Möllemann, Jürgen Testbericht

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Erfahrungsbericht von Libraia

Möllemann und (k)ein Ende?

Pro:

diskutieren ist nie schlecht

Kontra:

ein Tabu wurde gebrochen, das besser nicht angetastet wird

Empfehlung:

Nein

Möllemann und (k)ein Ende?

Es ist ja mittlerweile alles dazu gesagt worden, was es zu sagen gibt - und ganz sicher hängt vielen das Thema auch schon zum Hals raus.
Dennoch: meiner Meinung nach ist hier etwas geschehen, das Nachwirkungen haben wird, das nicht einfach vorbei ist, weil Möllemann nun einen (halben) Rückzieher gemacht hat. Ich befürchte, dass ein Tabu gebrochen wurde und dadurch ein Grundkonsens in der BRD aufs Spiel gesetzt wurde.
Ich habe eigentlich nichts gegen Tabubrüche im Allgemeinen - manchmal aber schon!
Wenn in Deutschland im Jahre 2002 es einem hochrangigen Politiker (das ist Möllemann nun mal, warum auch immer) erlaubt ist, einem Juden vorzuwerfen, er und sein Verhalten sei schuld am zunehmenden Antisemitismus, dann ist das ein gravierender Tabubruch!

Ich möchte ganz deutlich klarstellen, dass ich das Vorgehen Israels gegen die Palästinenser scharf verurteile. Ich bin (übrigens mit vielen Israelis) der Meinung, dass die besetzten Gebiete geräumt werden sollten, dass endlich die Jerusalemfrage im Konsens geklärt werden sollte, dass den Palästinensern ein eigener Staat mit echter Autonomie zugestanden wird und dass die Brutalität gegenüber palästinensischen Menschen gestoppt wird. Ich bin ebenfalls ganz klar der Meinung, dass Sharons Politik dem Frieden abträglich ist (na ja, Netanjahu ist sicher keinen Deut besser, aber das ist ein anderes Thema) und verurteilt werden muss.
Selbstverständlich bin ich auch der Meinung, dass Deutschland, das heißt sowohl seine Politiker als auch die Bevölkerung diese Kritik nicht nur üben darf, sondern das auch soll!

Nur - und das ist der Punkt: diese Kritik wird und wurde geübt und wer behauptet, das sei in Deutschland nicht möglich, sagt die Unwahrheit. Immer schon gab es viele Menschen, die öffentlich, lautstark und mit Hilfe der freien Presse harte Kritik an Israel geübt haben. Das ist auch gut so, aber so zu tun, als ob man das nicht dürfe (wahrscheinlich wegen der jüdischen Vorherrschaft in der Presse und überhaupt wegen der jüdischen Weltverschwörung) ist Unsinn.

Wenn Möllemann anfangs behauptete, es müsse doch erlaubt sein, Sharon zu verurteilen, dann mag das zwar polemisch sein, aber ich kann dem noch gut folgen.
Was allerdings dann kurz danach folgte, ist meiner Meinung nach zu viel.

Fassen wir mal kurz zusammen:
Möllemann greift Sharon verbal an und bekundet sein Verständnis für den palästinensischen Widerstand, auch für den radikalen Widerstand. Auf Nachfragen, ob er denn auch die Selbstmordattentäter und ähnliche Terroristen meint, kommt keine klare Antwort.
Jamal Karsli, früher bei den Grünen, wegen seinen antisemitischen Äußerungen bei diesen nicht mehr geduldet, geht zur FDP. Es kommt zum Streit. Viele FDPler (eigentlich alle, die diese Partei geprägt hatten) wenden sich gegen Karsli, der Interviews in der rechts außen stehenden Zeitung \"Junge Freiheit\" gibt, der Israel \"Nazimethoden\" vorwirft und von der jüdischen Weltvorherrschaft redet.
Möllemann stellt sich nicht nur voll hinter Karsli, sondern setzt noch eins drauf: angegriffen wegen seiner Äußerungen von Michel Friedmann, der nicht nur Fernsehmoderator und CDU-Mitglied ist, sondern auch im Zentralrat der Juden in Deutschland sitzt, kontert Möllemann.
Er sagt, Juden wie Friedmann seien daran schuld, wenn es in Deutschland wieder verstärkt antisemitische Strömungen gäbe.

