Operation:Mindcrime - Queensryche Testbericht

Operation-mindcrime-queensryche
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Summe aller Bewertungen
  • Cover-Design:  gut
  • Klangqualität:  sehr gut

Erfahrungsbericht von emmtie

Ein meisterliches Konzept-Rockalbum

Pro:

alles :-)

Kontra:

nichts

Empfehlung:

Ja

Wie beschreibt man ein Meisterwerk, einen persönlichen All-time-Favorite?

Es gibt so einige Berichte, die ich schon seit einer Ewigkeit vor mir herschiebe, weil ich mir selbst nicht darüber klar bin, wie ich sie in eine einfache, interessante und nicht zu ausufernde Form bringe. Komischerweise sind es zum großen Teil Berichte über Musikalben. Wobei es eigentlich gar nicht so verwunderlich ist, denn die anderen Dinge über die ich hauptsächlich schreibe, seien es Bücher oder Filme, sind doch einfacher in Worte zu fassen, als der sehr sinnliche, weniger mit Fakten und Aussagen, sondern mehr mit Gefühlen, Stimmungen etc. in Verbindung zu bringende Bereich Musik. Zu den Dingen, die hier auf Halde liegen (halb fertig, grob umrissen oder nur als Gedankengebäude) gehören z.B. Berichte über Van Morrison, Schandmaul, Dream Theater oder eben Queensryche.



Die Gruppe:
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Die Band Queensryche ist mir so ca. 1984/1985 zum erstenmal aufgefallen, da sie sich in ihrem Musikstil doch etwas von den damals angesagten und von mir reichlich gehörten Rockbands unterschieden. Als erstes fällt sofort die Stimme des Sängers Geoff Tate auf. Denn er hat eine sehr hohe klare und markante Stimme. Und er konnte (und kann) im Gegensatz zu vielen damals angesagten Sängern von Rockbands wirklich singen (dies mag jetzt einigen Hardcore-Fans anderer Bands weh tun, aber so sehr ihre Musik auch mag, als Sänger würde ich z.B. Motörhead’s Lemmy nicht ungedingt bezeichnen). Der zweite wesentliche Unterschied war die Art der Musik. Sie beschränkte sich nicht nur auf einige weniger einprägsame Riffs, sondern war trotz der eindeutigen Zuordnung zum Rock sehr verwoben und mit komplizierten, aber trotzdem eingängigen Melodienbögen, Mehrstimmigkeit und Zwischenspielen gespickt. Heute gibt es einen Begriff dafür: Prog Rock (für progressive Rock). Ich kann mich nicht erinnern, dass dieser Begriff damals schon verwendet wurde, aber die heute damit bezeichnete Musik von Bands wie z.B. Dream Theater oder Spocks Beard entspricht in etwas dem, was Queensryche in Ansätzen schon damals gemacht hat. Etwas Ähnliches hatte ich vorher höchstens bei den frühen Genesis mit Peter Gabriel oder bei Pink Floyd gehört; doch diese Bands waren im Vergleich zu Queensryche weniger rockig.


Noch ein paar Fakten: Gegründet wurde Queensryche 1981, ein Jahr später brachten sie im Eigenverlag eine selbstbetitelte EP (wird heute unter dem Namen „Queen of the Ryche“ verkauft) auf dem Markt, die sich immerhin 60.000-mal verkaufte und somit das Interesse der Major Labels an der Band weckte. Nach zwei recht erfolgreichen CDs 1984 (The warning) und 1986 (Rage for order) gab es 1988 das hier im folgenden besprochene Meisterwerk „Operation Mindcrime“. Es folgen noch einige weitere gute Alben (z.B. Empire oder Promised land) und eine hervorragende Liveaufnahme von Operation Midncrime. Aber an O:M kamen diese Alben nicht heran. Doch nach dem Ausstieg des Gründungsmitglieds Chris DeGammo und dem Verlust des Major Vertrages in 1987/88 hatte ich eigentlich keine Hoffnung mehr, etwas Brauchbares von Queensryche zu hören. Das 1999er-Machwerk „Q2K“ war nett, aber auch nicht mehr. Danach war es lange still, doch in diesem Jahr (2003) hat sich Queensryche in kompletter Originalbesetzung mit „Tribe“ eindrucksvoll zurückgemeldet.
(Infos bezogen von ihrer eigenen Homepage www.queensryche.com)



