Rosenstolz Testbericht

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ab 32,87
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Erfahrungsbericht von Chaoskueken

Bittersüß und sinnlich

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Als eingefleischter Rosenstolz-Fan durfte bei mir natürlich auch das Album Kassengift nicht im Regal fehlen. Im Vorfeld hatte ich nur die Auskopplung Amo Vitam zu Ohren bekommen und war schon ein stückweit gespannt, ob Rosenstolz sich einem neuen Stil hingeben, oder ob es sich um ein einmaliges Experiment auf dem Album handelt.

Sobald ich also vom Erscheinen des Albums Wind bekam, eilte ich in der Mittagspause zu Karstadt und erwarb den neuen Silberling. Am selben Abend noch wanderte dieser - zum Leidwesen meines Bruders (damals wohnte ich noch bei meinen Eltern) - in meinen CD-Player und zeigte, was Anna und Peter wieder zu bieten hatten.

Ich betrachtete das Cover - in einem kräftigen Orange prangt der Titel des Albums drauf - die Rückseite ist in derselben auffälligen Farbe gehalten. Die Vorderseite könnt Ihr ja auf dem Bild erkennen - Anna R und Peter Plate, die beiden Köpfe und Stimmen der Band. Auf der Rückseite sind lediglich Codiernummer (73145439502) sowie die Songtexte aufgedruckt - sehr schlicht gehalten.

Wie immer bei Rosenstolz wurde ich beim ersten hören noch nicht so in den Bann genommen, wie beim zweiten oder spätestens dritten Mal. Keine Ahnung, ob das bei Euch auch so ist, doch bin ich bei jeder Neuerscheinung im ersten Moment fast ein wenig enttäuscht, da die Werke meines Erachtens nicht an Ihre Vorgänger anzuknüpfen schienen. Doch schon beim zweiten "Hörgang" revidierte ich meine Meinung. Ich hatte wieder Zugang zu dem, was Rosenstolz meiner Meinung nach ausmacht: Sie berühren mich ganz tief im Innern, mit dem Zusammenspiel aus Text und Musik. Ich kann mich mit den überwiegend melancholischen Songs sehr gut identifizieren, könnte die umschriebenene Gefühle mit eingenen Worten kaum besser ausdrücken - dann Annas changierender Gesang, mal ruhig, mal klassisch, daß man denken könnte, sie stünde auf einer Opernbühne, dann wieder so schräg und aggressiv. Rock, Pop, Chanson, Klassik, Schlager - alles wird von der Band melodisch an den Mann gebracht, aber bildet dennoch eine eigene Harmonie, verbindet verschiedene Elemente dieser Genres. Deswegen lassen sich Rosenstolz, wie ich finde nicht in eine Schublade pressen. Damit würde man Ihrer Vielseitigkeit keineswegs gerecht.

Das Album erhält man heute für 17,99 EUR bei Amazon.de.

Zwölf Songs findet man darauf plus einen versteckten Bonus-Track, also nun auf zu den Perlen des Albums...

Gestartet wird mit dem Titelträger des Albums: "Kassengift" (3:35). Dieser Song zählt schon zu den schrägeren des Albums. Anna singt mit schriller, provozierender Stimme kraftvoll über das Unangepaßtsein. "Ich bin das Attribut der Schwerkraft, bin das Synonym für 'Out', kreuzigt mich für meine Laster, ich bin meistens viel zu laut". Rosenstolz lassen sich halt nicht in eine Schublade stecken und würden sich nie ganz anpassen ("...hab von Zeitgeist nie gehört"). Es wird keinem Trend hinterhergehetzt, sondern den eigenen Vorlieben nachgegangen... "Ich liebe Kitsch und hasse Ordnung, wenn sie meine Seele stört, fahr nicht Auto, sondern Taxi..."... Ein Song, der wachmacht.

