Reiseleiter/in Testbericht

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  • Sozialleistungen:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von tuimama

So nahm mein Weg in den Tourimus seinen Lauf...

5
  • Einstellungschancen:  durchschnittlich
  • Aufstiegschancen:  durchschnittlich
  • Verdienstmöglichkeiten:  gut
  • Sozialleistungen:  durchschnittlich

Pro:

man kommt viel in der Welt rum, vielfältiger Job mit vielen persönlichen Perspektiven (Erfahrungen, Menschen, die man trifft), man lernt das Land in dem man arbeitet wirklich kennen

Kontra:

viele Wechsel (jede Saison), hohe Arbeitszeiten

Empfehlung:

Ja

MEIN WEG IN DEN TOURISMUS NAHM SEINEN LAUF.....

Und was tut ein Fernwehgeplagtes Wesen nach seiner gerade abgeschlossenen Ausbildung im Hotelfach nun?

Es wird Reiseleiterin bei einem grossen deutschen Veranstalter – nämlich dem mit den drei grossen roten Buchstaben, bei dem ja alle Gäste so zufrieden sind und gar nicht nie meckern..... Wir hätten diesen Slogan den Chefs ganz oben am liebsten mit Tackermaschinen an die Stirn und zusätzlich noch an den Hintern geheftet.. aber dazu später mehr.

Ja da war ich nun, Januar 1999 fertig mit meiner Ausbildung und bereit für sämtliche Schandtaten.
Beworben hatte ich mich zunächst bei Neckermann und TUI und auch bei einigen kleineren Veranstaltern, aber wirklich was rausgekommen ist am Ende nur was bei TUI.

Nach meiner Bewerbung erhielt ich Einladungen von Neckermann und TUI zugeschickt. Neckermann lud nach Mannheim ein, Reisekosten, etc auf eigene Tasche. TUI lud nach Frankfurt ein, Reisekosten, etc. auf TUI Tasche – viel sympatischer. Und da ich keine 30km weit von Frankfurt entfernt wohnte (und jetzt im Urlaub immer wieder wohne – bei meinen Eltern) war das doch die viel willkommenere Variante. Also nix wie hin.


** DER EINSTELLUNGSTEST **

Ort des Geschehens war ein kleines Hotel direkt neben dem Hauptbahnhof. Düsterer Ort... tat aber weiter nix zur Sache – der Ablauf war weniger düster, sondern eher fröhlich und hell.

Wir waren eine Gruppe von etwa 30 Bewerbern, die zu dieser Zusammenkunft geladen waren. Zunächst fand jeder seinen Platz im kleinen Meetingraum, denn es lagen Mappen mit unseren Namen darauf aus plus Namensaufkleber. Nett! In dieser Mappe befand sich zunächst mal ein Fragebogen, den wir ausfüllen sollten mit Stichpunkten und dann möglichst frei vortragen sollten.
-Wer sind Sie?
-Woher sind sie angereist?
-Wie sind sie angereist?
-Was haben sie bisher gemacht?
-Was stellen Sie sich unter der Arbeit einer Reiseleitung vor?
-Warum gerade TUI?
-Was war ihr beeindruckendstes Urlaubserlebnis?

