Philosophie Allgemein Testbericht

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Erfahrungsbericht von Indigo

Soziale Gerechtigkeit - Was ist das nun wirklich?

Pro:

Sie ist möglich

Kontra:

Sie wird so gern mißbraucht

Empfehlung:

Nein

Einführung

Allgemein gesprochen, zielt der Begriff der sozialen Gerechtigkeit auf moralische Rechte und Pflichten, die Menschen wechselseitig haben. In diesem Sinne werden hier unbedingte Gebote rechten Handelns, sozusagen soziale Pflichtmoral, verhandelt.

Im Besonderen meint der Begriff der sozialen Gerechtig-keit einen Teil der sozialen Pflichtmoral.

Es geht um moralische Rechte und Pflichten, die auf die Rege-lung zwischenmenschlicher Konflikte um Güter und Beschwerlichkeiten, Strapazen oder Lasten des sozialen Zusammenlebens zielen.

Gebote der Gerechtigkeit sind entsprechend morali-sche Richtlinien. Diese Richtlinien sind darauf projiziert, Konflikte der Menschen um die Güter und Lasten ihres sozialen Zusammenlebens auf allgemein annehmbare Weise zu regeln.

Einschränkend muß hier bedacht werden, daß nicht alle Güter und Lasten, um die es zwischen Menschen zu Konflikten kommt, zuweisungsfähig - im Sinne von sozialer Gerechtigkeit - sind. Gedacht werden soll hier an körperliche Attraktivität, Charme, Intelli-genz etc.
Diese Güter sind wohl in einem nicht uner-heblichen Teil das Ergebnis sozialen Handelns - jedoch entziehen sie sich dem Geltungsbereich von Gerechtigkeit.

Entzogen sind sie - um die Logik wieder aufzunehmen - durch die Tatsache, daß sie nicht planmäßig zugeteilt werden; sie sind nicht distributi-onsfähig. Nicht alle Güter, die distributionsfähig sind, unterliegen der sozialen Gerechtigkeit.

Hier gilt die Einschränkung, daß Rechte und Pflichten nur dann entstehen, wenn die Formen des sozialen Handelns derart sind, daß hiermit eine jeweilige Beziehung aufgenommen wird. Man könnte sagen bereichsspe-zifische Gebote, die die Allokation (Zuweisung) von Gütern und Lasten im Rahmen besonderer Arten so-zialer Beziehungen regeln.

Der zentrale Kern der Idee von sozialer Gerechtigkeit bezieht sich im Grunde als Postulat auf soziale Verteilungsgerechtigkeit.

Die Rechtfertigung von Moral - eine der zentralen Fragen zu dem Thema - wird in diesem Papier nicht entfaltet. Grob gesprochen gilt in der hier vorgetrage-nen Argumentation, daß moralische Standards ratio-nal sind, wenn sie von einem unparteilichen Standpunkt aus allgemein akzeptiert werden können, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie längerfristig für alle von Vorteil sind.

In meinem Beitrag über Wahlwerbung nehme ich ja Bezug auf den Begriff der sozialen Gerechtigkeit. Für die interessierten Leser habe ich ihn hierzu nochmal aktualisiert:

Die Bedeutung des Gerechtigkeitsbegriffs

Der Begriff der Gerechtigkeit wird auf sehr verschiedene Gegenstände angewendet. Wir finden die


Anwendung in Bezug auf Personen, auf Handlungen, auf Regeln des zwischenmenschlichen Handelns, auf Institutionen, auf soziale Verhältnisse, auf Gesell-schaftsformationen und nicht zuletzt auf internatio-nale Beziehungen. Alle Gegenstände, auf die wir den Begriff der sozialen Gerechtigkeit anwenden, sind miteinander systematisch verbunden.

Wir nennen Personen gerecht, wenn ihre Möglichkeit gerecht zu handeln als dominant erkennbar ist. Handeln wird als gerecht wahrnehmbar, wenn es Regeln folgt, die bestimmten Erfordernissen der Gerechtig-keit entsprechen. Regeln werden als gerecht wahrge-nommen, wenn aus neutraler Sicht erkennbar ist, daß der Bereich für den sie gelten, allgemein akzeptabel sind.

