Mexiko City Testbericht

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Erfahrungsbericht von LosGatos

Ein Mann will nach oben

Pro:

muss man gesehen haben, wenn man schon mal dort ist

Kontra:

you\'ll never walk alone

Empfehlung:

Ja

Dieses Mal konnte ich meine Dienstreise nach Mexico D.F. (hierzulande sagt man auch Mexico-City dazu) so legen, dass wenigstens ein Tag Freizeit dabei heraussprang. Zeit, um sich nach der knapp 20 Stunden langen Reise (allein der Flug von Paris CDG nach Mexico dauert über 11 Stunden) zu erholen, um zumindest ein wenig den Zeitrückschritt von 7 Stunden zu kompensieren (die völlige Anpassung an das neue Zeitgefühl dauert mindestens eine Woche) und vielleicht, um auch etwas von einer der größten Städte der Welt zu sehen. Die Einwohnerzahl liegt bei 22 Millionen. Ob Ciudad de Mexico Platz 1 in der Liste der größten Populationen gebührt, ist eine Streitfrage, die wahrscheinlich nicht einmal „Wer wird Millionär?“-geeignet ist. Denn zum einen kann die Einwohnerzahl wohl nur geschätzt werden, zum anderen gehen heutzutage Metropolen teilweise fließend ineinander über, ohne dass man genaue Grenzen ziehen kann. Tokio z.B. misst inklusive Kawasaki und Yokohama weit über 30 Millionen Einwohner.

Auf jeden Fall ist „De Effe“ (so spricht man auf spanisch D.F., nicht dass jemand meint, es ginge hier um den Bohlen des deutschen Fußballs) so groß, dass man an einem Tag sicher nicht alle Sehenswürdigkeiten ansehen kann. Somit fragte ich gleich bei meiner Ankunft im Hotel nach, welche Sightseeing-Touren man mir für den nächsten Tag anbieten könne. Zum einen bestand die Möglichkeit zu einer Stadtrundfahrt. Aber diese Busfahrten, wo die Touris 5 Minuten aussteigen dürfen, um Bilder zu machen, von denen sie hinterher kaum mehr wissen, wo das eigentlich war, sind mir offengesagt einfach zu doof. Außerdem hatte ich von einem nicht nur seiner Reiseberichte wegen vertrauenswürdigen Internet-User eine Empfehlung für die Ruinen und Pyramiden von Teotihuacán in der Tasche. Auch hierfür wurde eine Tour angeboten: Dauer ca. 6 Stunden zum Preis von 30 US$, was ja gegenwärtig um die 23 EURO entspricht. Für den Preis würde ich mit dem Taxi kaum dorthin kommen, geschweige denn wieder zurück, denn die Ausgrabungsstätten liegen etwas außerhalb (Fahrzeit etwa eine Stunde). Und in der Pauschale von 30 US$ waren auch sämtliche Eintrittsgelder enthalten. Und schließlich sollte die Tour auch nicht zu ausgiebig sein, damit ich nicht am folgenden Arbeitstag müde und erschöpft war. 6 Stunden waren mir also gerade recht.

Somit bin ich am Sonntag Morgen kurz vor 9 pünktlich an der Rezeption. Wegen der Zeitumstellung ist man ohnehin viel eher wach, so dass auch ein früherer Beginn mir genehm gewesen wäre. Ich entrichte den Preis von 30US$ in bar, denn es sei vorteilhafter und günstiger, in Mexico mit US-Währung zu zahlen, hatte mir tags zuvor der Taxifahrer erklärt, der mich vom Flughafen zum Hotel gebracht hatte. Bald erscheint auch ein Reisebus, der uns erst zu einem Reisebüro bringt, wo Reisegruppen für verschiedene Touren vermischt werden. Dann geht es endlich los. Die Gruppe besteht aus 10-15 Personen. Ich bin wohl der einzige Deutsche, die restlichen Ausflügler sind Amerikaner, Holländer, Ungarn, eine einzelne (!) Japanerin (normalerweise treten die doch immer in Rudeln auf) und spanische Muttersprachler, soweit ich das heraushören oder vermuten kann. Der Reiseleiter spricht abwechselnd auf Spanisch und halbwegs verständlichem Englisch.

