Der Hahn ist tot (Taschenbuch) / Ingrid Noll Testbericht

ab 6,17
Auf yopi.de gelistet seit 06/2004
5 Sterne
(4)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(2)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)
Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  durchschnittlich
  • Unterhaltungswert:  sehr gering
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  sehr humorvoll
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von Kuschelsocke77

Die graue Maus als Todesengel

5
  • Niveau:  anspruchslos
  • Unterhaltungswert:  sehr gering
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  sehr humorvoll
  • Stil:  ausschmückend
  • Zielgruppe:  Männer

Pro:

Unglaublich unterhaltsam

Kontra:

Nichts

Empfehlung:

Ja

Dieses Buch wird hier ja nicht zum ersten Mal vorgestellt, nur musste ich einen Bericht darüber verfassen, denn es hat mich total begeistert und ich habe es inzwischen wohl 5x gelesen.
Mann kann es einfach nicht oft genug empfehlen.


Ingrid Noll ist meiner Meinung nach absolut nicht zu Unrecht eine der besten Autorinnen Deutschlands und wer auf subtilen schwarzen Humor steht, gepaart mit realistischen und dennoch irrwitzigen Handlungen, der sollte ihre Bücher lesen.

**********


Taschenbuchausgabe, 265 Seiten
Erschienen im: Diogenes Verlag
ISBN: 978-3257225754

Neupreis: 8,90

*************


Die Autorin:
~~~~~~~~~


Ingrid Noll wurde 1935 in Shanghai geboren und wuchs in Nanking auf.
Mit 13 Jahren kam sie mit ihren Eltern zurück nach Deutschland und studierte später Kunstgeschichte und Germanistik.
Mit 55 Jahren schrieb sie ihren ersten Roman, "Der Hahn ist tot."

Warum sie so spät erst begann, Romane zu schreiben?

Dazu Ingrid Noll:

"Früher hatte ich einfach keine Zeit für so einen Luxus. Ich habe drei Kinder aufgezogen und in der Arztpraxis meines Mannes mitgearbeitet. Aber das Schreiben ist tatsächlich schon immer mein geheimer Wunsch gewesen - von Kindheit an."


Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt über die Autorin:

"Ingrid Nolls Geschichten über scheinbar ganz normale Frauen, die zu Verbrecherinnen aus verlorenem Lebensglück werden, zeichnen sich aus durch Menschengenauigkeit, Milieukenntnis - und durch eine ordentliche Portion schwarzen Humors."


**********************

Der schwarze Humor kommt in den Büchern Ingrid Nolls wahrlich nicht zu kurz, und mit dem Buch "Der Hahn ist tot" hat sie 1991 ein geniales Erstlingswerk abgeliefert.

Die Romane:
~~~~~~~~

* 1991 Der Hahn ist tot.
* 1993 Die Häupter meiner Lieben.
* 1994 Die Apothekerin.
* 1996Der Schweinepascha. Kinderbuch.
* 1997 Der kleine Mord zwischendurch. 52 üble Kurzkrimis.
* 1996 Kalt ist der Abendhauch.
* 1997 Stich für Stich. Schlimme Geschichten.
* 1998 Röslein rot.
* 2000 Die Sekretärin. Drei Rachegeschichten.
* 2001 Selige Witwen.
* 2003 Rabenbrüder.
* 2004Falsche Zungen. Gesammelte Geschichten.
* 2006 Ladylike.
* 2008 Kuckuckskind.


Verfilmt wurden:
~~~~~~~~~~~


* 1997: Die Apothekerin mit Jürgen Vogel, Richy Müller und Katja Riemann.
* 1999: Die Häupter meiner Lieben mit, Heike Makatsch, Christiane Paul, Andrea Eckert
* 2000:Der Hahn ist tot, leider nur als Fernsehfilm.
* 2000 Kalt ist der Abendhauch mit Fritzi Haberlandt und August Diehl.


Für ihre Rolle in "Die Apothekerin" bekam Katja Riemann übrigens den Deutschen Filmpreis.


***********************


Leseproben:
~~~~~~~


"Zu Hause wuchs meine Neugierde. Ich beschloß, ein kleines Experiment zu machen: Pralinen füllen mit Gift.
Ich würde schon eine geeignete Abnehmerin finden, unter Umständen sogar Vivien.

Ich verließ, wenn auch ungern, noch einmal die Wohnung und begab mich in den kleinen Laden um die Ecke.
Nun, Waschpulver, Vollkornbrot, eine Käseecke und etwas Obst konnte man immer brauchen, des weiteren aber kaufte ich eine Packung Schokoladen - Trüffel, gefüllt mit Orangenlikör.

In der Küche drückte ich eine Tablette aus der silbernen Schutzfolie. War das heikle Ding als Ganzes überhaupt in eine Trüffel einzupassen? Vorsichtig bohrte ich die Trüffel mit einem Fleischspießchen an.
Zu meinem Erstaunen lief aber keine Flüssigkeit heraus, der Likör war in der zart schmelzenden Schokoladenmasse eingebunden.
Es gelang mir, die Trüffel etwas auszuhöhlen, die Pille hineinzuschieben und die Praline wieder zuzudrücken.
Sie sah allerdings etwas verformt aus, als habe sie in der Sonne gelegen.