Dies gilt ebenso für Institutionen, weil sie Typisie-rungen und Normierungen abbilden, die sich im Pro-zeß aus einer Organisation heraus gebildet haben. Soziale Verhältnisse halten wir für gerecht, wenn sie das Ergebnis von menschlichen Handlungen sind, welche den Regeln gerechter Handlung folgen. Gesellschaften nennen wir gerecht, wenn die Ge-samtheit der das gesellschaftliche Leben bestimmenden Regeln, Institutionen und Verhält-nisse, jenen Erfordernissen entspricht, die für eben diese im Sinne der sozialen Gerechtigkeit Geltung erlangen.

Alle Gegenstände lassen sich auf handelnde Personen und die Regeln dieses Handelns zurückführen. Be-züglich des Handelns läßt sich das Postulat der formalen Gerechtigkeit erkennen. Es verlangt, daß wir andere Personen, unter gleichartigen Umständen, gleich behandeln - gleiches gleich zu behandeln. Die hier implizierte Universalisierbarkeit moralischer Urteile bedeutet, daß wir uns im Falle, daß soziale Gerechtigkeit gefordert wird, von allgemeinen Regeln leiten lassen sollen, welche reproduzierbar sind. For-mal ist diese Gerechtigkeit deswegen, da es die Regeln gerechter Handlung völlig offen läßt, und demzufolge mit jeder Vorstellung von Gerechtigkeit, unabhängig von bestimmten materiellen Vorstel-lungen, vereinbar ist.

Materiale Gerechtigkeit wird dann gedacht, wenn auf Regeln zwischenmenschlichen Handelns bezug genommen wird. Hier sind die eigentlichen Gebote gerechten Handelns vorgestellt. In den Regeln läßt sich erkennen, unter welchen Umständen Personen gleich oder ungleich behandelt werden. Neben den Umständen lassen sich die Art und Weise näher bestimmen; gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Der Anwendungsbereich - wie beispielsweise in unserem Exempel - ist sehr begrenzt. Dieses Manko wird man in den meisten Forderungen oder Vorstel-lungen materialer Gerechtigkeit finden. Man kommt nicht umhin weitere Unterteilungen vorzunehmen.

Soziales Handeln läßt sich in vier Elementarformen differenzieren. Für diese Differenzierungen gelten wiederum bestimmte Gerechtigkeitsvorstellungen materialer Art. Koller unterscheidet die Elementar-formen sozialen Handelns in:

 Austauschbeziehungen
 Gemeinschaftsbeziehungen
 Herrschaftsbeziehungen
 Korrektive Gerechtigkeit

Für Austauschbeziehungen - 'give-and-take' Situa-tion - gelten Vorstellungen der Tauschgerechtigkeit. Für Gemeinschaftsbeziehungen - gemeinsamer An-spruch/Pflicht auf Güter bzw. Lasten - gelten Vor-stellungen der Verteilungsgerechtigkeit. Für Herrschaftsbeziehungen - einige Personen haben Ermächtigung für andere verbindliche Entscheidun-gen zu treffen - gelten die Vorstellungen von politischer Gerechtigkeit. Für die korrektive Gerechtigkeit gilt, daß sie sich unterteilt in restitu-tive und retributive Gerechtigkeit. Es besteht die Berechtigung, Unrecht durch Wiedergutmachung oder Bestrafung zu korrigieren.

Bezüglich der Tauschgerechtigkeit ist historisch eine Veränderung eingetreten. An die Stelle des Äquiva-lents Zeit ist mehr und mehr die Vorstellung von fairer Marktbeziehung getreten.

Faire Marktbedingungen sind dann gegeben, wenn es keine Monopolstellung gibt, die Tauschpartner gleichberechtigt und die Voraussetzungen durch Eigentumsrechte charakterisiert werden können. Weiterhin soll der Tausch für beide von Vorteil sein. Diese Bedingungen sind als Ideal des perfekten Marktes benannt.

