Rudersport Testbericht

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Erfahrungsbericht von marin

Hau-Ruck

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Als Sportlehrer bin ich schon mit sehr vielen Sportarten in Berührung gekommen. Eine, die an der Sporthochschule zwar gelehrt wurde, aber zum abgelegenen Wahlprogramm gehörte, war Rudern. Entsprechend habe ich mit diesem \"stumpfsinnigen Sport, wo man auf dem Wasser sich nach vorne und hinten schiebt und dabei Wasser bewegt\" (so dachte ich damals) in meiner grauen Vorzeit nichts zu tun gehabt.

Eine Kollegin zettelte vor mehreren Jahren eine Kooperation mit einem örtlichen Ruderverein an. Und suchte prompt noch einen Kollegen, der mit ihr gemeinsam erst eine Ruder-AG und dann noch einen Ruder-Sportkurs in der Oberstufe absolvieren würde. Tja, und da die meisten meiner Kollegen so dachten wie ich, war das ausgesprochen schwierig.
Geködert hat sie mich schließlich damit, daß sie selbst sehr nett ist (und mit netten Kollegen macht man gerne mal \'was Neues) und vor allema ber mit dem Hinweis auf meinen wachsenden Bauch, der sich angeblich beim Rudern im Nu verkleinern würde. Und angeblich würde auch noch meine Wirbelsäule davon profitieren! Wer meine Meinungen kennt, weiß, was ich von Ausdauersport halte - also habe ich mir gedacht, naja, probieren wir\'s mal.

Auf ging\'s. Mit Nicht-mehr-20 kommt man sich ja grundsätzlich bescheuert vor, wenn man irgendwo als der Total-Anfänger in Jogginghosen auftaucht. So stand ich auch beim Anfänger-Rudern im Verein. Gottseidank sah die Kollegin auch nicht viel besser aus! Und die anderen Anfänger gar noch schlimmer. Bauch war jedenfalls keine Seltenheit - puh! Aber so schlimm würde es nicht werden - schließlich hatte ich schon viele Ruderbooteinsätze auf den diversen Seen der Umgebung hinter mir. So viel anders würde das hier auch nicht sein. Also: Brust raus, Bauch eingezogen.

In einem sog. \"Ruderkasten\" wurden wir dann eingewiesen: \"Festgemauert in der Erden...\" war leider (?) keine Glocke, sondern eine nachgebaute Sitzbank wie im Ruderboot. Wenigstens schaukelt das Ding nicht! Nebenan dann ein rundlaufender Wassergang, durch den man die Ruder ziehen sollte. Na - das wäre ja gelacht! Schließlich habe ich die lieben Kleinen oft genug über irgendeinen Teich geschifft.

Aber oh weh - wir saßen ja zu acht in diesem Teil. Und prompt krachte mir der Hintermann in den Rücken, während ich kraftvoll durchzog und dabei dem Vordermann meine Riemenenden in den Rücken stieß. Gegenseitiges \"pardon\" und \"tut mir leid\" wurde nicht gerade dadurch erleichtert, daß die Hinter- bzw. Vorderleute meines Vorder- bzw. Hintermannes weitergerudert hatten und nun ihrerseits sich mit den Rudern verkeilten. Und so soll man sich fortbewegen auf einem richtigen Fluß wie dem Rhein, wo auch richtige Boote schwimmen????

Glücklicherweise hatten wir, na, nennen wir ihn Werner. Werner ist ungefähr 50 und - wie ich mittlerweile weiß - so etwas wie die Seele des Vereins: Kahlköpfig und beleibt, aber durchtrainiert wie kaum einer. Ständig auf und am Wasser. Und unglaublich engagiert. Der half uns beim Entwirren, erklärte, was schief gelaufen war - und auf einmal waren wir alle ganz Ohr. Das hatte ja nichts mehr mit dem Böötchen Fahren auf dem See zu tun!

Nach mehreren Einsätzen im Ruderkasten hieß es dann: Auf den Rhein. Und was so prima im Kasten geklappt hatte, fühlte sich ganz anders an, wenn unter einem richtiges Wasser schwappt.... Das Boot - ein breiter Äppelkahn, der nur zur anfängerschulung eingesetzt wird - kam mir unglaublich schmal vor. Die Ruder kriegte man gar nicht unter Kontrolle. Der Bauch hing ständig zwischen den Riemen. Ey, Mann, wie geht das bloß?! Und schon befahl Wernder \"Uuuuund stoooooßt ab!\" - auf ging\'s auf den Rhein!

Ich muß sagen, die Aufregung dieser ersten Wochen hat sich längst gelegt. Ich bin sozusagen ein \"alter Hase\" geworden. Und Rudern hat für mich seinen Reiz trotzdem behalten. Wenn ich mit meinen Schülern nach dem Ruderkasten das erste Mal wieder auf dem Rheinb in, bin ich stolz. Und freue mich.

Dann setzt wieder die Langeweile ein. Denn die Kribben kennt man nach der 50. Fahrt; man weiß die Strömungen, man kennt die kleinen Hubbel.

Aufregung gab\'s noch mal um die Steuermannsprüfung. Da die Boote sämtlich steuerbar sind, muß einer die Gewalt über\'s Boot haben. Und das ist nicht irgendweer, sondern jemand, der eine solche Prüfung hinter sich gebracht hat. Da ich schließlich unterrichten sollte, war klar, daß auch dies noch auf mich wartete. Da mußte nun so richtig gepaukt werden - WErner war erbarmungslos. Knotenzahl, die Bestandteile des Ruderblatts, die Schilder - selbst die Existenz einer Gierfähre, von der es in ganz Deutschland gerade mal 5 noch gibt - alles mußten wir herbeten und schließlich in einer 3stündigen Klausur testen lassen. So gebüffelt habe ich schon lange nicht mehr!

Wirklich begeistert mich aber noch immer die sog. Wanderfahrtenkultur. Da organisiert jemand (sehr gerne Werner) eine Tour über einen Fluß, den man dann entlangrudert. Übernachtet wird im Zelt (dann wird\'s eng im Boot - es muß ja alles mitgeführt werden) oder in angrenzenden Vereinen. Zwischendrin läßt man sich einfach vom Fluß mitführen, sonnt sich, quatscht, singt, albert, ißt... ein tolles GEmeinschaftsgefühl, das ich nicht mehr missen möchte (mit meinem Ruderkurs mache ich 1x im Jahr eine solche Fahrt - gerne die Mosel oder Lahn entlang, oder den Rhein hinauf). Das schönste Erlebnis war sicherlich eine 14tägige Tour durch die Mecklenburger Seenplatte - die Blasen an meinen Händen waren angesichts der tollen Landschaft und der ungewöhnlichen ERoberung über\'s WAsser schnell vergessen.

Mir macht\'s Spaß, das Bäuchlein ist tatsächlich weniger geworden. Meine Frau beschwert sich auch nicht mehr über die Schwielen an den Händen. Und ich habe erstaunlicherweise begriffen, daß andere Sportarten weitaus stumpfsinniger und weniger naturverbunden sind.

Das findet jedenfalls

Euer
Marin

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