Vom "Song, der nie gespielt wird" kommen wir dann zum "Bastard" (5:31), den zweiten Titel des Albums. Anna singt zart und liebevoll in diesem ruhigen melodischen Song über Liebe, Abhängigkeit von einem Menschen "Jedesmal wenn ich dich sehe, geht die Stunde viel zu schnell und jedesmal, wenn ich dann gehe, ist mein Leben wenig hell"... der Sehnsucht nach einem Menschen... an dem Gefühl und dem Mann scheint sie zu zerbrechen... "Du bist ein Bastard, ein Miststück, bist der Unhold in Person, und ich liege dir zu Füßen, bist des Wahnsinns liebster Sohn". Dennoch sind diese Zeilen sehr intensiv und liebevoll vorgetragen... der Mann ist es ihr wert. Abschließen tut dieses Lied mit Peters langsam ausklingendem Sprechgesang - auch Männer können leiden.

"Kinder der Nacht" (5:21) handelt vom Bühnenleben, vom Schminken bis zum Fallen des Vorhangs. In diesem Song steckt viel Sehnsucht "Kinder der Nacht sind nie am Tag zu sehn, das Sonnenlicht bringt die Wahrheit viel zu nah. Die Bühne wird zur Wirklichkeit, die Wirklichkeit zum Traum..." Dieser Song soll wohl zeigen, wie stark man sich im Rampenlicht auf der Bühne fühlt, wie man diese Unendlichkeit erhalten möchte, doch auch dieser Moment muß zuendegehen. Man kehrt zurück in die anonyme begrenzte Realität...

Dann gelangen wir zu den mystischen Klängen von "Amo Vitam" (3:32), den Song, den ich bisher schon gehört hatte. Er ist ganz anders - ich könnte keinen bisherigen Rosenstolz-Song auch nur annähernd mit diseem auf Latein gesungenem Werk vergleichen. Aber er hat was, nimmt einen in seinem Bann. Annas tiefe Stimme, die Chorklänge im Hintergrund - eine tolle Atmosphäre. Der Text ist kurz und lautet in der Übersetzung: "Ich liebe das Leben, ich liebe den Sex, doch warum bin ich einsam? Ich liebe die Rose, ich sehne mich nach Frieden, doch warum bin ich einsam?" In einem Song sind damit die meisten Rosenstolz-Themen erwähnt: Liebe, Sex, Kitsch (ich nehm die Rose als Symbol dafür, zumal Kitsch bei Rosenstolz absolut keine negative Bedeutung hat), Wunsch nach Frieden und Einsamkeit - gleich zweimal erwähnt. Rosenstolz besingen viel Einsamkeit, Sehnsucht und Melancholie. Deswegen ein sehr kurzer doch aussagekräftiger Song über die Band.

Nun kommen wir auch schon zur Einsamkeit, die in "Amo Vitam" doch gleich zweimal erwähnt wird. Der Song nennt sich "Septembergrau" (4:40), eine triste Melodie, Anna singt mit bittersüßer Stimme "So ne bunte Stadt , und Du fühlst grau, schnelle Liebe macht Dich langsam taub, ... so schwach - so viel gesehn" Rosenstolz kommen bekanntlich aus Berlin, und auch ich lebe seit einem halben Jahr hier und weiß genau, welche Stadt wohl gemeint ist. Die Tristesse einer Großstadt wird hier beschrieben, doch auch die unerklärliche Liebe dazu "So ne trübe Stadt, wenn Regen fällt, doch diese laute Stadt bricht dir das Herz. Das Grau besiegt Dein Wille, denn du wirst niemals gehn." Berlin ist groß, grau und anonym, aber sehr einzigartig, das fesselt. Und gerade solche exzentrischen Menschen wie Anna und Peter müssen sich hier einfach wohlfühlen. Also macht man das beste draus "Ich küß die Lichter für Dich aus, im Dunkeln wirst Du viel mehr sehn....Ich schalt die Stadt für dich auf still, die Ruhe läßt viel mehr hörn". Es wird eine Pause eingelegt, die Sinne geöffnet, schon scheint alles wieder erträglicher, man ist nicht allein.

