Prora Testbericht

Prora
ab 9,56
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Erfahrungsbericht von Comte_de_Flandre

Dein Urlaub 1939, Volksgenosse

Pro:

Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts live

Kontra:

Museen nicht behindertengerecht

Empfehlung:

Ja

Mit der Insel Rügen verbindet man hauptsächlich Sehenswürdigkeiten wie die Kreidefelsen, Kap Arkona oder das Jagdschloss Granitz. Ebenso sind die Namen der Städte Sassnitz, Bergen oder Putbus sehr vielen geläufig, auch wenn man nicht gerade zu den Stammsehern der Fernsehserie \'Ein Bayer auf Rügen\' gehörte.

Weniger allerdings assoziiert man mit Rügen den Ort Prora im Osten der Insel zwischen Sassnitz und Binz, auf der Schmalen Heide am Prorer Wiek gelegen. Hier befindet sich eine der - neben dem \"Reichsparteitagsgelände\" in Nürnberg - größten architektonischen Hinterlassenschaften der Nazizeit: das KdF-Seebad der Zwanzigtausend.


Hier mein Bericht:


Die Geschichte Proras
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Nach ihrer Machtübernahme 1933 reichte den Nazis schon bald die so genannte Gleichschaltung der Bevölkerung am Arbeitsplatz nicht mehr. Die Kontrolle der Bevölkerung durch das Regime sollte auch auf den Freizeitbereich ausgedehnt werden.

Zu diesem Zweck wurde Ende 1933 die Freizeitorganisation \'Kraft durch Freude\' - im Folgenden KdF genannt - gegründet. Neben größtmöglicher Kontrolle verfolgte Hitler noch zwei weitere Ziele mit der Gründung von KdF: zum einen sollten die Arbeiter, deren Organisationen wie Gewerkschaften oder Parteien gleich zu Beginn der Nazizeit zerschlagen wurden, durch Neuerungen wie preiswerte Urlaubsreisen und bezahlten Urlaub für das Regime gewonnen werden und zum anderen erhoffte sich Hitler durch diese Urlaubsmaßnahmen eine längere Lebensarbeitszeit verbunden mit einer besseren Kondition und Fitness der Bevölkerung für die geplanten Kriegsmaßnahmen.

Diese Vorstellungen und Ziele Hitlers mündeten dann u.a. in einem Bauwerk, welches in beeindruckender Art und Weise den absurden Größenwahn der Nationalsozialisten widerspiegelt. Es sollte auf der Insel Rügen in Prora ein neues Seebad entstehen: ein 4,5 km langer Gebäudekomplex, bestehend aus 8 sechsgeschossigen Bettenhäusern à 500 m Länge mit insgesamt 20.000 Betten, leicht gebogen dem Strandverlauf angepasst. In der Mitte der Anlage waren eine Festhalle mit Platz für rd. 20.000 Personen, ein Wellenbad und Anlegestellen für Hochseeschiffe geplant. Des Weiteren waren für die Anlage Parkhäuser, Schulen, ein eigenes Kraft- und Wasserwerk sowie ein Krankenhaus vorgesehen. Angeblich sollte sogar der Bau einer U-Bahn in Erwägung gezogen worden sein.

Sämtliche 10.000 Zimmer des Komplexes sollten zum Meer hin ausgerichtet sein. Auf gerade einmal 12,5 m² waren für jedes Zimmer zwei Betten, eine Sitzmöglichkeit, ein Schrank und ein Handwaschbecken vorgesehen - jedes Zimmer sollte haargenau gleich eingerichtet werden. Toiletten und Waschräume wurden in den Treppenhäusern integriert. Jeweils zwei Zimmer waren durch eine Tür innen miteinander verbunden um z.B. auch Familien eine gemeinsame Unterkunft zu ermöglichen. Eine spärlich ausgestattete und enge Unterkunft, die eher einer heutigen Gefängniszelle gleicht, sollte also dem \"Volksgenossen\" ein preiswertes, gleichgeschaltetes Urlaubsglück garantieren. Für jeden Urlauber waren rechnerisch 5 m² Strandfläche vorgesehen. Die Aufenthaltskosten sollten pro Reisenden gerade mal 2 RM je Tag betragen.