Und los ging’s – ich war ziemlich spät dran mit meiner Vorstellung, fast am Ende. Und da schwitzte ich schon ganz gehörig... Was waren da nicht alles für Profis bei den Bewerbern und ich dachte es ging hier um Jobanfänger wie mich... Uniabsolventen, die raus wollten. Leute aus dem Reisebüro. Leute mit endlos Auslandserfahrung, etc. etc. Erfahrungen über Erfahrungen aus allen Ecken. Ja und was hatte ich vorzuweisen? Mein pupsiges Abi, meine süsse kleine Ausbildung und das war’s... Wird das wohl langen für den Job? Neben all diesen schwer erfahrenen Leuten?
Bei den Urlaubserlebnissen warteten sie mit den abenteuerlichsten Geschichten auf, aber da war meine auch nicht schlecht – hatte ich nicht gerade bei meinem letzten Urlaub die Sintflut auf Djerba überlebt!
Und dann kam aber wirklich der beste Teil und es erwies sich, dass ich von einem Haufen Schleimbeutel mit unbegrenzter Menge an Schleim zum verteilen umgeben war. Warum TUI? Na weil sie einfach die besten und tollsten und grandiosesten und überhaupt ... sind. Und weil man bisher ja NUR mit TUI Urlaub gemacht hat und NUR suuuper Erfahrungen gemacht hat und weil es ja wirklich üüüberhaupt keine Reklamationen gibt von den TUI Gästen (wie die Reisebüroleute zu berichten wussten) ... naja, und so weiter und so fort. Puh, Angstschweiss. Soll ich mich denen anschliessen? Aber das ist so gar nicht meine Art. Was nun? Ich habe einfach gesagt, weil TUI ein renomierter Reiseveranstalter mit viel Erfahrung ist und ich mir bei der Grösse des Unternehmens die meisten Möglichkeiten verspreche. Keine grosse Schleimattacke meinerseits. Hätte auch nicht authentisch gewirkt.

Folgend kam der theoretische Test mit Fremdsprachentest, Geographie (ich werde versagen – Hiiiilfe, da hab ich doch keine Ahnung!), Psychologiepart (wie man ihn kennt – was würden sie in dieser und jener Situation tun, etc.) und noch ein paar anderen Fragen.

Mittagspause und dann praktischer Test. Überlegt euch ein Reiseziel, kann auch der Mars sein und stellt es in einem Mini-Infotreff euren vermeintlichen Gästen, die in diesem Fall die „Prüfer“ waren, vor. Ich war derzeit ein grosser Djerba Fan und warf mich mitten in dieses Thema hinein. Anscheinend sehr gut, denn ich hatte den Job!


** DAS EINSCHULUNGSSEMINAR **

Mitte Februar zwei Wochen Einschulung auf Mallorca, nähe Arenal in einem Sporthotel (Name hab ich vergessen). Zu unser aller Freude (ausser den Schweizern, die konnten mit dem Namen damals noch nix anfangen) war das Team Telekom mitsamt Jan Ullrich im gleichen Hotel zwecks Trainingslager und wir waren alle sehr aufgeregt – ein Promi mit uns im Hotel am gleichen Frühstückstisch... uuhhiii!

Das Seminar war anstrengend (vor allem weil ich sterbens erkältet war – fliegt mal mit einer komplett bis in alle hintersten Höhlen verstopften Nase ohne irgendjemanden mit Niesen und Schneuzen zu stören... und welche Schmerzen sind das – aber gut, ich schweife ab – zurück nach Mallorca), aber sehr interessant und lehrreich!
Wir wurden geschult in allen administrativen Aufgaben, die uns erwarten würden. Verkaufstraining, da ja jede Menge Ausflüge an den Urlauber gebracht werden sollten. Vortragsschulung für den Infotreff.
Am langweiligsten waren wohl die Stunden, die wir mit der Administration verbrachten. Sooo viele Papiere.. Wie liest man den Katalog richtig: zwischen den Zeilen! Die ganzen Formulare, Berichterstattung, etc.
Sehr interessant waren die Stunden mit dem Seminarleiter über Verkaufsförderung. Da waren wir alle wach und aufmerksam dabei.
Und am lustigsten waren ganz eindeutig die Vorträge, die wir erst „trocken“ ohne Kamera und dann zur besseren Analyse mit laufender Videokamera halten mussten. Denn wer von uns hatte seit jeher richtig frei gesprochen? Und vor allem solche durchgearbeiteten Vorträge, wo jeder Satz an einer bestimmten Stelle kommt nach einem bestimmten System... Und möglichst anschaulich und faszinierend und mitreissend für die Gäste. Direkte Ansprache, der rote Faden, anschauliches Sprechen waren einige der Schlagwörter, die mir heute noch im Kopf rumgeistern, wenn ich an diese zwei Wochen denke. Wie bekommt man einen Gast dazu, im Kopf bereits den Ausflug im Phantasiefilm zu erleben und sofort danach buchen zu wollen? Wir bekamen dafür unser Handwerkszeug.

