Proterra - Runrig Testbericht

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Auf yopi.de gelistet seit 11/2003
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Summe aller Bewertungen
- Cover-Design:
- Klangqualität:
Erfahrungsbericht von mawirtz
*SPREAD YOUR WINGS AND RUN*
Pro:
wirklich schöne Musik
Kontra:
überproduziert; live kommen die Songs um Längen besser...
Empfehlung:
Ja
Nach längerer Schaffenspause geht es weiter mit dem aktuellen Runrig- Album Proterra, dem Geburtstagsalbum anlässlich des 30- jährigen Bandjubiläums der musikalischen Schotten. Paul Mounsey leitete die Produktion (er wirkte bereits bei The Stamping Ground mit und hat sich auch ansonsten als Solist musikalisch einen Namen gemacht) zu dieser - wie ich finde - sehr gelungenen Scheibe, die in alter Runrig- Manier die musikalische Vergangenheit der schottischen Highlands mit aktueller Rockmusik vereint. Aber lest selbst...
Ein wenig Geschichte(Fortsetzung):
Nachdem es Donnie in die Politik verschleppt hat, folgte auch Peter Wishart dem Ruf de Demokratie in das Britische Unterhaus. Für ihn kam 2001 Brian Hurren in die Band. Der 1980 geborene Junior reichert das Bandrepertoire mit zusätzlichen Gitarrenkenntnissen an
Ein wenig Info über die Band:
Runrig machen seit bald 30 Jahren wunderbaren Folk- Rock der Extraklasse und sind in ihrer Heimat Schottland bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt. Mit den teilweise gälischen Texten stehen sie für das keltische Erbe Schottlands ein und halten diese wunderschöne Sprache in wunderbar harmonischem Satzgesang lebendig (und trotzen damit der englischen Vorherrschaft in ihrer Heimat, quasi eine kleine musikalische Rebellion).
Im einzelnen handelt es sich um:
Rory Macdonald: Bass, Vocals, Akustikgitarre
Calum Macdonald: Percussion, Vocals
Iain Bayne: Schlagzeug
Malcolm Jones: Gitarre, Dudelsack, Akkordeon, Vocals
Bruce Guthro: Gesang, Gitarre
Brian Hurren: Keyboards, Piano, Vocals
Das Booklet:
Runrig sind ja nicht gerade bekannt für aufwendige Booklets. Auch bei der aktuellen Scheibe wird da keine Ausnahme gemacht. Aussagekräftige Schwarzweißbilder und graphisch gekonntes Layout, gepaart mit den notwendigen Informationen, sämtlichen Texten und Übersetzungen Gälisch - Englisch beschränken den Blick auf das Wesentliche.
Musik!!!
Los geht es mit THE OLD BOYS (5.15), einem Stück, welches Runrig bereits auf der legendären „Recovery“ aus dem Jahr veröffentlicht wurde. Diese melancholische Ballade ist dem Andenken von Col. Jock MacDonald gewidmet, der 1890 bis 1980 in Portree gelebt hat, und auch dem Verschwinden einer ganzen Generation von Alten, die das Erbe der schottischen Gälen mit ins Grab nehmen. Bruces trauriger Gesang wird begleitet von Streichern und schwermütigen Keyboards, später singt Rory noch dazu, und man kann sich die beiden richtig vorstellen, wie sie zu einer Beerdigung an einem Grab stehen und dieses Lied zum Besten geben.
The old Boys
Are all leaving
Leaving one by one
Where young birds go flying
Spread your wings and run
But over the fields
By the drystone walls
This eagle will come no more
Wenn Ihr mich fragt: Das schickt schon für eine Beerdigung.... und das neue Arrangement gefällt mir definitiv besser als die Urversion.