Im Mai 1936 wurde mit dem Bau begonnen, der von neun Baukonzernen ausgeführt wurde. Jeder Konzern baute im Wettbewerb mit den anderen Unternehmen jeweils einen Bettentrakt bzw. die Schiffsanlegestelle.

1937 wurde das Projekt auf der Pariser Weltausstellung vorgestellt, dort mit großem Interesse aufgenommen und mit dem Grand Prix ausgezeichnet.

Das Richtfest des ersten Blocks wurde bereits im Oktober 1938 gefeiert. Allerdings beeinflussten die Nazis die Geschichte dann derart selbst, dass nie ein einziger KdF-Urlauber seine Ferien auf Rügen verbringen sollte. Mit Kriegsbeginn 1939 wurden die Bauarbeiten eingestellt und die rd. 5.000 Arbeiter abgezogen. So wurden die geplante Festhalle oder das Wellenbad nie gebaut. Zum Ende des Krieges zogen Hamburger und Bremer Bürger, die ausgebombt wurden, und Vertriebene in den Rohbau.

Insgesamt waren 5 Seebäder dieser Art an Nord- und Ostsee u.a. auch in Timmendorf geplant, nur Prora erfuhr zumindest eine teilweise Realisierung.

Nach Kriegsende wurden Teile des Rohbaus demontiert und Abschnitte im nördlichen Bereich der Anlage sowie der südlichste Block von der Sowjetarmee gesprengt. In den 50er Jahren begann die DDR das Gelände als Kaserne der Kasernierten Volkspolizei (KVP), aus welcher später die Nationalen Volksarmee (NVA) hervorging, für bis zu 15.000 Soldaten zu nutzen. Als militärisches Sperrgebiet war Prora dann während der gesamten DDR-Zeit bis 1990 der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Nach der Wiedervereinigung wurde das Gelände noch kurze Zeit von der Bundeswehr bis Ende 1992 genutzt.


Das heutige Prora
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Die Anlage steht heutzutage unter Denkmalschutz und erlangte Bekanntheit im In- und Ausland als wichtiges geschichtliches Zeugnis sowohl der Bau- als auch der Sozialpolitik im \"Dritten Reich\".

Der \'Koloss von Rügen\', der heute dem Bund gehört, steht weitgehend leer. Im mittleren Teil der Anlage befinden sich das Dokumentationszentrum Prora und die so genannte Museumsmeile mit dem Museum Prora und seinen Abteilungen \'Museum zum Anfassen\', \'Wasserwelt\' und \'Historisches Prora-Museum\', die KulturKunststatt Prora u.a. mit KdF- und NVA-Museum sowie ein Grafikmuseum. Etwas abseits in nördlicher Richtung ist ein Eisenbahn- und Technikmuseum entstanden.

Des Weiteren haben sich in Prora innerhalb der letzten Jahre u.a. mehrere Galerien, Rügens größte Disko und ein Autokino angesiedelt. Die Pachtverträge werden aber immer nur kurzfristig abgeschlossen und verlängert, so dass auch eine gewisse Fluktuation unter den Nutzern zu verzeichnen ist. Das eigentliche Dorf Prora besteht aus rd. 900 Einwohnern mit unspektakulären Wohnhäusern im DDR-Stil sowie diversen Neubauten und ist aus touristischer Sicht in keinster Weise interessant.

Weitergehende Nutzungen des ehemaligen KdF-Bades stehen wohl in den Sternen. Potentielle Investoren lassen sich schwer auftreiben und offen gestanden würde ich mir in diesem Komplex auch keine Ferienwohnung kaufen, auch wenn Preis und Abschreibungsmöglichkeiten noch so verlockend wären. Ein Abriss kommt aufgrund des enormen Ausmaßes wohl auch nicht in Betracht und hier zeigt sich, dass sich ab und an auch real existierende Mauern gleichwohl schwer abreißen lassen wie die Mauern in so manchen Köpfen.


