Rickenbacker 360/12 Testbericht

Hallo zusammen und guten Tag
Heute möchte ich Euch gerne meine alte elektrische Gitarre vorstellen. Mit ihr hab ich besonders in meiner Schulzeit einige schöne Schulbandauftritte erlebt und vor gut einem Jahr musste ich sie dann endgültig entsorgen nach einigen Jahren auf den Saiten.
Hier nun der Rückblick auf eine meiner liebsten Gitarren und eine Ode an den wohl besten Gitarrenhersteller den es je gab. Es soll um die Rickenbacker 360 / 12 Jetglow gehen. Zur kurzen Erklärung: Jetglow ist bei Rickenbacker die Bezeichnung für das schwarze Finish.


==@@ Die ganze Story @@==

Rickenbacker baut seit 1931 elektrische und akustische Gitarren und auch E-Bässe; bekannt geworden sind vor allem halbakustische E-Gitarren wie die 360 und 330, denen in den 60er Jahren unter anderem George Harrisson zu großer Bekanntheit verhalf. Den typischen Rickenbacker-Sound verkörpert wohl am besten der mit einer 360/12 (also einer 12-saitigen Gitarre des Modells 360) gespielte Anfangsakkord von "A Hard Day's Night".
So sind die verschiedenen Modelle auch durchweg für ihre Cleansounds bekannt. Stärkere Verzerrung benutzt z.B. Peter Buck von R.E.M. des öfteren (siehe Album "New Adventures in HiFi"). Auch er benutzt eine 360 in der klassischen 6 Saiten Variante, die wohl das bekannteste Modell von Rickenbacker ist. Dieser Test widmet sich genau diesem Modell, jedoch mit 12 Saiten.
Gekauft habe ich diese privat für 1490 €; der Preis scheint aber fast sekundär, denn: Diese Gitarre muss man erstmal in einer deutschen Musikhandlung finden! Und findet man sie dann wirklich, so sind Preise ab 1800 € nicht wirklich die Seltenheit.


==@@ Features @@==

Meine schwarze Rickenbacker 360 ist mit zwei Single Coils in moderner Bauweise mit separaten Pole Pieces ausgestattet; unter Experten tobt ein kleiner Streit, ob sie den alten Toaster-Pickups mit durchgehendem Magneten ebenbürtig sind. Dazu kommen ein Pickup-Wahlschalter (Hals, Brücke, beide) sowie fünf Potis. Vier davon sind klassisch geschaltet: Je einmal Tone und Volume für jeden Tonabnehmer. Das fünfte Poti ist ein Balance-Regler: In der Mittelstellung des Dreiweg-Schalters (beide Pickups aktiv) kann man hier deren Mischverhältnis regeln. Die Klangfarbe (mehr Bässe oder Höhen) kann so mit einem einzigen Potidreh geregelt werden.
Das Griffbrett auf dem schmalen Hals ist lackiert und mit schmalen Bundstäbchen ausgestattet.
Manche Rickenbacker verfügen über einen Stereoausgang, meine 360 / 12 hatte dies nicht, jedoch sind die neueren Auflagen mit einem solchen versehen worden. Letztens hatte ich die Möglichkeit bei einem guten Freund die neue Auflage zu testen, jedoch gefällt mir die Urversion der 360 / 12 vom Klang her um Längen besser. Dieser kräftige Sound bekommt man mit einem Stereoausgang einfach NICHT hin!


==@@ Wie lässt sich die Gitarre handeln @@==

Auf den ersten Blick kann man die Bespielbarkeit der 360 / 12 nur als miserabel bezeichnen: der Hals ist so schmal, dass man beim Akkordspiel schnell eine Saite unbeabsichtigt abdämpft. Die Kombination von Griffbrettlackierung und schmalen Bundstäbchen erschwert es, mit den Fingern der Greifhand an den Saiten entlang zu sliden. Zu viel Kraft darf man mit der linken Hand auch nicht aufwenden, sonst biegt sich der Hals und die Saiten werden verstimmt (was man allerdings auch für ungewöhnliche Bending-Effekte einsetzen kann.)
Die harsche Kritik relativiert sich allerdings etwas, wenn man die Einsatzgebiete dieser Gitarre berücksichtigt: Hier möchte man nicht tappen oder Arpeggios in 32teln runterrasseln; im Wesentlichen ist diese Gitarre eine elektrifizierte Alternative zu einer Akustikgitarre.
Mit etwas Übung jedoch hat man die Gitarre dann im Griff und kann ihr den bekannten Sound entlocken, der diesen Hersteller zu einem der weltweit führenden Gitarrenproduzenten macht! Aber eines ist die Rickenbacker 360 / 12 nicht: eine Anfängergitarre! Es empfiehlt sich, erst einige Zeit auf einer anderen Gitarre, zum Beispiel einer Fender Telecaster, Erfahrungen zu sammeln, bevor man auf diese Königsgitarre umsteigt.
Also, wie gesagt, ohne einen gewissen Standard an Erfahrungen wird jeder Gitarrist an der Rickenbacker 360 / 12 verzweifeln und keinen Spaß daran entwickeln können.


