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Erfahrungsbericht von schneeweisschen

Wigald geht auf Fliegenjagd

Pro:

Wigalds Humor kompakt, kurzweilig, als Klolektüre gut geeignet

Kontra:

nur für Fans

Empfehlung:

Ja

Männer, die mich zum Lachen bringen, haben bei mir einen Stein im Brett. Wenn sie es sogar schaffen, dass ich 3 Stunden lang nicht aus dem Lachen herauskomme und noch eine Woche später einen leichten Muskelkater in der Bauchgegend verspüre, dann haben sie auch die Chance, ein klein wenig in mein Herz einzuziehen.

Der Name Wigald Boning mag vielleicht im Zusammenhang mit Herzensangelegenheiten etwas fehl am Platze erscheinen, aber diesem deutschen Komiker habe ich tränenreiche und mundwinkelstrapazierende Abende zu verdanken.

Wer jetzt gleich abwinkt... ich kann Euch verstehen. Entweder findet man Wigald Boning toll oder man zappt sofort weiter, wenn sein gewöhnungsbedürftiges Milchbubigesicht auf dem Bildschirm erscheint. Wahrscheinlich werden sogar einige resigniert den Kopf schütteln, weil sie mit diesem Namen nichts anfangen können. Denen sei gesagt: ihr seid einfach zu jung. Mir dagegen mit meinen biblischen 27 Jahren, ist es ein Bedürfnis Euch eines seiner Werke vorzustellen. Überrascht, dass Ciao meinen Produktvorschlag tatsächlich angenommen hat, muss ich da jetzt wohl einfach durch. Und Ihr auch.

Geschmackvoller Name, geschmackvolle Kleidung
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Der stets ungekämmte Wigald kam 1967 – bereits vollständig mit Pollunder und Kassengestell auf der Nase – auf die Welt. Sein extravaganter Kleidungsstil ist eines seiner Hauptkennzeichen. Nach ein paar Versuchen, im ernsthaften Medienbereich Fuß zu fassen, blieb nach einiger Zeit nur die Erkenntnis, dass er für wichtigere Dinge vorgesehen war. Andere Leute zum Lachen zu bringen zum Beispiel. Bei eigentlich eher unbeabsichtigt ins Komische abgerutschten Fernsehinterviews kam sein komödiantisches Talent ans Tageslicht. Den entgültigen Durchbruch schaffte Wigald durch die in den 90er Jahren rekordquotenversorgte Abend-Show „RTL Samstag Nacht“ im Kreise von weiteren genialen Kollegen wie Olli Dietrich und Mirko Nontschew. Diese Show war quasi der Einstieg in die Comedy-Kultur des heutigen deutschen Mattscheibentheaters. Vielleicht können sich ja die Frührentner unter uns noch an die „Melodien für Melonen“ erinnern, die er unter dem Decknamen „Die Doofen“ zusammen mit Olli Dietrich jeden Samstag Abend zum Besten gab. Inzwischen taucht er nur noch ab und zu in einigen Sendungen als Gast auf: „Genial daneben“ bei SAT1 z.B. Bis vor einigen Wochen lief beim ZDF im Spätprogramm eine Wigald-eigene Sendung \"WIB-Schaukel\", in der er Prominente interviewt hat und damit er voll in seinem Metier war. Schade, aber die Sendung scheint inzwischen auch schon wieder abgesetzt zu sein.

Kauderwelsch bis zum Umfallen
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Wigald Bonings Humor ist ein ganz eigener. Nicht immer ergibt er Sinn, aber gerade das empfinde ich als sehr wohltuend. Grübeln kann man den Rest des Tages zur Genüge.
Er stellt sich mit Gummistiefeln, Taucherbrille und Regenschirm bewaffnet unvorbereitet vor eine Kamera und erzählt seinen Zuschauern die wohltuendsten, beklopptesten, aberwitzigsten, anrührendsten Geschichten, manchmal sogar in einer Sprache, die nicht einmal er selbst versteht. Und regelmäßig treibt er mir die Tränen in die Augen, weil ich einfach nicht aufhören kann zu lachen.

„Fliegenklatschen in Aspik“
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Wie praktisch, dass Wigald irgendwann Mitte der 90er Jahre auf Tournee ging. Und wie praktisch, dass er sogar meine damalige Heimat Halle mit seiner elektrisierenden Anwesenheit beehrte. Wie praktisch, dass meine beste Freundin just an diesem Tag Geburtstag hatte. Und wie überaus praktisch, dass sie Wigald Boning auch sehr mochte und mich somit nicht in den Konflikt brachte, ihren Geburtstag bei einem Mann zu verbringen, der überhaupt nicht ihr Fall war. Sie liebte ihn genau so wie ich, und so kam es wie es kommen musste: ratet mal, was ich ihr zum Geburtstag geschenkt habe – vollkommen uneigennützig und ohne Hintergedanken, versteht sich.

Der 26. November 1996 nahte, und meine Freundin verbrachte den größten Teil ihres Geburtstages mit Grippe im Bett. Doch dank der Eintrittskarten-Wundermedizin schaffte sie es am Abend doch, sich mitleiderregend und Mütterinstinkte in mir weckend, zum Veranstaltungsort zu schleppen. Dass sie den ganzen Abend jedes Lacheln unmittelbar in ein tiefbronchiales Husten verwandelte, tut nichts zur Sache. Sie war trotz allem glücklich, und ich war es auch.