Weiter geht es mit der "Achterbahn"-Fahrt (4:30). Man ist verwirrt, festgefahren, will fast resignieren... "Ich weiß nicht mehr, wohin...Die Welt ist nicht mehr bunt an sich, weiß weder rein noch raus". Das Erwachsensein ist kompliziert und voller Probleme und Sorgen. Man will ausbrechen aus dieser festgefahrenen Situation "Ich lach nicht mehr, ich heul nicht mehr....Am Ende dieseer Leiter komm ich nicht mehr weiter" man möchte in die Vergangenheit flüchten, ins bunte leben, also "zurück aufs Karussel,... zur Achterbahn..., aufs Reisenrad und wieder angstlos fahrn". Jahrmarktstimmung... buntes Treiben und die Erinnerung an die Kindheit. Eine Flucht aus dem "Einerlei". Anna singt diesen Song mit einer zur Situation passenden fetzigen Stimme.

Nun kommen wir zu einen Song, der mich schon öfter zum hemmungslosen Schluchzen gebracht hat... "Es ist vorbei" (4:02) - ein Song über die Trennung. Als ich dieses Album damals erwarb steckte ich gerade mitten in einer Trennung und versank in diesem Song. "Eben noch warst Du ein Teil der schönen Welt....der Ewigkeit, schon Vergangenheit". Anna singt mit zerbrechlich zarter Stimme, begleitet von Streichmusik - wunderschön melancholisch.

Auch in "Engel der Schwermut" (4:29) wird das Ende einer Beziehung dargestellt. Ich denke, der Moment vor der Trennung, wenn man realisiert, daß nichts mehr ist, wie es mal war. Gefühle sind erkaltet ("Was ist passiert? Was ist geschehn? Deine warme Haut ist nur noch kalt...Du hast mich verführt, bin dir verfalln, du hast mich berührt, was ist passiert?"), der Partner hat sich von einem abgewandt ("was hab ich gesagt, daß du nur noch fort willst? Was hab ich gesagt, daß du mich nicht ansiehst?"). Entweder läßt man sich nun vom "Engel der Schwermut" mit hinunterziehen oder man fängt sich wieder ("...flieg davon!").

In "Du atmest nicht" (3:33) singt Peter aktiv mit, natürlich wieder seinen typischen Sprechgesang. Der Song handelt von unerfüllter Liebe. Das Gegenüber spielt mit dem Liebenden, läßt sich anhimmeln, doch bleibt kalt dabei. "Warum machst du dich so schön, wenn du mich besuchst? ... Berechnung ist wohl Deine Natur. Du liebst nicht, nein - du willt es nur". Auch hat dieser Song einen sehr sinnlichen Touch. "Warum faßt du mich so an, wenn du gar nichts spürst? Warum kommst du mir so nah, wenn ich leiden muß?" Hier kokettiert der Besungene wohl mit seinen Reizen, ohne sich dem Sänger wirklich je hingeben zu wollen. Wer kennt das nicht?

"Total Eclipse" (4:02) wieder ein sehr schriller Song der Band. Anna singt sehr kraftvoll und zeigt gerade im Refrain, daß sie auch einen schrillen opernartigen Gesang problemlos mit diesem schnelleren Beat verbinden kann. Hut ab.

"Die schwarze Witwe" (3:53) ist ein schaurig schönes Lied. Mit sanfter, leicht drohender Stimme besingt Anna, wie sie ihr Opfer erwartet, es einwickelt, ihm Leidenschaft schenkt und doch tödliches Leiden bringt. Ein sehr gelungener sinnlicher Song der Gruppe. "Bringe Stück für Stück das Unheil...denn mein Leib läßt Dich zu Stein gefriern.....Stund um Stunde warte warte ich in meinem Netz, bis die wilde Leidenschaft den Willen besetzt...und dein Leib wird ungeahntes verspürn....Willst du mich, wirst Du für immer vergehn" Eine sehr gefährliche Liebschaft.

