Meinungen zur Formel 1 Testbericht

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Erfahrungsbericht von suppengirl

GP von Österreich - Zwei Wochen danach...

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Ich gebe zu, dass ich mit meinem Bericht zu diesem Thema nicht gerade früh dran bin. Diese Verzögerung war aber nicht ganz unbeabsichtigt, denn ich wollte, bevor ich mich ausführlich dazu äußere, erst einmal sehen, welche Nachwehen die Geschehnisse vom Großen Preis von Österreich vor zwei Wochen auslösen würden.

Was ist passiert?
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Für alle, die sich nicht mehr genau erinnern können, eine kurze Zusammenfassung des Rennens, dessen Ende so vielen Menschen sauer aufgestoßen ist.
Nachdem Michael Schumachers Teamkollege bei Ferrari Rubens Barichello schon alle Zeittrainings und schließlich auch das Qualifying klar beherrscht hatte, fuhr er auf dem A1-Ring in Österreich ein überlegenes Rennen und lag zwar nicht überlegen, aber nie gefährdet auf dem ersten Platz vor Michael Schumacher, der ihm offensichtlich an diesem Tag und auf dieser Strecke schlicht unterlegen war. In dieser Reihenfolge gingen die beiden Roten auch in die letzte Runde, schließlich auch in die letzte Kurve. Und da passierte, was wohl passieren musste: Rubens Barichello ging vom Gas und ließ den Titel-Aspiranten vorbei...

Die Reaktionen
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Ja, es stimmt schon, was viele Autoren an gleicher Stelle schon angesprochen haben: Jeder wusste irgendwie, dass so etwas passieren würde. Jeder hat irgendwie damit gerechnet. Auch ich. Trotzdem traute ich meinen Augen kaum, als es tatsächlich Realität wurde. Irgendetwas in mir hatte wohl noch immer die Hoffnung, dass nicht einmal Ferrari dazu fähig sein würde. Irgendetwas in mir glaubte noch immer daran, dass es auch in diesem Team so etwas wie Sportlichkeit geben würde. Entsprechend entrüstet war ich.

Und ich war nicht die Einzige. Was auf den Zuschauerrängen direkt nach der Zieldurchfahrt passierte, war ein absolutes Novum: Gellende Pfiffe, eindeutige Gesten auch oder gerade von den ganz in Rot gekleideten Fans.

Als Herr Schumacher aus seinem Auto stieg und diese Reaktionen auf ihn niederprasselten wurde ihm wohl schlagartig klar, was diese Aktion ausgelöst hatte. Was nun folgte, fand ich gelinde gesagt peinlich. Seine unbeholfenen Versuche, seine ungeschickten Gesten waren einfach lächerlich. Rubens bei der Siegerehrung aufs oberste Treppchen steigen zu lassen (zur deutschen Nationalhymne), ihm den Siegerpokal zu überreichen, ihm zu applaudieren... und das ganze mit dem Gesichtsausdruck eines begossenen Pudels... Irgendwie tat mir der Gute in diesem Moment fast mehr leid als Rubens Barichello. Aber eben nur fast.

Auch die Reaktionen aus Formel 1-Kreisen waren eindeutig. Gerhard Berger sprach sichtlich erbost von einem „Kasperl-Theater“. Renault-Teamchef Flavio Briatore lästerte unverholen über die Arroganz von Ferrari ab.

Das, was man im Nachhinein aus dem Hause Ferrari zu hören bekam, bestätigte die Aussagen von Herrn Briatore vollkommen. Keine Spur nämlich von Entschuldigung, nein, statt dessen stures Beharren und die Ankündigung, dass man es bei den nächsten Rennen wieder genau so machen würde. Der Gipfel war die Aussage von Ferrari-Rennleiter Jean Todt, der ob der Reaktionen die Welt darüber aufklärte, dass die Zuschauer vollkommen egal seien. Schließlich zählten nur Siege, Titel und Sponsoren. Da sollte man Herrn Todt doch einmal Nachhilfe darin geben, wie er zu Sponsorengeldern kommt...