Nun mußte ich einen Selbstversuch riskieren und mein Machwerk in den Mund stecken.Etwas ängstlich las ich ein zweites Mal die Gebrauchsanweisung.
Wenn Herzkranke Patienten dreimal täglich so eine Tablette schluckten, konnte mir eine nicht schaden.
Also Mut!
Ich schob mir das Ding in den Mund.Nein, es ging wirklich nicht.Die Zunge hatte den Fremdkörper sofort entdeckt und schokoladenbraun gefärbt wieder ausgestoßen.
Zu groß, die Tablette."


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


"Was sollte die Polizei von alldem halten?
Hatte ich darüber hinaus Fehler gemacht, irgend etwas liegen gelassen?
Nein, ich rauche nicht und lasse keine Zigarettenstummel als Beweis am Tatort, ich verliere auch keine Taschentücher mit Monogramm.

Siedendheiß fiel mir aber ein: meine Spuren im feuchten Garten, am Ende sogar auf dem Teppich.
Ich hatte Turnschuhe angehabt, um besonders gut schleichen zu können.
Sonst trage ich sie nie, sie sind ebenso wie der mausgraue Jogginganzug von der Kur übriggeblieben.
Die müssen weg! Dachte ich.
Ich nahm sie sofort und tat sie in den halbvollen Rotkreuzsack.
Nächste Woche würde er abgeholt.
Den Revolver legte ich in einen Koffer in der Rumpelkammer und beschloß, mir am nächsten Tag ein besseres Versteck auszudenken."


******************

Rosemarie Hirte, Anfang 50, kinderlos, unverheiratet und in der Liebe absolut zu kurz gekommen, wenn man von ihrer vergangenen Affäre mit dem verheirateten Hartmut absehen will, lebt ganz für ihren Beruf als Versicherungsangestellte.
Freunde hat sie nicht, bis auf Beate, die sie seit Ewigkeiten kennt und die sie einerseits bewundert für ihre Spontanität und Kreativität, auf die sie andererseits aber herab sieht ob ihres chaotischen Lebens.
Außer Beate kennt sie nur noch Frau Römer, ihre Kollegin, etwas näher und erklärt sich ab und zu auch dazu bereit, auf deren Hund, den Dieskau aufzupassen.

Ihre gesamte Energie steckt sie in ihre gemütliche Wohnung und in ihr etwas biederes, dafür aber umso gepflegteres Äußeres.

Ja, sie hat sich gut gehalten, die Rosemarie, was sie aber nicht dafür entschädigt, weder einen Mann, noch eine Familie oder ein sonstwie nennenswertes Privatleben zu haben.
Ihr Leben verläuft als rechte Hand des Chefs und geachtete Mitarbeiterin in eintönigen und gleichmäßigen Bahnen, ohne von störenden Leidenschaften oder aufregenden Hobbies unterbrochen zu werde, aber wirklich unglücklich scheint sie nicht zu sein.
Bis eines Tages die Liebe zuschlägt wie ein Herbstgewitter, denn bei einer Lyrik Lesung verliebt sie sich auf den ersten Blick (oder wie Rosemarie sagt, auf den ersten Ton) und unsterblich in Rainer Withold Engstern, der einen Vortrag über romantische Literatur hielt

Von diesem Moment an ist Rosemarie nicht mehr der Mensch, der sie einmal war.
Sie findet die Adresse und Telefonnummer ihres Angebeteten heraus, sucht mit dem Dieskau im Schlepp, der eine willkommene Ausrede ist, um durch die Stadt zu streifen, Witholds Haus auf, um diesen vom Nachbargrundstück aus durch die Terrassentür zu beobachten.
Ihr Herz bricht, denn Withold ist verheiratet.

Welch ein Glück, dass Rosemarie trotzdem wieder einmal ganz zufällig im Nachbargarten zur Stelle ist, als der offensichtlich betrunkene Mann ihres Herzens einen hässlichen Streit mit seiner unmöglichen und offensichtlich nicht weniger betrunkenen Frau hat.
Rosemarie sieht, dass Witholds Ehefrau einen Revolver in der Hand hat und damit droht, ihren Gatten und sich selbst zu töten.
Withold kann ich zwar die Waffe entreißen, doch die Ereignisse überschlagen sich und er schießt letztendlich auf seine Frau, die blutend zusammen bricht.

Nun ist Rosemaries Stunde gekommen, hier ist der Moment auf den sie gewartet hat, denn Withold ist ohne sie verloren.
Ohne Zögern betritt Rosemarie das Haus, wo sie dem völlig benebelten und unter Schock stehenden Withold erklärt, was er der Polizei zu erzählen soll, nur hat sie nicht damit gerechnet, dass seine Frau noch am Leben sein könnte.
Natürlich fällt es ihr nicht leicht, der Nebenbuhlerin den Gnadenschuss zu geben, denn schließlich ist sie nicht an Mord und Totschlag gewöhnt, sie überwindet sich aber und erledigt das Problem sauber durch einen Kopfschuss.