Das Erlebnis Prora
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Als wir morgens unser Quartier in Sassnitz Richtung Prora verlassen, verspüre ich ein gespanntes Gefühl - eine Mischung aus Anziehung und Neugier aber auch Befremdung und Beklemmung - nachdem ich zuvor im Fernsehen und Internet einige Bilder von Prora gesehen hatte. Es wirkte dort alles eher abstoßend und erdrückend. Allerdings strahlen abstoßende Gebäude ja oft eine unheimliche Anziehungskraft aus und deswegen wollte ich Prora unbedingt in Natura sehen.

Wir erreichen Prora über die Straße, die von Sassnitz am neuen Fährhafen in Mukran vorbei nach Binz führt. Ein Hinweisschild zum \'ehem. KdF-Bad\' zeigt den Weg und wir biegen von der Hauptstraße ab. Als wir Prora, die Bahnstrecke von Binz überquerend, erreichen, sehen wir von dem Ungetüm zunächst nichts. Dichte Kiefernwälder verdecken die Sicht auf den Komplex. Wie wir später am Strand feststellen, ist Prora auch von dort nicht unbedingt leicht einsehbar aufgrund eines teilweise dicht bewaldeten Sandwalles.

Wir parken unser Auto etwa in der Mitte des Komplexes an der Museumsmeile. Wie überall auf Rügen sind auf Parkplätzen an touristischen Attraktionen Gebühren zu entrichten. Die Stunde kostet hier einen Euro. Bezüglich der Parkgebühren gibt es aber rechtliche Streitigkeiten, da das Gelände als Privatbesitz angesehen wird und nach gängiger Auffassung somit nicht von der Gemeinde mit Parkgebühren belegt werden könne. In einigen Museen wird diese Thematik aufgegriffen und der Einspruch gegen Strafzettel angeraten. Wer Spaß daran hat, kann das ja bei einem 5-Euro-Knöllchen tun, der Justizapparat freut sich sicher.

An der Museumsmeile ist relativ viel Trubel. Die Parkplätze sind gut gefüllt und zahlreiche Menschen passieren die Straße. Daneben befinden sich hier ein paar Döner- und Imbissbuden. Man steht zwar direkt an den Gebäuden des Kolosses, kann auch seine Hässlichkeit sehen und Ausmaße erahnen, aber irgendwie wirkt das Ganze durch das Drumherum sehr lebendig, eher normal und könnte auch in irgendeiner Plattenbausiedlung oder westlicher Bausünde der 70er Jahre spielen.

Die Museen werben reichlich vor den Gebäuden. Am auffälligsten sind die pornogrellen Plakate der privaten KulturKunststatt, die u.a. aufgrund ihrer schon aufdringlichen Hinweise auf die vielen Fernsehteams, die dort bereits drehten und die erhaltenen Auszeichnungen schon nahezu lächerlich und unseriös wirken - O-Ton: “Weil wir interessant sind.“.

Die KulturKunststatt ist auf der Museumsmeile auch ohne Plakate leicht auszumachen, da sich der Eingang an dem einzigen weiß angestrichenen Treppenhausblock befindet. Diese Farbe war ursprünglich als Anstrich für die gesamten Gebäude geplant. Wir besuchen die KulturKunststatt als erstes und bezahlen hierfür 6,50 Euro pro Person zzgl. 1,00 Euro für eine Fotoerlaubnis. Ja, dieses Relikt aus DDR-Zeiten gibt es immer noch ab und an. Der Besuch zeigte aber, dass es niemand kontrolliert. Der Eintrittspreis beinhaltet sämtliche Ausstellungen auf insgesamt sechs Etagen in der KulturKunststatt und einen Begehungs-Leitfaden.

Im Erdgeschoß befindet sich das KdF-Museum. Am interessantesten ist hier das 18 m lange Modell der Anlage, wie sie ursprünglich geplant war. Daneben werden diverse Exponate und ein Dokumentarfilm gezeigt. Wer sich den Film anschaut, sollte spaßeshalber mal auf Grammatik und Satzbau des Sprechers achten. Das KdF-Museum ist insgesamt recht bescheiden gehalten und der Informationsgehalt wirkte auf mich relativ gering. Es liegt direkt hinter dem Kassenbereich und ist platzmäßig recht eng und knapp bemessen. Daher drängen sich alle Besucher erst hierdurch und man kann nicht unbedingt in Ruhe dort verweilen. In den übrigen Etagen verläuft sich der Besucherstrom zum Glück wesentlich besser.