Das Album:
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Operation Mindcrime ist ein sogenanntes Konzeptalbum. Dies bedeutet hier, das eine durchgängige Geschichte mit Hilfe der einzelnen Lieder erzählt wird. (Mittlerweile wird der Begriff manchmal etwas weiter gefasst und auch Alben, die sich mit einem einheitlichen Thema beschäftigen, als Konzeptalbum bezeichnet)

Erzählt wird hier die Geschichte des Jungen Nikki, der in die Fänge des demagogischen Dr.X gerät und für durch Gehirnwäsche und Drogen zur willenlosen Tötungsmaschine wird. Durch die Liebe zu Mary, einer ehemaligen Hure, die jetzt eine Nonne ist, hofft er ausbrechen zu können, doch dies gelingt ihm nicht.





1 + 2) I Remember now / Anarchy-X

Das Album beginnt mit Stimmen, Ansagen, eine Schwester betritt ein Zimmer, dann hört man ein, „I remember now“ Anarchy-X setzt diese Einleitung als eine Anfangsfanfare mit einem sehr deutlichen Schlagzeug fort. Im Hintergrund hört man einen demagogischen Redner auf einer Massenveranstaltung



3) Revolution calling you:

Hier setzt zum erstenmal die klare Stimme von Geoff Tate, dem Sänger der Band ein. Insbesondere der Refrain bleibt im „Ohr hängen“. Ein Midtempo-Song, der aber trotzdem mitreißt.

Der Text schildert die Kritik, die Dr.X an der Gesellschaft übt, und das er daher eben die im Titel genannte Revolution will. Wie bei jedem guten Demagogen werden viele Wahrheiten geschickt benutzt, die dann aber missbraucht werden, um die eigenen Ziel zu erreichen (wie man im weiteren Verlauf der Story sieht)


4) Operation: Mindcrime

Ein Telefon klingelt zweimal, man hört ein „Hello“ und die Gitarre setzt ein. Eines der genialsten Intros, das ich kenne. Im Grundrhythmus stampfend, wieder ein sehr dominantes Schlagzeug

Inhaltlich wird aus der Sicht von Dr.X beschrieben, wie er die Gehinrwäsche an Nikki durchführt und ihn mit Hilfe von Drogen abhängig und zum willenlosen Mordwerkzeug macht


5) Speak

Nun geht es relativ schnell weiter, wobei es aber nicht in Richtung Speedmetal oder in der Art der „Schnellfinger“-Gitarristen (Wer schafft die meisten Griffe in der Sekunde?) geht, sondern trotz des Tempos sauber und sehr differenziert. Was außerdem sehr positiv auffällt, ist der Wechsel der Gesangsstimme im Chorus zu einem ungewohnt tiefen und ruhigen Ton, der dadurch um so bedrohlicher klingt.

Inhalt: Der erste Mordauftrag Nikkis


6) Spreading the disease

Wieder führt uns ein geniales Schlagzeug und eine fast monotone Gitarre in den Song, es geht Midtempo weiter mit dem Zusammenspiel von Gitarre und der glasklaren Stimme von Geoff Tate. Doch am meisten beeindrucken hat mich in diesem Song in diesem Lied Bass und Schlagzeug. Dies hier mit dem üblichen Begriff Rythm section zu bezeichnen wäre eine Beleidigung und Abwertung dieser genialen Arbeit.

Inhalt: Hier wird uns Mary, eine ehemalig Nutte, die durch eine Priester „gerettet“ wurde und nun Nonne ist, vorgestellt. Doch Priester und Sister Mary arbeiten jetzt für Dr.X und sie bringt Nikki seine Drogen


7) The Mission

Es beginnt mit einer Hörspielsequenz: Ein Radio, einen Art Gebet und ein Schuß. Dann setzt die akustische Gitarre ein und einen Ballade beginnt, doch nur für wenige Sekunden. Denn dann kommt die gesamte „Stromfraktion“ hinzu und verwandelt den Song in eine Powerballade.

Inhalt: Die Gedanken von Nikki über Sister Mary, die für ihn die Hoffnung darstellt, auszubrechen, da er erste Zweifel an seiner „Mission“ hat



8) Suite Sister Mary

Wieder eine kleine Hörspielsequenz am Beginn Zitat: „Kill Mary and get the priest as well“, die Gitarre setzt fast akustisch klingend ein, gregorianische Chöre und Tate erzählt fast mehr, als er singt. So beginnen die genialsten 11 Minuten des Albums. Es ist fast eine kleine eigenständige Oper, mit ausgefallene Solis, wunderbaren Gesangsduellen mit der Gastsängerin, Chor-Parts und vielen Tempi-Wechseln. Einfach genial, das kann man nicht beschreiben, das muss man hören.

