Rotenburg ob der Tauber Testbericht

Rotenburg-ob-der-tauber
ab 14,94
Auf yopi.de gelistet seit 02/2005

5 Sterne
(4)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von Gemeinwesen

Willkommen im Widerspruch

Pro:

siehe Text

Kontra:

siehe Text

Empfehlung:

Ja

Rothenburg ruft sich mir in diesen Tagen mit Macht in Erinnerung. Zum einen durch die Spam-Mails, mit denen ein in Rothenburg ansässiges Unternehmen mein Postfach in dieser Jahreszeit ziemlich genau im Sechs-Tages-Abstand flutet. Und dann gibt es da noch eine CD von Ex-Deep Purple-Gitarrist Kitschie Blackmore, deren mit dickem Pinselstrich hingeflatschtes Covermotiv mit Rothenburger Plönlein-Ansicht sich auch gut anstelle des berüchtigten „Röhrender Hirsch“-Bildes über Omas Sofa machen würde.


Eines gleich vorweg: Rotenburg schreibt sich tatsächlich ohne „h“. Dann liegt es allerdings nicht ob der Tauber, sondern an der Wümme. Dieses ROW (Kfz-Kennzeichen) hat, anders als das mit AN-Schild („Landkreis Ansbach“) keine nennenswerten mittelalterlichen Bauschönheiten zu bieten, dafür aber ein Porenbetonwerk. Immerhin über das könnte ich an dieser Stelle etwas schreiben, wenn’s denn wirklich um Rotenburg und nicht um Rothenburg gehen sollte.

Ich orientiere mich stattdessen allerdings lieber an dem hier zu bewundernden Bild, auf dem eindeutig das mittelfränkische Rothenburg zu sehen ist und nicht das niedersächsische Rotenburg.

Über das niedersächsische wüsste ich auch gar nicht so arg viel zu sagen. An dem bin ich zwar etliche Male vorbeigefahren, aber summa summarum habe ich in Rothenburg mehr Zeit verbracht als in Rotenburg.

Das letzte Mal besucht habe ich Rothenburg im Herbst 2000. Bitte? Nein, ich glaube nicht, dass so lange her ist, dass meine Informationen zum Thema inzwischen veraltet wären. Denn das ist ja gerade der Clou an Rothenburg: Rothenburg ist eine Art Freilandversuch, die Zeit, zumindest in städtebaulicher Hinsicht, anzuhalten. Rothenburg ist gewissermaßen das europäische Pendant von Dodge City. Mit anderen Worten: ein Freilichtmuseum; allerdings eines, das bewohnt ist. Ich stelle mir das Leben in Rothenburg nicht einfach vor, denn es dürfte eines mit ziemlich strengen Auflagen sein. Rothenburgs Kapital ist natürlich das mittelalterliche Stadtbild, und das möchte man natürlich weitgehend konservieren. Deshalb sucht man, um ein Beispiel zu nennen, in Rothenburg die typischen rot-gelben Leuchtreklamen einer gewissen Imbisskette vergeblich. Das heißt allerdings nicht, dass die Bulettenbrater in Rothenburg nicht mit einer eigenen Filiale vertreten wären – man erkennt sie einfach nicht auf den ersten Blick, weil anstelle des üblichen Firmenschildes ein metallener Ausleger über der Ladenfront hängt. Mit anderen Worten: In Rothenburg sieht die Fassade einer Mc Donald’s-Filiale so aus, wie ein Schnellimbiss im Mittelalter ausgesehen hätte.

Und genau hier treten natürlich auch die Widersprüche zutage, die ein wesentlicher Teil des eigentümlichen Charmes von Rothenburg sind: In Rotheburg treffen so ziemlich an jeder Ecke Welten aufeinander. Zum einen begegnen einander hier Mittelalter und Neuzeit, zum anderen treffen Besucher aus aller Herren Länder aufeinander. Auffällig viele davon sind Japaner, und die meisten davon erfüllen landläufige Klischees vom japanischen Touristen als einem unablässig filmenden und fotografierenden Wesen aufs Trefflichste. Der Rathausplatz von Rothenburg dürfte zu den Orten der Welt gehören, die sich umfassendster filmdokumentarischer Behandlung erfreuen. Besonders zur Mittagszeit richten sich die Objektive erwartungsvoll gen Rathaus. Das fungiert nämlich dann als eine Art überdimensionierte Kuckucksuhr. Der Unterscheid: Im Törchen über der Rathausuhr ist zur Mittagsstunde kein Piepmatz zu sehen, sondern es erscheinen der schwedische Feldherr Tilly und Rothenburgs Bürgermeister Nusch. Letzterer tut dann den so genannten Meisterschluck: Durch Leeren eines zwo Liter fassenden Humpens soll der wackere Mann die ihm anbefohlene Stadt dereinst vor dem Besatz durch die marodierenden schwedischen Truppen bewahrt haben. Wer jetzt unwillkürlich an Animatronics-Puppen denkt, die die Freizeitparks der Republik bevölkern, ist mir seelenverwandt.

Wenn das Klicken und Surren der Kameras verstummt ist, verstreut sich die Schar aus aller Herren Länder dann wieder, stromert durch die engen Gassen und läuft einem erfahrungsgemäß zielstrebig stets dann ins Bild, wenn man das Rothenburger Plönlein, das wahrscheinlich bekannteste Fotomotiv Rothenburgs, abzulichten versucht. Übrigens nicht nur bei strahlendstem Sonnenschein, sondern durchaus auch an bedeckten Tagen: Rothenburg ist, so mein Eindruck, immer überlaufen – und ich frage mich, wie die Rothenburger mit dem anscheinend nie abebbendem Besucherstrom klarkommen.