Derweil die Tauschgerechtigkeit in Anspruch nimmt, daß die Beteiligten über bestimmte Güter selbständig verfügen können, hat die Verteilungs-gerechtigkeit die Funktion, den Anspruch auf bestimmte Güter, oder die Verbindlichkeit durch Lasten, qua der Tatsache, daß es sich um ein Gemein-schaftsverhältnis handelt, zu regeln. Gemeinhin kann unterschieden werden zwischen Besitzgemeinschaft, Kooperationsgemeinschaft und Solidaritäts-gemeinschaft.

In dem Moment, wo Güter oder Lasten aus der Gemeinschaft resultieren, ist das Problem der Verteilungsgerechtigkeit konstituiert. Ungleiche Verteilung ist nur dann zu dulden, wenn sie allgemein einsehbare Gründe bedient. Praktisch könnte dies legitimiert sein, durch Beiträge, Leistungen oder Verdienste aber auch durch ungleiche Bedürfnisse oder erworbener Rechte.

Logisch, aber auch zeitlich nimmt die Verteilungs-gerechtigkeit einen vorgeschalteten Punkt gegenüber der Tauschgerechtigkeit ein. Es ist nicht so, als würde durch Tauschgerechtigkeit die Verteilungsgerechtig-keit erklärbar sein. Tauschgerechtigkeit kann nur dann wahrgenommen werden, wenn die Anfangsver-teilung gerecht ist.

Jetzt wird es möglich Rawls Aussage als plausibel aufzunehmen. Soziale Gerechtigkeit meint die Gesamtheit aller jener Forderungen der Gerechtigkeit, die auf die institutionelle Ordnung und die grundle-genden sozialen Verhältnisse ganzer Gesellschaften bezug nimmt.

Daß die Verteilungsgerechtigkeit in den Diskussionen einen so zentralen Platz einnimmt, läßt sich schluß-folgern, weil in ihr die Priorität sozialer Gerechtigkeit verankert ist. Distributionsgerechtigkeit bestimmt die anfänglichen Bestände von Rechten und Pflichten der sozialen Akteure. Gerechte Verteilung sozialer Güter und Lasten ist Voraussetzung für gerechte Tausch-beziehungen und Vorbedingung politischer als auch korrektiver Gerechtigkeit.

Einige Standards der hier vorgestellten Bedeutungs-gehalte, werden - bei noch mehr Widerspruch und jeweiligen eigenen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit - in pluralistischen Gesellschaften auf Akzeptanz stoßen und als Grundauffassung sozialer Gerechtigkeit gelten können.


Distributive Gerechtigkeit

Im Folgenden wird versucht, das wichtigste Element sozialer Gerechtigkeit - Distributive Gerechtigkeit - in verschiedenen Perspektiven aufzunehmen und zu diskutieren. Zunächst wird die liberalistische Idee zu der distributiven Gerechtigkeit skizziert. Wohl der exponierteste Vertreter dieser Richtung ist F.A. von Hayek. Er bestreitet, daß die Forderung nach Vertei-lungsgerechtigkeit überhaupt auf große Gesell-schaften Anwendung finden kann. Hayek sieht die Forderung nur dann als sinnvoll an, wenn die Gesell-schaften organisierte Gemeinschaften sind, deren Mitglieder an einem Ziel orientiert sind und die eine zentrale Instanz besitzen, die für die Verteilung von Gütern und Lasten zuständig ist. Große Gesell-schaften haben nach seiner Ansicht diese Merkmale nicht. Große Gesellschaften stellen für Hayek eine spontane Ordnung dar, welche sich ungeplant bestimmt. Jeder geht seinen Geschäften im Rahmen von allgemeinen und unpersönlichen Verhaltens-regeln nach, die wiederum Grenzen bilden. Gäbe es die zentrale Instanz, die eine Verteilung vornimmt, würden die Quellen des gesellschaftlichen Fort-schritts vertrocknen.

