noch einmal diese Themen und schafft den großartigen, den bösen und doch auch so komisch-anrührenden Roman \"Sabbaths Theater\" (1995), dessen vierundsechzigjähriger Held Mickey Sabbath gleichaltrig mit seinem Autor ist. Nicht der Sex der frühen \"Onanisten-Jahre\" mehr, sondern der Sex unter dem Eindruck nachlassender \"Hormonstöße\", von Potenz- und Prostataproblemen, steht jetzt im Vordergrund.
Mit einem an eine Thomas Mannsche Periode erinnernden Satz beginnt Sabbath in \"Sabbaths Theater\" gleichsam vom Weltgebäude herab zu reden, dass von nun an kein Sex mehr sei. Der Zeitpunkt, an dem es mit dem Sex endgültig vorbei sein würde - das ist \"das Ultimatum, das zum Verrücktwerden unwahrscheinliche Ultimatum ...\" dieses Romans.
Aber bei Philip Roth geht es nie einfach nur um Sex. Dort, wo es pornographisch wird, sind bei ihm alle relevanten Diskurse der Gesellschaft betroffen: Moral, Politik, Psychologie, Soziokultur und nicht zuletzt Metaphysisches. Nur hat eben Mickey Sabbath \"sein Leben\" dahingehend \"vereinfacht\", dass er es, statt um das, was die anderen \"als die dringlichen Angelegenheiten definieren: Geld, Macht, Politik, Mode und weiß der Himmel was sonst noch ... um das Ficken herum angeordnet\" hat.
Das Reden von sexuellen Praktiken, von Lecken, Blasen, Bepinkeln etc., verweist auf eine unersättliche, unstillbare Begierde. Es berührt alle Diskurse, stört diese auf, mit dem Ziel, auf ein in ihnen allen Abwesendes, aber Ersehntes, auf etwas, das man Liebe oder auch Gott zu nennen geneigt ist, zu verweisen.
Sabbaths Orgien- und Mysterienspiele – sie erscheinen zunächst teuflisch und böse, einzig darauf angelegt, die Schöpfung durch ein höchst kunstvolles, perverses Gegenspiel aus den Angeln zu heben, den Trieben jenseits von Scham und Tod ihren freien Lauf zu lassen. In Schmutz und Erde wühlend, den Samenerguss feiernd, jedwedes feuchte Milieu intensiv befingernd und penetrierend (schon Portnoy versuchte sich mitunter auch an einer frisch gekauften Leber), zeigt sich Sabbath als grinsender Antipode Gottes.
Doch was tun, wenn Finger wie Schwanz nicht mehr mitspielen, wenn Krankheit und Tod den einstmals charismatischen Puppenspieler zur Kapitulation zwingen? Sabbaths arthritisch gewordene Finger werden zum Symbol für sein nihilistisches Unterfangen. \"Nun, wo das Ende von allem nahte\", scheint ihm nichts mehr zu bleiben, als \"sich vollkommen umzustülpen\". Für Sabbath bedeutet das, aus der Verneinung und Schamlosigkeit heraus, sich dem zu stellen, was nicht verneint werden kann, dem Tod. Und,wie nebenbei, entdeckt er dabei die Liebe.
Seine letzte sexuelle Erfüllung und große Liebe findet Mickey Sabbath bei der alternden, an einem Krebsleiden dahinsiechenden Kroatin Drenka. Beider perverser Gelüste – zentriert auf sogenannte \"Natursekt\"-Praktiken – weisen auf die mythische Verbindung von Eros und Tod hin. Es ist höchst abstoßend und berührend zugleich, wie Sabbath es unternimmt, das Grab der Geliebten mit seinem Urin zu befruchten:
\"All die Tabus, die unsere Ungeheuerlichkeit herabzumindern suchen, hatten ihm das Wasser abgedreht. ... Und dann begann es zu laufen ... und dann pinkelte Sabbath mit einer Kraft, die sogar ihn überraschte. ... Ein Loch ins Grab bohren! Durch den Sargdeckel in Drenkas Mund! ... Er hörte ... nicht auf. Er konnte nicht. Er verhielt sich zu Urin wie eine Amme zur Milch. Benetzte Drenka, sprudelnder Quell, Mutter von Feuchte und Überschwemmung, brandende, strömende Drenka, Genießerin der Säfte menschlicher Reben – Geliebte, steig aus dem Grab, eh du zu Staub zerfällst, komm zurück und werde lebendig und ströme alle deine Sekrete über mich aus!\"
Drängte in Sabbaths Welt bisher der Sex auf ständige Präsenz eines Objektes – es musste nicht immer eine Frau sein, auch der gebrauchte Slip reichte schon aus oder der Geruch von Vaseline -, ist durch Drenkas Krankheit und Tod sein Begehren durch unaufhebbare Absenz bestimmt.
Abwesenheit ist nun aber auch die Kategorie, von der aus Roths pornographische Romane eine metaphysische Qualität erhalten und nolens volens auch Gott wieder eine Rolle zu spielen beginnt: nicht der zornige Gott, nicht der jüdische Gott der Väter und des Gesetzes, – der wird von Roth einschließlich aller damit verbundenen Tabus gründlich demontiert, – sondern ein Gott, an dem gearbeitet werden muss, von dem aus Tod, Schmutz, Hässlichkeit, Krankheit und Verworfenheit überhaupt erst thematisiert werden können. Als ein zweiter Hiob ruft Sabbath diesen Gott aus dem Schmutz hervor.
Roths Romanwelten sind zynisch, ironisch, humorvoll. Zynisch in der Weltverneinung, ironisch-humoristisch dort, wo es darum geht, Heterogenes miteinander zu verbinden, Sex, Promiskuität, Perversion, Gott und Liebe aufeinander zu beziehen.
Anders als Georges Bataille, der eine Sexualität inszeniert, die \"um ihrer selbst willen das Überschreiten\" aller \"Grenzen mit dem Tod Gottes verbindet\" (Michel Foucault), wird bei Roth eine metaphysische Spannung beibehalten. Sie garantiert, dass die Würde des Menschen noch in der letzten Entäußerung, im Schmutz und in der Perversion gewahrt bleibt.

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