Mensch Testbericht

Mensch
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Summe aller Bewertungen
  • Cover-Design:  sehr gut
  • Klangqualität:  sehr gut

Erfahrungsbericht von LosGatos

Auferstanden aus Ruinen

Pro:

Stars sind auch nur Menschen

Kontra:

Geschäft mit der Trauer ?

Empfehlung:

Ja

Was haben Herbert Grönemeyer und LosGatos gemeinsam? Sie sind in der gleichen Stadt geboren, die sie beide dennoch nicht ihre Heimat nennen. Denn als Herbert Arthur Grönemeyer am 12. 4. 1956 in Göttingen das Licht der Welt erblickte, hatte ich bereits meinen ersten Tapetenwechsel hinter mir und hatte dieser Stadt bereits den Rücken gekehrt. Grönemeyer wuchs dann in Bochum auf.

Künstlerisch macht er zunächst als Schauspieler von sich reden, als er 1981 Mitglied der Crew ist, die in Petersens „Boot“ nach Buchheims Romanvorlage den Widrigkeiten des Krieges zu trotzen sucht. Ein Jahr später spielt er seine zweite Filmrolle in „Frühlingssymphonie“. Den Durchbruch zum Bekanntwerden schafft er aber erst, als ihm 1984 mit seinem 4. Album unter dem Titel „4630 Bochum“ (richtig, die Postleitzahlen waren damals noch nicht reformiert) ein Meilenstein deutscher Rockmusik gelingt. Der Titelsong, der zur Hymne auf die Stadt „tief im Westen“ wird, sowie das parodistische „Männer“, mit dem er vor allem beim anderen Geschlecht punktet, werden für alle Zeiten fest mit dem Namen Herbert Grönemeyer verbunden sein. Und seit „Bochum“ ist Grönemeyer eine feste Größe der deutschen Rockmusik, die keinen Vergleich mit einem Lindenberg oder Westernhagen zu scheuen braucht. In den folgenden Jahren erscheinen weitere nennenswerte Alben wie „Ö“ oder „Chaos“, die jedoch an den ganz großen Erfolg von „Bochum“ nicht mehr herankommen. Jedenfalls bleibt er ein Star, der sich jedoch nicht verheizen lässt und der sich auch nicht genötigt sieht, im Jahresrhythmus neue Alben produzieren zu müssen. Seit 1979 sind von ihm bislang 14 deutschsprachige Alben erschienen, die alle als CD erhältlich sind, sowie einige weniger bekannte englische Versionen davon. Manch einer wird vielleicht sagen, ob Grönemeyer deutsch oder englisch sind, spiele keine Rolle, denn aufgrund seiner Art zu artikulieren, verstehe man ihn ohnehin nicht. Ich selbst kann es nicht beurteilen, weil ich keine englischsprachigen CDs von ihm besitze oder auch nur je gehört habe. Jedenfalls hat er sich mit seinem Nuschelgesang nicht nur Freunde gemacht, manche nennen ihn respektlos „Gröhlemeyer“.

1998 fällt Herbert Grönemeyer in ein tiefes Loch. Nach Fertigstellung des neunten Studio-Albums „Bleibt alles anders“, sterben innerhalb weniger Tage Bruder Wilhelm und Ehefrau Anna. Eine geplante Tournee wird zunächst abgesagt, aber schon bald nachgeholt. Vielleicht war es die beste Möglichkeit der Ablenkung.

Nach längerer Pause stellt sich Grönemeyer 2002 aufgerichtet seiner Anhängerschaft mit dem Album „Mensch“ und mehreren Tourneen, die ihm ausverkaufte Arenen bescheren.