Hayek nimmt hier lediglich Bezug auf wirtschaftliche Güter. Es scheint so, als könne er nicht sehen, daß bürgerliche Rechte, die Freiheit und die soziale Posi-tion, durchaus konfliktär sein können und im weite-sten Sinne distributiven Charakter haben. Seine Vorannahme - jeder geht seinen Geschäften nach ... - basiert auf Vorstellungen von sozialer Verteilungsge-rechtigkeit, die wiederum auf dem Prinzip der Gleichheit aufbaut. Weiterhin ist kritisch anzumer-ken, daß einzelne Gesellschaftsmitglieder wohl lediglich durch allgemeine und unpersönliche Verhaltensregeln beschränkt und trotzdem in den Folgen ihres Tuns prognostizierbar sind.

Die Nicht-Vorhersehbarkeit, die Hayek annimmt, ist durch wissenschaftliches Instrumentarium widerleg-bar. Man muß nicht das Verhalten EINZELNER wis-sen, um für große Mengen von sozialen Akteuren Vorhersagen zu tätigen. Lediglich die Rahmenbedin-gungen des Handelns müssen bestimmbar sein. Durch die Änderung der Rahmenbedingungen sind die Handlungen EINZELNER veränderbar. Hayeks Argument ist jedoch noch nicht ausgeräumt. Es stellt sich die Frage - lassen sich moderne Gesellschaften als eine Gemeinschaft verstehen - um so mehr. Diese Frage ist nicht eine, die durch empirische Fakten beantwortet werden kann.

Wenn wir davon ausgehen, daß Gesellschaften funk-tional in hohem Maße ausdifferenziert, staatlich organisierte soziale Systeme sind, in dem fast jeder Lebensbereich von wieder anderen Bereichen abhän-gig ist und der Staat die Steuerungsfunktion aufnimmt, können wir John Rawls Idee gewähren lassen. Rawls versteht Gesellschaft als Unternehmen der Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zu wechsel-seitigem Vorteil, gleichermaßen von Interesseniden-tität und Interessenkonflikt.

Interessenidentität und Interessenkonflikt wird als ein gleichzeitig vorkommendes Phänomen verstanden. Die Identität stellt sich schon in der Entscheidung des Zusammenarbeitens ein. Dies kann man voraussetzen, denn die Zusammenarbeit ermöglicht jedem ein ‘leichteres’, ‘besseres’ Leben. Kein Einzelner wäre in der Lage, die Anzahl und die Art von vielfältigen Gütern so zu produzieren, wie es Vielen möglich ist. In der Verteilung der gesellschaftlich hergestellten Güter (Kooperationserträge) vergegenständigt sich der Konflikt. Vermutlich wollen die meisten Men-schen lieber mehr als weniger an Gütern. Die Vermittlung der gegensätzlichen Verteilungs-interessen wird durch Normen und Ver-fahren organisiert. Über Normen und Verfahren werden die Anspruchskonkurrenzen entschieden. Es geht somit um die Frage: Wie kann man sicher stel-len, daß die Prinzipien der Verfahren und Normen gerecht sind? Und selbst wenn diese Frage leicht zu beantworten wäre, baut sich unmittelbar eine zweite Frage auf: Kann man überhaupt davon ausgehen, daß Gerechtigkeit ein Bedürfnis der Menschen ist?

Die letzte Fragestellung wird bei Rawls durch zwei Begründungskategorien erklärt und geklärt. Wären die natürlichen Ressourcen 'riesengroß' bzw. 'kolossal', gäbe es kein Grund sie gesellschaftlich oder kooperativ zu vermehren. Schlußendlich würde kein Verteilungskonflikt existieren. Hätten die Menschen nicht verschiedene Lebensentwürfe - individuelle Vorlieben negativer und positiver Art - könnte die Verteilung naturwüchsig organisiert sein. Weil beide Kategorien Ideale abbilden, erscheint es jedoch viel schwerwiegender; individuelle Handlungen zu nor-mieren oder aber persönliche Charaktere zu prägen. In einer gesellschaftlichen Verfaßtheit, die auf Indi-vidualität abhebt, muß jede Vorstellung auf die Grundstruktur der Gesellschaft abzielen, sofern sie auf Gerechtigkeit abzielt.

