Die Welle (Taschenbuch) / Morton Rhue Testbericht

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Erfahrungsbericht von Gering

...das passiert doch nie wieder....

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

+++In Frankreich demonstrieren 300.000 Menschen gegen Le Pen und der Tatsache, dass eben dieser rechtspopulistische Politiker doch tatsächlich den Sprung in die Stichwahl geschafft hat.+++ In Deutschland atmen die Politiker auf, dass die Schillpartei eben nicht den Sprung in das Parlament von Sachsen – Anhalt geglückt ist .+++ Das BKA meldet eine dramatische Zunahme rechtsradikaler Straftaten binnen Jahresfrist.+++


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Ben Ross ist ein junger und engagierter Lehrer an der Schule von PASO ALTO, der im Schuljahr 1968 einen Kurs in Geschichte anbietet. Thema ist die Entwicklung in Deutschland vom Kaiserreich bis zu Hitlerdeutschland.
Ben Ross scheint ein liebenswerter Typ zu sein, der sich in die Themen, die er unterrichtet, hineinsteigert und versucht, sie seinen Schülern so nah wie möglich zu bringen. Das bringt ihm Lob aber auch Tadel ein: Einige seiner Kollegen sind neidisch auf seinen Unterricht, der vielen Schülern gefällt, andere wiederum meinen, er müsse sich eben noch die Hörner abstoßen, und lernen, wie man „richtig“ zu unterrichten habe.
Wie viele Lehrer so ärgert sich aber auch Ben Ross über gewisse Verhaltensweisen der Schüler: Die Einführung der inoffiziellen gleitenden Arbeitszeit, was das Erscheinen der Schüler zu Stundenbeginn meint, oder aber, dass Hausaufgaben eben als eine freiwillige Freizeitbeschäftigung aufgefasst werden.
Auch das „is mir egal“ den Noten und dem Schulerfolg gegenüber, das einige Schüler an den Tag legen, führen beim ihm zumindest zu großer Nachdenklichkeit.

Die Frage einer Schülerin des Kurses, mit dem er gerade einen Film über den HOLOCAUST angesehen hat, warum denn niemand in Deutschland die Nazis aufgehalten habe, und die Tatsache, dass er keine adäquate Antwort geben konnte, stürzen in eine tiefe Nachdenklichkeit.
Wie kann man Schüler heute, 70 Jahre danach, deutlich machen, wie sich Täter, Opfer, Mitläufer damals gefühlt haben, aus welchen gründen sie dieses oder jenes verhalten an den tag gelegt haben? Warum hat die breite Masse zugesehen, wie eine Minderheit mit roher Gewalt ein ganzes Volk knechtet, Millionen tötet? Warum behaupten die Deutschen nach dem Krieg, sie haben von nichts gewusst?

Ben Ross entschließt sich, ein Experiment mit seinem Geschichtskurs durchzuführen, dass aber recht schnell zu einem Selbstläufer wird und sich verselbstständigt: Von den Anfänglichen Versuchen zur Disziplin am Beispiel des Unterrichts um die Jahrhundertwende und noch später (zumindest vor der Reformpädagogik), wird schnell eine Idee und aus der Idee eine Bewegung, die deutliche faschistische Züge trägt:
Ben Ross wird (unfreiwillig) zum „Führer“ der Bewegung, der psychisch labile Robert, ein Außenseiter, zu einem „Leibwächter“. Nichtmitglieder werden ausgegrenzt, Mitglieder erhalten besondere Rechte.
Die Analogie zum berühmten Milgram Experiment legen hier auf der hand.

Schließlich spitzt sich die Lage zu, die Bewegung wird zur Gefahr ......

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Morton Rhue beschreibt in diesem Buch den tatsächlich durchgeführten Versuch eines Lehrers, etwas sicherlich in seiner Gänze nicht beschreibbares den Schülern einer Zeit, in der das Nachempfinden durch den langen zeitlichen Abstand und durch das Fehlen von Zeitzeugen immens erschwert ist.
Der Lehrer wollte den Schülern den Gruppenzwang aber auch den Gruppenhang hin zu einem Leitwolf deutlich machen. Was später daraus wird, das konnte der Lehrer zu Beginn des Experimentes, dass eigentlich nur auf eine Stunde angesetzt war, nicht erkennen.

Die Handlung, die Idee des Lehrers gehen sicherlich in eine spezielle soziologische Richtung (Adorno), sprechen aber auch heute noch eine deutliche Sprache. Die Anfälligkeit auch von Außenseiten für eine heilsversprechende Bewegung, der Hang des Menschen, sich in der Masse verstecken zu wollen, die Kraft, die das Aufbegehren des Einzelnen gegen dieses Masse kostet und dazu die Zivilcourage, nein zu sagen, auch wenn man von allen Seiten bedrängt wird – das gelingt in dieser Skizze des Experimentes. Das gilt für Parteien ebenso wie für Sekten.

Auch wenn Rhue nur eine verkürzte Handlung darstellt – im Nachwort zum buch kommt der „echte“ Ben Ross zur Sprache, der lange, lange zeit nach dem Experiment noch durch Gespräche die Folgen für die Schüler zu kompensieren wollte -, beliebt es ein beeindruckendes Jugendbuch, dass dazu geeignet ist, zumindest das Nachdenken über das Dritte Reich zu ermöglichen, auf eine den Schülern zugängliche Ebene zu stellen und so in Ansätzen das Verstehen zu ermöglichen, was damals geschehen sein muss, damit am Ende so viele Wehrlose Opfer des NS- Regimes werden konnten.

Das Jugendbuch lässt sich nicht vergleichen und auch nicht bewerten mit bzw. wie ein korrekter Roman: Personenskizzen sind eindeutig als Typ angelegt, nicht individuell. Die Handlung hat Sprünge, es bleiben Fragen offen etc. Literarisch also kaum ein Meisterwerk, vom Inhalt und von der Wirkung her aber für Jugendliche ein Lehrstück.


Michael

17 Bewertungen, 2 Kommentare

  • eva.z

    27.10.2002, 13:55 Uhr von eva.z
    Bewertung: sehr hilfreich

    guter bericht

  • Mr_Jingels

    27.04.2002, 11:44 Uhr von Mr_Jingels
    Bewertung: sehr hilfreich

    Habe das Buch in der Schule in Deutsch und Englisch durchgenommen. Ist aber schon ne weile her. VG