Mozilla Thunderbird Testbericht

Mein-thunderbird-mit-anderem-theme-aussehen
ab 11,72
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Erfahrungsbericht von Tut_Ench_Amun

Lufthoheit über dem Postfach

Pro:

Kostenlos / Open Source / Leichte Umgewöhnung / Funktionen / SPAM-Filter

Kontra:

Umsteiger müssen hie\' und da selbst ein wenig Hand anlegen

Empfehlung:

Ja

Früher war die Suite aus der diese Komponente entnommen wurde als „Netscape Communicator“ bekannt. Ein elegantes Kommunikationstool, nicht so plump und ungenau, wie Outlook. Ein Programm aus zivilisierteren Tagen. Vor dem Imperium. Eine Schar unerschrockener Rebellen vom Planeten Open Source rettete die Pläne vor dem Zugriff des dunklen Sith Lord Darth Gates und seinem treu ergebenen Droiden AO-Hell, die versuchten die letzten freien Computer-Systeme mit eiserner Faust und den Internet-Explorer-und-Outlook-Todessternen ins Verderben zu stürzen.

Deren auf Großkotzigkeit ausgelegten Verteidigungssysteme weisen jedoch beträchtliche Lücken auf, sodass es kleinen aber massenhaft angreifenden SPAM-Fightern gelingt den äußeren Verteidigungsring zu durchbrechen. Und obwohl der Postschacht angeblich sogar strahlengeschützt ist, lösen Viagra-Torpedos immer wieder massenhaft Kettenbriefreaktionen aus. Oder Schlimmeres. Allerhöchste Datenautobahn, dass mit dem Rasenden Mozilla Falken wieder Frieden und Ordnung in die User-Galaxis Einzug hält... Klingt sehr phantastisch nach George Lucas? Enthält aber eine Menge Wahrheiten – traurige noch dazu.

Der Wahlspruch des rettenden Mail- und News-Clients lautet \"reclaim your inbox\". Das ist eine Anspielung auf den schon ewig andauernden Zoff mit Outlook & Co. \"Inbox\" war seit jeher die Bezeichnung von Netscape/Mozilla für den globalen Posteingangsordner. Das hat Tradition, auch wenn es Netscape als solches nicht mehr gibt, so folgt Mozilla mit seinem Thunderbird (der auf dessen Engine beruht) dieser Sitte und ermuntert uns in Anlehnung an die gute alte Zeit: \"Fordere dein Postfach zurück!\". Mach ich. Ihr wollt das auch? Na dann ab auf folgende Website und sich noch ein wenig kundig gemacht, das Programm gezogen. Es ist kostenlos, zudem kurz & schmerzlos (versprochen) installiert:

http://www.mozilla.org/products/thunderbird/

[ Look & Feel ]
Von der Optik her unterscheidet sich Thunderbird nicht großartig von anderen Mail-Programmen. Die Ähnlichkeit mit dem Intimfeind Outlook ist sogar frappant. Wie es sich für ein modernes Programm gehört, lässt sich die Bedienoberfläche auch mit Skins und Themes nach eigenen Wünschen gestalten, für zusätzliche Funktionen stehen auf der Downloadseite von Mozilla immer wieder kleine Goodies in Form von PlugIns oder Extensions zum Download bereit. Damit man auf diese bequem zugreifen kann, ist in der Toolbar unter „Extras“ direkt ein Menüpunkt vorgesehen, der das Durchstöbern verfügbarer Tools aus Thunderbird heraus erlaubt, ohne den Browser bemühen zu müssen.

Ob man diese Tools braucht, ist Geschmackssache. Anwender können beispielsweise diverse Sprach PlugIns herunterladen und einbauen – man spricht also auch Deutsch. Wenn man will. Ich verwende allerdings weiter die englische Sprachfassung, ich hab mich dran gewöhnt. Deswegen sind in diesem Bericht auch alle Meldungen und Funktionen in Englisch wiedergegeben, ich bitte dies zu entschuldigen.

Zurück zur Oberfläche. Der Bildschirm ist grundsätzlich in 3 Abschnitte eingeteilt, in der Grundeinstellung erinnert diese Darstellung stark an Websites, die mit Frames arbeiten. Links ist traditionell das Navigationsfenster mit der globalen Ordner-Hierarchie (Inbox, Drafts, Unsent, Sent, Trash) das Fenster daneben zeigt den Inhalt des aktuell ausgewählten Ordners oder (wenn als Newsreader verwendet) die Übersicht eines Message-Threads. Die einzelnen Nachrichten werden in dem darunter liegenden Fenster geöffnet und können dort gelesen werden. Die Anordnung der drei Fenster kann begrenzt angepasst werden: Entweder klassisch (Grundeinstellung mit Schwerpunkt auf das Navigationsfenster), mit verbreitertem Lesefenster oder dreispaltig nebeneinander.

