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Erfahrungsbericht von Matzana

Ich bin ein ZONENKIND

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Heute widme ich mich einem Buch, das in mir verschiedene Gefühle ausgelöst hat. Ein Buch über meine Vergangenheit, meine Kindheit, meine Jugend. Oder vielleicht doch nicht?

JANA HENSEL „ZONENKINDER“

Ich bin ein Zonenkind (um es mal mit den Worten von Jana Hensel zu beschreiben). Mein Freund bezeichnet mich schon seit Jahren als (seinen Lieblings-) Zonie. Ich kann damit leben, obwohl einige meiner Freunde aus dem Osten nicht verstehen, warum ich mir das von ihm gefallen lasse. Er meint es doch liebevoll!!! Warum sind wir Ossis denn so verdammt empfindlich???

Ich wurde 1978 in der DDR geboren und bin auch dort aufgewachsen. Ich lebte in (man kann wohl sagen) gut situierten Verhältnissen, mir hat es weder zu DDR-Zeiten noch nach der Wende an irgendetwas gefehlt. Das liegt zum einen wohl daran, dass meine Eltern beide in der Partei und beide im öffentlichen Dienst waren. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich die DDR als Kind noch mit völlig anderen Augen gesehen habe?!?


WIE ICH ZU DEM BUCH KAM
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Die Nachbarin meines Freundes fand es schon immer recht drollig, wenn er mich in bestimmten Situationen seinen Lieblingszonie nannte. Da ich keinen Hehl aus meiner Herkunft mache und bisher auch Fragen aus meinem Umfeld recht offen gegenübergetreten bin, haben Tina (so heißt die Nachbarin) und ich uns in ein tiefes Gespräch über die Zeit im Osten verstrickt. Sie wollte soviel über meine Gefühle und Empfindungen bei einem Rückblick wissen, dass ich sie dann doch fragte, wie sie denn überhaupt darauf komme.

Dann holte sie das Buch „Zonenkinder“ von Jana Hensel hervor. Sie ist wohl beim letzten Einkauf darüber gestolpert und da es nicht allzu dick war, hat sie es gekauft und mit dem Lesen begonnen. Nur konnte sie einige Schilderungen nicht ganz nachvollziehen. Und genau das wollte sie jetzt von mir wissen.

Mein Interesse an dem Buch war bald geweckt und so versprach Tina, mir das Buch zu leihen sobald sie mit dem Lesen fertig ist.
Das war ungefähr Ende November. Dann rückte Weihnachten immer näher und mir fehlten diverse Geschenkideen. Bei einem Bummel durch die Geschäfte fiel mir dann genau dieses Buch in die Hände. Also kaufte ich gleich 2 davon: Eins für meine Mutter und eins für meine Mitbewohnerin – beides Ossis – und war auf deren Meinung gespannt.


DIE ERSTEN REAKTIONEN
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Sie machten beide das gleiche verwirrte Gesicht, als sie den Titel des Buches lasen. Irgendwie haftet in den Köpfen aller (ein wenig wohl auch in meinem) ein gewisser Hintergedanke zu eben dieser „Zonie“-Bezeichnung. Nachdem beide den Buchrücken gelesen hatten, waren sie aber gespannt, was sie in diesem Buch erwartet. Sollte es doch um unsere Erinnerungen gehen.

Da ich bis dahin nur Tinas Erzählungen und einen TV-Bericht über dieses Buch kannte, konnte ich ihnen auch nicht sagen, wie das Buch nun wirklich ist. Ich habe sie gebeten es in Ruhe zu lesen, und mir dann ihre Meinung mitzuteilen.

Christina machte sich auch gleich an die „Arbeit“ und meinte schon nach einem Kapitel zu mir: Hey, hier jagt ein AHA-Effekt den nächsten. Nach 2 Tagen war sie fertig und übergab mir das Buch. Der Meinungsaustausch sollte also nach meiner Lesung folgen.


DAS BUCH UND MEINE ANSICHTEN
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Wir haben das Buch als gebundene Ausgabe (172 Seiten). Es ist 2002 beim Rowohlt-Verlag erschienen.
ISBN: 349802972X

In großen roten Buchstaben prangt das Wort ZONENKINDER auf einem beige-farbenen Untergrund.

Die Autorin Jana Hensel war im November 1989 13 Jahre alt (nur 2 Jahre älter als ich zum damaligen Zeitpunkt) und ist in Leipzig aufgewachsen. In diesem Buch fasst sie ihre Erinnerungen an ihre Kindheit in der DDR und ihr Erwachsenwerden als Wossi zusammen.