Das gesamte Seminar war die Vergabe des Handwerkszeugs, denn in der Destination würde es dann doch überall unterschiedlich gehandhabt werden.

Gegen Ende der zwei Wochen kam dann der spannende Tag – wer wird wohin geschickt?? Die Destinationen waren vorher schon bekannt gegeben worden und wir durften eine Wunschliste mit drei Orten abgeben. Es hatten sich natürlich schon Freundschaften gebildet und man hoffte zusammen an einen Ort zu kommen.
Und da sassen wir dann – wie bei der Bekanntgabe der Prüfungsnoten, wer ist durchgefallen wer ist weiter? Die Umschläge wurden verteilt und brachten Freuden- und Jubelschreie zutage sowie auch Entäuschung und Tränen. Bei mir brachte der Umschlage Freude zutage, denn ich bekam die Destination, die mit auf meiner Wunschliste stand


** KRETA **

Zwei meiner kleinen Clique, die sich inzwischen gebildet hatte kamen hatten ebenfalls auf dem Bogen HER stehen – was für Heraklion steht, die Hauptstadt Kretas und auch der Hauptanflughafen. Also Ende Februar heim und Anfang März wieder los. Erstmal musste ich nach München, weil die gesamte Truppe geschlossen von einem Flughafen aus fliegen sollte. Es gab keinen passenden Zubringerflug, so bekam ich einen Mietwagen. Ich allein im Auto von Frankfurt nach München – im totalen Piss-Regenwetter (man möge mir diesen unflätigen Ausdruck verzeihen). Angekommen in München traf ich nach und nach bekannte Gesichter vom Einstellungtreffen. Und dann kam der erste Schock – ich hatte doch etwas Übergewicht... heeee, nicht ich natürlich! Mein Koffer! Für acht Monate packt man doch eine Menge ein. Und diese Kilos kosteten mich schlappe 110,00DM.. ufzi – meine Bargeldreserven litten schon vor dem Abflug. Gudi, dann mal los.
Da es ja noch vor der offiziellen Saison war mussten wir über Athen fliegen. In Athen umgestiegen in Olympics – wobei die ihren ehrenhaften Namen keine Ehre erwiesen. Wohl eher in der Disziplin unfreundlichster Service an Bord... Aber das sollte uns nicht weiter stören – wir waren alle schon sehr aufgeregt. Zumindest diejenigen der Gruppe, die den ersten Einsatz hatten.

Gelandet auf Kreta – ganz einsam noch an dem kleinen Flughafen – kam eine schöne Überaschung: wir bekamen alle ganz niegelnagelneue Autos! Süsse weisse Citroen Saxxos mit gerade mal 20km auf’m Tacho, die sie vom Hafen bis zum Parkplatz am Flughafen gefahren waren. Yeeeahh Baby – her mit der Kutsche! Und rein mit dem Gepäck. Wir fuhren dann erstmal geschlossen zum Büro, wo die erste Vorstellungsrunde stattfand und wir unsere Wohnungen zugeteilt bekamen. Wer fährt mit wem als Leitwolf in welche Richtung etc. Ich bekam – oh welch Glück – eine ganz neue Wohnung, direkt neben einer Freundin, die mit vom Seminar gekommen war. Vorteil neue Wohnung – Nachteil Vermieter... uuuhhh welch ein Graus war diese Familie. Hildegard – Mami aus Deutschland verheiratet mit einem Griechen, empfing uns mit Kuchen und Kaffee – lecker ja, aber das wog gar nichts auf. Die Familienverhältnisse waren mehr als katastrophal und wir waren sehr häufig Zeugen von handfesten Auseinandersetzungen der ganzen Familie – meistens aber Mutter und Sohn. Weiter möchte ich darauf aber nicht eingehen. Nur noch auf Amy! Amy, unsere treue Seele von Boxerbaby! Sooo eine Süsse – wobei ich doch eigentlich immer Angst vor Hunden hatte und sofort die Strassenseite gewechselt habe. Sie brachte uns viel Freude in der Saison dort und wir bewahrten sie eine Weile vor den Zuständen, die sie in dieser Familie erleiden musste...

