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Erfahrungsbericht von Trinity007

Thomas Manns Tonio Kröger: Ein Mensch wie du und ich?

Pro:

faszinierende und spannende Geschichte, leicht zu lesen

Kontra:

nichts

Empfehlung:

Ja

Darf ich vorstellen? Tonio Kröger! Lasst euch einfach mal mitnehmen auf eine kleine Reise, die die gesamte Entwicklung von einem kleinen Jungen voller Widersprüche bis hin zu einem erwachsenen Mann, der endlich seine Identität gefunden hat, zeigt.

Aber wer ist er nun, dieser ominöse Tonio Kröger? Nun, zunächst einmal ein Mensch, dessen „tiefste und verstohlenste Liebe den Blonden und Blauäugigen, den hellen Lebendigen, den Glücklichen, Liebenswürdigen und Gewöhnlichen gehört.“

Warum? Vielleicht deshalb, weil er nie zu eben diesen gehören wird. Er ist brünett und hat braune Augen, interessiert sich mehr für Kunst und Literatur als für Sport und Reiten, ist eigentlich sein ganzes Leben hindurch nie richtig glücklich (zumindest nicht so, wie wir es heutzutage verstehen) und sicherlich auch nicht gewöhnlich.
Er ist ein Außenseiter. Ein „Mischlingskind“. Sein Vater: Der strenge Konsul Kröger, stets mit einer Feldblume im Knopfloch; seine Mutter: die feurige Consuelo, die Musik und Kunst liebt. Aber nicht nur äußerlich zeigt sich dieser Gegensatz von Verstand + Bürgertum (Vater) und Gefühl (Mutter), sondern vor allem in seinem Inneren.

Obwohl er in seinen Kinderjahren viel Spott und Hohn wegen seiner Gedichte und seiner großen Blamage in einer Tanzstunde erfahren hatte, war er dennoch glücklich, „denn damals lebte sein Herz“. War er als 14-jähriger in den blonden und blauäugigen Hans Hansen – den beliebten und lebendigen Klassenprimus – verliebt, so war es zwei Jahre später die wiederum blonde und blauäugige Ingeborg Holm, die sein Herz eroberte. Und „obgleich er genau wusste, dass die Liebe ihm viel Schmerz, Drangsal und Demütigung bringen müsse, [...], so nahm er sie doch mit Freuden auf, [...], denn er wusste, dass sie reich und lebendig mache.“
Nach dem Tod seiner Großmutter einige Jahre später verlässt er seine Heimatstadt gen Süden und feiert dort erste Erfolge als Schriftsteller, aber „sein Herz war tot und ohne Liebe“. An dieser Phrase lässt sich nun Tonios Auffassung von Künstlertum erkennen, die in einem Gespräch mit der Künstlerin Lisaweta Iwanowna (er ist nun etwas über 30 Jahre alt) noch verdeutlicht wird: „Es ist aus mit dem Künstler, sobald er Mensch wird und zu empfinden beginnt.“ Für ihn ist die Literatur nur noch ein Fluch und ein Künstler darf seiner Meinung nach weder empfinden noch sonst irgendetwas Menschliches an sich haben. Aber Lisaweta erkennt damals schon das ganze Problem Tonios und nennt ihn einen „Bürger auf Irrwegen“.

Nach diesem für Tonio vernichtenden Urteil begibt er sich in den Norden in seine Heimatstadt, wo ihn allerdings niemand mehr erkennt (was ihn allerdings auch nicht weiter stört). Nach diesem kurzen Heimataufenthalt macht er sich auf nach Aalsgaard und dort „genoss er tiefes Vergessen“ ohne jede Literatur. Als eines Tages Gäste aus Helsingör in seinem Hotel ankommen, meint er Hans und Inge wieder zu erkennen und erfährt eine Freude, wie er sie lange nicht mehr gefühlt hat.

Und so verwandelt er sich allmählich von einem stolzen und kalten Literaten zu einem Dichter mit Gefühl, wie er Lisaweta auch in einem Brief aus seinem Urlaubsort schildert. Er merkt, dass in der Mischung seiner Eltern große Möglichkeiten, aber auch große Gefahren schlummerten. Aber nun hat er ja zu sich selbst gefunden, auch wenn seine Liebe noch immer den Blonden und Blauäugigen gilt. „Sehnsucht ist darin und schwermütiger Neid und ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit.“

Und was gibt es sonst noch zu dieser Novelle zu sagen?
Sie ist meiner Meinung nach wirklich sehr leicht zu lesen (vielleicht mit Ausnahme des 4. Kapitels, dem Gespräch mit Lisaweta) und auch nicht sehr lang (73 Seiten). Also sich einfach mal eine Stunde Zeit nehmen und sich irgendwo zum Lesen zurückziehen!

Ich persönlich finde dieses Buch total faszinierend. Thomas Mann verwendet kein Wort ohne Grund und spielt so hinreißend mit Sprache, dass es wirklich ein Erlebnis ist, das alles zu lesen. Mir fielen selbst nach dem 3. oder 4. Mal Lesen noch Dinge auf, die ich früher vielleicht einfach überlesen hatte.

