Die Entdeckung der Langsamkeit (Taschenbuch) / Sten Nadolny Testbericht


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Erfahrungsbericht von Onyx
Langsamkeit kann auch Vorzüge haben
Pro:
interessante Story, schöne Sprache, regt zum Nachdenken an
Kontra:
manchmal zu viel \"Seefahrersprache\" - stört aber nicht sehr
Empfehlung:
Ja
Dass John Franklin sich von den meisten anderen Menschen unterscheidet, wird bereits in seiner Kindheit deutlich. Denken, Sprechen, sich bewegen – all dies gelingt John nur mit einer Langsamkeit, die den Menschen seiner Umgebung große Geduld abfordert. Geduld, die zunächst nur ein Lehrer von ihm aufbringt. Er findet bald heraus, dass John, der vermeintlich Behinderte, in Wahrheit nicht weniger intelligent als andere Kinder ist: Im Gegenteil, er erfasst und behält kleinste Details wesentlich besser als andere.
Johns großer Traum ist die Seefahrt. Als Erwachsener will er seinen Traum wahr machen und geht deshalb zur Marine. Doch leider muss er außer lehrreichen Erfahrungen auch den Krieg von seiner schrecklichsten Seite erleben. Er nimmt an Schlachten teil und sieht Kameraden sterben. All diese Dinge laufen für ihn unendlich langsam ab, da er jedes einzelne furchtbare Detail wahrnimmt.
Nach dem Krieg begibt er sich auf Expeditionen in die Arktis. Sein Ziel ist es, die legendäre Nord-West-Passage zu entdecken, doch er scheitert mit seinem Plan.
Danach verbringt er einige Zeit als Gouverneur in Australien. Als er bereits ein alter Mann ist, treibt es ihn jedoch wieder zur See. Die Reise führt erneut ins ewige Eis, um die Nord-West-Passage endlich zu finden.
Mein Eindruck:
Bereits in den ersten Kapitel des Buches schafft es Sten Nadolny, dass man sich in John Franklins Art und Weise, die Dinge anders wahrzunehmen, hinein denken kann. Die Sprache wirkte auf mich, als bremse sie tatsächlich das Tempo.
Ein wenig verwirrend fand ich manchmal die vielen Fachbegriffe aus der Seefahrt, die mir als Laie fremd waren. Allerdings wirkte das keinesfalls störend – auch wenn man diese Begrifffe nicht kennt, kann man der Handlung trotzdem folgen.
Interessant ist, dass John Franklin wirklich gelebt hat. Der Roman ist eine Anlehnung an das Leben John Franklins (1786-1847), der tatsächlich Seefahrer und Entdecker war. Johns Franklins Kriegserfahrungen sowie seine Erlebnisse im Polarmeer werden realistisch und eindringlich geschildert.
Obwohl „Die Entdeckung der Langsamkeit“ keine leichte Unterhaltung bietet, ist dieser Roman gut lesbar.
Die Geschichte regte mich zum Nachdenken an über die Vorzüge einer langsamen Lebensart, die heute oft durch Hektik, Stress und Informationsflut nicht mehr möglich, bzw. nicht erwünscht ist.
Über den Autor:
Sten Nadolny wurde 1942 in Zehdenick an der Havel geboren. Er studierte Politikwissenschaft und Geschichte. 1981 erschien sein erster Roman „Netzkarte“, 1983 „Die Entdeckung der Langsamkeit“, außerdem \"Selim oder die Gabe der Rede\" (1990) und \"Ein Gott der Frechheit\" (1994). Für seine Werke erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den Ingeborg-Bachmann-Preis.
28 Bewertungen, 4 Kommentare
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26.12.2007, 13:44 Uhr von Clarinetta2
Bewertung: sehr hilfreichklasse bericht
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04.05.2006, 12:53 Uhr von topfmops
Bewertung: sehr hilfreicher Bericht; vieles dickes Dankeschön für diese Empfehlung!!! Du weißt das: Wer andere zum Lesen animiert, verdient es nicht anders: ein so etwas von bollenfettes 'SH' wie es hier steht.
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28.09.2005, 20:44 Uhr von Cicila
Bewertung: sehr hilfreichnicht ganz mein Buchgenre ;) Aber toller Bericht.
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18.12.2004, 14:20 Uhr von antjeeule
Bewertung: sehr hilfreichIch denke, dass mich dieses Buch schon sehr interessiert. Deine Beschreibung hat mich motiviert, mir das vielleicht sogar selbst zu besorgen.
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