Ende mit dem Schwermut, optimistisch geht es weiter mit PROTERRA (5.35) und mit der gewohnten atmosphärischen Dichte der Band zur Sache. Streicher, Keyboardteppich und dazu Malcolms Gitarre begleiten den harmonischen Gesang von Bruce, zum Refrain im Chor mit Rory und Brian. Wenn Ihr mich fragt, das Lied hat das Zeug zum Hit, auch wenn es mit Sicherheit eines der anspruchsloseren Lieder auf der Scheibe ist. Aber der Refrain geht ins Ohr, der Text und die Melodie lassen mich nicht mehr los.
Schon mal vorab zum auswendig lernen:
Over land and sea
I’ll come fighting for you
Over land and sea
A dawn is breaking before us.
Nicht irgendeine schöne Frau ist gemeint, sondern das wertvollste, was wir alle miteinander teilen: Die Schönheit des Planeten, auf dem wir leben.
Mit ordentlich Tempo und einem treibenden Rhythmus geht es weiter zu DAY OF DAYS (3.37), einem kraftvollen und abwechslungsreichen Rocksong. Hier brilliert Malcolm mit fetten Gitarrenriffs, und alles, was bei Runrig singen kann, hebt an zum Chorgesang:
Boarding the morning of the free
Re-born in the dawning, complete
So gefallen mir Seemannslieder! Wer da nicht mittanzt, sitzt entweder gerade auf’m Klo oder ist schon tot - oder beides.
Die erste Single- Auskopplung EMPTY GLENS (3.50) schaffte es in Deutschland mit Anhieb auf Platz 93 der Single Charts. Los geht es mit Akkordeonklängen (der musikalische Pfiffikus und Allleskönner Malcolm mal wieder...) und Auch hier singen die Riggies den Refrain im Chor, mit wehmütigem Volumen in der Stimme gedenken sie beim Anblick der leeren Täler der Vergangenheit der schottischen Bevölkerung, welche einst fest mit dieser wild- schönen Landschaft verwachsen schien. Die ökonomischen Gegebenheiten, verursacht durch eine Politik, die die Landflucht förderte, haben das Volk seiner Identität und seines Stolzes beraubt.
Ruhig und melancholisch geht es zu bei GABRIEL’S SWORD (4.53), einer Ballade aus der Feder von Bruce Guthro mit leise klimpernden Gitarren, dazu die Stimme überwiegend im Alleingang, erzählend. Das verwendete biblische Bild des Erzengels Gabriel mit seinem Schwert kann dem nichts mehr antun, der die Wahrheit spricht und wagt zu fliegen. Musikalisch ist das Lied gekonnt ruhig und vermittelt die klare Schönheit aufrichtiger Gefühle.
Dräuende Klänge... ein entfernter Dudelsack... und eine klare Stimme wie ein Leuchtturm in einer stürmischen Nacht. Der düstere Anfang von FROM THE NORTH (5.28) sollte Euch nicht glauben lassen, es gehe so mystisch weiter. Mit ordentlich Schmackes setzen Schlagzeug und Gitarre ein.
Der Text ist gespickt mit kriegerischen Metaphern - eine entschlossene Kampfansage eines Clanmitgliedes, der daran ist, seine Heimat zu verlassen und für sein Volk zu kämpfen. Wer Siol Goraidh mag, wird an diesem Song seine Freude haben! Das fulminante Finale mit Gitarren und Dudelsack lässt einen grade vergessen, dass die Herren da im Studio eigentlich aus dem Alter raus sind, wo man es sooo laut krachen lässt.
Rory hebt an zu AN TOLL DUBH, (2.27, Der schwarze Stein) erstmals auf „Recovery\" veröffentlicht und nun wieder neu aufgenommen. Sein gälischer Gesang, zunächst nur begleitet von Paukenschlag und klatschenden Händen, und der Chor antwortet. (Bruce Guthro ist Kanadier und hat wohl in den letzten Jahren brav seine Gälisch- Hausaufgaben gemacht und singt da mit). Ein Plädoyer für die Zukunft der Gälischen Sprache als reiner Sprechgesang zu einem harten stampfenden Rhythmus, der an schnelles Gehen erinnert. Keine Instrumente lenken vom gälischen Gesang ab. „An Gaidheal \'sa leabaidh, An Gaidheal \'na shuain, Le èiginn ar n-eirigh às ar suain\" (Die Gälische Sprache ist zu Bett gegangen, die Gälische Sprache schläft, wir werden uns schwerlich von unserem Schlummer erheben). Das neue Arrangement hat meiner Meinung nach das Zeug, ein richtiger Hit zu werden!