Genau mit diesem Satz hat er eine unsichtbare Grenze übertreten. Wer so etwas Böses, Hetzerisches und Rassistisches sagt, muss einfach zurücktreten!
Das ist ein Gedankengang, der - wenn man ihn weiterspinnt - auch folgendes beinhaltet: Frauen, die vergewaltigt werden, sind selbst dran schuld, weil sie sich falsch kleiden oder benehmen. Oder: das verprügelte Opfer ist schuld an den Schlägen, weil es sich nicht angepasst verhalten hat. Oder: wenn die Kurden einfach sagen würden, sie seien Türken und die Sprache kurdisch gäbe es nicht, dann hätten sie auch keine Probleme…
Ich hoffe, ihr versteht, was ich mit diesen Beispielen sagen möchte.
Möllemann impliziert mit diesem Satz, dass es den Juden, wenn sie sich denn wohl verhielten (und wohl auch früher in ihrer Geschichte anders verhalten hätten sollen), doch nicht schlecht ginge und sie akzeptiert würden.
Merkt eigentlich niemand, was das heißt??? Das heißt nichts anderes, als dass hier immer noch mit zweierlei Maß gemessen wird. Juden per se müssen besser, anständiger, gerechter sein als der Rest der Menschheit! Wenn das kein Rassismus in Reinform ist, weiß ich auch nicht mehr, was es denn dann sein sollte.
Selbstverständlich sind Juden nicht besser als der Rest der Welt, und selbstverständlich müssen sie das auch nicht sein!
Ob einem Friedmann sympathisch ist oder nicht, was soll\'s? Klar, ich finde ihn auch arrogant, aber ist das verboten? Es gibt so viele arrogante eitle Politiker, Fernsehleute und Moderatoren (die aber längst nicht alle annähernd so intelligent sind wie Friedmann), wenn man sich über alle aufregen würde, hätte man nichts anderes zu tun.
Aber es geht nicht um Friedmann, als Person, sondern um das, wofür er steht, und wofür er angegriffen wurde.
Wenn Möllemann sich jetzt auf massivsten Druck seitens seiner eigenen Partei bei den Juden entschuldigt, Friedmann aber ausnimmt, ist das so was von kindisch und dumm, dass mir die Spucke wegbleibt!
Wie kann man so ein entweder unreifes oder aber völlig dreistes Verhalten akzeptieren? Möllemann hat mit Friedmann, nicht nur diesen als Menschen (das aber auch) übelst beleidigt, sondern auch die Juden und - alle Menschen hier (damit meine ich auch mich), die gehofft hatten, dass diese Art von Antisemitismus in Deutschland einfach nicht mehr geduldet wird.
Mir reicht es!!!
Ich war nie ein Freund der FDP, kann deshalb auch nicht sagen, dass ich jetzt von Herrn Westerwelle besonders enttäuscht sei, aber dennoch, dass er sich so lange passiv verhalten hat (sei es aus internen macht- und taktischen Gründen oder aus Unvermögen) und erst quasi zum Handeln gezwungen wurde, ist enttäuschend.
Auch dass es keine all zu lauten Proteste gab, als das Lob von Haider und Co kam, finde ich schlimm und alarmierend.
So unnötig ich die FDP auch immer fand, dass sie einmal so wie jetzt wieder nahe daran ist, eine \"national-liberale\" Partei zu werden, hätte ich einfach nicht für möglich gehalten.
Das Fischen im nationalen, rechten und latent rassistischen Gewässer finde ich widerlich, beschämend und beängstigend.
Ich kann nur hoffen, dass die \"Aufrechten\" in der FDP (Baum, Hirsch, Hamm-Brücher etc.) den Kurs der Partei wieder ändern werden.
Und ich hoffe, dass Möllemann voll auf die Nase fliegt. Das mag nicht sehr objektiv sein, aber was dieser Mann an Schaden angerichtet hat, das reicht!
Möglicherweise (fast sicher) wird mir hier vorgeworfen werden, dass das kein objektiver und ausgewogener Bericht sei, das stimmt dann wohl auch.
Aber manchmal kann man auch zu ausgewogen und objektiv sein und kommt zu keiner Entscheidung mehr.
Ich möchte nicht in einem Deutschland leben, in dem - wie jüngst schon mehrfach geschehen - jüdischen Mitbürgern ihr Davidstern heruntergerissen wird, sie verprügelt und angepöbelt werden. Und das alles mit der Ausrede, dass der Staat Israel Schlimmes tut.
Die Juden hier sind erstens keine Israelis, zweitens sind auch nicht alle Israelis Anhänger von Sharons Politik und drittens sollte hier überhaupt niemandem wegen seiner Religion, seiner Rasse, seines Aussehens, seines Geschlechts oder was auch immer Leid angetan werden!

Werden wir doch bitte wieder ein bisschen sensibler für Zwischentöne!
Lasst uns doch nicht alles in einen Topf werfen, nach dem Motto: Israel = böse, Jude = böse, Friedmann = arrogant - Friedmann = ein Jude - Friedmann ist böse, ist Jude…

Offen diskutieren miteinander - ja gerne!
Aber bitte nicht mit diesen unerträglichen Untertönen und Hetzereien…
.

15 Bewertungen, 3 Kommentare

  • roma1

    09.06.2002, 13:03 Uhr von roma1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr guter Bericht. Sehe mein Kommentar bei ciao. Liebe Grüße. Joanna

  • kleineswoelkchen

    09.06.2002, 06:21 Uhr von kleineswoelkchen
    Bewertung: sehr hilfreich

    du hast deinen Diskussionsstandpunkt offen dargelegt

  • Swinja

    09.06.2002, 03:29 Uhr von Swinja
    Bewertung: sehr hilfreich

    Es tut mir unglaublich leid. Ich kann deiner Argumentation ums Verrecken nicht folgen. Zwar empfingde ich Möllemann als menschliche Luftblase, aber damit ist er nicht viel schlechter als Friedmann selbst. Dein Beitrag ist sehr gut, aber absolut nicht