Von diesem Moment an fühlt sie sich als Retter und Beschützer des angebeteten Mannes und er wird sie nicht wieder los.

Die sonst so zugeknöpfte Versicherungsangestellte wird zur leidenschaftlichen Übermutter und wäre doch so gern die leidenschaftliche Geliebte.

Die Hoffnung, dass aus Dankbarkeit irgendwann Liebe wird, verlässt die gute Frau natürlich nie.
Withold, der nie wirklich erfahren kann, was am Tatabend tatsächlich passiert ist, fügt sich jeder ihrer Entscheidungen und alles könnte so aussichtsreich sein, wenn Rosemarie nicht eines Tages den schrecklichen Verdacht hegen würde, dass ihr Withold eine Affäre hat.

Der treulose Kumpan hat eine Freundin, das kann Rosemarie natürlich nicht zulassen.
Nicht nach allem, was sie für ihn geopfert hat!

Dass sie bei der vermeintlichen Freundin auf der falschen Fährte ist und in wen ihr Withold wirklich verliebt ist, das erfährt sie leider zu spät,denn die nächste Tat ist schon begangen.

Warum sie jetzt entsetzliche Schuldgefühle plagen und warum sie trotzdem weiter töten muss, das werde ich hier natürlich nicht verraten.

Ein wunderbares Buch, bei dem mir oft das Grinsen nicht verkneifen konnte.
Aber auch eins, bei dem man trotz aller Gräueltaten Verständnis für die Täterin hat, denn sie ist im Grunde eine liebenswerte, einsame Person, die alles tun würde, um sich ein spätes Glück zu sichern.

Selbst als Nicht- Mörder kann man ihre Taten nachvollziehen und muss ihr oft, wenn auch unfreiwillig, Einfallsreichtum und logisches Handeln bescheinigen.
Die Verzweiflung treibt die einsame Jungfer zu abenteuerlichen, aber dennoch nicht unrealistischen Taten, und ihre Verbrechen sind in erschreckender Weise nachvollziehbar.


Die Verwandlung der blassen Versicherungsangestellten Rosemarie Hirte zur kaltblütigen Mörderin ist faszinierend zu beobachten und kann den Leser nicht kalt lassen.
Die Frau, die früher ein langweiliges aber sicheres und festgefügtes Leben führte, diese graue Maus, an der alle Leidenschaften vorbei gingen, wird über Nacht zur Mörderin aus Leidenschaft und ein Todesfall zieht den nächsten geradezu logisch an.
Nein, sie ist nicht gewissenlos, unsere Rose, sie tötet nicht aus Mordgier, sondern aus schierer Notwendigkeit.

Man muss sie einfach dabei beobachten, weshalb ich das Buch wärmstens empfehle und eine Kaufempfehlung ausspreche.

63 Bewertungen, 18 Kommentare

  • hameln58

    24.10.2009, 18:21 Uhr von hameln58
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW.......

  • Baby1

    09.08.2009, 22:03 Uhr von Baby1
    Bewertung: sehr hilfreich

    .•:*¨ ¨*:•. Liebe Grüße Anita .•:*¨ ¨*:•.

  • morla

    09.08.2009, 01:57 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    ein schönes wochenende wünsch ich dir lg. petra

  • ronald65

    08.08.2009, 14:16 Uhr von ronald65
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg

  • christianpirker

    07.08.2009, 09:42 Uhr von christianpirker
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr guter Bericht! Liebe Grüße, Christian

  • ingoa09

    07.08.2009, 03:11 Uhr von ingoa09
    Bewertung: besonders wertvoll

    Ein sehr ansprechender Bericht! Liebe Grüße, Ingo

  • anonym

    06.08.2009, 18:43 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    toll berichtet! Gegenlesungen freuen mich!

  • tina08

    06.08.2009, 18:11 Uhr von tina08
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße .... Tina

  • jacki0987

    06.08.2009, 15:40 Uhr von jacki0987
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße von Jacqueline

  • anonym

    06.08.2009, 15:38 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    hier ist ja ein bild von dir - wie schön!

  • l.x.klar@gmx.net

    06.08.2009, 15:12 Uhr von [email protected]
    Bewertung: sehr hilfreich

    greetz from wallcity beartown

  • sigrid9979

    06.08.2009, 14:48 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr schöner Bericht, liebe Grüße Sigi

  • Gozo-Bernie

    06.08.2009, 14:23 Uhr von Gozo-Bernie
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gruss aus Catania - der Heimat von telestrada.it

  • NancyNoack

    06.08.2009, 13:43 Uhr von NancyNoack
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH und einen schönen Donnerstag

  • crazy_angel

    06.08.2009, 13:26 Uhr von crazy_angel
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße, Chrissy

  • liebes35

    06.08.2009, 13:19 Uhr von liebes35
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht. LG Steffi

  • minasteini

    06.08.2009, 12:49 Uhr von minasteini
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sh für diesen Bericht. LG

  • tk7722

    06.08.2009, 12:47 Uhr von tk7722
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr interessanter Bericht, liebe Grüße