Mir ist die Version mit dem vergrößerten Lesefenster am liebsten. Latürnich können die Proportionen der einzelnen Fenster mittels Mausgezupfe am entsprechenden Fensterrand verändert werden. Das kennt man wie gesagt auch schon Outlook und Konsorten in dieser Form. Ist also weder neu noch bahnbrechend anders. Selbiges gilt für die Toolbar, auch sie sieht aus und funktioniert, wie man es von anderen Mail-Clients gewohnt ist. Nett ist ein kleines, eingebautes Feature, dass die Suche nach Text in Mails oder sogar über Google ermöglicht.

Umgewöhnungsprobleme dürfte es nicht geben. Sei es bei der Sortierung von Nachrichten nach Sender, Datum, Kategorie oder gar Dateianhang, noch bei der Bedienung generell. Alle Icons und Funktionen entsprechen auch hier wieder dem Standard. Dateianhänge werden zweifach dargestellt – einmal als Büroklammer hinter der Eingangsmeldung und mit genauem Namen in einer Zeile am unteren Bildschirmrand. Sollte die Mail ein eingebettetes Bild in einem Format aufweisen, welches der Rechner als Schnellansicht darstellen kann (meist sind das GIF, JPG, BMP oder auch PCX und PNG), so wird das Image sofort im Textkörper der Nachricht mit angezeigt. Es sei denn natürlich man hat Thunderbird das Darstellen sämtlicher Bilder im Optionsmenü verboten.

[ To protect and serve ]
Die Inbox ist Account übergreifend, ganz egal von wo aus die Mails einprasseln (viele von uns dürften mehrere Mailkonten haben, die es abzufragen gilt), die Inbox bringt sie alle unter einen Hut. Dabei hat man die Wahl, ob alle eintreffenden Mails für verschiedene Konten gesammelt in einem Pott landen, oder man sie in eigene, individuell zu erstellende Unter-Ordner sortiert. Thunderbird ist da wie fast alle anderen Mailprogramme (u.a. Opera, Pegasus, Eudora und sogar Outlook) flexibel. Selbstredend versteht sich der Flattermann auf POP/SMTP und IMAP, auch das derzeit immer mehr in Mode kommende RSS bereitet ihm keinen lahmen Flügel.

Thunderbird ist eben nicht nur ein einfacher Mail-Client, er kann auch ganz hervorragend als Newsreader fungieren. Auch bei HTML codierten Inhalten muss er nicht passen. Jedoch ist es von den Sicherheitseinstellungen bzw. den persönlichen Präferenzen abhängig, inwieweit Remote-Images (also nicht in die Mail selbst eingebundene, sondern verlinkte Bilder) dargestellt werden. In der Grundeinstellung blockt der Donnervogel solche Grafiken und Banner ab und meldet dies in der Kopfzeile des Lesefensters (\"To protect your privacy, Thunderbird has blocked remote images in this message\").

Sofern man die Images dennoch sehen will genügt ein Knopfdruck auf den Button \"Show Images\", rechts neben der Meldung und für diese eine Mail wird die Blockade aufgehoben. Soll das automatische Ausblenden permanent deaktiviert werden, muss man sich ins Optionsmenü begeben und die entsprechende(n) Checkbox(en) markieren. Zukünftig werden dann alle HTML basierten Mails mitsamt externen Grafiken und mit dem vom Versender festgelegten Layout angezeigt.

Dieses System des Freigebens auf Knopfdruck funktioniert auch für den eingebauten SPAM-Filter. Kommt Thunderbird eine Mail spanisch vor, stellt er sie zunächst trotzdem zu, markiert sie jedoch mit dem Müll-Symbol. Zusätzlich steht beim Auswählen der betreffenden Mail in der Kopfzeile des Lesefensters noch der Hinweis: \"Thunderbird thinks this message is junk mail\".

