Phil Collins Testbericht

Phil-collins
ab 7,81
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Erfahrungsbericht von LosGatos

Mister Nice Guy

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Maxi-CD! Welches Marketing-Genie hat bloß diese Bezeichnung erfunden? Ein typischer Fall von Etikettenschwindel. Maxi-CDs sind (zum Glück) auch nicht größer als normale CDs, dafür ist aber deutlich weniger drauf, meist sind es nicht mehr als drei Titel. Auch wenn der Gesamtpreis mit 5-7 Euro in der Regel niedriger liegt als bei einer normalen Audio-CD, so ist der Preis pro Titel doch weniger attraktiv.
Maxi-CDs sind die technologischen Nachfolger der guten alten Singles. Damals war es sogar umgekehrt, es war mehr drauf, als der Name vorgab. Nicht nur ein Titel, sondern A-Seite und B-Seite. Maxi-CDs und Singles ist gemein, dass sie herausgegeben wurden, um besonders gewinnversprechende Titel, die Hits, einzeln zu vermarkten. Die B-Seite der Singles war meist genauso mit Füllmasse belegt wie die Bonustitel der heutigen Maxi-CDs.

Somit ist es wenig verwunderlich, dass damals wie heute diese„Sonderprägungen“ nur einen geringen Anteil in meiner Musiksammlung ausmachen. Ich (LosGatos) lege mir so was zu, wenn es mir nicht auf den Interpreten und einen größeren Ausschnitt aus seinem Gesamtwerk, sondern auf einen einzelnen Titel ankommt, auf den ich, angeheizt durch Radio oder Fernsehen, einen plötzlichen Heißhunger verspüre, weil er mir nicht mehr aus dem Ohr geht.

So geschehen kürzlich mit Phil Collins „Can’t stop loving you“, als um die Weihnachtszeit das ZDF seine Programmvorschau mit eben diesem Titel untermalte. Das hatte gleich dreierlei Effekt: einerseits ist das versteckte Werbung für Phil Collins und seine Plattenfirma, weiter wird der Zuschauer unterschwellig positiv auf das ZDF-Programm der folgenden Tage eingestimmt und schließlich reichten jeweils ein paar Takte, um mir diesen Ohrwurm schmackhaft zu machen.

Phil Collins gehört für mich zu den stillen Stars. Obwohl er schon sehr lange als Musiker aktiv ist, hat er sich heimlich, still und leise erst nach vielen Jahren in meinen Plattenschrank geschlichen. Geboren am 30. Januar 1951 als Philip David Charles Collins in good old London, fängt er mit 12 an, Schlagzeug zu spielen. Seine musikalischen Vorbilder sind - wie könnte es zu jener Zeit auch anders sein – die Beatles. Doch sein Hauptaugenmerk gilt zunächst der Schauspielerei. Als 1971 die Gruppe „Genesis“ per Zeitungsanzeige einen Schlagzeuger sucht, beginnt seine Karriere. Zwar singt er auch im Hintergrund, doch Lead-Sänger von Genesis war bekanntlich zunächst Peter Gabriel, der sich aber 1974 von der Gruppe trennt. Nachdem sich kein geeigneter Nachfolger für Gabriel finden lässt, rückt Phil Collins in die erste Reihe und drückt der Band fortan den Stempel auf. Vielleicht nicht zur Freude aller Fans, denn Gabriel und Collins, das sind doch verschiedene Welten. Jedenfalls wird Genesis noch bekannter als vorher. Um sich nicht auf den relativen kommerziellen Sound von Genesis festzulegen, spielt Phil sogar parallel noch in einer anderen Band mit dem Namen Brand X, die mehr in Richtung Jazz orientiert ist. Ende der 70er trennt sich seine Frau von ihm, weil sie keinen Mann haben will, der ständig unterwegs ist. Grund für Phil Collins, sich erst mal zurückzuziehen und eine besinnliche Pause einzulegen. Schließlich entsteht 1981 sein erstes Soloalbum („Face Value“ u.a. mit „In the air tonight“), aber er gehört weiterhin Genesis an.