Wieder zurück zum Pop mit THERE’S A NEED (3.34). Auch wenn das Lied gefällig klingt - der Text hat es in sich und macht nachdenklich. Es gibt immer die Notwendigkeit, zu handeln. Runrig unterlegen diese Tatsache mit energischen Gitarren und einer flotten Melodie. Während Bruce singt, was Sache ist, antwortet Rory „There’s a need“. Und die Zwischenstrophen - aufgepasst - werden von Brian in der Leitstimme gesungen, genau, der Jungspund mit dem Riesentalent, der uns alle auf dem Konzert so begeistert hat.
Die Schotten sind ein Seefahrervolk, und viele Runrig- Lieder handeln von dieser Vergangenheit - so auch FAILEAS AIR AN AIRIGH (4.05, Shadow on the sheiling - Schatten auf was weiß ich, Sheiling steht nicht mal in der Enzyklopedia Brittanica, hat aber was mit Schiffen zu tun, wie man aus dem Text unschwer erkennen kann). Die bedrückte Stimmung, die ein Seefahrer am Vorabend seiner Abfahrt empfunden haben muss: Melancholischer Gesang auf Gälisch (Rory kann das immer noch am besten) zu einer Melodie, die in ihrem Auf und Ab den Schlag der Wellen an die Kaimauern imitiert.
Mit HEADING TO ACADIA (4.16) folgt ein Instrumental, das die klassischen Folk- Rock- Elemente gekonnt mit Rockmusik verknüpft. Gitarre und Dudelsack sind kein Widerspruch, sondern harmonieren miteinander und ergänzen sich zu einem wunderbaren Intermezzo, das der Phantasie (und ich werde sie immer mit „PH“ schreiben) keine Grenzen setzt.
ALL THE MILES (4.14) ist eine verträumte Ballade, eine Liebeserklärung an die schottische Heimat, die man auch in der Fremde tröstend bei sich fühlt. Das Lied handelt von den Schotten, die die Heimat verlassen, um in den Städten der Stahlindustrie ihr Auskommen zu finden. Bruce und Rory singen das Lied streckenweise im Duett. Die Stimmen harmonieren, als wären sie Brüder, klingen wie ein Mann. Dazu zwei Gitarren, Klavier und ein wenig Percussion.
Where the fire meets the sky
In the land of coal and steel
I feel you by my side
I feel I always will
In dem Lied A REITEACH (5.16) (ein Reiteach ist so ne Art Junggesellenabschied für die Braut am Vorabend ihrer Hochzeit, ein alter gälischer Brauch) geht es mal wieder um die traurige Geschichte, dass einer zugucken muss, wie die Frau, die er liebt einen anderen Mann heiratet. Das reißt den verkannten Mann-Fürs-Leben ganz schön runter und er singt sich seine Traurigkeit von der Seele, aber so, dass es in der ganzen Hochzeitsfeierei nicht auffällt... und stimmt immer schön in das
Togaidh sinn horo ghealaidh
Horo ghealaidh horo togaidh
Sinn horo ghealaidh
Horo ghealaidh horo
der feiernden Gesellschaft ein - schließlich muss er ja die Kaspereien mit der Braut mitspielen, sozusagen als Statist. Dementsprechend folkig ist der Song von seiner Melodik her. Mein Lieblingslied auf der Scheibe...