So, nun aber zum eigentlichen Teil zurück – die Arbeit dort!

Nachdem wir uns eingerichtet hatten trafen wir uns am nächsten Tag alle wieder im Büro und bekamen den Plan für die nächsten zwei Wochen – Ausflüge über ganz Kreta – Juhuuu!!! Denn als Reiseleiter müssen wir uns natürlich auskennen, damit wir gut verkaufen und beraten können.

Neben all der Geschichte, die uns erzählt wurde ist mir doch eine Sache viel mehr im Hirn geblieben von den Ausflügen – Raki! Der selbstgebrannte Schnaps der Bauern auf Kreta – sozusagen Inselnationalgesöff. Morgens um halbzehn brennt der auch schon ganz gut... Und da auf griechisch „Ja“ – „Ne“ bedeutet waren wir rettungslos im Rakisumpf verloren. „Ne, ich will keinen mehr – danke...“ Haha, welcher kretische Bauer versteht schon deutsch? Und voll ist das Gläschen. So wurden die Touren immer freudiger und beschwingter und gesangvoller.....

Gesehen, gemerkt, gelernt und los ging es. Jeder checkt seine Hotels ob alles fertig ist und auch alles noch stimmt was im Katalog steht. Und wir eröffnen die Saison.

Nachdem wir zwei Wochen recht einsam in Chersonissos verbracht hatten, waren wir froh als die Touristen kamen, denn mit ihnen öffneten die Restaurants, Bars, Geschäfte – einfach alles. Die Baustellen waren verschwunden und man konnte tatsächlich auch auf der Hauptstrasse Auto fahren ohne in Sandlöchern zu versinken.


** INFOTREFFS **

Mein erster Infotreff war für mich ein Schweisbad – wobei die Touris ja nicht wussten, dass ich erst anfing und die meisten auch noch nie auf Kreta gewesen waren.
Meine Hilfsmittel waren eine Inselkarte, Fotos, Postkarten und Broschüren, die ich immer passend vorzeigte. Ich zog es vor, die Ausflüge während meiner Erklärung der Insel einzubauen, anstatt am Ende einen Block mit Ausflügen vorzustellen. So dachte ich mir könnten sie sich gleich besser vorstellen wohin die Tour ginge und fänden mehr Interesse. Und es funktionierte. Meine Verkaufszahlen waren gar nicht mal übel. Es ging ja schliesslich auch um den Prokopfumsatz, den der Reiseleiter erwirtschaftet...

Neben den Infotreffs waren wir in den Hotels auch zu den Sprechstunden anwesend, damit die Gäste auch brav buchen konnten – Reklamationen sollte es ja eh keine geben – denn die TUI Gäste sind ja alle höchstzufrieden! Laut Werbeversprechen... aber haste gedacht, gelle!