Die Novelle bietet vielleicht nicht so sehr Unterhaltung, aber dafür ganz viel Gefühl. Und das ist ja manchmal auch nicht das Schlechteste.
Euch allen wünsche ich viel Spaß beim Lesen!


----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-08-28 10:52:02 mit dem Titel Patrick Süskind - Das Parfum: Ich hab dich zum Fressen gern...

„Ich hab’ dich zum Fressen gern!“ Wer hat das nicht schon einmal zu jemandem gesagt, ohne es wirklich wörtlich zu meinen? Was aber geschieht, wenn man das Sprichwort ernst nimmt, zeigt Patrick Süskind auf eindrucksvolle Weise in seinem Buch „Das Parfüm“.

Um was geht es in diesem Buch?
*************************
Wir schreiben den 17. Juli 1738: Jean-Baptiste Grenouille wird am „allerstinkendsten Ort“ Frankreichs mitten zwischen Fischresten geboren. Seine Mutter will ihn so schnell wie möglich verschwinden lassen, wird aber dabei erwischt und das kleine Baby vor seinem sicheren Tod gerettet, während seine Mutter eben diesem entgegensieht.

Grenouille wird von Amme zu Amme weitergereicht, nirgends bleibt er recht lange. Selbst einem Mönch jagt er nach einiger Zeit so große Angst ein, dass dieser nur noch dafür sorgt, das Kind an eine weitere Amme abgeben zu können, koste es was es wolle. Endlich findet Grenouille bei der Amme Madame Gaillard eine längerfristige Unterkunft. Diese Frau hat vor vielen Jahren ihren Geruchssinn verloren und merkt so auch nicht, dass Grenouille nicht riecht, genau die Tatsache, die alle vorherigen Bezugspersonen beunruhigt hatte. Hier zeigt sich auch der unheimliche Überlebenssinn von Grenouille: „Er war zäh wie ein resistentes Bakterium und genügsam wie ein Zeck“. Außerdem offenbart sich hier auch die Eigenschaft, die ihn zu der „genialsten und abscheulichsten Gestalt“ werden lässt: Er kann mit der Nase sehen. Er kann durch Wände Geld riechen, kann sich mit Hilfe seiner Nase ohne Probleme im Dunkeln zurechtfinden; eigentlich braucht er seine Augen gar nicht.

Als Grenouille acht Jahre alt ist, verkauft ihn seine Amme an einen Gerber und Grenouille macht sich von dort aus auf, die Geruchswelt Paris’ zu erobern. Er erkundet alle Gerüche dieser Stadt und behält sie alle in seinem Gedächtnis. Doch eines Tages wittert er einen neuen Duft und verfolgt ihn durch die ganze Stadt. Er muss diesen Duft haben, diesen Duft, der alles bisher Gerochene übertrifft und so vollkommen scheint. Doch woher kommt der Duft? Die Verfolgung findet ihr Ende bei einem jungen Mädchen, das Grenouille nun einfach so tötet, weil er ihren Geruch ganz in sich aufnehmen will. Jetzt findet Grenouilles auch seine Bestimmung: Er muss einfach der „größte Parfumeur aller Zeiten“ werden.

So gelingt es Grenouille auch nach einiger Zeit, bei einem Pariser Parfumeur unterzukommen und bei ihm die Parfumeurskunst zu erlernen. Nur wie er den Menschen ihren Duft entziehen kann lernt er nicht. Und das machte ihn schwer krank und schier wahnsinnig. Sollte er sein großes Ziel nicht erreichen?

Doch Baldini, sein Lehrmeister, erweckt ihn wieder zum Leben: Im Süden könnte Grenouille noch andere Methoden lernen, auch wie man einem Körper seinen Geruch nimmt.

Bevor sich Grenouille aber endgültig nach Grasse begibt, zieht er sich für 7 lange Jahre in die Berge, in das Massiv Central, zurück. In einer kleinen Grube an einer sehr entlegenen Stelle, die noch kein Mensch vor ihm betreten hat, schlägt er sein Lager auf. Er gibt sich dort den himmlischsten Duftträumen hin und Grenouille zeigt sich als wahres Genie. Er kreiert aus den Abermillionen von Gerüchen, die er alle in seinem Kopf hat, immer wieder neue Düfte, ordnet sie und kehrt nur für das Allernötigste in die Realität zurück. Doch dann ergreift ihn plötzlich die große Ernüchterung: Er merkt, dass er selbst nicht riecht. Eine Welt bricht für ihn zusammen und er hat Angst, „über sich selbst nicht Bescheid zu wissen“. Er, der alle Menschen nach ihrem Geruch einordnet, verliert im Grunde sein eigenes Ich.

Nach dieser Erkenntnis macht er sich auf nach Montpellier und wird sich dort bewusst, dass er die Leute allein durch einen bestimmten Geruch ganz nach seinem Willen steuern kann. Er schafft sich einen menschlichen Geruch und zum ersten Mal in seinem Leben wird er von den Menschen auf der Straße beachtet; er ist nicht mehr unsichtbar für sie und das erfüllt ihn mit großem Stolz.