Die rote Laterne trägt das Instrumental ANGELS FROM THE ASHES (3.25), Runrig verabschieden sich hiermit mit ihren Impressionen vom 11. September 2001, dem Tag, dessen Ereignisse das Gesicht der Welt einschneidend zum Schlechten verändert haben. Zugegebenermaßen fand ich das Lied von Enya nicht schlecht, dass für diese Zwecke herangezogen wurde, aber auch die Emotionen, die Runrig in diese musikalische Miniatur gepackt haben, hätten gut zu den Bildern gepasst. Unendliche Traurigkeit im zaghaften Anschlag des Klaviers, und Malcolms Gitarren weinen leise Tränen.
Fazitär...
... kann ich diese neue Scheibe von Runrig allen geneigten Lesern nur empfehlen. Qualitativ knüpft sie nahtlos an den alten, rockigen Stil der Kombo aus den frühen 80er Jahren an, ein wenig reifer vielleicht nach 30 Jahren, aber das bekommt der Musik auf jeden Fall. Runrig- Neulinge werden an der Scheibe ihre Freude haben, ebenso eingefleischte Fans, die es gerne traditionell mögen und für die die Alben „The Cutter & The Clan“ und „Recovery“ bisher unerreicht gelten. Bei ihrem neuesten Werk verbinden Runrig mit viel Umsicht traditionelle Themen und weisen mit aktuellen Geschehnissen und teilweise recht kerniger Rockmusik.
Die Verbindung mit Paul Mounsey scheint dem künstlerischen Schaffen der Riggies einen richtigen Schub gegeben zu haben. Brian Hurren ist trotz seines zarten Alters ein genialer Nachfolger für Pete Wishart, die Stimme von dem Burschen sorgt bei mir regelmäßig für absolutes Gänsehautfeeling.
In Zeiten, in denen Musik als Mittel zum Leuten-das-Geld-aus-der-Tasche-leiern mißbraucht wird, sich der künstlerische Anspruch musikalisch auf einem sehr fragwürdigen, da reproduktiven Niveau festgefressen hat und sich die Texte nur noch um qualitativ minderwertigen Sülz rund um die Bestäubungsfrage drehen, kann das Schaffen von Runrig gar nicht hoch genug gewürdigt werden.
Von mir gibt es daher alle 5 Sterne und eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für alle, die gerne handgemachte Musik hören.
Wer Runrig noch nicht kennt, kann unter folgendem Link mal reinhören, das sind Mitschnitte des SWR- Studiokonzertes vom Oktober 2003 (danke an Zoobremia):
ftp://ftp.sunsite.dk/projects/shadowprophecy/Public/Runrig%20SWR%201/
Musik wie ein großer Topf Milchreis an einem lausekalten Freitagabend..
Spread your wings and run
Ein wenig Geschichte(Fortsetzung):
Nachdem es Donnie in die Politik verschleppt hat, folgte auch Peter Wishart dem Ruf de Demokratie in das Britische Unterhaus. Für ihn kam 2001 Brian Hurren in die Band. Der 1980 geborene Junior reichert das Bandrepertoire mit zusätzlichen Gitarrenkenntnissen an
Ein wenig Info über die Band:
Runrig machen seit bald 30 Jahren wunderbaren Folk- Rock der Extraklasse und sind in ihrer Heimat Schottland bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt. Mit den teilweise gälischen Texten stehen sie für das keltische Erbe Schottlands ein und halten diese wunderschöne Sprache in wunderbar harmonischem Satzgesang lebendig (und trotzen damit der englischen Vorherrschaft in ihrer Heimat, quasi eine kleine musikalische Rebellion).
Im einzelnen handelt es sich um:
Rory Macdonald: Bass, Vocals, Akustikgitarre
Calum Macdonald: Percussion, Vocals
Iain Bayne: Schlagzeug
Malcolm Jones: Gitarre, Dudelsack, Akkordeon, Vocals
Bruce Guthro: Gesang, Gitarre
Brian Hurren: Keyboards, Piano, Vocals
Das Booklet:
Runrig sind ja nicht gerade bekannt für aufwendige Booklets. Auch bei der aktuellen Scheibe wird da keine Ausnahme gemacht. Aussagekräftige Schwarzweißbilder und graphisch gekonntes Layout, gepaart mit den notwendigen Informationen, sämtlichen Texten und Übersetzungen Gälisch - Englisch beschränken den Blick auf das Wesentliche.