So erinnert sie sich zum Beispiel an ihre Schulzeit: die typischen Pioniertreffen, Timuraktivitäten, Eigenheiten aus dem Schulalltag. Das alles schildert sie mit einem leicht wehmütigen Ton. Ich weiß genau, wovon sie spricht, da ich die gleichen Erfahrungen gesammelt habe und den von ihr angeführten Zusammenhalt und die Unbeschwertheit unseres Schulalltages auch in sehr schöner Erinnerung behalten habe.

Jana Hensel schreibt auch über die Beziehung zu ihren Eltern und zu Respektspersonen wie Lehrern oder der Patenbrigade. Wie das Elternaktiv und die Patenbrigade gemeinsam Ausflüge organisiert hat. Unser Verhältnis zu Idolen – und wenn ihr mich fragt, hatten wir davon mehr als genug – in politischer und sportlicher Sicht. Wir hatten Teddy (Ernst Thälmann), Margot Honnecker, Irma Thälmann aber auch Katharina Witt, Jens Weisflog später dann die Gold-Franzi, Jan Ullrich, Henry Maske... „Unsere Ossis halt.“
Dem Erfolgsdruck in sportlicher Hinsicht hat Jana Hensel ein ganzes Kapitel gewidmet. Wie wir bei Olympischen Spielen vor dem Fernseher gehockt haben, immer in der Hoffnung, nach den Russen die beste Nation zu werden, wie wir mit unseren Assen gefiebert und sie veehrt haben....
All das sind Erinnerungen und Empfindungen, die ich teile.

Und zwischendrin immer wieder die Zeichen der Veränderung: unsere Heimatstädte, die sich so schrecklich (aber schön) verändert haben. Klar ist unser alter Spielplatz verschwunden und wurde durch einen neuen ersetzt, oder unsere Schul wurde renoviert und erinnert so gar nicht mehr an die Penne, in die wir Jahr für Jahr 6 Tage die Woche gerannt sind. Ich weiß auch hier, wovon sie spricht – aber nicht wieso sie das alles nur wehmütig sieht. Sicher es sind unsere Erinnerungen, und all diese Gefühle hatte ich auch schon mal, aber ich habe mich nicht ganz so schwer getan, dies zu akzeptieren, wie es bei Jana Hensel den Anschein macht.

In einem Kapitel berichtet sie über die „Wendegeneration“ über die niemand spricht. Sie meint uns damit. Uns, die wir die Kindheit im Sozialismus und die Jugend im Kapitalismus erlebten. Wir sind nicht die letzte echte Generation DDR-Bürger, das waren unsere Eltern. Wir sind aber auch nicht, die ersten eingeborenen Wessis im Osten, die sind ca. 10 Jahre jünger als wir.
Wir haben die Zeit der 90er Jahre zur Anpassung an unsere westlichen Altersgenossen genutzt, fühlten uns wie zwishen zwei Stühle gesetzt. Zitat“Wir waren keine DDR-Bürger mehr, aber deshalb noch lange keine Wessis“.
Jana Hensel stellt die These auf, dass wir die Umstellung am leichtesten weggesteckt haben, aber auch die mit den größten Verlusten sind, da man uns laut Jana Hensel die Kindheit gestohlen hat.

Ob das jeder so sieht? Entscheidet, wenn ihr das Buch selbst gelesen habt.


MEIN FAZIT
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Ich erinnere mich an Christinas Worte: Hier jagt ein AHA-Effekt den nächsten. Damit hat sie recht. Für mich war dieses Buch ein Schwelgen in Kindheitserinnerungen, die mein Freund (danke für dein Verständnis) über sich ergehen ließ, weil ich jede noch so kleine Übereinstimmung mit ihm diskutieren musste.

Ich fand das Buch für mich als Ossi sehr hilfreich, weil ich wieder einmal an Dinge gedacht habe, die in Vergessenheit geraten waren. Trotzdem bezweifel ich, ob Wessis das Buch interessant finden, oder überhaupt etwas damit anfangen können, wenn sie niemandem in ihrem engeren Umfeld haben, der das gelesene erklärt.

Liebe Grüße,
Diana

PS: Jegliche Begriffe wie z.B. Ossi, Wessi, Wossi, Zonie etc. enthalten keine Wertung im negativen oder positiven Sinn, es sind einfach nur Worte.

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