Piper-Heidsieck Cuvée Brut Testbericht

Ich bin kein ausgesprochener Fan von Schaumweinen; regelmäßig konsumiere ich sie schon gar nicht. Ich habe aber auch nichts grundsätzlich einzuwenden gegen Prosecco, Champagner, Cremant, Sekt und wie sie alle heißen.

Mit dem Asti Spumante habe ich bereits an anderer Stelle abgerechnet – so muss man das wohl nennen, denn dieses Gesöff ist nun gar nicht nach meinem Geschmack. Ich mag’s eher trocken – obwohl mein Magen und ich bezüglich der Frage, was denn das Beste für uns beide sei, durchaus nicht immer der gleichen Meinung sind. Prickelt und perlt’s gar zu sauer im Glas, reagiert er zuweilen mit Sodbrennen. Allein deshalb schon beschränkt sich das Prickeln und Perlen meist auf vergleichsweise wenige Anlässe im Jahr.

Einen davon, den letzten im Jahr 2006, servierte das alte Jahr neulich ja quasi auf dem silbernen Tablett. In der Silvesternacht lässt man traditionsgemäß nicht nur die Kronkorken gern knallen. Ich habe mich trotzdem an Bier gehalten – an ziemlich genau eines, und zwar eines der Marke „Bit Passion“, mit der ich ebenfalls bereits abgerechnet und abgeschlossen habe. Dem Kauf jeglichen Schaumweins hatte ich mich übrigens auch verweigert, da ich die Preissteigerungen der letzten Jahre als ähnlich angenehm empfinde wie Sodbrennen. 30 Schleifen und mehr für eine Flasche aus dem Keller von Witwe Clicquot bin ich nicht bereit zu zahlen; Bollinger, den ich auch sehr gern mag, ist meist sogar noch teurer.

Aber, wie gesagt: Ich muss das Zeug auch nicht unbedingt haben. Ich finde, Moët & Chandon stellen einen wirklich trinkbaren Sekt her, auch Mumm muss nicht, darf aber manchmal gern sein. Den Sekt von Rotkäppchen halte ich für besser als seinen Ruf, und gegen Freixenet habe ich auch nichts.

Am zurückliegenden Neujahrsmorgen hatte ich dann Gelegenheit, Bekanntschaft mit Champagner der Marke Piper Heidsieck zu schließen. Den hatte ich, wie gesagt, nicht selbst gekauft, sondern von lieben Mitmenschen angeboten bekommen. Allerdings bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob die lieben Anbieter ihre Bouteille ihre Bouteille selbst gekauft hatten. Ich vermute fast, es handelte sich bei der 0,7l-Flasche um ein Geschenk. Und ich vermute ferner, dass das nicht erst seit gestern in der Speisekammer gestanden hatte, sondern schon eine Weile dort zugebracht hatte.

Wahrlich, es ist viel Aberglaube und Irrtum in der Welt. Zum Beispiel glauben viele Menschen, sie müssten Champagner aufbewahren, bis sich Großes in ihrem Leben tut. Im Leben mancher Menschen ist die Silvesternacht ein solches Highlight, andere sind ganz konsequent und nutzen das vermeintlich edle Stöffchen lediglich zu Dekorationszwecken. Ich sage bewusst „vermeintlich“. Denn leider, leider hält sich auch ein weiterer Irrglaube hartnäckig. Es ist dies der Glaube, die Zeit könne Champagner nichts anhaben. Manche Menschen lagern deshalb Champagner über Zeiträume ein, in denen selbst Wasser faulig wird. Und nun mag man mich snobistisch schimpfen, aber ich halte nichts, aber auch rein gar nichts davon, alkoholische Getränke so zu lagern, als stünde die Prohibition kurz bevor.

Manchen Schaumweinen mögen lange Lagerzeiten ja durchaus bekommen, ich denke aber, das sind wirklich die wenigsten. Wenn ich eine Flasche Champagner geschenkt bekomme, suche ich mir jedenfalls möglichst bald einen Anlass, die Bouteille zu köpfen. Und glaubt mir, liebe Leute, den finde ich spielend.

Beispiele? Bitte sehr, gern!

Anlässe und Ereignisse, die das Köpfen einer Flasche Champagner rechtfertigen können

1. Zur Abwechslung regnet es gerade mal ein Stündchen nicht.
2. Es regnet gerade mal wieder.
3. Der Himmel ist uns auch letzte Nacht nicht auf den Kopf gefallen
4. 100 Stunden James Bond (gemeint ist nicht das Alter der Reihe, sondern die durchschnittliche gemeinsame Sendezeit, die die dritten Programme der ARD an einem Feiertags-Wochenende auf die Ausstrahlung von 007-Leinwandabenteuern verwenden).
5. Zusammenfallen von Feierabend und Wochenendbeginn
6. Weltnasenbohrertag
7. Die Entdeckung einer neuen Sicherheitslücke in „Windows“
8. 3000 Jahre „Lindenstraße“ (gefühlt)
9. Sonnenaufgang (findet auch jetzt gerade in diesem Moment statt!)
10. Sonnenuntergang (auch!)

Das Gleiche gilt übrigens für Whisky (nein, der Inhalt der Flasche wird wirklich nicht besser – warum auch?) und, von ein paar Ausnahmen abgesehen, für so gut wie jedes andere Getränk: Weg damit – besser heute als morgen!

Je nun. Es war also 0.00, und ich habe mir einschenken lassen. Und weil einschenken mit schenken zu tun hat, gilt für Champagner, was für Gäule gilt: Augen zu und durch. Irgendwann war das Glas dann leer, und weil auch die Flasche leer war und es keine zweite gab, bekam ich auch kein zweites Glas angeboten. Ich gestehe, dass ich darüber nicht böse bin. „Piper“ war für mich bis neulich eine Firma, die Flugzeuge baut – und das wird sie auch in Zukunft sein; und Heidsieck kann ich mir, glaube ich, auch schenken.

Ich bin mir nicht 100%ig sicher, ob das Glas, das ich erwischt habe, einfach gekorkt hat – oder ob es sich bei dem, was mir da auf der Zunge herumtanzte, um die natürliche Note des Champagners gehandelt hat. Wie dem auch sei. Wenn’s nach mir geht, dann darf’s ruhig in die Vollen gehen – ob Silvester ist oder nicht. Lieber über die Verhältnisse leben und heute eine Kiste Bollinger köpfen, als morgen, übermorgen oder am Tag danach, wenn irgendwo Piper Heidsieck im Sonderangebot ist, ein Fläschchen kaufen und darauf warten, dass … (hier ausblenden).


R e s ü m e e

Wenn schon, denn schon: Für mich bitte Bollinger oder Veuve Clicquot. Die Piper Heidsieck-Kostprobe hat mich nicht überzeugt. Falls ein Angehöriger der betreffenden Kellerei dies liest und meint, ich täte dem Erzeugnis unrecht, weil ich ggf. ein Flasche erwischt habe, die korkte: Ich lasse mich gern überzeugen; meine Lieferadresse gibt’s auf Anfrage.