Musik!!!
Los geht es mit THE OLD BOYS (5.15), einem Stück, welches Runrig bereits auf der legendären „Recovery“ aus dem Jahr veröffentlicht wurde. Diese melancholische Ballade ist dem Andenken von Col. Jock MacDonald gewidmet, der 1890 bis 1980 in Portree gelebt hat, und auch dem Verschwinden einer ganzen Generation von Alten, die das Erbe der schottischen Gälen mit ins Grab nehmen. Bruces trauriger Gesang wird begleitet von Streichern und schwermütigen Keyboards, später singt Rory noch dazu, und man kann sich die beiden richtig vorstellen, wie sie zu einer Beerdigung an einem Grab stehen und dieses Lied zum Besten geben.
The old Boys
Are all leaving
Leaving one by one
Where young birds go flying
Spread your wings and run
But over the fields
By the drystone walls
This eagle will come no more
Wenn Ihr mich fragt: Das schickt schon für eine Beerdigung.... und das neue Arrangement gefällt mir definitiv besser als die Urversion.
Ende mit dem Schwermut, optimistisch geht es weiter mit PROTERRA (5.35) und mit der gewohnten atmosphärischen Dichte der Band zur Sache. Streicher, Keyboardteppich und dazu Malcolms Gitarre begleiten den harmonischen Gesang von Bruce, zum Refrain im Chor mit Rory und Brian. Wenn Ihr mich fragt, das Lied hat das Zeug zum Hit, auch wenn es mit Sicherheit eines der anspruchsloseren Lieder auf der Scheibe ist. Aber der Refrain geht ins Ohr, der Text und die Melodie lassen mich nicht mehr los.
Schon mal vorab zum auswendig lernen:
Over land and sea
I’ll come fighting for you
Over land and sea
A dawn is breaking before us.
Nicht irgendeine schöne Frau ist gemeint, sondern das wertvollste, was wir alle miteinander teilen: Die Schönheit des Planeten, auf dem wir leben.
Mit ordentlich Tempo und einem treibenden Rhythmus geht es weiter zu DAY OF DAYS (3.37), einem kraftvollen und abwechslungsreichen Rocksong. Hier brilliert Malcolm mit fetten Gitarrenriffs, und alles, was bei Runrig singen kann, hebt an zum Chorgesang:
Boarding the morning of the free
Re-born in the dawning, complete
So gefallen mir Seemannslieder! Wer da nicht mittanzt, sitzt entweder gerade auf’m Klo oder ist schon tot - oder beides.
Die erste Single- Auskopplung EMPTY GLENS (3.50) schaffte es in Deutschland mit Anhieb auf Platz 93 der Single Charts. Los geht es mit Akkordeonklängen (der musikalische Pfiffikus und Allleskönner Malcolm mal wieder...) und Auch hier singen die Riggies den Refrain im Chor, mit wehmütigem Volumen in der Stimme gedenken sie beim Anblick der leeren Täler der Vergangenheit der schottischen Bevölkerung, welche einst fest mit dieser wild- schönen Landschaft verwachsen schien. Die ökonomischen Gegebenheiten, verursacht durch eine Politik, die die Landflucht förderte, haben das Volk seiner Identität und seines Stolzes beraubt.
Ruhig und melancholisch geht es zu bei GABRIEL’S SWORD (4.53), einer Ballade aus der Feder von Bruce Guthro mit leise klimpernden Gitarren, dazu die Stimme überwiegend im Alleingang, erzählend. Das verwendete biblische Bild des Erzengels Gabriel mit seinem Schwert kann dem nichts mehr antun, der die Wahrheit spricht und wagt zu fliegen. Musikalisch ist das Lied gekonnt ruhig und vermittelt die klare Schönheit aufrichtiger Gefühle.