Und dann kam er, schüchtern wie ein Schuljunge, nicht etwa einfach so auf die Bühne, sondern - wie die Zuschauer auch - durch die Saaltür. Beim Vorbeigehen spürte ich den Humor, der schon jetzt aus jeder seiner Poren strömte. Vielleicht hatte er aber auch nur vergessen zu duschen.

Genau so blöd wie der Titel „Fliegenklatschen in Aspik“ war auch der gesamte Abend.
Und zwar so unglaublich blöd, dass er einfach nur als genial zu bezeichnen war.

Marketingtechnisch geschickt hatte das immer noch fast vor Lachen am Boden liegende Schneeweischen am Ende der Show – das übrigens schon nach 3 Stunden war – die Möglichkeit sich von Wigald persönlich ein Buch signieren zu lassen. Und da ich handgeschriebene Widmungen für eine unglaublich schöne Sache halte, aber zufälligerweise kein Buch dabei hatte, kaufte ich eins. Denn nicht minder zufälligerweise lagen auf einem Verkaufstischen kleine orangefarbenen Taschenbücher mit dem mir bis dato gänzlich unbekannten Titel „Fliegenklatschen in Aspik“. Sozusagen das Buch zur Tournee.
Auf der für mich wichtigsten Seite 7 steht in Wigalds Handschrift, mit einem ultradicken schwarzen Filzstift geschrieben: „Für Manuela............ Wigald“. Eine schönere Widmung kann ich mir kaum vorstellen und somit drücke ich das Buch auch heute noch ab und zu an mein Herz.

Worum geht es in diesem Meisterwerk der Kurzgeschichten? Hauptsächlich um Kunst, auf 107 in recht großer Schrift bedruckten Seiten. Diverse Fotos, Gemälde, Kollagen, Fliegenklatschen, Socken, Matchbox-Autos, Rechenmaschinen... einfach alles muss für Wigalds Kunstkritiken herhalten. Liest man nur so nebenher, ohne wirklich nachzudenken, klingt alles ganz klar und logisch, so als befände man sich auf einer Vernissage, auf denen oftmals nicht weniger Mist erzählt wird als in Wigalds Buch. Es ist gar nicht so einfach Euch eine Leseprobe zu präsentieren, denn ohne die entsprechenden Kunstwerke ergeben die Texte noch weniger Sinn als mit. Doch eine kleine Kostprobe muss sein:

„Zusammenfassend kann man konstatieren, dass es sich beim Wetter um einen physikalischen Vorgang handelt, beim Bio-Wetter jedoch um einen biologischen. Grundsätzlich gilt: Wenn es schön ist, ist es sehr, sehr schön, wenn es nicht schön ist, ist es nicht ganz so schön.
Bei heiter bis wolkigem Wetter und Tageshöchsttemperaturen von 90° schlägt sich der Niederschlag im rechten Winkel zur lotrechten Nominalachse der Inversionswetterlage nieder, das heißt, der Regen fällt parallel zur Erdkruste. Natürlich bewirkt die Heisenbergsche Unschärferelation auch hier, dass eventuelle Graupelschauer nur in zähflüssigem Zustand den Bodennebel durchbrechen, während Halbgefrorenes an der Außenwand des Wolkenturmes hinabgleitet.“

Beim ersten Lesen – gerade einen Tag nach seinem Auftritt nur wenige Meter von mir entfernt – habe ich noch blauäugige Tränen gelacht. Die Erinnerung war noch so frisch, dass ich ihn beim Lesen die ganze Zeit vor mir gesehen habe, da auch einige Geschichten aus diesem Buch bei seiner Show vorkamen.

Doch ganz ehrlich, Wigald Boning nur auf Papier ist – von der liebevollen Widmung mal abgesehen – nicht der Wigald Boning, wie ich ihn mag. Ohne seine bescheuerte Kleidung, seine markante Ausdrucksweise, seine süßen Augen und seine überraschend intelligent-dämliche Mimik sind seine Werke nicht einmal halb so schön. Somit sind die damals von mir gerne bezahlten 16,80 DM (also ca. 8,59 €) nicht angemessen. Wäre nicht Wigalds Autogramm – das Buch würde sicher inzwischen irgendwo im Keller lagern.

Konstatierend kann ich daher sagen....
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für hartgesottene Fans wie mich eine schöne Erinnerung an den Wigald, der heutzutage nur noch sehr selten über den Bildschirm flimmert.

Diejenigen unter Euch, die diesen komischen Vogel noch nie abkonnten, werden sich mit Sicherheit auch nach dieser Lektüre kein besseres Urteil über ihn erlauben.

Schweren Herzens vergeben ich daher nur 3 Sterne, sorry Wigald.


Euer Schneeweisschen,
die das Buch noch einmal an ihr Herz drückt und es dann ins Regal zurück stellt.




Kurzinfos:

www.wigaldboning.de

Titel: „Fliegenklatschen in Aspik“
ISBN 3-462-02511-2
KiWi Verlag


erstmalig veröffentlicht bei ciao.de im Juli 2003

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