Die schwarze Kathedrale (Taschenbuch) / Charles Palliser Testbericht

Droemer-knaur-die-schwarze-kathedrale-taschenbuch
ab 12,43
Auf yopi.de gelistet seit 06/2004

5 Sterne
(0)
4 Sterne
(3)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(1)
1 Stern
(1)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Klops

Krimi oder Milieustudie?

Pro:

in Teilen gelungen / Mordfall wirkt interessant ...

Kontra:

... die Auflösung ist dann aber mehr als enttäuschend / langatmig geschrieben / viele unnötige Passagen / sehr steifer Stil / verwirrend

Empfehlung:

Nein

Der Name Charles Palliser sagte mir bis vor kurzem rein gar nichts. Zufällig stieß ich dann auf sein 1999 erschienenes Werk „Die schwarze Kathedrale“ (Originaltital: „The Unburied“), welches vom Spiegel als „ein schaurig-schönes Krimistück altenglischer Machart“ gelobt wurde. Dieses Lob und der interessant klingende Inhalt waren dann ausschlaggebend dafür, dass ich mir das Buch für 6,95€ beim Bertelsmann Club bestellte.

„Die schwarze Kathedrale“ ist wie ein Tatsachenbericht aufgebaut. Ein gewisser Dr. Edward Courtine, seines Zeichens Historikreferent an der Universität Cambridge besucht seinen ehemaligen Freund Austin Fickling in der englischen Kleinstadt Thurchester. Courtine gab Fickling vor vielen Jahren die Schuld daran, dass seine Ehe gescheitert ist, glaubt aber, er sei bereit dazu, die Freundschaft neu aufzubauen. Außerdem befindet sich in eben dieser Stadt höchstwahrscheinlich ein Dokument, dass neue Erkenntnisse über König Alfred bringen könnte und Thurchester liegt auf dem Weg zu Courtines Nichte, bei der er das Weihnachtsfest verbringen möchte.

Mittelpunkt der Stadt Thurchester ist eine riesige Kathedrale, in der zur Zeit Umbauarbeiten stattfinden, welche kurze Zeit später einen bei lebendigem Leibe eingemauerten Toten zu Tage fördern. Courtine merkt schnell, dass in dieser Stadt scheinbar jeder etwas zu verbergen hat und auch sein Besuch bei Fickling gestaltet sich als äußerst schwierig, da dieser sich sehr merkwürdig und widersprüchlich verhält und scheinbar gar nicht auf eine Versöhnung aus ist. Als dann auch noch der reiche Mr. Stonex, ein Banker, brutal ermordet wird, versetzt dies die Bürger der Stadt in helle Aufruhr …

Palliser gestaltet sein Buch, wie schon erwähnt, zu einem Tatsachenbericht aus. Neben dem Erzähler Edward Courtine, der die 4 Tage seines Besuchs in Thurchester beschreibt, gibt es auch einen fiktiven Herausgeber namens Philip Barthram, der sich in einem Prolog und Epilog zu Wort meldet und einige Unklarheiten beseitigt oder Tatsachen deutlich macht. Den Prolog habe ich nach dem vollständigen Lesen des Buches nochmals gelesen und diesen dann erst wirklich verstanden. Vor dem Lesen der Lektüre wirkt diese Einleitung etwas verwirrend.

Die erzählte Geschichte an sich ist zwar interessant und in Teilen macht es auch wirklich Spaß den Bericht zu lesen, da Eindrücke und Gefühle in einigen Passagen sehr schön und nachvollziehbar geschildert werden. Thurchester mit seiner riesigen Kathedrale als Mittelpunkt wirkt wie aus einer anderen Welt, das sich der Moderne und neuen Erkenntnissen entzieht; immer noch steht die Kirche im Mittelpunkt, die allerdings zerstritten ist wie eh und je. Edward Courtine muss feststellen, dass Fickling, in früheren Zeiten noch strikt gegen den Glauben, inzwischen an Gott und die Erlösung glaubt, wodurch am ersten Abend eine Diskussion über Glauben und Nicht-Glauben entsteht, die im Ansatz zwar interessant ist, aber schnell eine der großen Schwächen von „Die schwarze Kathedrale“ ans Licht bringt: Palliser verliert sich extrem oft in sehr langen und teilweise komplexen Diskussionen oder Beobachtungen, die de facto nichts zur Spannung oder zum Fortbringen des Inhalt beitragen. Die Studie der Stadt mit ihren Bewohnern und Eigenheiten ist zwar durchaus gelungen, aber die Ausflüge in die Vergangenheit, die mittels Dokumenten und alten Schriften und Zitaten geschehen, sind nicht nur verwirrend, sondern langweilen nach einiger Zeit auch. Zudem entstehen neben einem Fall aus der Stadt Thurchester in der Vergangenheit (es geht hierbei um die Kirchenleute Freeth und Bugoyne) durch Courtines Suche nach dem Manuskript, das seine Theorien über den mittelalterlichen König Alfred beweisen soll und den Mord an Mr. Stonex noch zwei weitere Erzählstränge, bei denen man irgendwann zwangsläufig den Überblick verliert. Steigt man dann irgendwann durch die Namen und Ereignisse durch, muss man enttäuscht feststellen, dass alle drei nicht sehr zufrieden stellend beendet werden – gerade so als sei Palliser hier die Luft ausgegangen.

