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Erfahrungsbericht von nosianai

*Der Gott der Kleinen Dinge* ganz groß

Pro:

fesselnd, sprachlich perfekt bebildert, spannend, real

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

They all crossed into forbidden territory.
They all tampered with the laws that lay down who should be loved, and how.
And how much.

Besser kann man es nicht ausdrücken.
Das Buch an sich hat als Erstlingswerk von Arundhati Roy den Booker Prize erhalten und viel Aufsehen erregt:

´Ein weiblicher Rushdie am Firmament.`
Neue Züricher Zeitung

´It is rare to find a book that so effectively cuts through the clothes of nationality, caste and religion to reveal the bare bones of humanity. A sensational novel.`
Daily Telegraph

Es entfaltet sich die atemberaubende und schillernde Geschichte (im wahrsten Sinne) einer Familie, die an verbotener Liebe zerbricht.
Viel beschworen ist der Beginn des Romans; ein himmelblauer Plymouth fährt an einem klaren Dezembermorgen des Jahres 1969 durch die Reisfelder des südindischen Kerala... Wenig später wohnt der Leser einer Beerdigung bei, einem Kinofilm, einer Willkommensfeier... den Ereignissen im Leben derer von nebenan ... die unscheinbaren Gemüter, aus deren Erlebnissen sich plötzlich eine Geschichte spinnt.

Den Inhalt des Buches kann man nicht zusammenfassen, ohne das man die Spannung nimmt...
Es geht um ein Geschwisterpaar, das die Tragodie seiner Mutter in Gang setzt - unabsichtlich, mit "Hilfe" der englischen Cousine, die auf Besuch nach Indien kommt in ihren gelben Schlaghosen, und die Indien nicht wieder verlassen wird...
...das Geschwisterpaar, das die verborgenen Rachegelueste der erzkonservativen, in einer Welt aus Tradition und Selbstverleumdung gefangenen Verwandten ans Licht bringt...
... eine Pickles- und Konservenfabrik, die langsam den Bach hinunter geht und die Familie ruiniert....
... ein Geschwisterpaar, das - fuer Jahre auseinandergerissen - eindlich wieder zusammenfindet und mit der einen Vergangenheit abschliessen kann...
....mehr soll nicht verraten werden....

Arundhati Roy selbst orientierte sich an den Kathakali-Tänzen, bei denen das Ende am Anfang steht, und sich danach die Geschichte entfaltet...
Das heißt nicht nur, dass es eine ganze Portion Aufmerksamkeit und Konzentration fordert, um einen Weg durch den Roman zu finden, sondern auch den Mut, sich einer komplexen Kultur anzunehmen... Das Buch ist gespickt mit Aufmerksamkeiten für die kleinen Dinge, für - man kann schon fast sagen - Nebensächlichkeiten, und genau die sind es, die ein vollständiges Bild eines Landes zu zeichnen versuchen, in dem es vor Gegensätzlichkeiten kein Entkommen gibt. ...
Immer wieder ist das Buch von Leitmotiven durchzogen.
Einer Plastikuhr mit aufgemalter Zeit.
Einem Zwillingspaar, das gegenseitig Gedanken lesen kann.
Einem auf dem Kopf stehenden Lächeln.
Einem Falter mit dichtgeschuppten Flügeln.
Einer vertrockneten Rose im Wind.
und dem Satz:
... laws that lay down who should be loved, and how. And how much...
Sie tauchen an den verschiedensten Stellen wieder auf und führen den Lauf der Dinge fort - in einem kleinen südindischen Dorf namens Ayemenem. Viele der Bemerkungen ergeben sich erst am Schluss, wenn Roy die einzelnen Handlungsstränge zusammenführt.


>A masterpiece, utterly exceptional in every way.<
(Harpers & Queen)