Was jeder einzelne sich unter Glück vorstellt, kann nicht verordnet werden. Als Grundstruktur können fundamental politische, ökonomische und soziale Institutionen gelten. Es geht somit nicht darum, Glück oder Privilegien einzelner zu favorisieren, son-dern Gerechtigkeit als die Kategorie mit der absolu-ten Präferenz anzuerkennen.

Für den hier gewählten Zusammenhang wichtig: Rawls geht also davon aus, daß wir vorteilhafte Kooperationen bilden. Logisch läßt sich mit Rawls argumentieren, daß schlußendlich, durch kooperative, arbeitsteilige Anstrengungen die Ergebnisse der Aktivitäten ALLEN geschuldet sind. Demgemäß haben auch alle einen gerechten Anspruch auf einen Anteil.

In der vorgeschlagenen Perspektive - moderne Gesellschaft: traditionelle Formationen lösen sich auf oder gruppieren sich um - reicht die Kategorie der Kooperation jedoch nicht aus. Dies wurde bereits in dem Abschnitt 'die Bedeutung des Gerechtigkeitsbe-griffs' dargestellt. Vermutlich vereinen sich in moder-nen Gesellschaften die Kategorien von Besitzgemeinschaft, Kooperationsgemeinschaft und Solidaritätsgemeinschaft.
Die Konklusion - der Gesellschaft ist die Aufgabe zugeteilt, durch institu-tionelle Ordnung distributive Gerechtigkeit in Anschlag zu bringen und die Vorbedingung, daß sich die Gesellschaft als Gemeinschaft wahrnimmt und dementsprechend Mitverantwortung akzeptiert - läßt das Postulat distributiver Gerechtigkeit, unterlegt mit dem Prinzip der Gleichbehandlung, zu. Das Postulat ist vorerst, daß alle Mitglieder einer Gesellschaft gleiche Anteile an sozialen Gütern und Lasten haben. Eingeschränkt wird diese Gleichheit durch allgemein annehmbare Gründe eine ungleiche Verteilung vor-zunehmen.

Die Gründe ergeben sich aus bestimmten Rechten von Personen, die Berücksichtigung verschiedener Beiträge und Leistungen und die jeweiligen speziel-len Bedürfnisse von Menschen.

Mit diesem Postulat ist eine weitgehende Überein-kunft beschrieben und ein Ort markiert, von dem aus präzisere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit entwickelt werden können. Eine Frage, die sich unmittelbar stellt, ist die nach der Bestimmung von Art und Weise der Güter, die als Verteilungsfähigkeit gelten. Neben der Verteilungsfähigkeit reift die Frage nach der Art von Verteilung.

Gerechte Verteilung sozialer Güter

Wie schon weiter oben beschrieben wurde, entstehen soziale Güter in Kooperation, weil dies für alle von Vorteil ist. Die Konflikte ergeben sich auf der Distri-butionsebene. Jedoch auch in der Erwirkung von sozialen Gütern stecken Kosten, Lasten oder Verbindlichkeiten, die verteilt werden müssen. Die Kosten, Lasten oder Verbindlichkeiten bedeuten in aller Regel Beschränkungen und/oder bestimmte Leistungen. In institutioneller Gestalt stellen sich diese Beschränkungen und/oder bestimmte Leistun-gen als Rechte und Pflichten dar. Hiermit werden Handlungsmöglichkeiten erschlossen oder verstellt. Diese Restriktive muß mit der Frage abgewogen werden, welche Vorteile es für die Mitglieder einer Gesellschaft ermöglicht.