Ebenfalls peinlich war es, dass Herr Schumacher und Herr Todt sich danach extrem widersprachen, was den Zeitpunkt der Order betrifft. Schumacher wollte erst in der letzten Runde erfahren haben, dass Barrichello ihn vorbei lassen soll. Jean Todt und Ross Brawn aber gaben an, dass schon einige Runden vor Schluss abgesprochen wurde, wie das Rennen enden sollte. Also irgendwer lügt hier. Und egal wer es ist, es spricht nicht für die Ehrlichkeit des Teams.

Ein Witz übrigens die Rechtfertigungen von Ferrari. Man habe oft genug – 1997, 1998, 1999 – die WM im letzten Rennen verloren und wolle deshalb kein Risiko eingehen, dass es wieder passieren könnte wegen verschenkter Punkte den Titel knapp zu verlieren. Und jetzt kommt Suppis kleiner Nachhilfekurs in der Geschichte der Formel 1 (und es wundert mich immer wieder, dass darauf noch niemand vor mir zu sprechen kam!).

1997 und 1998 verlor Ferrari die WM nicht wegen fehlender Stallorder. Nein, man verlor sie TROTZDEM! Seit Michael Schumacher bei Ferrari fährt, wird alles dafür getan, dass er derjenige ist, der zum Schluss ganz oben steht. Seine Team-Kollegen – ob nun Eddie Irvine oder Rubens Barichello – waren von Anfang an sein Geleitschutz. Niemals durfte einer der beiden vor ihm ins Ziel kommen. Tatsache ist, dass in diesen beiden Jahren ein anderer Fahrer auf einem anderen Auto am Ende einfach mehr Punkte hatte, weil er eben öfter besser platziert war als Schumacher (und das ist doch eigentlich der Sinn der Sache, oder? Zum Schluss ist derjenige Weltmeister, der in Kombination mit seinem Auto am besten war.).

Und 1999, meine Lieben, hat Ferrari die WM tatsächlich gerade WEGEN der frühen Stallorder verloren. Wir erinnern uns: In einem sehr frühen Rennen (GP von Frankreich) hatte Michael Schumacher große Probleme mit seinem Auto. Eddie Irvine, der einen Platz vor ihm lag und deutlich schneller konnte als der Deutsche, musste ihn trotzdem passieren lassen. Das ging damals ein wenig unter, da es nicht um einen Sieg ging. Vielleicht kann sich deshalb keiner daran erinnern. Jedenfalls hatte Michael Schumacher kurze Zeit darauf seinen schweren Unfall und musste einige Rennen pausieren. Seine Chancen auf den Titel war damit dahin und plötzlich war es Eddie Irvine, der die Hoffnungen der Roten trug. Er machte seinen Job nicht schlecht. Und am Ende war es genau dieser eine Punkt, den er in Frankreich Michael Schumacher überlassen musste, der ihm zum Titel fehlte. Tja, Ferrari, das war ein klassischer Fall von Trick 17 mit Selbstüberlistung. Komisch nur, dass sich gerade bei Ferrari keiner daran zu erinnern scheint.

Und jetzt?
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Luca di Montezemolo, der Chef des Ferrari-Teams, hat mittlerweile – nachdem wohl doch klar wurde, dass der Imageverlust des Teams sich länger halten würde als nur ein paar Tage – erklärt, dass so etwas wie in Österreich nicht mehr vorkommen würde. Zwar würde es bei Ferrari zwar sicherlich wieder Stallorder geben, jedoch nicht mehr in einer derart unverschämten Form. Tja, das ist es ja, was mich eigentlich so verwundert hat: Dass Ferrari keinen heimlicheren Weg gefunden hat und derart offensichtlich und arrogant gehandelt hat. In Zukunft werden wohl Barrichellos Boxenstopps einfach wieder ein wenig länger dauern, wenn eine derartige Situation entsteht.