** UND REKLAMATIONEN GAB ES DOCH **

Mit Reklamationen war es ab und zu auch nicht zu knapp, teilweise verschuldet durch die elenden Überbuchungen der Hotels, die die ganze Saison über voll ausgebucht sein wollten und sich deshalb grösstenteils aus Angst vor Stornos lieber mal schnell überbuchten. Teilweise durch nicht erfüllte Buchungswünsche, durch Ausflüge, die nicht so verliefen wie die Gäste sich das gedacht hatten, über die Qualität des Essens, der Zimmer, der Anlagen oder auch einfach mal der anderen Gäste...
Da musste ich mich anschreien lassen von Gästen weil sie meinten wir wären eine Bande von Neppern, Schleppern, Bauernfängern – ganz einfach weil überall auf der Strasse Ausflüge für etwa den halben Preis angeboten wurden und ich das nicht im Infotreff erwähnt hatte. Ja sollte ich denn? Ich werd mich hüten! Ausserdem werde ich nicht auf ein Produkt minderer Qualität hinweisen, was diese Anbieter zu 90% waren. Da hiess es einfach Ruhe bewahren und nichts an sich ran lassen.

Mein Tagesablauf war an manchen Tagen recht vollgepackt, an anderen entspannend ruhig. Da ich mit die Einzige war, die französisch sprach, musste ich die Betreuung der französisch sprechenden Schweizer übernehmen – das hiess dann manchmal so etwa 12 Infotreffs an einem Tag – Hetzerei von einem Hotel ins nächste. Und das dann immer für zwei bis sechs Gäste pro Hotel... Die wahre Freude. Schwer bepackt mit Aktenkoffer, Kretakarte, Buchungsmaschine für die Ausflugstickets und Handtasche war das ein regelrechter Kraftakt. Sport? Eigentlich ja fast nicht mehr nötig! Trotzdem war es meine bisher sportlichste Zeit in meinem Leben – denn der Robinson war nicht fern und in diesem verbrachten wir einen grossen Teil unserer Freizeit ;-)) Bei feinen Buffets und viel Sport, bei Partys und Shows. Einfach klasse!
In allen Hotels, die wir betreuten durften wir auch kostenlos essen, Getränke mussten teils bezahlt werden, aber da fanden sich auch immer Mittel und Wege – ist doch klar!


** IM BÜRO **

Nach vor oder zwischen den Hotels fuhr ich in etwa jeden zweiten oder dritten Tag ins Büro, um meinen Papierkram zu erledigen. Die Listen und Unterlagen wurden immer per „Comail“ mit einem Kollegen geschickt, wenn man sie nicht abholen konnte. Aber für Abrechnung, Listen und Formulare wieder hinbringen, etc mussten wir schon selbst kommen.
Auf Kreta hatten wir ein super Büroteam, das wirklich den ganzen Tag für uns erreichbar war. Was auch immer wir brauchten – ein Anruf genügte und jemand half uns weiter. Das habe ich später in Tunesien leider nicht mehr so erlebt.
Wir kümmerten uns für die Gäste um
-Umbuchungen der Hotels
-Umbuchung der Flüge
-Buchung der Ausflüge
-Bearbeitung der Reklamationen mit evtl Rückerstattung oder Ausgleich
-Informationsbeschaffung


** MULTIFUNKTIONALITÄT DER REISELEITUNG **

Allerdings waren wir auch Kindermädchen, Krankenschwester, Psychologin, Vermittlerin, Infostelle, Heul- und Kummerkasten, Stelle zum Tratschen, Beraterin, etc und so weiter und so fort... Es ist im Prinzip ein Beruf mit vielen Berufen in sich verschachtelt. Wie oft erzählten mir die Gäste ihre diversen Erkrankungen im Detail (brrrr...), klagten über miese Familienverhältnisse (vorwiegend ältere Leute), fragten mich über mein Leben aus (was ich geschickt umging) oder klebten sich einfach nur an mich, weil sie einsam und alleine unterwegs waren (so leid sie mir auch tun, aber um das Leben der einzelnen Gäste kann ich mich wirklich bei Leibe nicht kümmern...).
Ich erlebte heftige Ehekrisen mit und auch handfesten Streit wo der Mann seiner Frau schon mal ein paar verpasste. Ich erlebte aber auch schöne Momente, wo jemand nach einem besonderen Arrangement fragte, weil er seiner Liebsten einen Heiratsantrag machte oder sie ihm sagen wollte, dass sie schwanger ist. Ich erlebte von allen Seiten etwas und das ist das schöne an diesem Job. Es wird nie langweilig, denn jeder Tag bringt neue Gäste und somit neue Situationen. Die einen zum Lachen, die anderen zum Weinen; die einen zum Erstaunen, die anderen einfach nur zum Schreien...


