Rufmord - Jenseits der Moral (VHS) Testbericht

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ab 9,00
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Erfahrungsbericht von Sven79

Intrigen im weißen Haus

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Der Präsident der Vereinigten Staaten braucht einen neuen Vizepräsident. Unter mehreren Kandidaten wählt er die Senatorin Laine Hanson. Sie ist jung, sieht gut aus und erst vor kurzem von den Republikanern zu den Demokraten übergelaufen. Der Haken an der Sache ist aber, dass sie erst von einem Rechtsausschuss bestätigt werden muss. Dem aber steht der Republikaner Shelly Runyon vor, der mit allen Mitteln die Ernennung Hansons verhindern will. Unterstützt wird er dabei sogar von Demokraten, die einen anderen aus ihrer Partei der „Überläuferin“ vorziehen. Als schließlich Fotos auftauchen, die die Senatorin beim Gruppensex zeigen, glaubt Runyon leichtes Spiel zu haben, wobei er aber die Kampfkraft der Senatorin unterschätzt hat. Eisern schweigt sie zu den Vorwürfen, weil sie der Meinung ist, dass ihre Privatsphäre den Ausschuss nichts angeht. Aber so leicht gibt sich aber auch Runyon nicht geschlagen und strickt eifrig weitere kleine miese Intrigen.

„Rufmord“ ist ein Sittenbild der (amerikanischen) Politik. In seiner Art erinnert der Film an den hervorragenden ZDF-Mehrteiler „Die Affäre-Semmeling“. Politik ist der Kampf um Macht, in dem Menschen umhergeschoben werden wie Schachfiguren, nur um die eigene Macht zu vergrößern. Dabei werden nicht nur die politischen Ziele außer acht gelassen, sondern auch die Zerstörung einer Karriere in Kauf genommen. Senatorin Hanson scheint die Bigotterie Amerikas zum Verhältnis zu werden, nur weil sie in ihrer Jugend ein wenig über die Strenge geschlagen hat und obwohl ihre politischen Taten überall Bewunderung hervorrufen. Nun gibt es schon einige Filme über Amerikas Bigotterie und auch Intrigen- und Ränkespiele im weißen Haus sind für Hollywood nichts Neues mehr, aber „Rufmord“ von Rod Lurie überzeugt mit Realismus, scharfzüngigen Dialogen und einem großartigen Ensemble.

Lloyd Bridges brilliert in der Rolle des Präsidenten: Keine Frage wem dieser Präsident nachempfunden ist. Mit seiner jovialen, manchmal fast schmierigen Art erinnert er an den Vollblutpolitiker Bill Clinton. Nur ob Bills Hunger so groß gewesen ist, wie der des „Rufmord“-Präsident kann ich nicht sagen. Im Film aber ist es ein Running-Gag, dass der Präsident zu den unmöglichsten Zeiten, die seltsamsten und teuersten Gerichte bestellt. Natürlich ist das dekadent, so bemerkt ein persönlicher Berater im Film, dass wenn das Volk wüsste wie viel die Regierung für Bankette rausschmeißt, es die Herren hochkant aus dem Land jagen würde.

Noch besser allerdings ist Gary Oldman als Shelly Runyon. Perfekt gibt er den intriganten, vom Hass auf Laine Hanson und alle Liberalen zerfressenen Republikaner, der sein Leben dem Kampf gegen den Verfall der menschlichen Moral gewidmet hat. Er wettert gegen Abtreibung, Sex und alle gottlosen. Aber irgendwie bringt er es so rüber, dass man ihn fast ein wenig sympathisch findet, denn immerhin kämpft er für seine Ideale, denn auch im wahren Leben scheint er wirklich ein nach seinen Maßstäben absolut moralisches Leben zu führen. Das war sicherlich auch Oldmans Ziel, denn schließlich ist er auch im wahren Leben bekennender Republikaner. Rein optisch erinnert er als Runyon übrigens stark an Woody Allen. Seine Sprüche manchmal auch: „Maggie Thatcher wurde nur akzeptiert, weil man wusste, dass sie auf Reagan hört.“

Zwischen Brigdes und Oldman darf man aber auch Joan Allen als Senatorin Hanson nicht vergessen. Sicherlich ist auch ihr Spiel der äußerlich starken, aber innerlich verzweifelnden Frau gelungen, allerdings wird ihr eine kleine Drehbuchschwäche zum Verhängnis, denn ihr Spiel während des Films passt so gar nicht zu der Auflösung des Ganzen. Außerdem sind ihre politischen Ziele so gar nicht republikanisch und für eine Demokratin schon ziemlich weit links, ihr Überlaufen wird somit ziemlich unglaubwürdig, aber somit hat der Film wenigstens eine Identifikationsfigur, denn Laine Hanson scheint die einzige wirkliche komplett ehrliche Person in den Reihen der hohen Politiker. Manch ein Kritiker hat das bemängelt, weil dies die genau wie das Ende des Films die Aussage verweichliche. Dazu kann man stehen wie man will, mich hat es jedenfalls nicht gestört.

Fazit: „Rufmord“ ist ein spannender, fesselnder, lehrreicher und bisweilen sogar witziger Politthriller, der in seinen besten Momenten sogar als Satire durchgeht. Alle Actionfans seien allerdings gewarnt: Der Film besteht zum Großteil aus geschliffenen Dialogen und Monologen. Man sollte also schon ein bisschen Spaß am gesprochenen Wort mitbringen.

Vorteile: scharfzüngige Dialoge, Spannung, Ensemble

Nachteile: wird kein großes Publikum finden, kleine Drehbuchschwächen bei der Figur der Senatorin

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Diesen Bericht habe ich auf doyoo als \"Littlechef\" und auf ciao als \"Sven792\" eingestellt.

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