Offizier/in - Bundeswehr Testbericht

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Summe aller Bewertungen
  • Einstellungschancen:  sehr gut
  • Aufstiegschancen:  sehr gut
  • Verdienstmöglichkeiten:  durchschnittlich
  • Sozialleistungen:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von YetiChris

(K)eine Frage der Überzeugung

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Ich bin 26 und befinde mich zur Zeit in der Ausbildung zum Schreiner. Vielleicht interessiert es euch, was ich vor dieser handwerklichen Ausbildung getrieben habe. Nun, nach dem Abitur leistete ich zunächst meinen Grundwehrdienst bei der Fallschirmjägertruppe der Bundeswehr ab, verlängerte diese sogar auf 22 Monate, weil ich der Meinung war, eine gute Zukunftsperspektive zu haben. Um alle Möglichkeiten zu Nutzen, die mir die Bundeswehr als Abiturient bot, entschied ich mich, beim Heer die Offizierslaufbahn einzuschlagen, über deren Ablauf, und, nicht zuletzt, meine Eindrücke, die ich während dieser Zeit sammelte, möchte ich hier berichten.

Vorausschicken muss ich jedoch, dass ich nicht über die gesamte Ausbildung berichten kann, da die Ausbildung bereits nach 2 Jahren mit meiner Entlassung endete. Die Gründe dafür werde ich aber ebenfalls darlegen.

***Grundlegendes***

Da sicherlich nicht jeder mit dem Ablauf der Offiziersausbildung vertraut ist, hier ein kurzer Überblick über den Zeitlichen Ablauf der Offiziersausbildung im Heer (Für eine Dienstzeit von 12 Jahren, mit Studium; Ausnahme Ärzte und Piloten). Die Ausbildung dauert mit Studium 3 Jahre und umfasst mehrere Lehrgänge, Praktika und Truppendienstzeiten.

- Monat 1-2
AGA (Allgemeine Grundausbildung)
Hier erlernt man das „Handwerk“ eines normalen Soldaten: Exerzieren, Umgang mit Waffen und Ausrüstung, Orientierung und Bewegung im Gelände etc.

- Monat 3-8
SGA (Spezial-Grundausbildung)
In dieser Zeit wird der Offiziersanwärter in den spezifischen Geräten oder Fähigkeiten ausgebildet. Je nach Waffengattung handelt es sich hier um das Fallschirmspringen, Panzerabwehrgerät, Artilleriegeschütze, Raketenwerfer, Panzer etc. des weiteren beinhaltet diese zeit den Erwerb des Bundeswehr-Führerscheins (auf PKW sowie, je nach Waffengattung leichten oder schweren LKW, Kettenfahrzeuge oder keine weitere Fahrerlaubnis).

- Monat 9-20
Offiziersanwärterlehrgang
Dieser findet zum großen Teil auf der Truppenschule der jeweiligen Waffengattung statt. Er beinhaltet die Ausbildung zum Gruppenführer (Entspricht dem Unteroffizier) in allgemeinmilitärischer und Waffengattungsspezifischer Hinsicht (inkl. Einem 3 monatischem Truppenpraktikum), dem Einzelkämpferlehrgang I sowie der Ausbildung zum Zugführer (entspricht dem Feldwebel). Des weiteren ist das Ablegen des dt. Sportabzeichens und damit die körperliche Fitness essentieller teil der Ausbildung.

- Monat21-26
Offizierslehrgang
Findet auf der OSH (Offiziersschule des Heeres) statt. Während dieser Zeit werden dem Offiziersanwärter die Grundlagen der Menschenführung, „Innerer Führung“ sowie Taktik vermittelt. Des weiteren beinhaltet der Lehrgang die Ausbildung zum Sportleiter sowie eine Fremdsprachenausbildung.

- Monat 27-36 (alternativ 32-38)
Truppenpraktikum als Zugführer/stellv. Zugführer
Hier soll der „Fast“ – Offizier praktische Erfahrung als Verantwortlicher einer Einheit sammeln. In diese Zeit fallen auch evtl. nötige Praktika für das anstehende Studium, sowie die Maßnahmen zur Besten - Förderung (Pfiff).


- Monat 36-75 (max. 84)
Studium an einer Bundeswehrhochschule oder –Fachhochschule
Je nach Art des Studienganges findet das Studium in München oder Hamburg statt.

Damit ist die Ausbildung des Offiziersanwärters beendet. Nach einer 3-wöchigen Einweisungszeit nimmt er am regulären Truppendienst teil.