Wenn der sich nicht durch die Gässchen windet, verläuft er sich in die zahlreichen Andenkenläden, die all das feilbieten, was man im weitesten Sinne mit urdeutscher Gemütlichkeit und holzgetäfelter, butzenscheibiger Hutzeligkeit verbindet – sprich: Zinnteller, Bierkrüge, Zierschwerter; eben der ganze Krempel, den Herr Matsushita und Mister Doe gern kaufen, wenn sie ein Deutschland oder was sie dafür halten mit nach Okinawa oder Spokane nehmen möchten.

Ein, zwei Besucherstätten verdienen in meinen Augen besondere Erwähnung.

Da ist zum einen das Rothenburger Kriminalmuseum, das mit mittelalterlichen Folterinstrumenten für wohligen Schauder sorgt; zum anderen ist da das nicht minder berüchtigte Unternehmen Käthe Wohlfahrt, dessen Stammhaus in Rothenburg steht. Oder müsste man besser von Stammhäusern sprechen? Es gibt in Rothenburg nämlich zum einen Käthe Wohlfahrts Weihnachtsdorf, zum anderen Käthe Wohlfahrts Christkindlmarkt. Und wie sich erahnen lässt, drehen sich die Sortimente beider Shops um … na, was wohl? Natürlich um die schönste Zeit im Jahr, und zwar ganzjährig.

Womit wir schon wieder beim typischen Rothenburger Widerspruch wären: Wer mit der größten Selbstverständlichkeit mitten in der arabischen Wüste
Golf spielt, wird sicher auch nichts dabei finden, sich bei sommerlichen Außentemperaturen jenseits der 30-Grad-Grenze mit Weihnachtsklängen beschallen zu lassen und sich mit Tannenbaumschmuck zu bevorraten.

Mittlerweile gibt’s die Wohlfahrts-Einrichtungen natürlich auch im Web, und ich habe im Online-Shop sogar schon gekauft – bei Käthe Wohlfahrt habe ich immerhin die traditionelle Weihnachtsgurke für meinen Baum bekommen. Seitdem deckt mich das Unternehmen in kurzen Abständen mit Mails ein und füllt meinen Postbriefkasten mit allerlei Flyern und Broschüren. Die Abbildungen darin erstaunen mich übrigens immer wieder: Ich weiß, dass es Weihnachtsschmuck und Räuchermännchen gibt, die durchaus gefällig und nett anzusehen sind. Die Sachen in den Flyern der Käthe Wohlfahrt aber finde ich wirklich ausnahmslos grauenhaft kitschig. Vor allem eine Kollektion von neckischen Holzmännlein, die man auf den unerträglich um Niedlichkeit bemühten Namen „Holz-Knoddels“ getauft hat, finde ich immer wieder Staunen erregend ramschig. Immer wieder? Jawoll, denn Frau Wohlfahrt schickt mir den Flyer mit dem versoffen wirkenden Weihnachtsmann auf der Vorderseite immer und immer wieder zu; wahrscheinlich in der irren Hoffnung, ich würde irgendwann doch noch einen Folgekauf tätigen.

Eines kann und will ich aber nicht verhehlen: Rothenburg fasziniert. Rothenburg polarisiert. Und ist auf jeden Fall einen Besuch wert – das finden nicht nur Millionen von Besuchern aus aller Welt, die der Stadt jedes Jahr eine Visite abstatten, sondern das finde ich auch. Und wer sich mit eigenen Augen ein Bild machen möchte, für den habe ich an dieser Stelle noch ein, zwei Ratschläge parat: Den Wagen lässt man am besten außerhalb der Stadtmauern stehen – zum Beispiel auf dem Parkplatz am Pulverturm, denn die engen Gässchen erkundet man wirklich am besten zu Fuß. Und wer länger als nur einen Nachmittag in Rotheburg verbringen möchte und auf der Suche nach einem einigermaßen erschwinglichen Quartier ist, sollte sich danach nicht in Rothenburg selbst, sondern in der Umgebung umtun: Der Gasthof „Schwarzes Lamm“ in Detwang ist zum Beispiel eine gute und angenehm bodenständige Adresse.

26 Bewertungen, 7 Kommentare

  • PaterBrown

    25.11.2006, 00:20 Uhr von PaterBrown
    Bewertung: sehr hilfreich

    ...naja, lebendige Geschichte... wären die Autos nicht, würde man sich dort wirklich wie im Mittelalter fühlen... :-)

  • anonym

    24.11.2006, 20:22 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • anonym

    24.11.2006, 18:49 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Da war ich vor vielen Jahren mit meiner Schulklasse auch für ein paar Tage, ist wirklich sehr schön dort! LG Biggi :-)

  • LittleSparko

    24.11.2006, 18:20 Uhr von LittleSparko
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg, daniela

  • swissflyer

    24.11.2006, 18:03 Uhr von swissflyer
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein schönes Wochenende wünscht Dir Patrik

  • Zzaldo

    24.11.2006, 17:59 Uhr von Zzaldo
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh von mir für dich!!!!!!!!

  • Sweeaty

    24.11.2006, 17:55 Uhr von Sweeaty
    Bewertung: sehr hilfreich

    super bericht! :) liebe grüße!!