Unser erster Halt ist noch in „De Effe“. Wir halten kurz an der Ruine Tlatelolco am Platz der 3 Kulturen, wo wir ein paar Fotos schießen können. Hier hatte 1521 der Eroberer Cortés die Azteken besiegt.

Bevor wir zu den Pyramiden fahren, machen wir noch einen Abstecher zur Kirche der Jungfrau Guadelupe, die die Schutzpatronin aller spanisch sprechenden Länder ist. Da heute Sonntag ist, gleicht dieser Ort im streng katholischen Mexico einem Menschenauflauf. Pepe, unser Führer, leitet uns mit erhobener Hand durch so manches Gedränge. Muss ich sagen, dass mir das alles eher wenig gibt? Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich nicht katholisch bin und ich Kirchen im allgemeinen wenig abgewinnen kann. Sogar Johannes Paul II. hat man hier bereits zu Lebzeiten ein riesiges Denkmal gesetzt.

Dann geht es endlich auf nach Teotihuacán. Dazu fahren wir noch knapp eine Stunde. Zu jeder touristischen Bustour gehört natürlich der Besuch eines Ladens, für den der Reiseleiter stets eine Provision erhält. Unser Souvenirladen liegt etwas außerhalb der Pyramiden. Aber fairerweise muss ich sagen, dass hier niemand aufdringlich war und uns mit Gewalt etwas andrehen wollte. Als erstes erhielten wir einen Vortrag über die riesigen Agaven und ihren geheimnisvollen Saft, der wohl so ziemlich bei allen Krankheiten helfen soll und natürlich, wie könnte es auch anders sein, vor allem für, na Sie wissen schon, gut ist... Und man lässt uns von ihrem Saft kosten, zunächst als eine Art Likör und dann in Form von Tequila, der natürlich stilecht zu genießen ist, d.h. mit Salz vorher und Zitrone danach. Den kaufe ich hier allerdings nicht, denn die Flasche kostet 300 Pesos, ca. 30 US$. Stattdessen sehe ich mich im Laden etwas um. Hier gibt u.a. Schmuck, Wolldecken oder Andenken in Form von Masken und Skulpturen. Mir gefällt die Farbenfrohheit Mexicos und ich kaufe zwei Geschenke für LosGatos’ Freundin.

Teotihuacán hat 5 Eingänge, 3 auf der Westseite und 2 auf der Ostseite. Wir kommen von der Westseite und der Bus fährt uns zum Eingang 1. Pepe warnt uns, dass hier sehr viele fliegende Händler wären, die u.a. Schmuck aus Imitat anböten, das sie für Silber ausgeben würden. Im Geschäft, wo wir vorher waren, wären der echte Silberschmuck und die Imitate auf getrennten Tischen zu haben gewesen. Pepe sagt uns, dass er drinnen mit uns eine kurze Führung machen und er uns dann eine Stunde Zeit geben würde, um die Pyramiden zu besteigen. Dann mögen wir zum Eingang 2 gehen, wo der Bus auf uns warten würde.

Was erwartet uns hier eigentlich? Der einstige Stadtstaat Teotihuacán hat seinen Ursprung im 1. Jahrhundert v.Chr. Der Sonnentempel (Pyramide) entstand erst 100-200 Jahre später. Viele Dinge, die man über Teotihuacán zu wissen glaubt, beruhen auf Auffassungen und Vermutungen. Es war eine von Azteken bewohnte Metropole, wo bis zu 150000 Menschen gewohnt haben mögen, was für damalige Städte riesig war. Menschen sollten sich hier wie Götter fühlen. Um 600 n.Chr. wurde Teotihuacán zerstört. Ausgrabungen begannen im 19. Jahrhundert.