{Quelle: Informationsbroschüre der BW „Die Laufbahn der Offiziere“]


***Mein Werdegang bei der Bundeswehr***

Wie schon zu beginn erwähnt, bin ich nicht direkt als Offiziersanwärter bei der Bundeswehr eingestiegen, sondern habe mich im Verlauf meines verlängerten Grundwehrdienstes als Freiwilliger gemeldet. Diesen Grundwehrdienst leistete ich bei der Fallschirmjägertruppe ab, bei einer Einheit, die in Krisen als erste zum Einsatz kommt, im Rahmen der NATO. Vielleicht hat mich das etwas geblendet, denn diese Einheiten haben den Vorteil, als erstes mit guten Material ausgestattet zu werden (nur ein Beispiel: Wir gehörten zu den ersten Einheiten, die damals die neue (Flecktarn-Uniform erhielten, was uns nicht nur auf Truppenübungsplätzen neidische Blicke einbrachte), sowie sehr gute Offiziere zu haben, die auch unkonventionelle Entscheidungen treffen können (was das für sie aber bedeutet hat, ist mir erst später aufgegangen: An einem gewissen Punkt endet die Kariere; entweder wird man kein Berufssoldat, oder eine höhere Stabsverwendung (Oberst – General) bleibt einem verschlossen). Auf jeden Fall war es eine gute zeit in der Fallschirmjägertruppe. Je länger meine Dienstzeit als „Mannschaftsdienstgrad“ wurde, desto einfacher wurde natürlich der Dienst.

Als erste „Hürde“ zur Offizierslaufbahn wird landläufig der Eignungstest angesehen, der in Köln an der OPZ (Offiziersprüfungs-Zentrale des Heeres) stattfindet. Neben Tests der mathematischen und Fremdsprachenkenntnissen beinhaltet dieser Test eine medizinische und psychologische Untersuchung, Prüfungen in sprachlichem und textlichen Ausdruck, der Diskussionsführung sowie einen „Physical Fitness Test“. Im allgemeinen wird um diesen Test viel zuviel Wind gemacht. Wer unbefangen in den Test hineingeht, wird ihn sicherlich bestehen, sofern er die körperlichen Voraussetzungen (Fitness und Gesundheit) erfüllt. Viele Erinnerungen habe ich an diese 3 Tage nicht mehr, nur das viele der Teilnehmer freiwillig das Handtuch warfen und nicht bis zum Ende durchhielten. Nur wenige wurden wirklich nach Hause geschickt. Einzig der sog. „Studienberater“ blieb mir in Erinnerung, den er kam mir eher wie ein Studienverhinderer vor. Meine Wunsch-Studiengänge (BWL oder Wirtschafts-Ing.) schmetterte er sofort ab (mangelnde Leistungen in Mathematik). Da ich aber studieren wollte, schwenkte ich auf Politikwissenschaften um. Auch diesen Studiengang wollte er mir madig machen („Da brauchen sie gute Englischkenntnisse für!“), aber ich blieb dabei. Später wurde mir klar, das ich nur auf BWL hätte bestehen müssen, dann wäre der Studienwunsch auch angenommen worden. Leider musste ich auch die Waffengattung im Heer wechseln, da in der Fallschirmjäger-Truppe keine Offiziersplätze mehr frei waren. Also verschlug es mich zur Raketenartillerie.

So begann meine Offiziersausbildung. In den ersten 2 Monaten, während die „Neuankömmlinge“ ihre Grundausbildung absolvierten, agierte ich als Hilfsausbilder und Ausbilder in der Grundausbildung. An der folgenden, halbjährlichen Spezialgrundausbildung nahm ich natürlich teil, da ich von der Raketenartillerie kaum Ahnung hatte. Während dieser Zeit war ich auch 2 Wochen beim Hochwassereinsatz an der Oder, heute der einzige Aspekt meiner Bundeswehrzeit, auf den ich mit Stolz und Freude zurückblicke. Inhalte und Umfang der Ausbildung bereiteten mir keine Schwierigkeiten, aber mir fielen schon in dieser Zeit Dinge auf, die schließlich zu meinem Ausscheiden führten. Darauf werde ich aber später eingehen.
Die Ausbildung an der Truppenschule war anspruchsvoll, aber die Misstöne verstärkten sich. Zum großen Knall kam es kurz vor dem Truppenpraktikum als Gruppenführer...


***Das Ende meiner Bundeswehrkarriere***

Wie schon angesprochen, fielen mir während der ersten Abschnitte der Offiziersausbildung Dinge auf, die nicht in das Bild passen wollten, das ich von der Bundeswehr hatte. Zum großen Knall kam es dann 2 Tage, bevor ich zum ersten mal als vorgesetzter auftreten sollte. Nach einem Zusammenbruch wurde ich aus dem Truppenpraktikum ausgeschlossen und in einer Psychologischen Untersuchung für nicht Diensttauglich erklärt. Nach einer längeren Zeit wurde ich schließlich aus Medizinischen Gründen entlassen.

