Nomaden der Lüfte - Das Geheimnis der Zugvögel (VHS) Testbericht

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ab 11,12
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Erfahrungsbericht von w.gruentjens

Ein wunderschöner Naturfilm

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Dies ist ein Film wie ein Streichquartett, wie ein Museumsbesuch, wie ein ruhiger Urlaubstag, wie eine Gedenkstunde in der Natur, wie \"Über den Wolken\".

Kann ein Film ohne Handlung, ohne Schauspieler, ohne Action, ohne Animationen und Special Effects, ja sogar ohne besondere künstlerische Ambition so erfolgreich sein, dass man Schwierigkeiten hat, einen Platz im Kino zu bekommen?

Er kann, dieser Film kann es, und, trotz einiger Kritikpunkte, die ich später erläutern werde: Wir (16,19,54 und 56 Jahre alt) haben ihn schon zweimal gesehen, und mit Begeisterung gesehen.

Immer wenn die Kraniche oder Wildgänse über unser Haus zogen, erfasste mich die Sehnsucht, sie einmal begleiten zu dürfen; ein Gedanke, ein Wunsch, ein unerfüllbarer Wunsch. Unerfüllbar? Der Film hat mir den Wunsch zumindest über den Umweg der Filmtechnik erfüllt.

Ja, ich habe sie im Film begleitet, bin mit ihnen geflogen, habe mit ihnen die Erde von oben gesehen, habe Lust und Nöte des Fluges erlebt; in dem Film kann jeder sie begleiten, mit ihnen über die Erde fliegen, mit ihnen Schönheit und Gefahr der Natur erleben, Wunderschönes, aber auch Grausames, Bedenkliches.

STORY

Auf einem Teich in Frankreich sammeln sich im Frühjahr die Wildgänse, um zu ihrem jährlichen Flug in den Norden, nach Skandinavien, aufzubrechen. Mit kleinen Nöten und Problemen fliegen sie auch los und werden vom Zuschauer begleitet, und zwar so nah, dass man manchmal Angst hat, die Flügelspitzen der nächsten Wildgans zu berühren.

Es werden dann noch viele andere Zugvogelarten gezeigt, vornehmlich größere Tiere wie Kraniche und Störche, Singschwäne und viele andere. Zwischendurch werden auch Tiere an Land gezeigt, so dass man auch mit Phasen, die nicht direkt mit dem Vogelzug zu tun haben, vertraut wird.

Was passiert, wenn eine Bäuerin versucht, die Kraniche zu füttern?
Wer erschreckt mehr, die Kraniche oder die Störche, wenn sie in hohem Gras aufeinander treffen?
Wird der Adler seine Beute erreichen, oder kann sie entkommen?
Werden die Jäger, die auftauchen, die Wildgänse ungeschoren lassen?
Wird eine Wildgans, die im Industrieschlick hängen bleibt, entkommen?
Was passiert, wenn die Wildgänse auf gefangene Artgenossen treffen?
Was geschieht, wenn ein Tier einen Flügel bricht, und die Horden von Krebsen sich ihm nähern?
Und kann sich ein Papagei aus einem Käfig von Tierfängern befreien?
Warum klappern die Störche?
Werden dei Wildgänse schließlich zurückkommen?


ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

Um den Film drehen zu können, wurden aus vielen Eiern verschiedenster Zugvogelarten Junge gezogen und auf den Menschen und auf Fluggeräte: Ultraleichtflugzeuge, Leichtballons, Kleinhubschrauber usw. geprägt, so dass sie von diesen gelenkt und im Flug nicht nur gefilmt, sondern auch manipuliert werden können. Drei Jahre lang wurde daran gearbeitet, Hunderttausende von Filmmetern wurden verfilmt, mit Hunderten von Naturschutzstellen in der ganzen Welt wurde Kontakt aufgenommen und zusammengearbeitet. So entstand schließlich ein wunderbarer Film, der vielleicht die Qualität von \"Die Wüste lebt\" trotz kleiner Kritikpunkte noch übertrifft.


QUALITÄT

Die Naturaufnahmen sind großartig, die Kameraführung ist sehr gut, wenn auch konventionell, es soll eben kein besonders künstlerischer Film, sondern eine Art Dokumentation entstehen. Es ist aber auch wiederum keine wissenschaftliche Dokumentarion, sondern ein ins Kino übertragener Naturgenuss.

Musikalisch wird der Film oft untermalt durch eine Musik, die vom Grundrauschen des Flügelschlages ausgeht und darauf aufbauend Gesänge in den verschiedensten Sprachen hören lässt.

Es ist von der Regie schon eine großartige Leistung, das alles zu Stande gebracht zu haben, und insgesamt ist der Film auch äußerst sehenswert.

Und doch gibt es ein paar Kleinigkeiten, die man vielleicht hätte anders machen können:

1. Der Filmschnitt ist manchmal unglücklich. Bei Szenenwechseln hat das Auge nicht Zeit sich umzustellen, und die neue Szene wird auch nicht durch veränderte Geräusche angekündigt. So ist der Raubvogelangriff zu sehen, und kurz darauf werden ganz andere Tiere gezeigt; wie der Angriff zu Ende geht, erfährt man nicht bzw. nur äußerst kurz.

2. Die Gegenüberstellung \"Gute Natur/böse Zivilisation\" gerät manchmal schon ein wenig ins Klischeehafte; andererseits wird auch die Grausamkeit der Natur gezeigt.

3. Wenn der Film auch weitgehend darauf verzichtet, Tierbewegunge, mit Musik untermalt wie lustige Begebenheiten zu zeigen (s. \"Die lustige Welt der Tiere\"), so gibt es doch ein paar Szenen, in denen das Publikum durch etwas Derartiges doch zum Lachen gebracht wird.

4. Es wird nicht klar, wie viel Leid Tieren dadurch zugefügt wurde, dass der Film gedreht wurde.


FAZIT

Dies ist ein Film, den jeder gesehen haben sollte, der Ehrfurcht vor der Natur hat oder erwerben möchte. Auch wenn sich jemand besonders Kritisches vielleicht über die negativen Seiten ärgern könnte, so halte ich dies nicht für einen Grund, auf den Besuch des Filmes zu verzichten – auch der beste Museumsbesuch wird einige Dinge enthalten, die einen stören können.

Auch für Kinder und für reifere Jugendliche ist der Film gut geeignet; jüngere Jugendliche im schwierigsten Alter könnten sich vielleicht langweilen, aber vielleicht können auch sie gerade begeistert werden, das kann ich nicht beurteilen. Meine Kinder (16 und 19) waren jedenfalls, auch wenn sie Braveheart und Matrix vielleicht vorziehen würden, begeistert.

Trotz kleiner Kritikpunkte: Eigentlich ein MUSS für jeden, der das Leben liebt; und für Kinohasser einmal ein Grund, trotzdem hineinzugehen...

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