Nichtsdestotrotz setzt er nach einigen Wochen seine Reise fort und begibt sich nach Grasse. Er kommt bei einem Parfumeurbetrieb unter und eignet sich hier auch die für ihn nötige Methode an, um einem Menschen seinen Duft zu rauben. Aber den Duft welcher Menschen will er überhaupt?
Der Menschen, „die Liebe inspirieren“. Und einen solchen Menschen findet er auch in Grasse wieder, ein junges Mädchen –Fleur mit Namen-, deren Duft dem in Paris entspricht. Doch diesmal geht er klüger vor: Er muss den Geruch „fassen wie den kostbarsten Edelstein“ und dazu muss er zunächst einmal einen „Duftrahmen“ schaffen . Das Töten beginnt: 24 junge Mädchen müssen in den nächsten Monaten ihr Leben lassen, das ganze Land wird in Angst und Schrecken versetzt, doch der Mörder bleibt verborgen.

Nur der Vater von Fleur durchschaut ein wenig das Spiel von Grenouille und versucht seine Tochter in Sicherheit zu bringen. Er weiß, dass sie das eigentliche Ziel des Mörders ist, und flieht vor ihm. Doch ohne Erfolg. Grenouille raubt den Duft des Mädchens und schafft sich (s)einen „Duftdiamanten“. Kurz darauf wird Grenouille verhaftet und zum Tode verurteilt. Doch die Geschichte ist noch längst nicht vorbei. Aber wie’s weitergeht, müsst ihr jetzt schon selbst herausfinden... Ihr werdet sicherlich überrascht sein!

Meine Meinung zum Buch
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„Das Parfüm“ gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.
Vor etwa vier Jahren las ich es zum ersten Mal. Es faszinierte mich vom ersten Moment an. Hier wird die Lebensgeschichte eines Mannes dargestellt von seinem ersten Atemzug bis zu seinem Tod. Ich fand das Buch leicht verständlich und auch nicht allzu schwer zu lesen. Die einzige Stelle, die nach meinem Empfinden etwas langatmig wirkt, ist Grenouilles Aufenthalt im Massiv Central. Auch wenn ich mich damals nicht recht näher mit dem Inhalt auseinander setzte, lies mich Süskinds Idee, einen Menschen mit einer solch herausragenden Fähigkeit zu erschaffen, dennoch nicht mehr los.

Dann lasen wir das Buch heuer zum Abschluss von zwei Deutsch-LK-Jahren. Und ich machte eine überraschende Entdeckung, die das Buch für mich nur noch besser machte: „Das Parfüm“ ist eine literarische Schatzkiste. Man findet Motive aus den verschiedensten Epochen und Werken. Süßkind zitiert fast wörtlich Nietzsche („Also sprach der Große Grenouille...“) oder auch aus der Schöpfungsgeschichte: „Da gebot der Große Grenouille Einhalt dem Regen. Und es geschah. [...]. Und der Große Grenouille sah, dass es gut war, sehr, sehr gut.“

Interessant finde ich, dass die Morde so völlig in den Hintergrund treten. Ja, man empfindet beinahe Verständnis für Grenouille, er muss schließlich töten, um sein Ziel zu erreichen. Man darf nicht vergessen, er ermordet insgesamt 26 Mädchen, doch aus dem Buch wird kein Kriminalroman im eigentlichen Sinne. Man ist viel zu sehr von der außergewöhnlichen Fähigkeit Grenouilles fasziniert, als dass man ihn wirklich für die ganzen Morde verurteilen könnte. So ist es mir zumindest ergangen.

Was ich aber so wirklich von Grenouille halten soll, weiß ich bisher noch nicht so genau. Er war zwar immer der Außenseiter und wurde von allen verstoßen, aber trotzdem empfand ich nie wirkliches Mitleid für ihn. Freilich hat es zunächst den Anschein, als würden ihn die Leute nur ausbeuten, aber im Grunde schlägt er aus allem seinen eigenen Nutzen. Auch fehlt ihm meiner Meinung nach von Anfang an die kindliche „Unschuld“, die Babys ja eigen ist. Doch vor diesem kleinen Baby hat der Pater einfach nur Angst.

Auch zeigt der Roman, wie schnell Menschen immer wieder beeinflusst werden können und ihre Vernunft ausschalten. Und das erschreckt mich. Da ich den Schluss ja offen gelassen habe, kann ich hier nicht recht viel mehr schreiben, aber vielleicht ein anderes Beispiel aus der Mitte des Buches nehmen (auch wenn dies nicht ganz so drastisch ist): Grenouille schafft sich während seines Aufenthaltes in Grasse die verschiedensten Gerüche. Will er beachtet werden, trägt er einen anderen Duft auf, als wenn er Mitleid erregen will. Und die Leute verhalten sich dann auch wirklich so, wie Grenouille es erwartet. Er übt die ganze Macht über sie aus und keiner kann sich seines Einflusses erwehren. Vielleicht auch deshalb, weil niemand darüber Bescheid weiß...

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