** AM FLUGHAFEN **

Neben all den Hoteltagen gab es auch unsere Flughafentage, an denen wir für Ankunft oder Abflug am Flughafen in Heraklion eingeteilt waren. Dies waren auch sehr amüsante Tage, wenn auch sehr stressig und arbeitsreich. Es ist ja nicht so, dass brav eine Maschine nach der anderen landet und man sich gemütlich um einen nach dem anderen kümmern kann. Nein, alle Gäste kommen gleichzeitig vom Gepäckband auf einen zu und wollen sofort in ihr Hotel. Leider wissen die meisten aber erstmal gar nicht was sie gebucht haben und laufen entweder zum falschen Reiseleiter (obwohl jeder gut sichtbar eine Tafel mit dem Namen hoch hält). Und dann kommt die Frage nach dem gebuchten Hotel:

RL: Welches Hotel haben Sie gebucht?
G: Na, TUI.
RL: Ja, das ist richtig, aber in welchem Hotel werden Sie Ihren Urlaub verbringen?
G: Na das müssen Sie doch wissen, Sie sind doch die Reiseleitung...

Ja klar! Weiss ich, steht Ihnen ja auch auf die Stirn geschrieben. Also Ticket rausholen und nachschauen – das raubt Zeit und blockiert den Verkehr. Der Flughafen ist klein, die Ankunftshalle eng. Da will man die Gäste möglichst schnell nach draussen befördert haben. Draussen warten dann die Kollegen, um die immer noch verwirrten Gäste zu den Bussen zu weisen.

RL: Welche Busnummer suchen Sie?
G: Na, ich weis nicht? Den von TUI.
RL: Ja wir haben aber viele Busse. Welche Nummer hat Ihnen der Kollege an der Tür eben genannt?
G: Duu, Heinz – welche Nummer hat der Mann eben drinnen zu uns gesagt??

Und schon geht die Suche weiter...Ticket wieder raus – nochmal auf der Liste gesucht und die Richtung gezeigt. Wie werden diese Gäste es wohl schaffen alleine den Urlaub zu verbringen? Werden sie einfach auf der Insel verloren gehen??
Höchst verwundert sind sie dann, wenn man schon weis zu welchem Hotel sie wollen, bevor sie überhaupt den Mund aufgemacht haben. Tja, die hellseherischen Fähigkeiten der Reiseleiter sind einfach umwerfend! Und die dick und fett beschrifteten Kofferanhänger der Gäste sehr aufschlussreich ;-)


** WAS WAR IN TUNESIEN ANDERS? **

In Tunesien, meiner zweiten Destination, die ich im Sommer 2000 besuchte, verliefen die Flughafentage ähnlich. Allerdings anstrengender von der Organisation her. Ich war in Hammamet eingesetzt und der Flughafen von Monastir ist gute eineinhalb Stunden entfernt. Wir durften nicht mit den Autos kommen, sondern mussten mit den Transferbussen fahren. Bei Morgenschichten war das noch ganz ok, so konnte man noch eine Weile im Bus schlafen, wenn es mitten in der Nacht um 2.00h los ging. Aber sonst war es eher zeitraubend, weil wir mit dem Auto doch wesentlich schneller gewesen wären.