Der Mordfall an Mr. Stonex wirkt zwar recht kompliziert und ausgeklügelt, die Auflösung ist im Endeffekt aber eher Hausmannskost und liefert keine besonderen Überraschungen (zumindest hätte ich mit einem Knalleffekt gerechnet, die einfache Lösung habe ich einfach nicht gesehen). Gelungen ist hingegen die Beschreibung der verschiedenen Personen, jeder scheint etwas zu verbergen, dennoch muss Courtine sich mit jedem gut stellen, schließlich ist er ein Gast und will sein hohes Ansehen bewahren. Leider zerstört Palliser aber viel der aufgebauten Atmosphäre durch unnötige und langatmige Passagen, die seinen Roman schwer lesbar und zu unnötig schwerer Kost machen. Immer wenn man als Leser an Aufklärung oder Weiterführung der Geschichte interessiert ist, langweilt Palliser mit geschichtlichen Ergüssen oder Diskussionen, die so langatmig sind, dass es keinen Spaß macht, diese zu verfolgen, da die meisten von ihnen nichts zur Handlung beitragen, sondern eher wie ein Beitrag zur Studie der Bürger Thurchesters wirken. Hier wäre weniger sicherlich mehr gewesen.

Letztendlich konnte ich persönlich auch mit Pallisers Schreibstil in großen Teilen nicht viel anfangen. Da es sich um einen Bericht handelt, ist die Ich-Form die logische Folge. Der steife und etwas gehobene Stil Pallisers mag zwar durchaus zu einem Doktor passen, allerdings ist Palliser in großen Teilen zu ausschweifend und eben ein winziges Stückchen zu steif bzw. förmlich, sodass das Geschriebene – so lebendig es in einigen Teilen wirkt – steril und langweilig ist und man sich beinahe nach dem Ende sehnt. Durch die Ich-Form werden Gefühle naturgemäß etwas besser vermittelt und es wird Spannung erzeugt, da man logischerweise nicht weiß, was in den anderen Personen vorgeht – viel retten kann diese Tatsache jedoch nicht, da Palliser dies viel zu wenig ausspielt. Wem jedoch ein langatmiger und trockener, beinahe sachlicher Stil gefällt, der ist mit Palliser genau richtig bedient; ich für meinen Teil bleibe dann doch bei anderen Autoren, die mitreißender schreiben.

Anmerken möchte ich auch, dass der Anfang des Romans, der auf der Rückseite meiner Ausgabe abgedruckt ist, ein völlig falsches Licht auf die Geschichte wirft, da hier von einer Art wandelnden Toten die Rede ist. Zwar kann man es nach dem Lesen auch etwas anderweitig deuten, aber der unbedarfte Leser wird sicherlich überrascht sein, dass „Die schwarze Kathedrale“ mit dieser Thematik doch beinahe gar nichts am Hut hat.


Summa summarum bleibt mir nur zu sagen, dass es sich bei „Die schwarze Kathedrale“ von Charles Palliser um einen Roman handelt, den man absolut nicht gelesen haben muss. Palliser baut zwar in einigen Teilen Atmosphäre auf, zerstört diese jedoch oft postwendend und verliert sich in langatmigen Passagen, die nichts zur Handlung beitragen. Auch der sehr nüchterne und steife Stil sagt mir persönlich nicht sehr zu, sodass ich am Ende eine Wertung von 1 Stern vergebe (jedoch mit einer Tendenz zu einem zweiten Stern) – eine Empfehlung gibt es nicht.

Gruß, Stefan.

39 Bewertungen