Rawls macht den Vorschlag, soziale Grundgüter zu benennen. Er bezieht sich auf Gesellschaften und deren Mitglieder, die in liberalen und demokratischen Gesellschaften leben. Die Begründung findet er in dem Eigennutz eines jeden "vernünftigen Menschen" - bei allen Unterschieden und Diversifikationen. Die von Rawls angenommenen Vorbedingungen - Gel-tungsbereich von liberalen und demokratischen Gesellschaften - ist so etwas wie vorauseilender Gehorsam.
Natürlich sind soziale Güter gesellschaftlich auch dem Zufall unterstellt und historisch veränderbar - und trotzdem wird man Gründe annehmen können, daß es unabhängige Gründe für soziale Güter gibt.
Michael Walzers Kritik verstellt den Blick hierfür, wenn er behauptet, daß soziale Güter im Grunde erst über gesellschaftliche Konsensbildung ihre Bedeu-tung erhalten. Mit ihm kann man sagen: wäre es so wie Rawls annimmt, dann würde von Prinzip her keine Auseinandersetzung um soziale Güter stattfin-den können. Doch die Einschränkung folgt auf dem Fuße. Walzer spricht von Schlüsselgütern. Als solche werden Sicherheit und Wohlfahrt, Geld und Waren, Ämter, harte Arbeit, Freizeit, Erziehung und Bildung, Verwandtschaft und Liebe, göttliche Gnade, soziale Anerkennung und politische Macht diskutiert.

Man kann nun wieder Gemeinsamkeiten mit Rawls erkennen und die Frage, welche Kriterien haben wir, um von sozialen Gütern zu sprechen, stellt sich neu. Aus diesem Disput kann eine erhellender Blick gewonnen werden. Offensichtlich müssen soziale Güter einen hohen Rang für die meisten (aller) Mitglieder einer Gesellschaft haben. Der hohe Rang muß sicherstellen, daß kein anders Gut eben diesen Rang dominiert. Weiterhin müssen die sozialen Güter eine Exklusivität besitzen. Anders formuliert: sie müssen die Eigenschaft besitzen, nicht substituierbar zu sein. Geld bzw. das Einkommen von Geld, als distributionsfähiges soziales Gut - solange es seinen Wert hat - kann nicht durch Nahrungsmittel substitu-iert werden. Wenn Geld jedoch seinen Wert verliert muß Nahrungsmitteln der Charakter eines sozialen Gutes (dementsprechend einer organisierten Verteilung zugeführt) zugesprochen werden.

Wir sehen, daß soziale Güter verschiedene Formen annehmen können und doch aus einem Grundbedürf-nis der Menschen entspringen.

Unter dieser Prämisse kann man für heute formulie-ren, daß allgemeine Rechte der Bürger, gesellschaft-liche Freiheiten, politische Rechte, soziale Positionen und Chancen als auch wirtschaftliche Güter den Cha-rakter von sozialen Gütern haben.

Unter allgemeinen Rechten wird verstanden, daß jeder qua der Mitgliedschaft zu einer Gesellschaft, diese besitzt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist zu erinnern, daß diese distributionsfähigen Güter dem Prinzip der Gleichheit unterstellt sind, wenngleich Ungleichheiten akzeptiert sind. Ungleiche Verteilung ist - wie schon erwähnt - dann zu dulden, wenn sie allgemein einsehbare Gründe bedient. Allgemein ein-sehbare Gründe, die sich argumentieren mit bestimmten Beiträgen, Leistungen oder Verdiensten - aber auch durch ungleiche Bedürfnisse oder erworbe-ner Rechte. Solche Gründe kann es jedoch nicht geben, wenn man die Annahme voraussetzt, daß alle Mitglieder einer Gesellschaft bei Geburt grundsätz-lich gleichberechtigt sind.

Die Ungleichverteilung allgemeiner Rechte ist erreichbar, wenn den allgemeinen Rechten Bedin-gungssätze anhaften. Als Beispiel kann die Einschränkung des Wahlrechts gelten. Hier muß ein bestimmtes Alter erreicht sein, um von diesem Recht Gebrauch machen zu können. Soziale Differenzie-rungen sind bei guten Gründen in der Verteilung all-gemeiner Rechte in der Weise zu berücksichtigen, daß sie besondere Rechte entstehen lassen.