Die Einschätzung geschieht mittels der festgelegten Filterregeln, die a) schon bei der Installation als Grundausstattung an Bord sind und b) aufgrund selbst angelegter Keywords und/oder Blacklist-Adressen/Domains. Sollte sich Thunderbird mal irren – und die Mail ist kein SPAM, sondern erwünscht – findet sich rechts wieder der berühmte Button, diesmal aber mit der Aufschrift:\"Not Junk\". Umgekehrt lassen sich auch Mails, die nicht als SPAM erkannt wurden entweder durch das Kontextmenü per Rechtsklick oder über das Symbol in der Toolbar als ungewollter Schrott markieren.

Für unerwünschte Mail gibt\'s einen Lern-Modus, das heißt man kann das Programm konditionieren/trainieren. Je mehr Mails man als Junk markiert (oder der Einschätzung Thunderbirds nicht widerspricht und eine solche einfach löscht), desto effektiver und treffsicherer wird die Erkennung mit der Zeit. Mit Werbemüll kann man auf verschiedene Weise verfahren: In den Junk-Ordner (oder einen selbst definierten) verschieben und nach Ablauf einer Frist – voreingestellt 14 Tage – automatisch löschen lassen oder mit der aktivierten Option \"Delete\" im Junk-Menü ohne Zwischenspeicherung direkt in den 10. Kreis der Hölle schicken.

Thunderbird loggt übrigens den Eingang aller mutmaßlichen SPAM-Mails mit, sodass man gut nachhalten kann, welcher Mist einen wann erreicht hat. Ist man des Protokolls überdrüssig lässt es sich mit \"Clear\" resetten. Das beeinträchtigt nicht die bis dato gelernten Filterbedingungen. Die kann man explizit auf Null zurücksetzen, allerdings ist es ziemlich witzlos, dem Programm erst beizubiegen, wer die bösen Jungs sind und dann ausgerechnet diese Trainingsdaten zu killen...

[ Wenn der Postmann 3 Mal klingelt ... ]
Wie hoffentlich bereits ersichtlich geworden ist, unterscheidet der Donnervogel sich optisch und funktionell nicht sonderlich von deinem bisherigen Lieblingsmailprogramm. Doch wie sieht das mit dem Umstieg aus? Was die Portierung der vorhandenen Mailkonten angeht, kann teilweise Entwarnung gegeben werden. Doch ein paar Klippen gilt es dennoch zu umschiffen.

Die Servereinstellungen anderer Clients werden bereits während der Installation durchgesehen und zur Übernahme angeboten. Leider erstreckt sich das nur auf die Verbindungsdaten zu dem(den) jeweiligen Mailserver(n). Schon angelegte Ordner mit Mail aus anderen Anwendungen werden leider nicht automatisch übernommen und können später lediglich mit der Import-Funktion herüberkopiert werden. Oder von Hand. Etwas umständlich, aber damit kann man leben. Das macht man eigentlich ja auch nur ein einziges Mal, sofern man gedenkt in Zukunft komplett auf das Mailprogramm umzusiedeln.

Es fällt in den Servereinstellungen für den(die) Account(s) auf, dass kein Eingabefeld für das nötige Mailserver-Passwort vorhanden ist. Die Verwaltung übernimmt der Passwortmanager, den man auch schon von Mozillas Firefox Browser her kennt. Beim allerersten Einlog-Versuch auf den(die) Mailserver, um die Post abzuholen oder selbst welche zu versenden, fragt Thunderbird danach. Auch wenn man das PW später einmal serverseitig gewechselt hat und versucht wird sich mit dem „alten“ aufzuschalten. Für jedes vorhandene Account einzeln, versteht sich.

Auf Wunsch merkt sich das Programm das jeweilige PW dauerhaft, sollte man dieser Option misstrauen und dem widersprechen, so ist bei jedem Abruf die erneute Eingabe fällig. Es empfiehlt sich aber unbedingt beim automatischen, zeitgesteuerten Zugriff (auch das geht natürlich und das Abfrage-Intervall ist frei definierbar) auf Konten dem Passwortmanager zu erlauben, das Kennwort zu speichern. Logisch. Ansonsten ist die Funktion automatisiert seine Konten abzufragen ja auch ziemlich für’n A...bfalleimer. Apropos Passwort: Mit dem Master-Passwort lässt sich nicht nur der Manager, sondern ALLE Optionen vor unbefugtem Verstellen schützen. Auf dass niemand daran rumfummeln kann, der dort nichts zu suchen hat.