Die erste Etage ist Museumsfreundschaften und Sonderausstellungen gewidmet. Das ist ganz nett anzuschauen, wenn man Zeit und Interesse hierfür hat. Irgendwie haben mich aber mehr die Zimmer selbst, als deren Inhalt interessiert. Wir gehen schnell weiter in die zweite Etage, denn hier beginnt das NVA-Museum. Dieses erstreckt sich über die gesamte zweite und Teile der dritten Etage. Es werden eine Menge Exponate der DDR-Armee gezeigt. Sehr viele Zimmer der Kasernenanlage wurden detailliert und originalgetreu nachgebildet. Aufgrund von wohl zu vielen Jägern und Sammlern in der Vergangenheit sind die Türen der Zimmer mit Gittern versehen. Man kann aber problemlos durch die Gitter fotografieren. Der Informationsgehalt ist auch beim NVA-Teil der KulturKunststatt nicht überwältigend, aber es lässt sich alles durchaus interessant anschauen und ruft vielen Besuchern sicher auch die ein oder andere Erinnerung ins Gedächtnis.

In der dritten Etage befinden sich zudem noch Sonderausstellungen mit technischen Geräten und Kameras aus DDR-Produktion, was bei entsprechender Laune, Interesse und Zeit auch ganz sehenswert ist.

Die vierte Etage zeigt dann endlich den lang erwarteten Prototyp eines KdF-Urlaubsappartements. Dieses Zimmer ist leider hinter einer Glaswand, aber das Licht reicht, um auch ohne Blitz zu fotografieren. Es ist das Highlight der KulturKunststatt und sicher für viele ein Hauptgrund, das Museum zu besuchen. Das Modellzimmer lohnt fast schon den Besuch allein. Das ebenfalls in der vierten Etage befindliche Rügenmuseum kann man sich getrost schenken, jedes der vielen Heimatmuseen auf der Insel ist wesentlich lohnender.

In der fünften Etage ist ein \"Wiener Kaffeehaus\" etabliert, aber das lässt jeden, der schon einmal in Wien war, erschauern. Es zeugt von relativ wenig Stil, ein Kaffeehaus in einem Nazi-Ferienghetto einzurichten und so ist auch das Ergebnis: ohne irgendeinen Flair und Ambiente, zumindest vom Optischen, denn den Rest haben wir uns erspart. Im Vordergrund steht neben dem bisschen Gastronomie der Weinverkauf. Wenigstens wird man nicht aufdringlich von Herren in unmodernen Anzügen angelabert. Man erhält bereits an der Kasse einen Gutschein für ein Achtel Wein oder Traubenmost im Kaffeehaus. Der Wein ist schön sauer und der Most eklig süß, beides schmeckt eher nach Pennerglück aus dem Tetrapack als nach dem gediegenen Ergebnis einer Weinlese. Also schadet es nichts, die Gutscheine verfallen zu lassen und sich die fünfte Etage ganz zu schenken. Das würden sicher die meisten Besucher eh machen, gäbe es die Gutscheine nicht.

Ein Besuch der KulturKunststatt lohnt sich trotz allem durchaus, da es viel zu schauen gibt und sie eine - wenn auch manchmal unfreiwillig - nette Unterhaltung bietet und für den ein oder anderen Lacher gut ist, wenngleich die eigentliche Geschichte der Anlage deutlich zu kurz kommt und der historische Informationsgehalt vergleichsweise sehr gering ist. In meinen Augen ist hier die NVA-Zeit absolut überdimensioniert, was auch damit zusammenhängt, dass so gut wie alle Mitarbeiter des Museums auf eine nette eigene NVA-Karriere zurückblicken können und deren Ende bedingt durch den Sieg des imperialistischen Klassenfeindes vielleicht noch nicht ganz verkraftet zu scheinen haben. Ich will ja niemandem böses unterstellen, aber dieser Hang zur Ostalgie wirkt sich zwangsläufig auf den Eindruck, den man von der Objektivität des Museums gewinnt, negativ aus, wenngleich sich die Ausstellung selbstverständlich nicht offen irgendwelcher Polemik hingibt. Dennoch kann wie so oft gerade das Weglassen deutlicher als das Nennen von Sachverhalten wirken. Geöffnet ist die KulturKunststatt täglich im Sommer von 9.00h bis 19.00h und im Winter von 10.00h bis 16.00h.