Das offiziell letzte Lied dieser CD ist wieder sehr melancholisch und voll von Sehnsucht: "Sag doch" (4:20). Eines meiner Favoriten, weil es mich ganz tief im Herzen berührt. Es handelt von einer abgekühlten Liebe, in welcher einige Fehler geschehen sind und dem Versuch, wieder einen gemeinsamen Weg zu finden. Begleitet wird Annas ruhige, sehnsuchtsvolle Stimme von sanften Klaviertönen. Mein heimlicher Favorit, wer kann nicht mit solch einem Song fühlen?!
Hier also den gesamten Textauszug sollte er Euch nicht wirklich interessieren, könnt Ihr gern drüberwegscrollen):

Bleib doch
Lass mich Deine Wärme spürn
Geh nicht
Will Dich noch einmal berührn

Laß mich noch schlafen und Träumen von Dir
Will nicht erwachend allein sein mit mir

Waren doch gemeinsam schwach
Lagen miteinander wach
Wo ist unsere Sehnsucht hin
Sag doch
Hab ich diese Welt zerstört
Nicht genügend zugehört
Oftmals nur an mich gedacht
Sag doch

Glaub mir
Könnte ich die zeit verdrehn
Weiß ich
Vieles wäre nicht geschehn

Hilf mir und zeig mir die Brücke zu Dir
Fall in die tiefe ertrinke an Dir


Der Bonus-Track ist wieder sehr schräg. Irgendwie ein Experiment. Peters Stimme ist computerverzerrt, Anna legt auf den Rhytmus in ihrer Stimme wert. melodisch keiner meiner Favoriten. Der Song übt Kritik an jenen "Leuten, die vor Weitblick nichts mehr seh'n, die den Gleichschritt niemals scheuten und gemeinsam untergehn". Er regt wieder zum Mitdenken an, zur Bildung einer eigenen Meinung und dem Mut zum Anderssein. Der einzige mir bekannte Rosenstolz-Song, den man als politisch bezeichnen kann.

Schon ist diese CD zuende. Ich kann nur sagen, daß Rosenstolz ihrem Stil treugeblieben sind. Wieder konnte ich in der Melancholie der Songs versinken, oder mich an fetzigeren Tönen erfreuen. Ein tolles abwechslungsreiches und vielschichtiges Album, welches ich jeden Tag hören kann, ohne daß es mir langweilig wird. Die Songs passen einfach zu jeder Stimmung, sind aus dem Leben gegriffen und in einer tollen ehrlichen Sprache umgesetzt, daß man sich selbst oft in Annas und Peters besungener Situation wiederfindet.

Solltet Ihr nun auf Texte oder weitere Infos zu Rosenstolz neugierig geworden sein, findet Ihr alles Wichtige unter www.rosenstolz.de

19 Bewertungen, 5 Kommentare

  • Sirexx

    11.03.2002, 12:17 Uhr von Sirexx
    Bewertung: sehr hilfreich

    toller Bericht...

  • anneogrett

    11.03.2002, 08:51 Uhr von anneogrett
    Bewertung: sehr hilfreich

    super Bericht

  • anonym

    11.03.2002, 02:09 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ach, du auch hier !? *hehe* lg Daniel

  • Denilo

    11.03.2002, 01:23 Uhr von Denilo
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super Bericht!Ich mag Rosenstolz auch sehr!Höre die Musik ständig!!!

  • Pitata

    11.03.2002, 01:00 Uhr von Pitata
    Bewertung: sehr hilfreich

    Phantastischer Bericht - Kenne die Band noch nicht werde aber sicher mal rein hören Tschüss