Gerade Leutchen mit vielen verschiedenen Konten bei unterschiedlichen Diensten, werden es sicher zu schätzen wissen, dass als Postausgangs-Server nur ein einziger definiert werden muss. Thunderbird übernimmt für gewöhnlich den als Standard gesetzten Eintrag des vorherigen Mail-Clients dafür. Wird ein solcher nicht gefunden fragt das Programm nach. Das Ganze hat den Sinn, dass alle Mails –auch Antworten auf Mails, egal von welchem Account empfangen - nur über ein (Standard-)Account globalisiert rausgehen. Praktisch – jedenfalls an und für sich. Oft ist es aber so, dass man genau das nicht will und unterschiedliche Konten (etwa für Privates und Geschäftliches etc.) aus naheliegenden Gründen strikt trennen und nicht vermischen möchte.

Für den Fall, dass man also mit diesem für manchen etwas gewöhnungsbedürftige Prinzip „Eine Outbox für Alles“ nicht zurechtkommt (oder will), kann jedes Konto auch seinen eigenen angestammten Postausgangs-Server benutzen lassen. Das ist dann in den Optionen für jedes Konto separat manuell einzutragen. Wird das Feld nämlich (versehentlich oder absichtlich) frei gelassen verwendet Thunderbird den als Standard eingetragenen Postausgang. Mit der Gefahr, dass bestimmte Empfänger unter Umständen ungewollt eine deiner Mail-Addys spitz kriegen, die du ihnen gegenüber eigentlich lieber für dich behalten wolltest. Also: Augen auf, beim Eierkauf!

[ Alles umsteigen bitte ! ]
Was für Harry Potter die Eulenpost, ist für den virtuellen Pharao der Donnervogel. Horus‘ elektronischer Abgesandter erledigt die herrscherlichen Botendienste seit Opera vom Dienst suspendiert wurde und ergänzt dabei den Firefox-Browser perfekt. Mit SPAM geht\'s rapide bergab und in enger Zusammenarbeit mit meinem externen Werbemailblocker hab ich endlich seit langem Ruhe vor fast allem, was mir die aufdringlichen Vertreter an der Server-Haustür andrehen wollen. Die derzeit aktuelle Version v0.9, die noch einmal an Funktionen zugelegt und an Bugs abgenommen hat ist, wie man anhand der Versionsnummer ersehen kann, noch nicht über das Erprobungsstadium bzw. Beta hinaus. Merkt man dem Programm aber so nicht an, es läuft stabil und zuverlässig. Paar kleine Schrullen sind noch auszumerzen, doch wo sind sie das nicht?

Es gibt also kaum einen nachvollziehbaren Grund sich aus lauter Gewohnheit weiter mit dem löchrigen und fetten Outlook herum zu ärgern. Der bis ins Detail einstellbare Thunderbird übernimmt dienstbeflissen und komfortabel das Nachrichtenzentrum des PCs – sei es als Mail-Sklave oder als Herold für Newsgroups. Für mich als Anti-Mickrigsoft und Pro-Open Source stellt sich die Frage nicht, ob ich Outlook nicht benutzen will, es gibt eine Menge brauchbarer Alternativen. Der Flattermann ist eine sehr gelungene. Die Erhebung zum Standard-Mailprogramm (bzw. die Beantwortung der diesbezüglichen Systemanfrage mit beherztem \"YES\") ist so ziemlich das höchste Lob, dass ich verteilen kann. Einfach mal ausprobieren und sich selbst eine Meinung bilden – kostet ja nix...

So Long

Der Vogelfrei-Pharao

42 Bewertungen, 3 Kommentare

  • mima007

    20.11.2004, 23:22 Uhr von mima007
    Bewertung: sehr hilfreich

    War früher auch Netscape-Comm.-Nutzer; die Rückkehr würde sich lohnen. VG, mima

  • JanoschBerlin

    17.11.2004, 17:11 Uhr von JanoschBerlin
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich bin seit einiger Zeit auf der Suche nach einem vernünftigen Mailprogramm und einer Alternative zu Outlook. Ich glaube, ich werde es einfach mal probieren. Übrigens nen wirklich guter Testbericht. Super ! Gruß Janosch

  • Andreas1501

    17.11.2004, 16:56 Uhr von Andreas1501
    Bewertung: sehr hilfreich

    Seit Version 0.8 nutze ich den Thunderbird als Standard-Mailprogramm (vorher Mozilla-Suite, Outlook seit Jahren nicht mehr) und bin höchst zufrieden, ebenso auch mit Firefox. Gruß Andreas