In den ausgegrabenen Ruinen kommen teilweise originalgetreue Stein- und Stuckschichten zum Vorschein. Vieles ist jedoch restauriert worden. Einer der göttlichen Herrscher hieß „Jaguarkralle“. Ja, auf einem gut erhaltenen Wandgemälde, das man nicht mit Blitz fotografieren darf, ist ein Jaguar zu erkennen.

Nun sind wir (endlich) uns selbst überlassen. Ich kann es schließlich nicht erwarten, endlich die Pyramiden zu erklimmen. Unser ungarischer Mitreisender will wissen, ob denn eine Stunde ausreichen würde, beide Pyramiden zu besteigen. Das hängt natürlich von jedem selbst ab. Aber, um es vorwegzunehmen, es war – trotz Hindernissen – ohne größere Probleme möglich. Ich begebe mich zunächst zum Platz der Mondpyramide und schieße ein paar Fotos. Von da an ging’s bergauf. Die ersten Stufen sind mindestens 30 cm hoch und vor allem sehr steil, so dass ich meine Hebel effektiv einsetzen muss, um da hoch zu kommen. Aber ich bin nicht allein. Heute ist Sonntag, und da sind nicht nur viele Touristen hier, sondern auch viele einheimische Ausflügler. Die Mexikaner zerren auch Kinder im Vorschulalter die Pyramiden hoch. Aber die Youngster sind alle mit eifriger Begeisterung dabei. Früh übt sich, was ein Gott werden will. Beim Hinunterweg habe ich jeweils die Stufen gezählt. Bei der Mondpyramide sind es rund 110. Man muss sie nicht in einem Schwung hochgehen. Auf zwei Zwischenplattformen kann man sich ausruhen. Weiter oben sind die einzelnen Stufen nicht mehr so hoch wie ganz unten, maximal 20cm pro Stufe. Das oberste Stück kann man nicht mehr „bequem“ per Treppenstufen gehen. Man muss es wie bei einem felsigen Berggipfel regelrecht raufkraxeln. Mein Hotel hat auch ein Fitnessstudio. Aber in diesem Moment ist mir klar, dass ich mir das heute sparen kann. Die Temperaturen in Mexico-Stadt betragen derzeit gut 20 Grad. Hier draußen hatte die Sonne eine Chance gegen die Smog-Decke. Gerade jetzt um die Mittagszeit ist es merklich wärmer. Vorausschauend habe ich morgens mein Gesicht mit Sonnenschutz (LSF20) eingeschmiert. Ich bekomme zwar etwas Farbe, aber keinen Sonnenbrand. Außerdem tut das Steigen ein Übriges. Ein T-Shirt ist jetzt warm genug. Dennoch behalte ich meine Jeans-Jacke an. Schließlich will ich die nicht so schleppen. Mein Übergepäck besteht neben meiner Kamera nur aus einer Wasserflasche, die ich in einem Köcher über die Schulter gehängt trage. Die Literflasche würde ich trotz der geringen Anstrengung bis zum Ende der Tour nicht geleert haben. Natürlich ist es wichtig zu erwähnen, dass „De Effe“ über 2000m hoch liegt. Dadurch ist nicht nur die Temperatur auch im Sommer halbwegs angenehm (ich war auch im August 2004 dort), sondern auch die Luft ist merklich dünner. Dazu der Smog. Allerdings habe ich weder Atemprobleme, noch wird mir in irgendeiner Form schwindlig. Endlich bin ich oben. Wie hoch bin ich jetzt eigentlich? Über dem Erdboden, nicht über dem Meeresspiegel. Nun ja, 110 Stufen mal 25 cm im Schnitt, macht ca. 28 Meter. Dazu kommt das letzte stufenlose Stück, das noch mal gut 10m hoch sein dürfte. Macht zusammen um die 40m. Das sollte auch ein Büromensch schaffen können. Ganz oben herrscht natürlich regelrechtes Gedränge. Denn wer einmal oben ist, will nicht gleich wieder hinunter. Aussicht in alle Himmelsrichtungen. Im Norden die Berge und nach Süden besonders attraktiv der Blick in Richtung Sonnenpyramide, was natürlich einige Aufnahmen wert ist.