Wir verlassen die KulturKunststatt und essen gegenüber eine leckere Rügener Bratwurst bei Andy. Die ist wirklich zu empfehlen und ihre 2 Euro definitiv wert - meine absolute Empfehlung für einen Snack in Prora.

Nebenan ist das ebenfalls private Museum Prora mit drei Teilmuseen: dem \'Historischen Prora-Museum\', dem \'Museum zum Anfassen\' und der \'Wasserwelt\'. Der Eintritt für einen Teil kostet 4 Euro (2,50 Euro für Kinder und 8,50 Euro für Familien), es werden aber auch Kombitickets für zwei oder alle drei Teile angeboten.

Wir haben nur das \'Historische Prora-Museum\' besucht, daher kann ich über das \'Museum zum Anfassen\' und die \'Wasserwelt\' nichts berichten. Ich denke aber, dass sich diese Museen sehr gut gerade für einen Besuch Proras mit Kindern anbieten.

Das \'Historische Prora-Museum\' ist der genaue Gegensatz zur KulturKunststatt. Die Räume sind wenig ausgeschmückt, wirken nüchtern und fast schon kalt und sind oft noch in ihrem alten Zustand aus der Zeit der NVA-Nutzung. Man beschränkt sich auf nur wenige Exponate und stellt auf Wandtafeln die Geschichte des KdF-Bades, aber auch der NS-Zeit generell dar. Der Informationsgehalt ist hier sehr hoch. Es gibt viel zu lesen - in Deutsch und in Englisch!

Den Hauptteil der Ausstellung nimmt die NS-Zeit ein. Dadurch, dass auch viel Allgemeines über den Nationalsozialismus dargestellt und erklärt wird, kann man Prora und insbesondere seine sozialpolitischen Aspekte wesentlich besser verstehen. Auch die DDR-Zeit und die Zeit nach 1990 bleiben im \'Historischen Prora-Museum\' nicht unberücksichtigt und werden sehr interessant präsentiert.

Das \'Historische Prora-Museum\' ist für jeden historisch Interessierten ein absolutes Muss. Es behandelt auf vier Etagen die Geschichte Proras sehr umfassend und äußerst objektiv und bietet darüber hinaus jede Menge Hintergrundwissen und Informationen über die entsprechenden Epochen auch abseits von Prora. Ein Modellzimmer des KdF-Bades wird ebenfalls gezeigt. Dieses unterscheidet sich nicht großartig von dem Modell in der Kulturkunststatt. Für Kinder dürfte das \'Historische Prora-Museum\' allerdings nicht so spannend sein.

Im Museum Prora befinden sich auch ein Café und ein kleiner Souvenir-Shop. Von April bis September ist das Museum täglich von 10.00h bis 18.00 Uhr und von Oktober bis März von 10.00h bis 16.00h geöffnet.

Sowohl KulturKunststatt als auch Museum Prora bieten Führungen durch die Anlage an, die wir aber zeitbedingt nicht wahrgenommen haben.

Als letztes besuchen wir das staatliche Dokumentationszentrum Prora, welches etwas abseits von der Museumsmeile neben der Disko liegt, aber gut ausgeschildert ist. Der Eintritt kostet 3 Euro (2,50 Euro mit Kurkarte und 2,00 Euro ermäßigt Kinder bis 15 Jahre frei). Wer zuvor das \'Historische Prora-Museum\' besucht hat, wird hier nichts Neues finden und kann sich den Besuch sparen. Die Ausstellung ist ähnlich, aber wesentlich komprimierter und nahezu ausschließlich auf die NS-Zeit beschränkt. Im Vergleich der beiden liegt das \'Historische Prora-Museum\' für mich klar vorn und sollte daher eher als das Dokumentationszentrum besucht werden. Die Öffnungszeiten des Dokumentationszentrums sind täglich von April bis Oktober von 10.00h bis 18.00h (bis 19.00h im Juli und August).