Die Sprache ist sehr bildgewaltig - Betonung auf Gewalt. Es wimmelt vor Metaphern und Symbolen, am Ende fragt man sich, wie ein Buch wie diese ohne diese rhetorischen Mittel auskommen könnte.
Es könnte nicht.
Eingeflochten in die indische Geschichte (kommunistische Bewegung im südindischen Vorzeige-Staat Kerala) und voller Kultur steckt das Buch.
Die Charaktere sind glaubhaft und Sinnbild für die Menschheit.
In den Hauptrollen:
Geschwisterliebe.
Eifersucht.
Tugendhaftige Hingabe an die alten Traditionen.
Mitleid.
Versuchung.
Machtgier.
Verlogenheit.
Verstocktheit.
Aufrichtigkeit,
und ganz besonders:
Opferbereitschaft für die Hauptperson: Liebe.
Gänzlich ohne Kitsch (unglaublich aber wahr) sondern mit erstaunlichen Verweisen auf Kultur, das Indisch-Englische Verhältnis und Traditionen bleibt am Ende von den verschiedensten Lebensläufen, die im Buch ausgeführt werden, nur noch dieses eine Grundthema übrig, an dem (wie eingangs erwähnt) alle scheitern.
Alle - und das ist das erstaunliche.
Sie tun es auf unterschiedliche Weisen, doch schlussendlich wird eine ganze Familie wörtlich ausgelöscht beziehungsweise zerstört - nur durch die Liebe zweier Menschen... und im Prinzip nicht einmal dadurch, sondern durch die Reaktionen.
Das Umfeld. Die Gesellschaft. - wie immer stellen beide das entscheidende Moment dar.

´Heartbreaking and indelible`
(New York Times)
...und das ist das Problem: Wenn man sich mit Indern unterhält, die in ländlichen Gebieten wohnen, und selbst in Großstädten (was angesichts des Buches niederschmetternd ist), so kann man unschwer erkennen, dass sich nichts geändert hat. Vielleicht liegt darin die eigentliche Tragik des Buches.
Aber wie gesagt: Kein Kitsch. Aber mit viel Gefühl.

Wie ich waehrend meines noch andauernden Aufenthalts in Indien immer wieder erfahre, hat das Buch nicht an Aktualitaet verloren. Das ist leicht gesagt und laesst eine Rezension viel besser klingen, doch in diesem Falle steht fest:
Hat man sich mit dem dichtgeflochtenen Netz aus Traditionen in Indien einmal naeher beschaeftigt, wird man feststellen, dass sich die Menschen auch heute schwer von genau den strengen Konventionen loesen koennen, die in diesem Buch beschrieben werden. Dabei findet die Handlung in den 60ern statt. Man muesst davon ausgehen, dass sich seitdem einiges geaendert hat...

Die Menschen werden meist noch immer von der Idee geleitet, ihr Leben auf die Gesellschaft abstimmen zu muessen. Dies laesst sie nicht nur einen Teil ihrer eigenen Identitaet verlieren, sondern - wie Roy beschreibt - ist auch notwendig, um das Zusammenleben in einer Gemeinde zu ermoeglichen.

In diesem Sinne wuerde ich dieses Buch dringendst als Reiselektuere empfehlen, um sich auf die Atmosphaere in Indien vorzubereiten, wenn dies denn ueberhaupt moeglich ist.





Ebenfalls erhältlich sind Audiobooks zu "Der Gott der kleinen Dinge" aus dem Hörverlag. Sie sind von sehr guter Qualität, auch wenn der Roman gekürzt worden ist.
Wenn man zuerst das Buch liest und sich später auf die Kassetten konzentriert, fallen einem auch nach langem Intervall die fehlenden Stellen auf - ein Beweis dafür, dass es sich wirklich um ein tiefgehendes Buch handelt.

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Nachtrag
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Mensch, da hat die Hälfte des Beitrages gefehlt und keiner hats gemerkt, am wenigsten ich. Schwein gehabt, Nosianai!!

(c) 2001/2002 Nosianai

----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2002-10-15 12:51:33 mit dem Titel Arme Irre in *Liebesleben* (Zeruya Shalev)

Zeruya Shalev \"Liebesleben\"

Bereits als ich noch in den ersten Kapiteln herumstocherte, wusste ich: darüber musst du einen Bericht schreiben! Und jetzt - gerade mal eine Stunde, nachdem ich die letzte Seite des Buches durchforstet habe, fällt mir vor Schreck kein passendes Wort für diesen Roman ein.

Außer vielleicht: Anders.

Über die Autorin...

hatte ich bis zu dem Moment noch nie etwas gehört, als ich mir das Taschenbuch von der Auslage in der Bücherrei grabschte, weil mir das Cover irgendwie bekannt vorkam - und der ein oder andere weiß aus anderen Buchvorstellungen vielleicht schon, dass ich einer gut gemachten Umschlaggestaltung sekundenschnell verfallen bin.