Auch das Büro war in Tunesien leider nicht so super organisiert wie auf Kreta – wir hatten nur ein kleines „Ablegerbüro“ in Hammamet, das Hauptbüro war in Sousse und für uns viel zu weit weg. Die Erreichbarkeit war sozusagen nur halbtags und so mussten wir alles selbst regeln. Mehr Arbeitsaufwand, weniger Freizeit. Wir mussten die Rechnungen für die Hotels mit den Vouchern vergleichen, was auf Kreta vom Büro gemacht wurde. Wir mussten Umbuchungen zwischen den Hotels selbst vornehmen und eine Menge rumtelefonieren, damit jeder auch darüber Bescheid weiss... etc. pp
Ein Auto hatte ich in Tunesien auch – einen süssen kleinen Peugeot 106. Fuhr sich super! Ich hatte meine Autos lieb – ja wirklich. Sie waren meine ständigen Begleiter und hörten sich all meine Klagen und Flüche kommentarlos an... Leider hatte ich zunächst aber keine Wohnung, sondern musste in einem Hotel hausen, was der Dauerunterbringung einfach nicht würdig war. Es war das älteste Haus am Platz und das merkte man auch. Kurzentschlossen suchte ich mit einer Kollegin zusammen eine Wohnung und durch Beziehungen fanden wir eine Neubauwohnung mitten im Zentrum der Stadt. Zu einem schlichtweg abartig günstigen Preis. Aber das zahlt frau ja nicht selbst! Die TUI muss uns schliesslich die Unterkunft stellen – wir würden so ja schon für einen Teil der Verpflegung aufkommen müssen – also bitte!! Also wurde das auch geregelt und mit dem Reiseleiterplatz im Hotel verrechnet. Ja, man muss nur wissen wie... auch wenn der Chef es nicht weiss... pssst!

Was sich auch änderte war mein Verdienst. Klar, das Grundgehalt von etwa 1200,00CFR (oder wie kürzt man Schweizer Franken nochmal ab??) blieb gleich, aber ich verdiente wesentlich weniger an Spesen und Provision als auf Kreta. Die Spesensätze waren hier niedriger und die Provision fiel auch geringer aus. Ebenfalls dadurch, dass die Verkaufszahlen nicht überall so rosig waren wie in meinen Hotels auf Kreta. Auf Kreta konnte ich von meinen Spesen leben und sparte mir die gesamte Provision. In Hammamet konnte ich die Provision nicht zurück legen. Allerdings floss mein Gehalt jeden Monat brav aufs Konto und so sparte ich über die Zeit hinweg ein schönes kleines Sümmchen an. Wer schön sparen will hat bei solchen Jobs die besten Möglichkeiten!


** ÜBERSICHT IN STICHPUNKTEN **

Im Allgemeinen kann man den Job in Stichpunkten einmal so beschreiben:

Aufgaben:
-Betreuung der Gäste von der Ankunft bis zum Abflug
-Bearbeitung von Reklamationen
-Bearbeitung von Umbuchungen (Hotel und Flug)
-Buchung von Ausflügen
-Begrüssung und Verabschiedung am Flughafen
-Infotreffs halten
-Administration in Form von Berichten, Formularen über Reklamationen, Umbuchungen, etc. Abrechnung

Die Reiseleitung ist die Schnittstelle zwischen Reiseveranstalter, Gast und Hotel.

Konditionen:
-freie Unterkunft und Verpflegung (ob in einer Wohnung oder einem Hotel ist Destinationsabhängig)
-Auto (in vielen Fällen, ist aber kein Muss)
-Grundgehalt von (damals) etwa 1200,00CFR (wobei sich das heute geändert haben kann, Franken deshalb, weil die TUI über eine schweizer Agentur anstellte)
-Provision auf die verkauften Ausflüge (damals 2% - heute?? Auf jeden Fall weniger!)
-Spesen für die Verpflegung
-Flug in die Destination und am Ende der Saison nach Hause
-Unfall und Krankenversicherung weltweit (dürfte heute eigentlich auch noch so sein)