Wie kam es zu diesem Zusammenbruch? In erster Linie lag es daran, das ich mich nicht in ein System integrieren konnte (oder wollte), das ich im Inneren ablehne. Das heißt nicht, das ich die Bundeswehr an sich für falsch oder überflüssig halte, auch wenn ich mich eher als pazifistisch bezeichnen würde. Es sind vielmehr die Zustände in der Bundeswehr und die Einstellung vieler Vorgesetzter, die mir so massive Schwierigkeiten machten. Zu aller erst steht dabei das Verhalten vieler Offiziere: Das „Radfahren“ (nach oben Buckeln, nach unten Treten) ist weit verbreitet. Die Untergebenen werden schlecht gemacht, um bei den eigenen Vorgesetzten besser dazustehen. Kritik von unten wird selten geduldet und noch seltener angehört. Auch das Selbstverständnis des Berufsstandes halte ich für anachronistisch und falsch. Dazu kommt, das viele die Frage, warum die gerade Offizier geworden sind oder werden wollen, gleich beantworten. Diese Erklärung findet sich drolligerweise in vielen Informationsmaterialien über die Aufgaben und Anforderungen an Offiziere der Bundeswehr. Viele Traditionen gründen auf die Zeit des I. und II. Weltkrieges, was aber nicht heißen soll, das die Bundeswehr ein Haufen rechter Spinner ist. Aber es bereitete mir wirklich physische und psychische Probleme, mich als zukünftiger Teil dieser Berufsgruppe anzusehen.


***Weitere Kritikpnukte***

Nicht zu vernachlässigen sind folgende Punkte: Die Bundeswehr setzt ein hohes Maß an Flexibilität voraus. Das heißt, das man in der Offiziersausbildung im Schnitt alle 3-6 Monate den Standort wechselt, später alle 2-3 Jahre. Für Beziehungen ist das hart, von einer Familie ganz zu schweigen. Viele Offiziere, die ich kennengelernt habe, gaben als Hobby „Ihre Familie“ an... für mich eine verabscheuungswürdige Einstellung. Viele Ehen und Beziehungen von zeit- und Berufssoldaten scheitern.
Auch muss man in betracht ziehen, nach 12 Jahren nicht als Berufssoldat (Das Ziel der meisten Zeitsoldaten) übernommen wird. Zwar gibt es Programme zur „Wiedereingliederung in das Zivilleben“ (wie wäre es mit „Resolzialisierung“?) beim Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, aber eine Garantie gibt dies natürlich nicht.
Auch Endet nicht jede Kariere wie gewünscht. Man muss zu einem Mitläufer werden, einem Egoisten, der besser ist als andere Egoisten, um die Karriereleiter ganz nach oben zu klettern.


***Positives***

Ganz klar muss man hier die Bezahlung sehen: Welcher Student bekommt z.B. monatlich ca. 3000 DM (NETTO!!!), nur weil er jeden Tag in die Uni kommt? Und das bei Freier Logis und nur ganz geringen Unterhaltskosten? Sicherlich keiner. Im Dienst gibt es diverse Bonusse und Zuschläge, die den monatlichen Sold weiter nach oben bringen. Als Beamter auf Zeit hat man natürlich auch andere Privilegien und Vergünstigungen. Auch reizt sicherlich viele die hohe Verantwortung, sowohl über Menschen (sogar bis in die letzte Instanz: Über Leben und Tod zu entscheiden, heute im Zuge der Auslandeinsätze sicherlich denkbar) als auch über Material, das einen gewissen Wert darstellt.


***Fazit***

Wie schon gesagt, ich halte die Bundeswehr sicherlich nicht für überholt oder unnötig. Für mich fault sie jedoch von innen heraus, ohne das sich jemand Gedanken macht. Verantwortungen werden abgeschoben, Freundschaften können kaum entstehen, da der andere ein potentieller Rivale auf den angestrebten Posten ist. Man hält sich an anachronistischen Gedanken und meiner Ansicht nach falschen Traditionen fest und pflegt sie. Unabhängig von diesen Persönlichen Kritikpunkten läuft bei der Bundeswehr viel Geld in die falsche Richtung, viele Einheiten sind nicht oder nur teilweise Einsatzbereit, während Vorzeigetruppen wie z.B. die KSK immer das neuste und beste Material erhalten. Aber das nur am Rande. Für mich ist es deshalb keine Frage der Überzeugung, ob man sich für eine Offizierslaufbahn entscheidet. Es ist eine Frage, ob man sich diesen Missständen stellen will und kann. Ich konnte es nicht, und will es jetzt auch nicht mehr. Deswegen kann ich die Ausbildung zum Offizier auch nicht empfehlen.

Tschüss, und danke fürs Ausharren (Ist schon ein langer Text),

YetiChris

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