==@@ Sound @@==

Rickenbackers gelten weithin als One Trick Ponys für Cleansounds. In diesem Metier hat sicher auch die 360 / 12 ihre Stärken: Von warmen Sounds über einen Vox bis zu scharfen Surfsounds über einen Fender; diese Gitarre macht alles mit. Gleiches gilt aber auch - bis zu einem gewissen Grad - für Zerrsounds. Peter Buck von R.E.M. ist bekannt für seine Arpeggios im Crunchsound, auch Akkordarbeit im Stil von Rage Against the Machine ist möglich. Etwas anders sieht es bei single notes aus: Die 360 hat rekordverdächtig wenig Sustain; Bendings etwa sind nur selten sinnvoll einsetzbar.
Nun zum Klangbild dieser super Gitarre. Da es sehr schwer ist, diesen Klang zu beschreiben, möchte ich Euch als erstes mal ein Link zu YouTube vorstellen, bei dem ihr an Hand des Beatles Cover „If I needed someone“ einen ersten Eindruck über das Klangbild bekommt:
http://de.youtube.com/watch?v=oqUBfCDh-pU
Weiter ist auch ein Cover der Birds mit dem Titel „Turn, Turn, Turn“ ein sehr gutes Beispiel für den Klang, und hier sieht man auch dass es nicht so leicht ist, diesen Zwölfsaiter so einfach zu bändigen:
http://de.youtube.com/watch?v=3LYXFRREEOI
Nun, der Sound ist sehr voll und rund, um nicht zu sagen, extrem prägnant und unverkennbar. Er ist zum einen extrem rein, aber auch sehr rau und hart. Man kann es einfach nicht in genaue Worte fassen, man muss das Erlebnis Rickenbacker einfach selber hören uns fühlen.


==@@ Meine Meinung @@==

Es ist und bleibt eine Rickenbacker, und gegen Rickenbacker kann man nichts Schlechtes sagen! Klar gibt es gewisse Schwachstellen, die ich weiter oben schon behandelt habe. Jedoch finde ich, wenn man sich eine Gitarre im höheren Preisbereich kauft hat man ja auch schon etwas Erfahrung im Umgang mit dem Instrument. Und wenn das wirklich so ist, so hat man im Umgang mit meiner geheiligten 360 / 12 sicher keine größeren Probleme. Auch wenn es eine gewisse Einspielungszeit bracht, bis man sie zu 100% beherrscht, das spielen macht auf dieser Rickenbacker einfach nur Spaß!
Ich vergebe hier mit einem sehr guten Gefühl 4 Punkte. Einen Punkt ziehe ich ab für den Preis und für die Tatsache dass der Klang der neu aufgelegten 360 / 12 nicht an die Urversion heran kommt! An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen dass der Bericht über die Urversion handelt, die man meines Wissens nur noch via eBay erstehen kann. Hier geht der Preis jedoch von 1900 Euro bis open end. Die teuerste die ich finden konnte war bei einem Stand von 2895 Euro. Ein guter Beweis, wie hoch die Nachfrage an diesem Instrument ist.


==@@ Mein Schlusswort @@==

Wer die Chance hat zu einem akzeptablen Preis an eine Rickenbacker 360 /12 zukommen und in Umgang mit Gitarren etwas geübt ist, so kann er ohne Bedenken zugreifen! Nehmt jedoch eine Einspielzeit von etwa 3 bis 6 Monaten in Kauf um dieses wundervolle Instrument wie im Schlaf zu beherrschen. Wie ihr bei meinen beiden youTube Links hören könnt, die Geduld lohnt sich auf alle Fälle.
Das Instrument ist vielseitig einsetzbar und alles in allem auch sehr robust. Die wenigen Nachteile fallen da nicht sehr ins Gewicht und dürften bei geübten Spielern kaum mehr auffallen.

Andrè