Arbeitskonditionen:
-Sechs-Tage-Woche
-Keine Überstundenzählung – es wird gearbeitet bis die Arbeit fertig ist
-Betreuung von 4 bis 6 Hotels (bei TUI, bei Neckermann weiss ich dass es meistens mindestens 8 Hotels sind, oft aber eher 10 oder auch mal mehr)
-Büroarbeit
-Flughafendienst bei Ankunft und Abflug
-Transferbegleitung vom und zum Flughafen

Erfahrungsgehalt: sehr hoch!
Abwechslung: sehr viel!
Aufstiegsmöglichkeiten: eher gering, weil wenige Stellen in der oberen Riege frei sind. Da müsste man dann in die Zentrale nach Deutschland wechseln.
Einstellungschancen: mittlerweile nicht mehr so gut, da sehr viel lokale Mitarbeiter eingestellt werden (sind viel billiger als wir teuren Deutschen im Ausland!)


** FAZIT **

Ich kann diesen Job jedem mit Fernweh im Blut empfehlen. Man ist viel unterwegs und durch den fahrbaren Untersatz (den man in den meisten Gebieten hat) sehr mobil. Ihr lernt durch diesen Job das Land wirklich kennen, denn ihr müsst es ja verkaufen (in Form der Ausflüge). Ihr seid nicht nur in den Touri-Ecken unterwegs, sondern lebt auch das Alltagsleben der jeweiligen Region mit.
Ein Nachteil ist, dass man nicht lange mit den Kollegen zusammen bleibt, die man in der Saison kennengelernt hat (kann in Fällen der Antipathie ja auch sehr hilfreich sein..), denn nach der Saison heisst es in 98% der Fälle Abschied nehmen. Aber man sieht sich häufig wieder – denn die Welt des Tourismus ist sehr klein! Selbst Gäste habe ich nach über vier Jahren hier in Sharm El Sheikh wieder getroffen – die natürlich mich erkannt haben und nicht ich sie, denn so viele Gesichter – wer kann sich die schon merken.

Ich bin froh, dass ich diesen Job gefunden hatte, denn so habe ich zwei Sommer voller Abwechslung verbringen können und habe viel dazu gelernt.

In diesem Sinne – viele Grüsse an alle Fernwehgeplagten, die mit mir unter dieser wundervollen „Krankheit“ leiden.

Silke@Yopi und anderen Meinungsportalen zu lesen (unter gleichem Usernamen)

31 Bewertungen, 5 Kommentare

  • jjoana

    19.05.2005, 23:30 Uhr von jjoana
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hast du die Ausbildung im Reisebüro gemacht? Hat man bei mittlerer Reife auch Chancen? Bin seit etwa 1,5 Jahren in der Einzelhandelsbranche fest angestellt, überlege aber jetzt, ob ich nicht eine neue Ausbildung als Reiseverkehrskauffrau machen s

  • April

    20.01.2005, 22:33 Uhr von April
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einfach ein genialer Bericht, den ich verschlungen habe ;-)! LG April

  • retilein

    11.11.2004, 14:31 Uhr von retilein
    Bewertung: sehr hilfreich

    klasse informativ geschrieben und die 3. station ?

  • miss_varna

    09.11.2004, 00:37 Uhr von miss_varna
    Bewertung: sehr hilfreich

    ....vieles kommt mir sehr bekannt vor, habe auch einmal eine Saison als Reiseleiterin gearbeitet - ein Job, der verdammt schlaucht und nicht der Traumjob ist, für den ihn so viele Urlauber halten.

  • redwomen

    07.11.2004, 20:22 Uhr von redwomen
    Bewertung: sehr hilfreich

    ein super toller Job für alle diejenigen welche es mögen für längere Zeit von zu Hause weg zu sein. Für mich persönlich wäre dieser Job *denke ich* überhaupt nichts. LG Maria