Ohropax Color Testbericht

Ohropax-color
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Erfahrungsbericht von CoraLee

Aus den Ohren, aus dem Sinn

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Wir haben hier in Neuss das größte Schützenfest von NRW, Deutschland oder der ganzen Welt. So weit, so tragisch. Aber es kommt schlimmer: im August ziehen die Schützen, dieses lärmende Volk, gerne durch Neuss City, spielen ihre lustigen Märsche, tragen große Fackeln in den Händen und grölen lyrische Lieder. Ich WOHNE in Neuss City, ich mache in NEUN Tagen Vordiplom und ich muss dafür so ein klitzekleines bisschen LERNEN. Diese Schützenumzüge gefallen mir schon allein deshalb ganz und gar nicht, denn sie sind laut und was so manch einer als Musik bezeichnet, ist in meinen Ohren Krach.

Aber zum Glück gibt es meine Tante, die mir - wohlwissend, dass diese Umzüge existieren – vor einiger Zeit ein Päckchen Ohropax Color Plux geschenkt hat. „8 bunte Ohrstöpsel aus Schaumstoff gegen Lärm“. Sechs sind noch übrig, denn die Schützensaison geht jetzt erst los.

Heute Abend sammelten sich plötzlich unwahrscheinlich viele Menschen in unserer Straße – dieser Umstand verheißt selten etwas Gutes. Zuerst dachte ich an eine Demonstration (es gibt ja wahrlich genug, gegen oder für das man demonstrieren könnte), aber nein, ganz unpolitisch sind sie, und masochistisch noch dazu. Ich hingegen weniger und so suchte ich beim ersten Trompetenklang, gepaart mit Beckenschlägen und Schlimmerem, die Ohrstöpsel, das Sinnbild der Erlösung.

Bunt sind sie wirklich. Nicht besonders dekorativ, wie ich leider dazu sagen muss, denn ihre Musterung erinnert an längst aussortierte und der Altkleidersammlung zugeführte Batik-Hemden, die irgendwann vor Millionen von Jahren mal en vogue waren. Ihre Form ist der eines Gehörganges nachempfunden – so vermute ich zumindest, weil’s ja sinnvoll wäre. (Wobei: in so ein Nasenloch dürften sie auch ganz ausgezeichnet passen...)

Um sie als letzte Maßnahme gegen den drohenden Gehörsturz einzusetzen, nehme man einen Stöpsel zwischen zwei saubere (!das ist wichtig und extra auf der Verpackung vermerkt!) Finger und rolle ihn – ungefähr so, als würde man eine Zigarette drehen. Dann „mit einer Hand über den Kopf greifen und Ohr etwas nach oben ziehen“. Diese Anweisung irritiert mich jedes Mal. Wenn ich nun lieber unterm Kinn durchgreifen möchte, darf ich das dann oder füge ich meinem Gehörgang damit automatisch irreparablen Schaden zu? Oder was ist, wenn ich den Stöpsel fürs rechte Ohr gerne mit der rechten Hand einsetzen will? Dann muss ich einmal um den Kopf rum, und... aber lassen wir das. Es steht ja jedem frei.

„Mit der anderen Hand den gerollten Stöpsel tief in den Gehörgang einführen“. Aua. Ich finde, das schmerzt ein wenig. Aber wer nicht taub werden will, muss eben leiden. „Festhalten bis zur Ausdehnung“. Das bedeutet, dass man ein paar Sekunden warten muss, bis sich der Stöpsel dem Gehörgang anpasst, sich an seine Wände anschmiegt und mit ihm verschmilzt... ähem.
Der Effekt ist erstaunlich: die Schützen sind zwar noch zu hören, klingen aber, als befänden sie sich noch in weiter Ferne, etwa an der Ecke Zollstraße. Und da können sie meinetwegen auch bleiben.

Mit der Zeit entsteht ein ungeheurer Druck von innen, denn die Ohropax hören scheinbar gar nicht mehr auf, sich zu dehnen. Hierbei kann es schon mal zu merkwürdigen Ausformungen der Ohrmuschel kommen, die ebenso wenig ästhetisch sind, wie die Stöpsel selbst.

Angeblich soll es ja Menschen geben, die mit so einem quasi-injizierten Stöpsel zu Bett gehen. Das muss eine Lüge sein. Nach spätestens zehn Minuten schmerzen die Ohren so sehr, dass man sich lieber der unangenehmen Beschallung einer Blaskapelle aussetzt, als diese Folterinstrumente noch länger an ihrem Platz zu lassen. Schade eigentlich, denn die Schalldämpfung beträgt ganze 32 dB, was vermutlich eine ganze Menge ist, wie ich, würde ich mich damit auskennen, jetzt ganz kompetent erläutern könnte. So bleibt mir nur darauf hinzuweisen, dass ich mich gerne mit dem Nouveau Roman etwas besser auskennen würde, was mir aufgrund der lärmenden Meute und trotz der elastischen Stöpsel jetzt leider verwehrt bleibt.

Immerhin kann man die Ohropax als Utensil für lustige Fotoaufnahmen benutzen. Man stelle sich ein Foto vor, auf dem ich, vors Fenster gekauert und mit Stöpseln in beiden Ohren, mit schmerzverzerrter Miene am Boden sitze. Im Hintergrund der Aufmarsch des Feindes. Knips. Dieses Foto existiert, es muss nur noch entwickelt werden.

Inzwischen sind die Schützen wieder abgezogen. Nachdem ich demonstrativ Fenster und Vorhänge geschlossen und ein paar Schilder rausgehängt habe („RUHE – ich muss lernen!“ - „Geht nach Hause!“ – „Ich hasse eure Musik!“ – „Ja, ich bin eine Zugezogene!“), haben sie’s wohl eingesehen und sich in ihre Häuser zurück gezogen. Aber bald schon werden sie einen Plan ausgeheckt haben, dessen bin ich gewiss, und dann strömen sie erneut aus ihren Löchern und fügen meinen Ohren eine doppelte Tortur zu...

(am 03/08/2002 bei ciao.com veröffentlicht)

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