Dräuende Klänge... ein entfernter Dudelsack... und eine klare Stimme wie ein Leuchtturm in einer stürmischen Nacht. Der düstere Anfang von FROM THE NORTH (5.28) sollte Euch nicht glauben lassen, es gehe so mystisch weiter. Mit ordentlich Schmackes setzen Schlagzeug und Gitarre ein.
Der Text ist gespickt mit kriegerischen Metaphern - eine entschlossene Kampfansage eines Clanmitgliedes, der daran ist, seine Heimat zu verlassen und für sein Volk zu kämpfen. Wer Siol Goraidh mag, wird an diesem Song seine Freude haben! Das fulminante Finale mit Gitarren und Dudelsack lässt einen grade vergessen, dass die Herren da im Studio eigentlich aus dem Alter raus sind, wo man es sooo laut krachen lässt.
Rory hebt an zu AN TOLL DUBH, (2.27, Der schwarze Stein) erstmals auf „Recovery\" veröffentlicht und nun wieder neu aufgenommen. Sein gälischer Gesang, zunächst nur begleitet von Paukenschlag und klatschenden Händen, und der Chor antwortet. (Bruce Guthro ist Kanadier und hat wohl in den letzten Jahren brav seine Gälisch- Hausaufgaben gemacht und singt da mit). Ein Plädoyer für die Zukunft der Gälischen Sprache als reiner Sprechgesang zu einem harten stampfenden Rhythmus, der an schnelles Gehen erinnert. Keine Instrumente lenken vom gälischen Gesang ab. „An Gaidheal \'sa leabaidh, An Gaidheal \'na shuain, Le èiginn ar n-eirigh às ar suain\" (Die Gälische Sprache ist zu Bett gegangen, die Gälische Sprache schläft, wir werden uns schwerlich von unserem Schlummer erheben). Das neue Arrangement hat meiner Meinung nach das Zeug, ein richtiger Hit zu werden!
Wieder zurück zum Pop mit THERE’S A NEED (3.34). Auch wenn das Lied gefällig klingt - der Text hat es in sich und macht nachdenklich. Es gibt immer die Notwendigkeit, zu handeln. Runrig unterlegen diese Tatsache mit energischen Gitarren und einer flotten Melodie. Während Bruce singt, was Sache ist, antwortet Rory „There’s a need“. Und die Zwischenstrophen - aufgepasst - werden von Brian in der Leitstimme gesungen, genau, der Jungspund mit dem Riesentalent, der uns alle auf dem Konzert so begeistert hat.
Die Schotten sind ein Seefahrervolk, und viele Runrig- Lieder handeln von dieser Vergangenheit - so auch FAILEAS AIR AN AIRIGH (4.05, Shadow on the sheiling - Schatten auf was weiß ich, Sheiling steht nicht mal in der Enzyklopedia Brittanica, hat aber was mit Schiffen zu tun, wie man aus dem Text unschwer erkennen kann). Die bedrückte Stimmung, die ein Seefahrer am Vorabend seiner Abfahrt empfunden haben muss: Melancholischer Gesang auf Gälisch (Rory kann das immer noch am besten) zu einer Melodie, die in ihrem Auf und Ab den Schlag der Wellen an die Kaimauern imitiert.
Mit HEADING TO ACADIA (4.16) folgt ein Instrumental, das die klassischen Folk- Rock- Elemente gekonnt mit Rockmusik verknüpft. Gitarre und Dudelsack sind kein Widerspruch, sondern harmonieren miteinander und ergänzen sich zu einem wunderbaren Intermezzo, das der Phantasie (und ich werde sie immer mit „PH“ schreiben) keine Grenzen setzt.