Die gesellschaftlichen Freiheiten erklärt sich schon allein durch die Begrifflichkeit und meint nicht ande-res, als die Freiheit, welche durch institutionelle Ord-nung reserviert ist. Die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Freiheiten ergeben sich aus den allgemeinen Rechten.
Diese allgemeinen Rechte lassen für jeweils Einzelne besondere Rechte entstehen - geben Bestimmungen vor - und implizieren besondere Pflichten ANDERER eben diese Rechte zu akzeptieren. Durch das Grund-bedürfnis größtmögliche Freiheit zu beanspruchen, ist die institutionelle Ordnung einem permanenten Anspruch ausgesetzt und die Begründung nach ungleicher Verteilung von gesellschaftlichen Freiheiten sollte ausschließlich durch allgemein annehmbare Gründe möglich sein.

Grundsätzlich sind ungleiche Verteilungen möglich. Logisch möglich sind diese schon deswegen, weil sich gesellschaftlichen Freiheiten als besondere Rechte ausweisen und dementsprechend vermittelt aus allgemeinen Rechten entstandene sind. Praktisch sind ungleiche Verteilung kaum zu denken. Denkbar sind sie lediglich bei zu Freiheit nicht fähigen Menschen oder Menschen, die den Anspruch durch Verletzung von Rechten ANDERER verwirkt haben.

Die politischen Rechte sind Rechte auf Partizipation öffentlicher Belange. Die Partizipation umfaßt Meinungsbildung, als auch den Bereich von Entscheidung und Verfahrensweisen. Eine ungleiche Verteilung ist wohl grundsätzlich denkbar, aber praktisch nicht vorstellbar. Eingeschränkt kann die gleiche Verteilung sein, durch die allgemeinen bzw. die besonderen Rechte.

Soziale Positionen charakterisieren sich durch Auto-rität, Macht, Einfluß und Prestige etc.. Soziale Chancen und soziale Positionen sind verteilungsfähig, weil sie sich aus dem Zusammen-wirken - Kooperationen - ergeben. Die ungleiche Verteilung dieser Güter ist geradezu logisch. Größere gesellschaftliche Formationen verlangen in ihrer Organisiertheit ein relatives Ausmaß an bestimmter - eben an Position gekoppelter - Entscheidungsbefug-nis. Den Inhabern dieser Befugnisse haftet ein Prestige an, welches wiederum ungleiche Einkommen etc. nach sich zieht. Die Tatsache, daß sich Entschei-dungsbefugnisse ergeben, läßt sich schon allein aus der Tatsache einer arbeitsteiligen Kooperation schlußfolgern.

Die arbeitsteilige Produktion wiederum ermöglicht die Entfaltung bestimmter qualitativer Kompetenzen, die sich von anderen abheben. Es macht eben Sinn, soziale Akteure mit bestimmten Kompetenzen in be-stimmte Sphären von Entscheidungsbereiche vorzu-lassen. Diese Fähigkeit des Gewährenlassens ist wenigstens für alle von Vorteil. Sichergestellt muß allerdings sein, daß die erzielten Mehrprodukte nicht ausschließlich den Bevorzugten vorbehalten sind. Die ungleiche Verteilung legitimiert sich ausschließlich darüber, daß mindestens mittel- und langfristig auch Akteure, welche schlechter gestellt sind, Nutzen dar-aus ziehen können. Aufrechterhalten ist der Grund-satz, daß immer alle - gemäß ihrer Möglichkeiten bezogen auf Leistungen und Fähigkeiten - die glei-chen Potentiale zugestanden bekommen müssen, Zugang zu den bevorzugten sozialen Positionen zu finden.

Bei Rawls wird dies als Differenzprinzip und Prinzip der fairen Chancengleichheit vorgestellt.