Zeruya Shalev, geboren im Kibbuz Kinneret 1959, hat Bibelwissenschaften studiert, was sich auch - zumindest wenn man\'s weiß - in ihrem Roman niederschlägt, denn die Gedanken der Personen werden immer durch irgendwelche Geschichten aus heiligen Schriften gelenkt. Ungefähr so als wenn einer Andersen liest und sein Leben mit dem der Schneekönigin vergleicht - also nichts überhebliches oder abwegiges.
Solche Anspielungen sind für den Laien, der die Bibel nur aufklappt, um das hauchdünne Papier zu bestaunen, auf dem sie gedruckt ist, eher unverständlich - aber für solche Leute hat Zeruya Shalev jede einzelne der Geschichten zumindest oberflächlich erklärt.

Der Durchbruch gelang Shalev mit eben diesem Roman. Ein weiterer, \"Mann und Frau\", erschien in der Zwischenzeit im Berlin Verlag und ist - gemessen an \"Liebesleben\" - wohl auch wert gelesen zu werden.

Plot

Ja\'ara, deren Alter wir im ganzen Roman nie genau erfahren, ist Dozentin an der Uni und bereits fünf Jahre mit dem *schafsgesichtigen Joni* verheiratet ist, begegnet zufällig einem alten Freund ihres Vaters: Arie.

Dunkelhäutig, ergraut, mit faltiger Haut und barsch - so steht sie ihm zum ersten Mal gegenüber und ist ihm auch schon verfallen, wofür sie auf den folgenden 368 Seiten alle ihre Prinzipien über Bord wirft: ihre Ehe, ihre Vorstellung von Treue und Anstand, ihr Studium - einfach alles.

Und dann ist es Sache des Lesers, sich in die gewundenen Gedanken von Ja\'ara hineinzuzwängen und ihr auf Schritt und Tritt durch ihr Leben zu folgen, das Seite für Seite mehr und mehr in sich zusammenfällt.

Wieso lesen?

Sicherlich nicht, weil Reich-Ranicki, der selbsternannte Kritikergott, über dieses Buch sagte, es zähle überhaupt zu dem Besten, was er in den letzten Jahren gelesen hat. Erinnert man sich dunkel daran, dass er auch die Fantasien einer gewissen Französin Cathrine für lesenswert erachtete, sagt diese Einschätzung noch nicht viel aus.

Und auch die Kurzkritiken auf der Rückseite des Einbandes sind eher differenziert. Wo Hellmuth Karasek (wer auch immer das ist) das Buch noch schlichtweg als \"hocherotisch\" bezeichnet, nennt es Batya Gur (selbiges Kommentar in Klammern) bereits \"schön und mutig\".

Am zutreffendsten jedoch ein Zitat der ZEIT:
\"Zeruya Shalev redet und überredet, blufft und verblüfft und lässt uns am Ende doch ungläubig darüber staunen, wie rein und sauber die Luft ist nach einem solchen Erzählgewitter.\"

Zutreffend.

---Die Kunst des Erzählens---

beherrscht Zeruya einwandfrei. Zugegeben, es gibt da ein paar Dinge an Büchern, die bringen mich dazu, die noch so heiß begehrte Schwarte in die Ecke zu pfeffern, auf dass sie dort über die Zeit von alleine recycelt werde. Als da wären:

--- fehlende Anführungszeichen ---

Wenn Nosianai nicht weiß, was nun genau wörtliche Rede ist, weil die zwei heißbegehrten Gänsefüßchen fehlen, um den Schwank einzuleiten, und zwei weitere paar Füße, um sie wieder ausklingen zu lassen, dann wird sie nervös und mag nicht weiterlesen.

In Gedanken noch kräftig schwadronierend, bemerkt Nosianai gewöhnlich erst viel später, dass der Protagonist schon lange die Klappe hält und in Wirklichkeit der Erzähler das Ruder wieder fest in der Hand hält.

Mindestens genau so schlimm:

--- Alles hat ein Ende nur der Abschnitt nicht! ---

Nosianai braucht Denkpausen. Punkt. Komma. Absatz. Ohne is nich. Die Unendliche Geschichte war ein feiner Film, lässt sich aber nur sehr schwer auf Sätze übertragen, und auf Absätze, die heimlichen Liebhaber Nosianai\'s Leserhoffnungen, schon gar nicht.