ALL THE MILES (4.14) ist eine verträumte Ballade, eine Liebeserklärung an die schottische Heimat, die man auch in der Fremde tröstend bei sich fühlt. Das Lied handelt von den Schotten, die die Heimat verlassen, um in den Städten der Stahlindustrie ihr Auskommen zu finden. Bruce und Rory singen das Lied streckenweise im Duett. Die Stimmen harmonieren, als wären sie Brüder, klingen wie ein Mann. Dazu zwei Gitarren, Klavier und ein wenig Percussion.
Where the fire meets the sky
In the land of coal and steel
I feel you by my side
I feel I always will
In dem Lied A REITEACH (5.16) (ein Reiteach ist so ne Art Junggesellenabschied für die Braut am Vorabend ihrer Hochzeit, ein alter gälischer Brauch) geht es mal wieder um die traurige Geschichte, dass einer zugucken muss, wie die Frau, die er liebt einen anderen Mann heiratet. Das reißt den verkannten Mann-Fürs-Leben ganz schön runter und er singt sich seine Traurigkeit von der Seele, aber so, dass es in der ganzen Hochzeitsfeierei nicht auffällt... und stimmt immer schön in das
Togaidh sinn horo ghealaidh
Horo ghealaidh horo togaidh
Sinn horo ghealaidh
Horo ghealaidh horo
der feiernden Gesellschaft ein - schließlich muss er ja die Kaspereien mit der Braut mitspielen, sozusagen als Statist. Dementsprechend folkig ist der Song von seiner Melodik her. Mein Lieblingslied auf der Scheibe...
Die rote Laterne trägt das Instrumental ANGELS FROM THE ASHES (3.25), Runrig verabschieden sich hiermit mit ihren Impressionen vom 11. September 2001, dem Tag, dessen Ereignisse das Gesicht der Welt einschneidend zum Schlechten verändert haben. Zugegebenermaßen fand ich das Lied von Enya nicht schlecht, dass für diese Zwecke herangezogen wurde, aber auch die Emotionen, die Runrig in diese musikalische Miniatur gepackt haben, hätten gut zu den Bildern gepasst. Unendliche Traurigkeit im zaghaften Anschlag des Klaviers, und Malcolms Gitarren weinen leise Tränen.
Fazitär...
... kann ich diese neue Scheibe von Runrig allen geneigten Lesern nur empfehlen. Qualitativ knüpft sie nahtlos an den alten, rockigen Stil der Kombo aus den frühen 80er Jahren an, ein wenig reifer vielleicht nach 30 Jahren, aber das bekommt der Musik auf jeden Fall. Runrig- Neulinge werden an der Scheibe ihre Freude haben, ebenso eingefleischte Fans, die es gerne traditionell mögen und für die die Alben „The Cutter & The Clan“ und „Recovery“ bisher unerreicht gelten. Bei ihrem neuesten Werk verbinden Runrig mit viel Umsicht traditionelle Themen und weisen mit aktuellen Geschehnissen und teilweise recht kerniger Rockmusik.
Die Verbindung mit Paul Mounsey scheint dem künstlerischen Schaffen der Riggies einen richtigen Schub gegeben zu haben. Brian Hurren ist trotz seines zarten Alters ein genialer Nachfolger für Pete Wishart, die Stimme von dem Burschen sorgt bei mir regelmäßig für absolutes Gänsehautfeeling.
In Zeiten, in denen Musik als Mittel zum Leuten-das-Geld-aus-der-Tasche-leiern mißbraucht wird, sich der künstlerische Anspruch musikalisch auf einem sehr fragwürdigen, da reproduktiven Niveau festgefressen hat und sich die Texte nur noch um qualitativ minderwertigen Sülz rund um die Bestäubungsfrage drehen, kann das Schaffen von Runrig gar nicht hoch genug gewürdigt werden.
Von mir gibt es daher alle 5 Sterne und eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für alle, die gerne handgemachte Musik hören.
Wer Runrig noch nicht kennt, kann unter folgendem Link mal reinhören, das sind Mitschnitte des SWR- Studiokonzertes vom Oktober 2003 (danke an Zoobremia):
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Musik wie ein großer Topf Milchreis an einem lausekalten Freitagabend..
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