Psychische Krankheiten Testbericht

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Erfahrungsbericht von eretrea

Kein Gefängnis - nur eine Psychiatrie

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Für einige Menschen ist die Psychiatrie immer noch eine Art Gefängnis aus dem man nicht ausbrechen kann – eine Endstation. Das ist aber nicht so. Natürlich gibt es Menschen, die verbringen beinahe ihr ganzes Leben in der Psychiatrie, dass heisst aber nicht, dass diese Menschen keine Rechte haben.
Ich war selbst sieben Monate in einer Psychiatrie und ich möchte Euch über meine Erfahrungen berichten.

Die Psychiatrie, in der ich war besteht aus mehreren Häusern. Jedes Haus hat seine ganz speziellen Sorgenkinder - geistig Behinderte, Suchtpatienten, alte Menschen, Menschen mit psychischem Leiden usw. Die Klinik gleicht einem Dorf, d.h. sie ist zum grössten Teil selbstversorgend.
Es gibt einen Bauernhof, einen Park, ein Hallenbad, eine Kapelle und ein Kulturhaus - hier finden Vernissagen und Vorführungen von Patienten statt. Es gibt auch eine Gärtnerei und eine Schreinerei oder einen Dorfladen, in denen die Patienten arbeiten können oder den Leuchtturm, ein Restaurant, der von Patienten geführt wird usw....Oh, auch ein Fussballplatz ist vorhanden!!!
Alles ist liebevoll und lebendig eingerichtet, die Häuser sind nicht einfach viereckige Betonkasten, nein, sie sind alle im Jugendstil gebaut. Um das Dorf gibt es keinen Zaun, d.h. man kann sich frei bewegen.

Ich selbst war in der ersten Woche auf der geschlossenen Abteilung, das ist der einzige Ort, der einem Gefängnis gleicht. Für mich war es ein ganz schrecklicher Ort. Ich fühlte mich wie eine Raubkatze, die in einem viel zu engen Käfig eingesperrt ist.
Auf dieser Abteilung darf man beinahe nichts selbständig machen ausser schlafen. Man darf nicht raus, kann die Fenster nicht öffnen, darf nicht alleine Duschen gehen, kann nicht einfach Besuch haben usw. Als ich Kopfschmerzen hatte, bekam ich nicht einmal eine Aspirin...
Auf dieser Abteilung musste ich zum Glück nicht lange bleiben.
Nach einer Woche konnte ich ins Haus 13 einziehen. Eine Psychotherapiestation, ein Haus das von max. 13 Patienten bewohnt ist...eine Art WG.

Im Haus arbeiteten mehrere Betreuer, drei Psychotherapeuten, eine Mal- und eine Bewegungstherapeutin, ein Musiktherapeut und eine Oberärztin.
Jeder Patient hat zwei Bezugspersonen aus dem Betreuerteam und einen Psychotherapeuten.
Die Patienten auf dieser Station sind meistens für 6-12 Monaten in der Psychiatrie, man ist nicht eingesperrt, muss sich aber an die Spielregeln und an den Stundenplan halten.
Dieser Stundenplan sieht in etwa so aus:

Morgens um 7.00 Uhr gibt es für jeden der will Frühstück bis um 7.45.
Um 8.00 Uhr muss man an der Morgenrunde teilnehmen. Eine Runde in der man im Kreis sitzt und jeder sagt, wie es ihm geht und wie die Nacht war. Mit „jeder“ meine ich nicht nur die Patienten, sondern auch die Betreuer, Therapeuten und die Oberärztin. Die Morgenrunde dauert 30 Minuten, die Runde selbst dauert nur etwa 5-10 Minuten, den Rest nutzt man um kleinere Probleme zu lösen.
Um 9.00 Uhr beginnt die Maltherapie...man kann malen oder basteln was man will, bzw. fühlt. Das Ergebnis wird mit der Maltherapeutin besprochen.

Mittags gibt es natürlich zu essen. Leider muss man sagen, dass das ein absolut grässlicher, hässlicher Klinikfrass ist. Die Pause zwischen dem Mittagessen und der nächsten Therapiestunde nutzte ich meistens um in der Stadt oder beim Türken was Leckeres zu holen.

Am Nachmittag ist das Programm unterschiedlich. Auf die Woche verteilt haben wir gruppenweise je eine Stunde Bewegungs- und Musiktherapie. Zwei Mal pro Woche haben wir zwei Stunden Gruppentherapie so nach dem Motto: Jeder darf sagen, was in bedrückt und die anderen sind die Therapeuten. Einmal in der Woche muss jeder von uns alleine zum Psychotherapeuten.
Einmal im Monat hat man einen Standort mit der Oberärztin, dort wird besprochen wie es weitergehen soll oder ob man das Ziel erreicht hat, das man im letzten Standort festgelegt hatte.

Jeder von uns war in einer Gruppe, die eine ganze Woche eine spezielle Pflicht hat. Es gibt die Putzgruppe, die jeden Freitag das Haus putzen muss. Es gibt das Amt des Pflanzengiessers, des Frühstücksauftischer und es gibt die Kochgruppe. Diese Gruppe muss einkaufen und Abendessen kochen.....egal was, Hauptsache es war besser als der Klinikfrass.

Wenn man keine Therapie oder Gespräche hatte konnte man sich die Zeit selbst einteilen, auch am Wochenende durfte man nach Hause. Ich könnte euch noch viel mehr über diese Zeit erzählen, über die Pflichten und Therapien, aber dann würde ich nie zu einem Ende kommen, denn eigentlich wollte ich euch ja nur einen Einblick in eine Psychiatrie geben....

See uuu und danke fürs lesen

Jeannette

12 Bewertungen, 4 Kommentare

  • Chris270475

    05.08.2005, 23:27 Uhr von Chris270475
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich habe heute teilweise noch schlimme träume und ich war nicht einmal auf der geschlossenen. Ausserdem habe ich ihm nachhinein erfahren, dass man mich dort nicht für voll genommen hat, das kam raus als mein Hausarzt sich den Abschlussbericht hat

  • Anachronistin

    29.05.2002, 15:59 Uhr von Anachronistin
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein mir nahe stehender Mensch war sieben Jahre in der Psychiatrie, lange Zeit in der geschlossenen Abteilung. Er hat gezittert, wenn er von seinen Erfahrungen dort berichtet hat. Oder er wirkte so, als berichte er über jemand anderen. Und das er kein

  • Ingwer

    02.05.2002, 19:05 Uhr von Ingwer
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich denke, es ist wichtig, zu negative ssoziationen gegenüber der "Klapsmühle" abzubauen. Dann könnten viel mehr Leute sich viel früher für diesen Schritt (der durchaus hilfreich sein kann) entschließen und das ganz

  • Geiler_Typ

    02.05.2002, 18:59 Uhr von Geiler_Typ
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr schöner Bericht,ich hoffe man liest sich,gruß michi...