Auch nicht zu verachten ist folgendes Manko:

--- Kein Land in Sicht! ---

Das Kapitel will und will einfach nicht aufhören. Und mitten im Kapitel hört Nosianai nicht auf zu lesen. Und wenn das Kapitel endlich mal zu Ende ist, dann versteht Nosianai nicht, warum das so ist. Warum hat der Autor ohne ersichtlichen Grund hier aufgehört und auf einer neuen Seite weitergeschrieben? Musste er auf\'s Klo und hatte vergessen, was er schreiben wollte?

Fazit: Solche Bücher, in denen diese drei Schwerverbrechen gnadenlos begangen wurden, finden keinen Weg in Nosianai\'s Regal.

Wie kommt es also, dass Zeruya ohne mit der Wimper zu zucken alle diese Dinge in ihrem Roman verwirklicht hat? Sozusagen: Das Grauen der Nosianai auf 368 Seiten, und ich habe alle gelesen!

Shalev beginnt einen Satz, und wenn ihr danach ist, setzt sie nach einer Ewigkeit einen Punkt. Regeln gibt es dabei keine. Um mal ein Beispiel dafür zu liefern:

\"Im Autobus versuchte ich, eine Ausrede zu finden, aber es gelang mir nicht, mich zu konzentrieren, so sehr wunderte ich mich plötzlich über seine Verstrickung in mein Leben, ich empfand sogar Zorn, mit welchem Recht hatte er sich aufgeregt, wer hatte ihm erlaubt, sich aufzuregen, als ich damals in einem durchsichtigen Käfig lag, und warum hatte er sich so aufgeregt, als ich beboren wurde, und war jetzt so gleichgültig, schade, dass es nicht umgekehrt sein konnte, und warum hatte er von einer Freundin gesprochen statt von einem Freund, schließlich bestand zwischen meiner Mutter und ihm eine offene Feindschaft, und ich war so versunken in meine Gedanken, dass ich kaum merkte, dass ich bereits die Rolltreppe der Universität hinauffuhr und neben mir, auf der Rolltreppe abwärts, der Kopf des Dekans auftauchte, der in ein lebhaftes Gespräch mit seiner Assistentin vertieft war, und ich kämpfte mit mir, ob ich ihm folgen sollte, aber ich hatte keine Kraft, ich war an diesem Tag schon so viel gerannt, deshalb beschloss ich, ihm einen schönen Entschuldigungsbrief mit einer überzeugenden Ausrede zu schreiben.\"

Ganz recht: Das war EIN Satz. Nur einer. Und zwar einer von vielen in Zeruyas Roman.

Dabei hätte man sehr viele Punkte setzen können. Einfach mal ein Satzende - zur Abwechslung. Das Problem an diesen Sätzen ist: Pausen macht man erst, wenn sie zu Ende sind. Und ohne Punkt liest man einfach weiter. Kurze Verschnaufpause beim Komma, dann geht\'s weiter. So kommt man beim Lesen außer Atem und liest immer schneller, weil man ja eigentlich gewohnt ist, einen Punkt zu sehen.

Als ich das Buch begann, hatte ich deshalb meine kleinen Problemchen mit der Sprache, aber hat man sich erst einmal daran gewöhnt, dass die Satzpunkte im ganzen Roman auf eine zweistellige Zahl reduzierbar sind, dann besitzen diese Sätze sogar einen besonderen Reiz, denn sie entwickeln Tempo.

Nicht inhaltlich, sondern durch diesen simplen Trick, täuscht Shalev Tempo in ihrer Erzählung vor. Man glaubt im Lesestress zu sein und dass viele Dinge in kurzer Zeit Schlag auf Schlag passieren, was allerdings bei näherer Betrachtung nicht der Fall ist.

Außerdem gibt es in Shalevs Roman nur 13 Kapitel, bei denen es mir nicht gelingen konnte, diese Kapitel zu inhaltlichen Bündeln zu verbinden. Sie hört einfach mitten im Satz (haha) auf, schreibt eine neue Kapitelzahl hin und beginnt wieder von vorn. Szenenwechsel, Zeitwechsel, Gedankenwechsel, das alles ist nicht notwendig, und das einzige System, das mir auffiel: Ja\'ara schläft ein und wacht auf. Und während sie schläft, endet ein Kapitel. Das ist allerdings nicht zwingend, denn die erzählte Zeit umfasst nicht nur 13 Tage sondern schätzungsweise 3 Monate. Darüber lässt uns die Autorin im Dunkeln.