Ich bin ein wenig überrascht, dass das Thema noch nicht ganz vergessen ist. Schließlich haben sich Ferrari und vor allem Herr Schumacher schon einige Male etwas geleistet, was Stürme des Entsetzens auslöste, die jedoch innerhalb kürzester Zeit wieder dem grenzenlosen Schumi-Enthusiasmus gewichen waren. Ich möchte nur an Jerez 1997 erinnern... Trotzdem glaube ich, dass spätestens in vier Wochen – wenn auch die von der FIA angesetzte Anhörung vorüber ist – die Tifosi und die deutschen Schumi-Fanatiker ihr Team und ihren Fahrer wieder auf den Sockel gesetzt haben, auf dem beide schon seit Jahren stehen, und der zwar hin und wieder ein paar Knackse bekommt, die sich aber auch immer wieder wie von selbst wieder vermörteln...

Ach ja, diese Anhörung am 26. Juni ist meines Erachtens ohnehin nur die Reaktion der FIA auf den Sturm der Entrüstung bei Medien und Fans. Was sollen sie schon machen? Ferrari hat nichts gemacht, was nicht dem Reglement entspricht. Einzig, dass auf dem Podium nicht die Reihenfolge der Zieldurchfahrt eingehalten wurde, ist regelwidrig. Wenn dafür nun irgendwelche Strafen ausgesprochen werden, dann fände ich das eher lächerlich. Und selbst wenn die FIA als Konsequenz die Stallorder erneut verbieten würde, dann hätte das kaum eine Wirkung, denn schließlich gibt es wie bereits erwähnt auch unauffälligere und nicht nachweisbare Möglichkeiten für ein Team den Rennausgang zu manipulieren. Wer soll es schon überprüfen?

Meine Meinung
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Ich mochte Herrn Schumacher noch nie (das wissen viele hier) und Ferrari hat sich mit ihm, Jean Todt und Ross Brawn zu genau dem entwickelt, als was Briatore und Berger das Team bezeichnet haben: ein arroganter Kasperlhaufen. Leider gibt der Erfolg ihnen Recht. Ich hoffe trotzdem, dass dieses Beispiel nicht Schule macht, und dass bei anderen Teams der Sport und die Zuschauer wenigstens noch ein bisschen zählen. Ich bin da aber guten Mutes, denn Frank Williams beispielsweise würde sich eher die Zunge abbeißen als Stallregie zu erteilen (und das hat das Team schon mehr als einen Titel gekostet, wie zum Beispiel 1986).

Die FIA ist machtlos, die anderen Teams ebenfalls. Die Einzigen, die die Macht hätten Ähnliches in Zukunft zu verhindern, sind die Zuschauer. Aber das Gedächtnis des Schumacher- und Ferrari-Fans ist leider sehr anfällig. Und deshalb fürchte ich, dass sich nichts ändern wird. Höchstens die Art und Weise.

Ich weiß, dass die Formel 1 in erster Linie ein Millionen-Geschäft ist. Aber das war sie schon immer. Trotzdem konnte man 50 Jahre nichts erleben, was ähnlich dreist oder arrogant war. Der Sport war immer wichtiger. Wenn das nun endgültig nicht mehr so ist, dann werde ich der Formel 1 nach fast 20 Jahren wohl den Rücken kehren.

23 Bewertungen, 3 Kommentare

  • airblade

    27.05.2002, 22:05 Uhr von airblade
    Bewertung: sehr hilfreich

    Die FIA wird schon etwas unternehmen. Geschadet hats der Formel 1 aber trotzdem

  • Olli201

    27.05.2002, 21:53 Uhr von Olli201
    Bewertung: sehr hilfreich

    Du hast meine volle Zustimmung. Die FIA, für die Sport ein Fremdwort ist, wird Herren Schumacher aber genau so viele Punkte abziehen, daß die WM wieder spannend wird. Regeln haben bei der FIA noch nie eine Rolle gespielt.

  • Fascio

    27.05.2002, 21:46 Uhr von Fascio
    Bewertung: sehr hilfreich

    Heisst ja nicht umsonst Formel-1-Zirkus - für mich ist das alles Blödsinn.