Mehr und mehr wird er zum Superstar. Aber er bleibt „Mr. Nice Guy“. So nenne ich ihn immer, weil er ruhig und bescheiden wirkt. „Mr. Nice Guy“, aber nicht „Everybody’s Darling“, letzteres hat für mich etwas Negatives, das ist jemand, der sich anbiedert und es darauf anlegt, von jedermann geliebt zu werden. Phil Collins sieht nicht aus wie ein Pop Star. Er könnte auch Verkäufer in einer Buchhandlung sein. Aber er ist auch der Typ, dem man gönnt, 500 Millionen auf dem Konto zu haben. Die Schauspielerei hatte er trotz der Singerei nie aus dem Auge verloren. So spielt er 1988 eine Hauptrolle in dem Kinofilm „Buster“, natürlich auch mit Liedern von Phil Collins. Aber es ist kein Musikfilm, sondern die Verfilmung des legendären englischen Postraubs, der im Jahre 1963 geschah und bei dem über 30 Millionen Dollar erbeutet wurden. Und es würde nicht zu Collins passen, spielte er den Anführer Biggs. Ronald „Buster“ Edwards ist der zweite Mann, der bodenständig aus dem mexikanischen Exil in seine englische Heimat zurückkehrt, statt das viele Geld wie Biggs in Brasilien zu verprassen.

In den 90ern steigt Phil schließlich ganz bei Genesis aus. Fortan ist er nur noch Phil Collins, der sich von einer Big Band begleiten lässt. Oder der sich der Schauspielerei widmet. Oder der selbst einen Film produziert, wie 1999 den Zeichentrickfilm Tarzan, zu dem er auch den Soundtrack liefert. Ein sogenanntes Multitalent.

Sehr gerne höre ich auch seine CD „Hits“, sein Best-Of-Album. Und davon am liebsten „A groovy kind of love“. Aber heute soll es „Can’t stop loving you“ sein.

Ruhiger dahin plätschernder Sound. Das ist der Auftakt. Phil Collins vermittelt resignierende Stimmung. Nun ja, es ist ein Abschiedslied. Ein Abschied für immer? Er bringt seine Liebste zum Bahnhof. Dass sie nie zurückkehren wird, nimmt er gelassen hin. Sagt er. Und ist dabei bemüht, dass man ihm das Lügen nicht ansieht. Aber er liebt sie doch...Wird sich das je ändern? Jedenfalls hat längst der Trommelwirbel eingesetzt. Der Schlagzeuger scheint zu wissen, was er einem der einstmals besten Drummer der Welt schuldig ist. Jeder hat wahrscheinlich schon einen Abschied für immer erlebt, aus welchem Grunde auch immer. Es ist sonderbar, oft werden die letzten Momente nicht mehr für Worte genutzt. Vielleicht, weil die Gedanken schon in der Zukunft weilen. Jedenfalls war es eine schweigsame Taxifahrt auf dem Weg zum Bahnhof. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Vielleicht wird sie ihre Meinung ändern und zurückkommen.

„Can’t Stop loving you“ ist von der Melodie her ein Feel-Good-Song, der mich sofort emotional gepackt hat. Keiner könnte wohl dieses Lied besser vortragen als Phil Collins in seiner angenehmen Art und mit der für ihn typischen Stimme. Dabei handelt es sich gar nicht um ein neues Lied, Billy Nicholls hat es geschrieben und Leo Sayer hat es schon lange vor Phil Collins gesungen. Also gibt es auch sehr gute Cover-Versionen. 4 Minuten und 16 Sekunden dauert diese schöne Darbietung von Gesang und Big Band, aus der vor allem das Schlagzeug herausragt, da es dem Titel den zwischenzeitlichen Drive gibt.

Ach ja, dann sind da ja noch die Bonus-Tracks. Beides Titel, die Phil Collins selbst geschrieben hat. Zunächst das ruhige „High Flying Angel“ (Dauer 4:44). Ein Lied, das man sich anhören kann, aber einen auch nicht vom Hocker haut, ein typischer B-Titel halt. Interessanter finde ich da schon den dritten Titel „Sussudio“ (Dauer 6:50). Ein Live-Mitschnitt, in dem die Big Band sich voll entfalten kann. „Sussudio“ ist zwar auch ein altbekannter Titel von Phil Collins. Allerdings wird er hier in einer reinen Instrumentalversion geboten mit vielen Jazz-Elementen, die zeitweise an Blood, Sweat & Tears erinnern. Umso verwunderlicher, dass der Titel mir gefällt, denn Jazz ist sonst nicht so mein Ding. Aber ich komm ja auch langsam in die Jahre, da wird es Zeit, ab und zu mal was Neues zu entdecken, um seine Flexibilität unter Beweis zu stellen.

Und das Cover zeigt Phil Collins wieder als Menschen wie Du und Ich, der Pullover könnte von C&A sein. Mister Nice Guy halt.



Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 7.2.2003
Veröffentlicht bei Ciao, Yopi, Talk-On und vielleicht Dooyoo

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