„Mensch“ ist ein Album aus einem Guss, das eigentlich nur ein Thema hat und ausdrückt, wie Grönemeyer in den letzten Jahren die privaten Schicksalsschläge verarbeitet hat. Somit ist klar, dass hier die Lockerheit früherer Erfolge wie „Männer“ oder „Was soll das?“ fehlt. An den Titelsong MENSCH musste ich mich in der Tat erst gewöhnen. Über diesen Titel kam ich erst mit Grönemeyers neuestem Album in Berührung. Bedingt durch das ständige Abspielen im Rundfunk gefiel es mir von mal zu mal besser und irgendwann so gut, dass die CD her musste. Hier werden wir alle auf den Boden zurückgeholt, denn „nichts ist wirklich wichtig“..“am Strand des Lebens“. Und immer wieder „du fehlst“. Längst liebe ich dieses nachdenkliche Lied, dass einen zurücklehnen lässt. Umso weniger gern lasse ich mich dann von dem folgenden lauten NEULAND aufschrecken. Hier muss ich die Lautstärke doch manchmal etwas zurückdrehen. Aber Grönemeyer, dem schon vor seinen Schicksalsschlägen gelegentlich der Hang zum Selbstmitleid nachgesagt wurde, will nicht in Lethargie verfallen, indem er Neuland betritt. Wie er sich dem eisigen Wind des Lebens stellt, beweist er mit DER WEG. „Du hast jeden Raum mit Sonne geflutet“ – glücklich sollte sich ein(e) jede(r) schätzen können, dem (der) eine solche Hommage nach dem Ableben zuteil werden würde. Man müsste schon sehr abgebrüht sein, würde einem dieser seiner Frau gewidmete Song nicht unter die Haut gehen. Die musikalische Unterstützung wird hier zumindest zu Beginn auf ein Minimum reduziert, niemand soll hier sagen können, man könne „Herbie“ nicht verstehen. Das „Wenden auf der Schussfahrt“, ja, es ist ihm hier in der Tat trefflich gelungen. „Versäume das Leben nicht, niemand weiß, wie schnell Schluss sein kann“ ist die Botschaft in VIERTEL VOR. Für meinen Geschmack hätte diese Message wieder etwas sanfter ausfallen können. In die gleiche Richtung und gegen die Seichtigkeit des Seins geht LACHE WENN ES NICHT ZUM WEINEN REICHT. Jazz-Rock-Klänge unterstützen die eindringliche Warnung, sich nicht zu sehr mit dem Mittelmaß zufrieden zu geben und einfach nur mitzuschwimmen im Strom des Lebens. „Ich fühl mich UNBEWOHNT“ bringt noch viel mehr Trauer zum Ausdruck, als wir es aus „Der Weg“ schon kennen. Mystische Klänge untermalen diesen schönen Titel eindrucksvoll. Die Schwerfälligkeit erreicht seinen Höhepunkt in DORT UND HIER sowie BLICK ZURÜCK. Genaues Zuhören entschädigt aber auch hier für weniger gefällige Melodien. KEIN POKAL ist eigentlich der einzige Titel, der thematisch nicht auf das runde Album passt, zumal er von einer Beziehung handelt, um die es nicht gut bestellt ist. Eindrucksvolle Hilfe, sich selbst aufzurichten und im Fahrtwind zu bestehen, gibt es dann noch mal auf dem Weg ZUM MEER mit eindringlicher Melodie. Zu den offiziellen 10 Titeln gibt es dann sozusagen eine Zugabe: Der Bonustrack LETZTER TAG ist sogar einer schönsten Titel auf der CD. Er stahlt Optimismus und frühlingshaftes Erwachen aus.


FAZIT

Grönemeyer stellt sich hier 66 Minuten lang seinem Publikum mit der Botschaft „Ich bin wieder da, aber die lockeren Zeiten, als ich mich noch über Männer oder mich selbst lustig gemacht habe, sind erst mal vorbei“. Somit verübelt ihm auch niemand, dass Gute-Laune-Musik auf dieser CD erst mal nicht angesagt ist. Aber wann war das je bei ihm schon der Fall ?! Die CD ist aus einem Guss, dem wollte ich auch in dieser Rezension Rechnung tragen. Track-Listen, detaillierte Liedtexte und zerhackte Strukturen erübrigen sich daher. Und zu guter Letzt noch ein Hinweis für Verpackungs- und CD-Cover-Fetischisten: Die Texte sind zwar abgedruckt, eignen sich dennoch nicht zum Mitsingen, weil sie mit den gesungenen Texten nicht immer deckungsgleich sind. Und ganz zum Schluss noch die allertraurigste Nachricht: Die CD ist kopiergeschützt.


Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 18.5.2003
Veröffentlicht außer bei Ciao derzeit nur noch bei Yopi

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