In sämtlichen Gebäuden habe ich keinen Fahrstuhl gesehen. Aufgrund der ursprünglichen Konzeption und späteren Nutzung ist eine Existenz von Fahrstühlen auch eher unwahrscheinlich. Daher sind die Besuche der Museen mit Kinderwagen sicher mit Umständen verbunden und für Rollstuhlfahrer gänzlich unmöglich. Trotzdem sollte man sich vielleicht vorab informieren, ob es nicht doch irgendwelche Möglichkeiten gibt, die nicht offen ins Auge fallen oder ausgewiesen werden.

Nach dem Besuch der Museumsmeile und des Dokumentationszentrums, fahren wir nordwärts. Wir passieren die unendlich wirkenden, monoton aneinander gereihten Betonklötze des Architekten Clemens Klotz. Der Name des Architekten ist purer Zynismus in Anbetracht seines Werkes.

Die Straße zweigt ab und führt nicht mehr direkt an der Anlage entlang. Nimmt man den Abzweig zu Strand D, gelangt man am Übergang zwischen dem dritten und zweiten Block an die Anlage. Hier ist nichts, außer dem endlosen Gebäudekomplex.

Eine schier endlose Betonfassade zieht sich dahin. Die Gebäude sind größtenteils in einem sehr heruntergekommenen und schlechten Zustand: die Fenster sind entweder kaputt, nicht mehr vorhanden oder mit Brettern vernagelt. Oft sind Risse im Putz zu finden und vereinzelte Graffitis zieren den trist und düster wirkenden Beton. Gerade der Nordbereich weist teilweise starke Spuren von Vandalismus auf.

Prora ist im direkten Antlitz unermesslich hässlich und gespenstisch, wesentlich erdrückender und beklemmender als es die Fernsehbilder vermittelten. Man fühlt sich förmlich von der Gigantomanie und Tristesse der sechsgeschossigen Gebäude erschlagen und abgestoßen, gleichzeitig aber auch wieder angezogen und fasziniert.

Auf der Landseite ragen die Treppenhäuser kammartig aus der Fassadenfront heraus, die Seeseite zeigt ein Fenster neben dem anderen soweit das Auge reicht. Den einzigen Kontrast bieten die anders geformten Fenster der leicht hervorragenden Gemeinschaftsräume, die sich in jedem Block in der Mitte zwischen den Bettentrakten befinden. Ich habe schon viele abschreckende Bettenburgen in Urlaubsdestinationen gesehen, aber die schlimmste Hotelfront auf Mallorca ist verglichen mit Prora eine einsame Villa am Strand. Prora wirkt anders als DDR-Plattenbauten, es wirkt wesentlich kälter, abstoßender und fast schon unwirklich. Ich stelle mir vor, wie es gewesen wäre, wenn man Prora hätte fertig stellen können. 20.000 Menschen im staatlich verordneten, kasernierten Urlaub unter ihresgleichen um körperlich und geistig fit für die Erfüllung der wahnsinnigen Pläne des Mannes aus Braunau am Inn gemacht zu werden, jede Woche ausgetauscht gegen 20.000 neue \"Volksgenossen\". Schreckliche Gedankenspiele, die ich abrupt abbreche um mich wieder verstärkt dem Fotografieren dieses Baumonsters zu widmen.

Nur wenige Spaziergänger, Radfahrer oder Inlineskater verlieren sich hierher. Die Gebäude dieses Teiles des Komplexes sind leer - keine Museen, Cafes oder Galerien, wie in der Mitte - nur Geisterhäuser. Wo die Museumsmeile vielleicht noch ein wenig Behaglichkeit und die Cafes, Döner- oder Imbissbuden noch ein bisschen Leben vermitteln, steht man hier in direkter Konfrontation mit Prora, ohne Ablenkung, ohne Schutz - vis à vis mit dem unbeschreiblichen Größenwahn.