Dann geht es erst mal wieder nach unten. Einige Leute scheinen nicht ganz schwindelfrei. Sie nehmen ihre Hände zur Absicherung zur Hilfe. In der Tat sind die Pyramiden sehr steil. Man sollte auf keinen Fall etwas überstürzen, damit man nicht stürzt. Unten angekommen gehe ich die „Straße der Toten“ in Richtung Sonnenpyramide hinunter. Das sind vielleicht 200-300m zu gehen. Die fliegenden Händler sind hier in der Tat sehr zahlreich vertreten. Ich schenke ihnen noch nicht einmal ein Lächeln, geschweige denn ein paar Dollar oder Pesos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier überhaupt jemand etwas kauft. Denn alles, was die einem entgegenstrecken, sieht so künstlich und billig aus, dass geschenkt noch zu teuer wäre. Die Händler nerven zwar etwas, aber sie sind auch nicht so lästig und penetrant wie beispielsweise in Ägypten, wo die einem stets nachlaufen und nicht so schnell locker lassen.

An der Sonnenpyramide ist der Andrang noch viel größer. Und vor allem geht es höher hinauf. 235 Stufen und der wieder stufenlose Gipfel warten hier auf mich. Das dürften dann um die 70 Meter sein. Rechts ist der Aufgang, links geht es hinunter. Vernünftigerweise hat man das schon so eingeteilt. Denn die Treppen sind eng und steil. Mehr als 2 Leute können da nicht nebeneinander gehen. Der Andrang ist so stark, dass ich hier regelrecht im Stau stehe. Somit bin auch ich gezwungen, langsam zu gehen, was hier auch kein Nachteil ist. Probleme wegen der Zeitbeschränkung auf eine Stunde sehe ich keine. Ich würde es wohl locker schaffen. Ist es noch weit bis zum Himmel? Vermutlich führt dieser Weg nicht dorthin. Denn wäre sonst das Gedränge so groß? Nein, so sehen die meist jungen Leute nicht aus, als dass sie da schon hin wollten. Ich sehe zwar nicht permanent auf die Uhr, aber ich glaube kaum, dass man mehr als 10 Minuten braucht, um da hoch zu kommen. Ein Mann will nach oben. Und dank seiner regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio schafft er das auch. Das Gipfeltreffen ist hier oben ein besonders gut besuchtes Happening.

Pünktlich bin ich am Bus, der uns nun zum Eingang 1 fährt. Hier dürfen wir noch den Tempel des Quetzalcoatl besteigen, wobei das Steigen hier auf wenige Stufen beschränkt ist. Hier lese ich etwas vom „God of feathered serpent“, was etwas frei übersetzt soviel wie Gott der gefiederten Kornnatter bedeutet. Ich bin etwas verwundert, und um sicher zu gehen, frage ich Pepe, was es mit der gefiederten Schlange auf sich hätte. Er bestätigt mir, dass Quetzalcoatl stets eine Schlange um den Hals getragen habe. Einer seiner späten Nachfahren soll sich sogar auf einer Internet-Plattform einen virtuellen Tempel errichtet haben, wo er von vielen Pilgern als Schlangengott verehrt wird. Aber wie gesagt, nicht alles, was mit Teotihuacán in Verbindung gebracht wird, ist wissenschaftlich belegt. Auf jeden Fall hat man von diesem Tempel (dem steinernen) noch einen schönen Blick auf Mond- und Sonne(npyramide).

Der Bus bringt uns zurück in die Stadt und pünktlich um 3 in mein Hotel. Ich erkunde noch die nahegelegene Umgebung und stille meinen Hunger in einem argentinischen Steakhouse. Ich esse ja sonst kaum Fleisch, aber das musste jetzt sein. Und es hat sich gelohnt. Denn das schmeckt ja ganz anders als das, was man in Deutschland als Fleisch bezeichnet.


Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 12.2.2005
Veröffentlicht außer bei Ciao derzeit nur noch bei Yopi

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