Inhalt: Nikki soll den Priester und Mary töten, beim Priester gelingt es, aber mit Mary gerät er in ein Zwiegespräch, erkennt in ihr eine gleiche Seele und verbündet sich mit ihr gegen Dr.X.


9) The Needle lies

Nach dem bombastischen Werk geht es wieder mit sehr schnellen Tönen weiter. Klare harte Töne, keine große Varianten, sondern einfach nur schnell und gut. Gerade durch den Stil-Unterschied zum Vorgänger sehr prägnant.

Inhalt: Nikki, wieder in der Gewalt von Dr.X stellt sich Fragen, in wie weit die Drogen ihn beeinflussen



10) Electric Requiem

Sehr düsteres kurzes Stück als Übergang und Vorbereitung zum nächsten Höhepunkt

Inhalt: Nikki auf der Suche nach Mary


11) Breaking the silence

Und wieder ein echter Rocksong ohne viel Drumherum. Stapfende Drums und Bass, der Refrain ist sehr eingängig. Aber im Vergleich zum Rest des Albums fällt der Song etwas ab. Wurde als Single ausgekoppelt; wahrscheinlich weil dies das „massentauglichste“ Stück der Platte ist (Was ich schon damals als Frevel empfand. Wie kann man einen Teil eines Konzeptalbums herauslösen? Aber auf der anderen Seite sind Single-Charts ein gewichtiges Verkaufsargument)

Inhalt: Scheinbar ist Nikki Dr.X entkommen, aber jetzt in Haft, Sister Mary ist tot (wahrscheinlich Selbstmord, wird aber nirgendwo deutlich gesagt)


12) I don’t believe in love

Wieder etwas ruhiger, fast wie eine Ballade, wird der Song hauptsächlich durch die Stimme Tates getragen

Inhalt: Nach dem Tod Marys stellt Nikki seine Liebe zu ihr in Frage und hält sie für einen Trugschluss und vermute sogar Verrat



13 + 14) Waiting for 22 / My Emty Room

Diese zwei kurzen ruhigen Stücke bilden einen Übergang zum großen Finale.

Inhalt: Nikki alleine in seiner Zelle/Krankenzimmer bei dem Versuch, sich darüber Klarzuwerden, was geschehen ist.



15) Eyes of a Stranger

Und noch einmal ein Bombasto-Werk, das „Suite Sister Mary“ kaum nachsteht. Tempi-Wechsel, Solos und ein Geoff Tate der noch einmal alles aus seiner Stimme herausholt. Sogar Streicher werden eingebaut. Noch ein Meisterwerk

Inhalt: Nikki erinnert sich an alles und kann nicht verstehen, zu was er geworden ist; er erkennt sich selbst nicht


Und die Platte endet wie sie beginnt, mit den Worten „I remember now“




Als Fan der Gruppe war es keine Frage, das ich das neue, vorab schon hoch gepriesene Album sofort nach dem erscheinen kaufen musste. Und danach verlies die Kassette (jawohl, damals gab es ncoh so was) meinen Rekorder für die nächsten Tage nicht mehr (mittlerweile ist es natürlich eine CD)

Zuerst hat mich natürlich die Musik fasziniert, aber gerade die erzählte Geschichte ist es wert, genauer zuzuhören. Denn was hier an Sozial- und Gesellschaftskritik verpackt ist, ist sehr nachdenkenswert. Egal ob es die Kritik an Politikern oder der Art und Weise, wie Religion vermarktet und im wahrsten Sinne des Wortes verkauft wird, betrifft, all dies ist heute noch genauso gültig wie vor 15 Jahren. Ich kenne viele, die das Album lieben, da es ein geniales Stück Musik ist, aber sich noch nie mit dem Text beschäftigt haben. Das sollte man aber auf jeden Fall tun, denn der ist es wert.

Ich könnte wahrscheinlich noch seitenweise schreiben, aber der Bericht ist eh schon viel zu lange, daher soll es das gewesen sein :-)


Fazit:
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Eines der Meisterwerke der Rockgeschichte. Sowohl musikalisch als auch inhaltlich auch nach 15 Jahren topaktuell.

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