Wir fahren weiter gen Norden, nehmen den Abzweig zu Strand F und erreichen über eine schlechte Straße den Parkplatz an den Ruinen des ersten Blocks des KdF-Bades. Die von den Russen gesprengten Abschnitte, welche durch Zäune abgesperrt sind, wirken noch gespenstischer und bizarrer als die fertig gestellten Bereiche weiter südlich. Wir verbringen hier nur wenig Zeit und gehen runter zum Strand. Der Strand ist wunderschön, herrlich feiner Sand und selbst im Sommer kaum eine Menschenseele zu sehen.


Fazit
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Prora ist definitiv sehenswert. Kein Geschichtsbuch, keine Fotos und selbst nicht die Erzählungen von Zeitzeugen können einen den perversen Größenwahn Hitlers in so beeindruckender Art und Weise erleben lassen. Nach den Kreidefelsen, Kap Arkona und dem Jagdschloss Granitz hat sich Prora zu Recht zur meist besuchten Sehenswürdigkeit und größtem ganzjährigen Kulturangebot Rügens entwickelt.

Der Besucher erlebt an einem Ort sowohl Zeugnisse aus der Zeit nationalsozialistischer aber auch kommunistischer Diktatur in Deutschland. Für Geschichtsinteressierte ist Prora ein Muss und Eldorado zugleich: Historie des 20. Jahrhunderts live. Durch die ansässigen Museen, insbesondere das ‘Historische Prora-Museum’, hat man gute Möglichkeiten, spezielle Informationen über Prora aber auch weitergehende Hintergrundinformationen über die jeweiligen Zusammenhänge zu bekommen und sich entsprechendes Wissen über diese Abschnitte Deutschlands Vergangenheit anzueignen.

Prora bietet eine direkte Konfrontation mit deutscher Vergangenheit und veranlasst somit zwangsläufig zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung damit - insofern erfüllt Prora als Mahnmal eine wichtige Funktion.

Bei vorhandenem Interesse würde ich durchaus einen guten dreiviertel Tag für Prora einkalkulieren und bei schönem Wetter lässt sich der Besuch mit einem gelungenen Aufenthalt am Strand verbinden. Aber auch wenn die Sonne streikt und es gar regnet, sind die Museen in Prora eine interessante Schlecht-Wetter-Alternative.

Prora lässt sich außer mit dem Auto auch mit der Regionalbahnlinie Stralsund-Bergen-Binz, lokalen Autobuslinien und einer Bimmelbahn von Binz gut erreichen.

Ich habe den Besuch in Prora absolut nicht bereut und sehr viele Eindrücke aus einer Zeit gewinnen können, die ich zum Glück nicht live erleben brauchte. Jedem Besucher Rügens kann ich einen Ausflug nach Prora sehr empfehlen. Dabei sollte man sich aber nicht nur auf die Museumsmeile beschränken, sondern auch gerade einen Abstecher zu den verlassenen Bereichen der Anlage und zu den Ruinen machen.

Bei Interesse versende ich gerne Bilder aus Prora per Mail. Weitergehende Informationen findet man auch sehr zahlreich im Internet. Im Allgemeinen reicht dafür bei Google die Eingabe ‘Prora’.


© Comte de Flandre - September 2004

14 Bewertungen, 3 Kommentare

  • Lisolotto

    26.01.2005, 23:32 Uhr von Lisolotto
    Bewertung: sehr hilfreich

    Das ,was Du so Klasse beschrieben hast kenne ich auch,ich kenne aber auch die Gegend und den Ort

  • April

    17.01.2005, 20:17 Uhr von April
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr interessanter Bericht! Vor Jahren hab ich mir den Koloss auch mal angeschaut. Es ist wirklich eine andere Welt! Eben noch am schönsten Strand und wenige Meter dahinter diese beklemmende Atmosphäre! LG April

  • bidone

    06.09.2004, 09:22 Uhr von bidone
    Bewertung: sehr hilfreich

    Bei meinem ersten Prorabesuch habe ich auch noch Parkgebühren bezahlt. Nun fahre ich am Paarkplatz vorbei und parke am Haus, wo ein zweiter Parkplatz ist, der gebührenfrei ist. Prora ist wirklich sehr beeindruckend und man sollte es besuchen we