Richter Alexander Hold Testbericht

Die Glocke schlägt 16 Uhr. Auf Sat 1 hebt sich der Vorhang für die Fantasien unausgelasteter Science-Fiction-Autoren der unteren Mittelklasse, die sich in einer Pseudo-Realityshow so richtig auslassen können.

Das Ganze nennt sich dann Richter Alexander Hold.

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Dies ist nun der Auftakt zu meinem sensationellen Vergleich der drei populär(st)en Gerichtsshows auf Sat 1 sowie RTL... (Wer guckt denn schon Streit um Drei auf ZDF, obwohl das qualitativ viel besser gemacht ist, da man dort auch Parallelen zur Realität herstellt.)
Sei’s drum.
So, fang’wer an mit dem guten Herrn Hold, der uns da um 16 Uhr entgegenflimmert ....

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Richter Hold, der dunkle Lockenkopf, dem ständig ein ironisches Lächeln um die Lippen spielt, hat großen Spaß daran, exorbitante Ordnungsstrafen zu verhängen, wenn die lieben Angeklagten, intriganten Zeugen und generell involvierten Zuschauer mal über die Stränge schlagen.
Mit Peanuts gibt er sich da gar nicht erst ab und knallt den Bösen Buben gleich 200-300 Euro rein.

Mit ruhiger Stimme hört er sich an, was die Geladenen zu sagen haben. Man könnte den Gerichtsspaß auch als Feuerwerk des Sarkasmus’ bezeichnen, denn davon versprüht der Inbegriff der Sat1-Gerechtigkeit jede Menge.

Aber fangen wir doch mal von vorn an:

In einem chicen Gerichtssaal (da hat man sich Mühe mit gegeben!) haben sich die Pseudosünder zu verantworten. Das Übliche eben: Personalien aufnehmen, ein bisschen auf der Anklagebank herumlümmeln und dem Staatsanwalt zuhören, wie der die eigenen Untaten wie in einer Märchenstunde vorträgt.
Nur sagt er nicht „Und wenn sie nicht gestorben sind...“ sondern „Vergehen strafbar gemäß Paragraph soundso, Absatz soundso...“

Der Staatsanwalt, Sewarino Kirkitaze, der ein bisschen ausschaut wie Stephen Rea in „Interview mit einem Vampir“, ist eher unauffällig und hält sich auch zurück, wenn nicht gerade die Post im Gerichtssaal abgeht.

Demgegenüber die Verteidiger. Am Auffälligsten wohl die gute blonde Frau Verteidigerin, deren Namen ich gerade nicht weiß. Am schönsten ist es immer, wenn sie in ihren Plädoyers voller „äh“ und „hms“ wieder mal auf die Erziehung und Vergangenheit des Opferlamms hinweist. Da macht das Hingucken irgendwie schon Spaß. Aber nur Irgendwie.

Tja, und dann ein paar Geschichten aus den Untiefen des kriminellen Hirns. Ich glaube, von einfachen Mini-Diebstahl über Verleumdung bis hin zum Mord war schon alles dabei.

Doch halt: Das ist – wie zu Beginn schon angedeutet – alles gar nicht echt. Wir sind bei Richter Alexander Hold nicht die schamlosen Voyeure einer Straftat, die sich hinter der sicheren Abdeckung der Fernsehröhre die Geschichten deutscher Landen reinziehen und nebenbei ins Polster furzen.
Nein, diese Geschichten sind alle nur ausgedacht, und ich bin der Meinung, dass man das auch sehen kann.

Es wird bei dieser Show eindeutig auf Sensation hingespielt. Der Täter ist fast nie derjenige, der es zu sein scheint. Die Zeugen haben immer eigene dreckige Wäsche zu waschen. Außerdem gibt es meist nur Extreme. Den äußerst schüchternen Verlierer oder den chauvinistischen Aufreißer. Der Banker mit Vorliebe für Bondage oder die kleine naive Blonde, die glaubt, dass sie mehr Weihnachtsgeld kriegt, wenn sie dem Chef einen bläst. Alles nur Klischee, und zwar perfekt inszeniert.
Zwar legt man viel Wert auf Authentizität, doch auch damit kann nicht wettgemacht werden, dass man einfach viel zu dick aufträgt.
Dass das aufklärende Element eines Falles dauernd im Publikum aufspringt und laut dazwischenquiekt, dass im Gerichtssaal aufeinander losgegangen wird und wie perfekt doch ein Baustein ins andere passt, verdirbt den Spaß.
...wenn es denn Spaß ist, sich die Kriminalität nachmittags auch noch ins Wohnzimmer zu holen. Aber machen wir uns nichts vor: Das Böse ist sexy und auf Unschuld haben wir eh keine Lust mehr.

Und daraus zieht der gute Hold auch noch einen Vorteil: Er verknackt die Verbrecher zu Strafen, die man gern in Echt sehen würde. Nicht nur das Ordnungsgeld, sondern auch alle anderen Strafen sind so bemessen, dass sie (im Falle des Falles) richtig weh tun würden.
Das mag der Zuschauer, nehm’ ich an.

Wollen wir der Show noch das eine Zugeständnis machen: Am Anfang war alles noch recht glaubwürdig. (Unsere Fernsehzeitschrift, der olle Spielverderber, schreibt aber trotzdem jeden Tag „Richter Hold verhandelt fiktive Fälle“)
Gut und schön.
Ob ich so was unterhaltsam finde? Na ja, sagen wir mal so. Ob ich eine Stunde Matlock, Mord ist hier Hobby oder Edel und Starck gucke (ich schaue gar nix davon an, aber man wird mich ja hier nach Beispielen fragen), oder ob ich eine halbe Stunde mal so gucke, was denn passieren könnte und wie man darüber debattiert, das ist alles Geschmackssache.

Mein Geschmack ist es nicht. Vielleicht liegt es an dem „könnte“, vielleicht auch daran, dass sich die Autoren dieser Fälle nicht zusammenreißen können und es mit ein bisschen mehr Realität probieren.
Weiß nicht, aber ich kann mir diese Show nicht angucken.

So, meine Damen und Herren. Erheben sie sich, denn Richterin Nosianai verkündet jetzt das Urteil:

„Die Sendung Richter Alexander Hold ist schuldig, meine Zeit am Nachmittag zu verschwenden. Des weiteren wird die Show der Übertreibung in Tateinheit mit Sensationsgeilheit für schuldig befunden.
Urteil: Umschalten.“

Das war’s.
Nosianai