Wirtschaftliche Güter setzen Produktionsmittel und Konsumgüter in der jeweiligen Verfügungsgewalt voraus. Wirtschaftliche Güter sind die Grundlage materiellen Überlebens und Wohlbefindens. Die Verfügungsgewalt ergibt sich in Folge allgemeiner Rechte. Die besonderen Rechte - hier die bevorzugte Verfügungsgewalt - läßt Ungleichheit entstehen, die solange als gerecht angenommen werden kann, so-lange nicht allgemein annehmbare Gründe dagegen sprechen. In modernen Gesellschaften kann man davon ausgehen, daß allen wirtschaftlichen Gütern mehr oder weniger der Charakter sozialer Güter anhaftet.

Die systematische Folge von Ungleichheit durch die private Verfügungsgewalt über Produktionsmittel und Konsumgüter ist erst dann akzeptabel, wenn ange-nommen werden kann, daß hierdurch langfristig wirt-schaftlicher Wettbewerb und demzufolge Vorteile für ALLE entstehen.

Ein Vorteil ergibt sich, – spätestens, wenn die Gesell-schaft sich als Solidaritätsgemeinschaft verfaßt - weil es durch die private Verfügungsgewalt und die hier-aus resultierenden Ungleichheiten möglich geworden ist, Basisbedürfnisse der Bedürftigen mit Sicherheit zu beantworten.

47 Bewertungen, 9 Kommentare

  • katze35

    03.09.2002, 14:49 Uhr von katze35
    Bewertung: sehr hilfreich

    Soziale Gerechtigkeit ist es, wenn sich Politiker mit Bonusmeilen die dienstlich erflogen wurden, einen schicken Urlaub gönnen und meine Fahrt zur Arbeit (täglich 40 km einfache Strecke) von Jahr zu Jahr teurer wird, bis ich mir meine Arbeit nich

  • Volker111

    28.08.2002, 21:15 Uhr von Volker111
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr idealistisch, die Ungleichheit hat mehr denn je zugenommen, auch die soziale Gerechtigkeit hat mehr denn je abgenommen. Respekt für die Ausführungen hier auf einer Verbraucherplattform.

  • Archmage

    06.06.2002, 21:30 Uhr von Archmage
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ist zwar gut Strukturiert, aber nach 4 mal überfliegen (mit immer mehr lesen) und 2 mal komplett lesen hab ich erst die Hälfte kapiert. Gehts auch etwas kürzer?

  • Ingwer

    30.05.2002, 02:26 Uhr von Ingwer
    Bewertung: sehr hilfreich

    ein wenig prägnanter und weniger weitschweifig könnte nicht schaden- ansonsten: Toller Bericht!!!

  • Andreas68

    30.05.2002, 00:18 Uhr von Andreas68
    Bewertung: sehr hilfreich

    Als "Wettbewerb" (es geht nicht um sportliche Leistungen!) verniedlichte hemmungslose, nicht gesetzlich verfasste Konkurrenz dient niemandem, außer denen, die den Scheinwettbewerb zulassen, weil sich die Besitztümer insbes. an Produkti

  • kenam

    28.05.2002, 11:21 Uhr von kenam
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Aussagewiederholungen zu vermeiden, wo sie vermeidbar sind, erhöht deutlich den Aufmerksamkeitskoeffizienten der geneigten Leserschaft... ;-)

  • martinius

    27.05.2002, 12:49 Uhr von martinius
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schwerer Stoff!!

  • Gernot2000

    27.05.2002, 12:48 Uhr von Gernot2000
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr guter und ausführlicher Bericht. Mach nur so weiter. LG Gernot

  • grashopper

    27.05.2002, 12:45 Uhr von grashopper
    Bewertung: sehr hilfreich

    SO wird dieser Begriff nicht zum leeren Schlagwort. Ob das allerdings die Adressaten im Kopf haben, an die man sich mit diesem Begriff gewandt hat ? Ist es nicht so: "Mir gehts so schlecht, warum geht's den anderen so gut ?" Wird die Frage &