---Sprachbesonderheiten---

Neben dem trügerischen Tempo ist es vor allem eines, das den geneigten Leser in Ja\'aras Bann zieht: Die einfache Sprache. Kein Wort, dass uns nicht genauso eingefallen wäre. Jeder Satz, auch wenn er kein Ende zu haben scheint, ist einfach gestrickt.
Subjekt. Prädikat. Objekt.

Und alles, was passiert, passiert zuerst in Ja\'aras Kopf. Denn sie ist die Ich-Erzählerin des Romans. Ihre Gedankengänge sind so verworren, dass man sich an den Kopf greift und sich fragt: Wie kann ein Mensch nur zwei Fehler machen, wo doch nur einer möglich ist?

Oder: Warum denkt diese Frau von hinten nach vorn?

Mehr als einmal habe ich mich dabei erwischt, wie ich der Protagonistin am liebsten eine geklatscht hätte, obwohl ich mich normalerweise nicht so mitreißen lasse. Aber dadurch, dass alles, was passiert, greifbar ist, befindet sich der Leser in der \"Das könnte mir auch so gehen\"-Situation.

---Ja\'ara---

Einmal abgesehen davon, dass ich den Namen so schön finde, möchte ich trotzdem noch ein Kapitel der Protagonistin widmen.

Über ihr Aussehen erfahren wir nicht viel. Ihren Mann bezeichnet sie als schafsgesichtig. Die meisten Adjektive für das Aussehen eines Menschen widmet sie Arie, dem tyrannsichen Egozentriker, dem sie blind folgt.

Sie ist verlogen, als sie den Tod des Katers ihrer besten Freundin erwirkt und sich später sogar mit der Freundin auf die Suche macht, um den Kater zu suchen.

Sie ist masochistisch, wie sie sich von Arie auf immer neue Weise demütigen lässt und die Finger trotzdem nicht von ihm lassen kann.

Sie ist nachlässig, wie sie ihre ganzes Leben nur einem alten Mann widmet, und man sie in der ganzen Zeit nur dann mit der Uni beschäftigt sieht, wenn sie gerade eine Verabredung mit dem Dekan platzen lässt.

Sie ist naiv, wie sie die Gönnerschaft, die sie genießt, verwelken lässt und andererseits alles daran setzt, von einer Person wahrgenommen zu werden: Ob das ihre gefühlskalte Mutter ist, der Vater, zu dem mir keine Beschreibung einfällt, so wie Ja\'ara auch keine einfällt, ihr liebenswert-trottelige Mann oder Arie.

Sie hat ein gnadenlos gutes Talent für eine schlechtes Timing und die Eigenart, allen vor den Kopf zu stoßen, wenn sie es am wenigsten beabsichtigt.

Und sie ist eine begnadete Erzählerin. Und die Erotik, die der mir unbekannte Hellmuth Karasek so beschwört, findet sich meines Erachtens in den allglatten Szenen, in denen Ja\'ara ihre seltsamen Monologe über \"Wenn und Aber\" führt und sich nach präzisem Abwägen aller Möglichkeiten für den dümmsten Weg entscheidet.

(Und wer Cathrine Millet auf Hebräisch erwartet, wird enttäuscht sein: Solche Schilderungen finden sich in dem Buch nicht, und sind auch betont unerotisch. Im Vergleich dazu ist Sex in der BlitzIllu noch schillernder. Und das ist gut so. Denn das Buch \"Liebesleben\" hat am wenigsten etwas damit zu tun, sondern zeigt nur Ja\'ara, die, anstatt den unbeschwerten Weg in Aries Bett zu finden, worin unverblümt ihr Anliegen besteht, am Ende doch nur den reichlich steinigen Weg zu sich selbst findet.
Und anders als in den pseudophilosophischen Schriften von beispielsweise Oscar Wilde, macht Selbsterkenntnis in diesem Buch sogar richtig Spaß.)

--- Die 15 Punkte textbezogener Interpretation... ---

lasse ich an dieser Stelle weg und fasse meine Meinung über dieses Buch mit einem einzigen Satz zusammen (selten genug für Nosianai) und scheue mich auch nicht vor einem plumpen Werbeversuch:
Muss man gelesen haben!

Viel Spaß und: langsam lesen!

Nosianai
(c) 05/2002

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